Als einer von uns Laura Salinas töten wollte
Roman
Alcaén Sanchez hat eine Marotte: Er liebt es, sich zum Verkauf stehende Häuser anzusehen, die er sich nie und nimmer leisten könnte. Er liebt es, sich dabei angemessen auszustaffieren, sich in einen vermögenden und weltläufigen Alcaén zu verwandeln. Ist es...
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Produktinformationen zu „Als einer von uns Laura Salinas töten wollte “
Alcaén Sanchez hat eine Marotte: Er liebt es, sich zum Verkauf stehende Häuser anzusehen, die er sich nie und nimmer leisten könnte. Er liebt es, sich dabei angemessen auszustaffieren, sich in einen vermögenden und weltläufigen Alcaén zu verwandeln. Ist es Glück oder Pech, daß er dabei auf Laura Salinas trifft? Auf eine dieser Frauen, nach deren Anblick nichts mehr so ist wie zuvor? Denn jetzt muß Alcaén sich entscheiden: Zeigt er sich Laura, wie er wirklich ist? Raubt er die Versicherungsgesellschaft aus, in der er arbeitet? Und was, wenn plötzlich doch noch ein Ehemann auf der Bildfläche erscheint? Und wie kommt es dazu, daß Alcaén eines Abends (so gegen halb zwölf) auszieht, Laura Salinas zu töten? Alcaén hat zwei Freunde; oft sitzen sie gemeinsam in Glorias Bar, dem heimlichen Zentrum der Geschichte. Denn dort wird beratschlagt, wird gemeinsam am Erfolg in der Sache Laura Salinas gearbeitet. So scheint es. Denn es besteht der Verdacht, dass Iker Orbáiz Alcaéns Abenteuer für seinen gerade stockenden Roman benutzt. Und was führt Ángel Biedma, der Arzt, der seine Freunde in allen Belangen so selbstlos unterstützt, wirklich im Schilde? Es ist davon auszugehen, daß Alcaén Marionette eines perfiden Plans ist. Damit ist er nicht alleine. Denn mit ihm schickt Benjamín Prado auch den Leser auf eine Reise, in der es von erzählerischen Finten und wohlkalkulierten Abschweifungen im Stile etwa eines Italo Calvino nur so wimmelt.
Klappentext zu „Als einer von uns Laura Salinas töten wollte “
Alcaén Sanchez hat eine Marotte: Er liebt es, sich zum Verkauf stehende Häuser anzusehen, die er sich nie und nimmer leisten könnte. Er liebt es, sich dabei angemessen auszustaffieren, sich in einen vermögenden und weltläufigen Alcaén zu verwandeln. Ist es Glück oder Pech, daß er dabei auf Laura Salinas trifft? Auf eine dieser Frauen, nach deren Anblick nichts mehr so ist wie zuvor? Denn jetzt muß Alcaén sich entscheiden: Zeigt er sich Laura, wie er wirklich ist? Raubt er die Versicherungsgesellschaft aus, in der er arbeitet? Und was, wenn plötzlich doch noch ein Ehemann auf der Bildfläche erscheint? Und wie kommt es dazu, daß Alcaén eines Abends (so gegen halb zwölf) auszieht, Laura Salinas zu töten? Alcaén hat zwei Freunde; oft sitzen sie gemeinsam in Glorias Bar, dem heimlichen Zentrum der Geschichte. Denn dort wird beratschlagt, wird gemeinsam am Erfolg in der Sache Laura Salinas gearbeitet. So scheint es. Denn es besteht der Verdacht, dass Iker Orbáiz Alcaéns Abenteuer für seinen gerade stockenden Roman benutzt. Und was führt Ángel Biedma, der Arzt, der seine Freunde in allen Belangen so selbstlos unterstützt, wirklich im Schilde? Es ist davon auszugehen, daß Alcaén Marionette eines perfiden Plans ist. Damit ist er nicht alleine. Denn mit ihm schickt Benjamín Prado auch den Leser auf eine Reise, in der es von erzählerischen Finten und wohlkalkulierten Abschweifungen im Stile etwa eines Italo Calvino nur so wimmelt.
