Die Fernen Lande / Acacia Trilogie Bd.2
Roman. Deutsche Erstausgabe
Ein fantastisches Epos mit dem Flair eines großen historischen Romans
Dariel Akkaran ist zwar häufig anderer Meinung als seine Schwester, der Königin von Acacia, dennoch dient er ihr treu. Und auch als sie ihn auf eine...
Dariel Akkaran ist zwar häufig anderer Meinung als seine Schwester, der Königin von Acacia, dennoch dient er ihr treu. Und auch als sie ihn auf eine...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Fernen Lande / Acacia Trilogie Bd.2 “
Ein fantastisches Epos mit dem Flair eines großen historischen Romans
Dariel Akkaran ist zwar häufig anderer Meinung als seine Schwester, der Königin von Acacia, dennoch dient er ihr treu. Und auch als sie ihn auf eine selbstmörderische Mission in die Fernen Lande schickt, gehorcht er ihr. Er hofft herauszufinden, warum seit vielen Jahren mit königlicher Duldung unzählige Kindersklaven aus Acacia in die Fernen Lande verschleppt werden. Doch als Dariel schließlich die schreckliche Wahrheit erkennt, kann er nichts dagegen unternehmen - wenn er nicht ganz Acacia in den Untergang reißen will!
Dariel Akkaran ist zwar häufig anderer Meinung als seine Schwester, der Königin von Acacia, dennoch dient er ihr treu. Und auch als sie ihn auf eine selbstmörderische Mission in die Fernen Lande schickt, gehorcht er ihr. Er hofft herauszufinden, warum seit vielen Jahren mit königlicher Duldung unzählige Kindersklaven aus Acacia in die Fernen Lande verschleppt werden. Doch als Dariel schließlich die schreckliche Wahrheit erkennt, kann er nichts dagegen unternehmen - wenn er nicht ganz Acacia in den Untergang reißen will!
Klappentext zu „Die Fernen Lande / Acacia Trilogie Bd.2 “
Ein fantastisches Epos mit dem Flair eines großen historischen RomansDariel Akkaran ist zwar häufig anderer Meinung als seine Schwester, der Königin von Acacia, dennoch dient er ihr treu. Und auch als sie ihn auf eine selbstmörderische Mission in die Fernen Lande schickt, gehorcht er ihr. Er hofft herauszufinden, warum seit vielen Jahren mit königlicher Duldung unzählige Kindersklaven aus Acacia in die Fernen Lande verschleppt werden. Doch als Dariel schließlich die schreckliche Wahrheit erkennt, kann er nichts dagegen unternehmen - wenn er nicht ganz Acacia in den Untergang reißen will!
Lese-Probe zu „Die Fernen Lande / Acacia Trilogie Bd.2 “
Acacia Die Fernen Lande von David Anthony DurhamAus dem Englischen von Tim Straetmann
Prolog
Luana -
im neunten Jahr der Herrschaft von Hanish Mein
Nur er hätte es sein sollen, er ganz allein. Ravi
brüllte es wieder und wieder. Er hüpfte auf und ab,
damit man ihn inmitten der anderen Kinder sah; er
drängte sich durch die Menge und griff nach jedem
Soldaten im roten Umhang, den er zu fassen bekam. Meistens
achteten sie nicht auf ihn. Und wenn doch, dann schoben sie ihn
zurück in die Menge oder zogen ihm eins mit der Reitpeitsche
über. Trotzdem hörte er nicht auf. Das war ein Irrtum! Er würde
mit ihnen gehen, egal wohin. Er würde sich gut benehmen. Er
würde alles tun, was sie von ihm verlangten, aber Mór sollte mit
alledem hier nichts zu tun haben! Sie war außer ihm das einzige
Kind seiner Eltern. Sie brauchten sie. Ihre Mutter konnte ohne
sie nicht leben. Das hatte er sie mehr als einmal sagen hören.