Lese-Probe zu „Als einer von uns Laura Salinas töten wollte “
IEiner von uns dreien
Gerade hatte es noch geregnet, so daß die Stadt eine seltsame Mischung aus feuchten Bürgersteigen und stickiger Hitze bot, als einer von uns dreien gestern abend gegen halb zwölf das Haus verließ, um Laura Salinas zu töten. Vorerst sollen Sie nicht wissen, wie er heißt und wer von den dreien ich bin. Wie ich das anstellen will? Ganz einfach: Ich werde Ihnen alles, was passiert ist, in der dritten Person erzählen, dann können Sie nie sicher sein, ob ich, wenn ich sage "Iker Orbáiz zündete sich eine Zigarette an", "Ángel Biedma dachte noch einmal darüber nach, was er zur Tatzeit gemacht hatte" oder "Alcaén Sánchez hätte für sein Leben gern dieses Haus gekauft", über mich oder von einem der anderen beiden spreche.
Das sind die Regeln, und wenn sie Ihnen nicht passen, dann sollten Sie jetzt besser aufhören zu lesen, Laura Salinas vergessen, sich um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern und mir nicht die Zeit stehlen. Denjenigen unter Ihnen, die trotz allem bleiben und sich meine Geschichte anhören wollen, werde ich etwas in Erinnerung rufen und einen letzten Hinweis mit auf den Weg geben. Erstens: Sie sind lediglich Leser und kein Detektiv, also versuchen Sie bloß nicht, auf eigene Faust Ermittlungen anzustellen und Schlüsse zu ziehen. Zweitens: In dieser Erzählung funktioniert alles andersherum als üblich, weil nämlich die Figuren echt sind und der Erzähler erfunden ist, er ist kein Mensch aus Fleisch und Blut, er ist ein unsichtbares Wesen, reine Fiktion. Versuchen Sie ja nicht, irgendeine Verbindung zwischen den Figuren und mir herzustellen, es würde Ihnen aus zwei Gründen gar nichts bringen: Ich habe die Ereignisse wie ein allwissender Erzähler angeordnet, so als wäre ich immer an Ort und Stelle gewesen, und außerdem ist dies weder meine Stimme noch meine Art zu reden; ich habe mich darauf beschränkt, im Stil eines Krimis zu schreiben. Sie können sich darauf verlassen, daß Sie mich nicht erkennen werden, weder in diesem Buch noch
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außerhalb, sollten wir uns in einer Bank oder einem Gemischtwarenladen begegnen, in einem Aufzug oder in einer Apotheke, ganz egal, ob Sie mich zum ersten Mal sehen oder nebenan wohnen. Wie gesagt: Vorerst bin ich ein unsichtbares Wesen.
Eines möchte ich doch noch vorausschicken, bevor ich beginne, und zwar: Wer immer es war, der gestern gegen halb zwölf aus dem Haus ging, um Laura Salinas zu töten: Er war ein gebrochener Mensch, ein Mensch, der keinen Ausweg mehr sah. Seine Schritte waren langsam und unsicher, er schien von einem Schlachtfeld zu kommen; er schien vor Bombenangriffen und Schützengräben zu fliehen, vor zerstörten Häusern, dem Tod, der auf der Haut der Gefallenen seine tausend roten Münder aufreißt. Seine Augen wirkten fiebrig und zersplittert. Hätten Sie ihn in dieser Nacht gesehen, er wäre Ihnen nicht gefährlich vorgekommen, sondern eher verängstigt. Da bin ich mir sicher.
Und Angst hatte er tatsächlich, seine uralte Angst vor dunklen Parks und stillen Straßen, diese Beklemmung, die menschenleere Orte hervorrufen, gerade weil sie menschenleer sind, diese Unruhe, die reglose Autos ausstrahlen, Hunde, die nicht bellen, unsichtbare Spaziergänger, geschlossene Geschäfte.
Dieser Mann hatte Angst und fragte sich, ob sein Schmerz jemals vergehen würde. Dieser stechende, unfaßbare Schmerz. Dieser unheimliche, schlangenförmige Schmerz. Er sagte sich, vielleicht würde er heilen, vielleicht war es nur eine Frage der Zeit. Er sagte sich: "Vielleicht wird er sich in ein paar Tagen verflüchtigt haben wie alles andere auch, so wie die Spuren des Wolfes, wenn der Schnee schmilzt."
Ich werde Ihnen erzählen, was geschehen mußte, damit dieser Mann in einen solchen Zustand geriet, damit er allein durch die Stadt zog, auf der Jagd nach Laura Salinas, und sich dabei auszumalen versuchte, wie die Albträume seiner Mordtat aussehen würden.
II
Das große Geschäft
Es war überall und machte ihn ganz verrückt. Er spürte es im Geländer, das sich sanft anfühlte, in seiner geschwungenen, vollkommenen Linie, in seiner cremigen Farbe; im eleganten Knarren der Stufen, in der roten und grünen Dicke der Böden: Das war guter Marmor, das waren teure Teppiche, das war edles Holz. Alcaén Sánchez stellte sich an eines der Fenster und betrachtete zum letzten Mal den Garten, den kleinen Brunnen und die Schaukel unter den Bäumen. Dann drehte er sich zu dem Mann um, nahm das Kärtchen, das er ihm entgegenstreckte, und begab sich in aller Ruhe zum Ausgang. Er blieb erneut stehen, um noch einige Details des Gebäudes zu studieren - den Deckenstuck, die Türangeln - und mit all seinen Gesten den Eindruck eines solventen Mannes zu erwecken, der an Luxus und Geld gewöhnt war, eines Mannes, der gerade zwei Wochen in einem Kurbad verbracht hatte.
Er wußte nicht genau, warum er seit Jahren all diese Häuser besichtigte, die er sich niemals würde leisten können. Vielleicht, um seine Hoffnung zu nähren, seine Hoffnung auf eine behagliche, glänzende Zukunft ohne Sorgen und Nöte; vielleicht war es aber auch nur ein Spiel, eine List, um sich, während er mit den Immobilienmaklern verhandelte, eine Zeitlang selbst vorzugaukeln, er wäre tatsächlich dieser Mann, der zu sein er vorgab, ein lockerer, weltläufiger Typ, dessen Ruf vor allem auf seiner Zuversichtlichkeit und einem achtstelligen Betrag auf dem Bankkonto gründete. Er hätte wissen müssen, daß Spielen gefährlich ist, daß es kein Spiel gibt, bei dem man nicht etwas verlieren kann. Damals wußte er das aber noch nicht.
Diesmal war irgend etwas anders als sonst. Natürlich war alles wie gewohnt verlaufen: Er hatte den wohlhabenden Mann gemimt, der zu dem Treffen am Samstag morgen in teurem Anzug und Armanishirt erschienen war, die seine Lässigkeit und seinen Reichtum zum Ausdruck bringen sollten; wie immer hatte der Verkäufer ihn anfangs argwöhnisch gemustert, hatte mit geübtem Blick versucht, ihn einzuschätzen und auf eine bestimmte Geldsumme zu taxieren; und wie immer hatte er ihm, dem mutmaßlichen Betrüger, nachdem Alcaén die richtigen Signale ausgesendet hatte und zu einem ernstzunehmenden Kunden geworden war, mit weitschweifigen Sätzen und einem breiten Verkäuferlächeln Honig ums Maul geschmiert.
"Und hier haben wir eine kleine Privatbibliothek", sagte der Süßholzraspler, "mit exquisitem Blick auf den Garten. Die Vitrinen sind aus echter Eiche. Ein reizendes Plätzchen, ideal, um alle Sorgen zu vergessen, finden Sie nicht? Hier haben wir einen Barschrank. Und diese Tür führt zu einem der Schlafzimmer."
Alcaén Sánchez schwieg, während er jeden Zentimeter des Zimmers und jede Bemerkung des Verkäufers sorgfältig abzuwägen schien.