»Bitte«, schrie er, »lasst sie gehen! Lasst sie nach Hause gehen!«
Ein untersetzter Soldat fuhr zu ihm herum. Er war kleiner als
die meisten anderen, hatte einen Speckring um die Taille, ledrige
Haut und Haare, die sich sträubten wie das Fell eines struppigen
Nagetiers. Sein rotes Hemd spannte über dem Bauch. Er
packte Ravi am Kinn und zog ihn so nah an sich heran, dass
sein Zwiebelatem heiß auf Ravis Haut brannte. »Ihr seid beide
Quote«, sagte er. Sein Akzent klang fremd in Ravis Ohren. »Ver-
stehst du? Ihr seid beide gegeben worden. Zwei Erbsen aus derselben
Schote, zwei Welpen aus demselben Wurf. So ist das
eben, mein Junge. Finde dich damit ab, und dein Leben wird so
schlecht nicht sein.«
... mehr
Der Mann versuchte den Jungen wegzuschieben. Als Ravi sich
an seinen Arm klammerte, knurrte er, dass er nun wahrlich genug
Geduld gehabt hätte. Er ballte die Faust und versetzte dem
Jungen einen Schlag auf die Nase. Einen Moment lang wurde es
Ravi schwarz vor Augen. Als sein Blick sich wieder klärte, stand
er stotternd und benommen und mit Blutspritzern auf Lippen,
Kinn und Brust da.
»Ravi ...« Die Stimme seiner Schwester drang endlich zu ihm
durch. Ihre Stimme war mit ein Grund gewesen, warum er so geschrien
hatte. Er hatte Angst davor, sie zu hören. Er strebte auf
einen anderen Mann im roten Umhang zu, aber Mór schlang die
Arme um ihn und ließ sich nicht abschütteln. »Hör auf, Ravi!
Bitte! Das nützt doch nichts. Du machst sie nur noch wütender.«
Wütender?, dachte Ravi. Wütender? Was spielte es für eine
Rolle, ob sie wütend waren? Er war kurz davor, mit harschen
Worten zu ihr herumzufahren, doch sie hielt ihn sehr fest, und
eigentlich wollte er sich auch gar nicht von ihr losmachen. Er
wusste, dass sie recht hatte. Sie war immer besonnener als er;
sie vergeudete ihre Zeit nie mit unnötigen Dingen, wie er es so
oft tat. Auf dem Hof arbeitete sie jeden Tag langsam und stetig.
Sie bewegte sich wie eine alte Frau, hatte er immer gedacht.
Doch irgendwie war sie mit ihrer Arbeit immer früher fertig als
er, obwohl er schneller und stärker war als sie. Selbst jetzt hatte
sie mehr Selbstvertrauen als er. Sich dies einzugestehen, beruhigte
ihn mehr als ihre Umarmung, mehr als seine Müdigkeit
und sein zerschlagenes Gesicht.
»So ist‘s gut, Ravi. Komm«, flüsterte sie und zog ihn wieder
zwischen die anderen Kinder. »Es ist besser, wenn sie dich nicht
sehen. Sie lassen mich nicht gehen. Das weißt du doch, und
wenn du sie weiter auf dich aufmerksam machst, trennen sie uns
vielleicht voneinander. Ich will nicht allein sein, Ravi.«
Das wollte er auch nicht. Er ließ sich von ihr in die Menge
ziehen, und sie schoben sich zwischen die anderen, bis sie nur
noch zwei Kinder unter vielen waren. Nun, da er nicht mehr
für Aufregung sorgte, unterschieden er und seine Schwester
sich kaum von den anderen. Als er sich umschaute, sah er ein
paar Gesichter aus dem benachbarten Dorf. Die Übrigen waren
Fremde, doch nach ihrer Kleidung, ihrem Verhalten und ihren
angstvollen Blicken zu urteilen, waren sie das Gleiche wie er
und Mór: Bauernkinder aus dem fruchtbaren, aber abgelegenen
Landstrich nördlich der Seenplatte. Sie waren in der Nähe einer
Stadt, in der er noch nie gewesen war, zusammengetrieben worden.
Jetzt waren sie wie eine Herde Schafe in einem Pferch, die
von rot gekleideten Wölfen zusammengehalten wurden.
Wie viele von ihnen waren hier? Hunderte, dachte Ravi. Manche
höchstens sieben oder acht Jahre alt, manche auch schon
dreizehn wie er und seine Zwillingsschwester. Alle blickten sich
ängstlich um und flüsterten oft mit denen, die neben ihnen standen,
versuchten, zu verstehen, was hier geschah. Viele hatten
tränenüberströmte, verschmierte und schmutzige Gesichter. Die
meisten waren hellblond, ihre Gesichter glatt und blass. Fremde
lachten manchmal über ihre eng beieinander stehenden, tief liegenden
Augen und hielten sie für teilnahmslos und schwer von
Begriff. Aber sie waren nicht schwer von Begriff. Und sie waren
auch nicht teilnahmslos. Sie lebten nur so weit im Norden, dass
sie von den Geschehnissen in der Bekannten Welt oft nicht berührt
wurden. Das hatte sich schlagartig geändert, begriff Ravi,
und die Veränderung kam ihm schon jetzt unwiderruflich vor.
Eng aneinandergedrückt setzten sich die Geschwister inmitten
der anderen auf den Boden. Mór wischte Ravi mit dem
Ärmel das Gesicht ab und wies ihn an, den Kopf zu heben.
Missmutig tat er wie geheißen, ließ es zu, dass sie sich um ihn
kümmerte, doch er konnte ihr immer noch nicht in die Augen
sehen, obwohl er wusste, dass sie genau das wollte. Noch hatte
er kein einziges Mal geweint, und er fürchtete, dass sich das ändern
könnte, wenn er sie ansah. Ihr Gesicht erinnerte ihn nur
allzu deutlich an all das, was verloren war.
Noch vor ein paar Tagen hatte Ravis Welt sich an dem hügeligen
Gebiet aus Ackerland und Moor bemessen, das sich rund um
sein Dorf nördlich von Luana erstreckte. Das Haus seiner Familie
stand auf einem Hügel, umgeben von Feldern mit roten süßen
Kartoffeln, die zu den wichtigsten Feldfrüchten dieser Region
zählten. Ringsum waren die Häuser ihrer nächsten Nachbarn
am Horizont zu sehen, jeweils vielleicht eine halbe Meile voneinander
getrennt. Eine einsame Landschaft, über der jeden Morgen
Dunst lag und wo es an den meisten Tagen kühl blieb, ganz
gleich, in welcher Jahreszeit. Er hatte ein ruhiges Leben geführt,
hatte jeden Tag geschuftet, um all die Arbeiten zu erledigen, von
denen ihre vierköpfige Familie auf bescheidene Weise lebte.
Sein Vater war ein ruhiger Mann mit großen Händen, der wegen
einer Verletzung in seiner Jugend ein wenig hinkte. Seine
Mutter hatte absurd schiefe Zähne, die sie oft zeigte, denn sie
würzte die Worte, die aus ihrem Mund kamen, stets mit einem
Lachen. Er wusste, dass seine Mutter zwei Kinder bei der Geburt
verloren hatte, ehe sie ihn und Mór bekommen hatte. Das
war nicht ungewöhnlich. Vielleicht war sie ja eigentlich traurig
hinter all dem Lachen, aber sie achtete sorgsam darauf, dass
Ravi niemals etwas davon merkte.
Er hatte davon geträumt, alldem zu entfliehen und nach etwas
zu suchen, das aufregender war: auf einem Handelsschiff zu segeln
oder der Garde beizutreten, die gelegentlich in den Provinzen
patrouillierte, oder das Pferd eines Nachbarn zu stehlen und
einfach in die Welt hinauszureiten. Jetzt hatte er Aufregung -
aber nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.
Die Männer in den roten Umhängen waren in den dunklen
Stunden gekommen, lange nach Einbruch der Nacht und ebenso
lange vor Sonnenaufgang. Ravi hatte das Klopfen an der Tür
gehört, und gleich darauf das Grummeln seines Vaters, und
dann hatte er dem Quietschen der Tür gelauscht, und dem Gemurmel,
das gefolgt war. Wahrscheinlich einer der benachbarten
Bauern, hatte er gedacht, der wegen eines mitternächtlichen
Missgeschicks um Hilfe bat. Bei dem Hof drüben bei den Sümpfen
hatte es Probleme mit Schafdieben gegeben. Vielleicht wollten
sie eine Verfolgungsjagd abhalten.
»Ravi«, hatte Mór in ihrem Bett auf der anderen Seite des
Zimmers geflüstert, »wer ist das?«
Er hatte sie mit einem Psst zum Schweigen gebracht. Dann
hatte er seine Decke zurückschlagen und auf Zehenspitzen zur
Tür schleichen wollen, um durch den Spalt zu lauschen, aber er
war nicht weiter gekommen, als die Decke zwischen die Fingerspitzen
zu nehmen.
Aus dem Hauptraum ertönte ein Schrei, gefolgt von einem
Poltern, als wenn etwas umgeworfen wurde - ein Stuhl, dachte
er -, und dem Scharren von Füßen auf dem Fußboden aus festgestampfter
Erde. Verwirrt erstarrte er mitten in der Bewegung.
Noch ein Schrei und geflüsterte Flüche, und dann dumpfe Geräusche,
die er zunächst nicht einordnen konnte. Und dann
konnte er es doch: Schläge! Faustschläge, die auf menschliche
Körper trafen. Das ergab alles überhaupt keinen Sinn. Er
Deutsche Erstausgabe März 2011 bei Blanvalet, einem Unternehmen der
Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
Copyright © 2009 by David Anthony Durham
This translation published by arrangement with Doubleday, an imprint of The
Knopf Doubleday Publishing Group, a division of Random House, Inc.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Blanvalet Verlag,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
Umschlaggestaltung: HildenDesign München
Redaktion: Marie-Luise Bezzenberger
HK • Herstellung: sam
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
Druck und Einband: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN: 978-3-442-26780-4
www.blanvalet.de
Der Mann versuchte den Jungen wegzuschieben. Als Ravi sich
an seinen Arm klammerte, knurrte er, dass er nun wahrlich genug
Geduld gehabt hätte. Er ballte die Faust und versetzte dem
Jungen einen Schlag auf die Nase. Einen Moment lang wurde es
Ravi schwarz vor Augen. Als sein Blick sich wieder klärte, stand
er stotternd und benommen und mit Blutspritzern auf Lippen,
Kinn und Brust da.
»Ravi ...« Die Stimme seiner Schwester drang endlich zu ihm
durch. Ihre Stimme war mit ein Grund gewesen, warum er so geschrien
hatte. Er hatte Angst davor, sie zu hören. Er strebte auf
einen anderen Mann im roten Umhang zu, aber Mór schlang die
Arme um ihn und ließ sich nicht abschütteln. »Hör auf, Ravi!
Bitte! Das nützt doch nichts. Du machst sie nur noch wütender.«
Wütender?, dachte Ravi. Wütender? Was spielte es für eine
Rolle, ob sie wütend waren? Er war kurz davor, mit harschen
Worten zu ihr herumzufahren, doch sie hielt ihn sehr fest, und
eigentlich wollte er sich auch gar nicht von ihr losmachen. Er
wusste, dass sie recht hatte. Sie war immer besonnener als er;
sie vergeudete ihre Zeit nie mit unnötigen Dingen, wie er es so
oft tat. Auf dem Hof arbeitete sie jeden Tag langsam und stetig.
Sie bewegte sich wie eine alte Frau, hatte er immer gedacht.
Doch irgendwie war sie mit ihrer Arbeit immer früher fertig als
er, obwohl er schneller und stärker war als sie. Selbst jetzt hatte
sie mehr Selbstvertrauen als er. Sich dies einzugestehen, beruhigte
ihn mehr als ihre Umarmung, mehr als seine Müdigkeit
und sein zerschlagenes Gesicht.
»So ist‘s gut, Ravi. Komm«, flüsterte sie und zog ihn wieder
zwischen die anderen Kinder. »Es ist besser, wenn sie dich nicht
sehen. Sie lassen mich nicht gehen. Das weißt du doch, und
wenn du sie weiter auf dich aufmerksam machst, trennen sie uns
vielleicht voneinander. Ich will nicht allein sein, Ravi.«
Das wollte er auch nicht. Er ließ sich von ihr in die Menge
ziehen, und sie schoben sich zwischen die anderen, bis sie nur
noch zwei Kinder unter vielen waren. Nun, da er nicht mehr
für Aufregung sorgte, unterschieden er und seine Schwester
sich kaum von den anderen. Als er sich umschaute, sah er ein
paar Gesichter aus dem benachbarten Dorf. Die Übrigen waren
Fremde, doch nach ihrer Kleidung, ihrem Verhalten und ihren
angstvollen Blicken zu urteilen, waren sie das Gleiche wie er
und Mór: Bauernkinder aus dem fruchtbaren, aber abgelegenen
Landstrich nördlich der Seenplatte. Sie waren in der Nähe einer
Stadt, in der er noch nie gewesen war, zusammengetrieben worden.
Jetzt waren sie wie eine Herde Schafe in einem Pferch, die
von rot gekleideten Wölfen zusammengehalten wurden.
Wie viele von ihnen waren hier? Hunderte, dachte Ravi. Manche
höchstens sieben oder acht Jahre alt, manche auch schon
dreizehn wie er und seine Zwillingsschwester. Alle blickten sich
ängstlich um und flüsterten oft mit denen, die neben ihnen standen,
versuchten, zu verstehen, was hier geschah. Viele hatten
tränenüberströmte, verschmierte und schmutzige Gesichter. Die
meisten waren hellblond, ihre Gesichter glatt und blass. Fremde
lachten manchmal über ihre eng beieinander stehenden, tief liegenden
Augen und hielten sie für teilnahmslos und schwer von
Begriff. Aber sie waren nicht schwer von Begriff. Und sie waren
auch nicht teilnahmslos. Sie lebten nur so weit im Norden, dass
sie von den Geschehnissen in der Bekannten Welt oft nicht berührt
wurden. Das hatte sich schlagartig geändert, begriff Ravi,
und die Veränderung kam ihm schon jetzt unwiderruflich vor.
Eng aneinandergedrückt setzten sich die Geschwister inmitten
der anderen auf den Boden. Mór wischte Ravi mit dem
Ärmel das Gesicht ab und wies ihn an, den Kopf zu heben.
Missmutig tat er wie geheißen, ließ es zu, dass sie sich um ihn
kümmerte, doch er konnte ihr immer noch nicht in die Augen
sehen, obwohl er wusste, dass sie genau das wollte. Noch hatte
er kein einziges Mal geweint, und er fürchtete, dass sich das ändern
könnte, wenn er sie ansah. Ihr Gesicht erinnerte ihn nur
allzu deutlich an all das, was verloren war.
Noch vor ein paar Tagen hatte Ravis Welt sich an dem hügeligen
Gebiet aus Ackerland und Moor bemessen, das sich rund um
sein Dorf nördlich von Luana erstreckte. Das Haus seiner Familie
stand auf einem Hügel, umgeben von Feldern mit roten süßen
Kartoffeln, die zu den wichtigsten Feldfrüchten dieser Region
zählten. Ringsum waren die Häuser ihrer nächsten Nachbarn
am Horizont zu sehen, jeweils vielleicht eine halbe Meile voneinander
getrennt. Eine einsame Landschaft, über der jeden Morgen
Dunst lag und wo es an den meisten Tagen kühl blieb, ganz
gleich, in welcher Jahreszeit. Er hatte ein ruhiges Leben geführt,
hatte jeden Tag geschuftet, um all die Arbeiten zu erledigen, von
denen ihre vierköpfige Familie auf bescheidene Weise lebte.
Sein Vater war ein ruhiger Mann mit großen Händen, der wegen
einer Verletzung in seiner Jugend ein wenig hinkte. Seine
Mutter hatte absurd schiefe Zähne, die sie oft zeigte, denn sie
würzte die Worte, die aus ihrem Mund kamen, stets mit einem
Lachen. Er wusste, dass seine Mutter zwei Kinder bei der Geburt
verloren hatte, ehe sie ihn und Mór bekommen hatte. Das
war nicht ungewöhnlich. Vielleicht war sie ja eigentlich traurig
hinter all dem Lachen, aber sie achtete sorgsam darauf, dass
Ravi niemals etwas davon merkte.
Er hatte davon geträumt, alldem zu entfliehen und nach etwas
zu suchen, das aufregender war: auf einem Handelsschiff zu segeln
oder der Garde beizutreten, die gelegentlich in den Provinzen
patrouillierte, oder das Pferd eines Nachbarn zu stehlen und
einfach in die Welt hinauszureiten. Jetzt hatte er Aufregung -
aber nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.
Die Männer in den roten Umhängen waren in den dunklen
Stunden gekommen, lange nach Einbruch der Nacht und ebenso
lange vor Sonnenaufgang. Ravi hatte das Klopfen an der Tür
gehört, und gleich darauf das Grummeln seines Vaters, und
dann hatte er dem Quietschen der Tür gelauscht, und dem Gemurmel,
das gefolgt war. Wahrscheinlich einer der benachbarten
Bauern, hatte er gedacht, der wegen eines mitternächtlichen
Missgeschicks um Hilfe bat. Bei dem Hof drüben bei den Sümpfen
hatte es Probleme mit Schafdieben gegeben. Vielleicht wollten
sie eine Verfolgungsjagd abhalten.
»Ravi«, hatte Mór in ihrem Bett auf der anderen Seite des
Zimmers geflüstert, »wer ist das?«
Er hatte sie mit einem Psst zum Schweigen gebracht. Dann
hatte er seine Decke zurückschlagen und auf Zehenspitzen zur
Tür schleichen wollen, um durch den Spalt zu lauschen, aber er
war nicht weiter gekommen, als die Decke zwischen die Fingerspitzen
zu nehmen.
Aus dem Hauptraum ertönte ein Schrei, gefolgt von einem
Poltern, als wenn etwas umgeworfen wurde - ein Stuhl, dachte
er -, und dem Scharren von Füßen auf dem Fußboden aus festgestampfter
Erde. Verwirrt erstarrte er mitten in der Bewegung.
Noch ein Schrei und geflüsterte Flüche, und dann dumpfe Geräusche,
die er zunächst nicht einordnen konnte. Und dann
konnte er es doch: Schläge! Faustschläge, die auf menschliche
Körper trafen. Das ergab alles überhaupt keinen Sinn. Er
Deutsche Erstausgabe März 2011 bei Blanvalet, einem Unternehmen der
Verlagsgruppe Random House GmbH, München.
Copyright © 2009 by David Anthony Durham
This translation published by arrangement with Doubleday, an imprint of The
Knopf Doubleday Publishing Group, a division of Random House, Inc.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2011 by Blanvalet Verlag,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München
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Redaktion: Marie-Luise Bezzenberger
HK • Herstellung: sam
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
Druck und Einband: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN: 978-3-442-26780-4
www.blanvalet.de
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Autoren-Porträt von David A. Durham
David Anthony Durham, dessen Eltern aus der Karibik stammen, wurde 1969 geboren und hat weite Teile der USA und Europas bereist und mit seiner Familie mehrere Jahre in Schottland gelebt. Nach seinem Hochschulabschluss hat er unter anderem an der Universität von Maryland und an der Universität von Massachusetts gelehrt. Seit 2007 ist Durham außerordentlicher Professor an der California State University Fresno und unterrichtet dort Literatur.
Bibliographische Angaben
- Autor: David A. Durham
- 2011, 782 Seiten, Maße: 13,9 x 20,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Engl. v. Tim Straetmann
- Übersetzer: Tim Straetmann
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442267803
- ISBN-13: 9783442267804
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