"Tja, hier fänden nicht einmal dreißig Prozent unserer Bücher Platz", antwortete er schließlich im Ton dessen, der es gewohnt ist, nicht um den heißen Brei herumzureden. "Und was die Bar betrifft: In meiner Familie pflegt man abstinent zu sein. Trotzdem, sehr hübsch, dieser Bereich, zweifellos."
Mit dem Wort "abstinent" gewann er endgültig die Achtung des Angestellten, der nun fast wie ein Priester die Arme ausbreitete und ihn ehrfürchtig ansah. Er irrte sich. Denn wäre das, was Alcaén gestern abend getrunken hatte, Benzin gewesen, hätte er es mit dem Auto von Cádiz bis nach Neu-Delhi geschafft.
An all dies erinnerte er sich, als er mit dem Bus zurück ins Zentrum fuhr, aber vor allem auch daran, wie sehr ihn der Preis des Häuschens verblüfft hatte. Er hatte sich derartig an dieser Summe festgebissen, daß er kaum bemerkte, wie sich die breiten, makellosen Straßen des Neubauviertels erst in waldiges Gelände, dann in eine Autobahn und schließlich in die Außenbezirke der Stadt verwandelt hatten. Es war ein Morgen im Dezember, die Schaufenster der Geschäfte waren verziert wie eine Hochzeitstorte, die Leute liefen mit bunten Päckchen und Kindern an der Hand von einem Ort zum anderen. Bestimmt war keiner bereit, besser zu sein, als er war, und doch wollten alle es sich einige Wochen lang gutgehen lassen, so daß diese Sehnsucht nach Glück in der Luft lag, die man Weihnachtsstimmung nennt.
Fünfzig Millionen. So viel kostete das Haus, eine Summe, die ihm gleichzeitig klein und unerreichbar vorkam. Zweifellos war es ein guter Preis, doch konnte er es sich erlauben, auch nur davon zu träumen? Natürlich nicht. Und wenn er seine Wohnung verkaufen würde? Wenn die Firma ihm einen Vorschuß gäbe? Wenn er abends einem zweiten Job nachginge? Wenn er bei der Bank einen Kredit aufnähme ... Solchen Träumereien hing er nach, stellte sich sein Leben in dem Haus so bildhaft vor, daß er beinahe zu jenem wohlhabenden Mann ohne Sorgen wurde, den auch der schleimige Immobilienmakler in der Ferne erspäht hatte, als Alcaén sagte:
"Nun ja, fünfzig Millionen sind eine ernsthafte Investition. Wobei mir der Preis durchaus angemessen erscheint."
Das Gesicht des Verkäufers verzerrte sich vor Wohlgefallen oder vielleicht auch aus Unsicherheit, jedenfalls bemühte er sich, seine Gesichtszüge auf eine Weise neu anzuordnen, so daß sie jemandem zu gehören schienen, der doppelt so ehrlich war, doppelt so vertrauenswürdig. Es war ein Gesicht, das zu sagen versuchte: "Glauben Sie mir, das ist ein großartiges Geschäft. Ich würde Sie niemals reinlegen."
Der Bus kam an, und Alcaén schlenderte ziellos ein wenig umher, betrachtete die Geschäfte, die Kioske, die Obstläden; er studierte die Speisekarten und Preise einiger Restaurants. Plötzlich wollte er keine Zeit mehr verplempern, kaufte ein paar Äpfel und ging zum Sívori. In der Kneipe bei ihm um die Ecke, wo er meist den frühen Abend verbrachte, könnte er die Äpfel essen und einige Gläser Bier trinken. Und natürlich würde er dort auch irgendwann seinen besten Freund Iker Orbáiz treffen. Er brannte darauf, ihm von dem Haus zu erzählen, und überlegte sich unterwegs, wie er das Thema am besten anschneiden konnte. Fast sah er es vor sich: Iker erfindet eines seiner seltsamen Gleichnisse, und die anderen hören ihm aufmerksam zu, scheinen in jedem Abenteuer etwas Wichtiges für sich selbst zu entdecken, zum Beispiel: Ein Mann biegt in eine Sackgasse ein, die ihn in den Wahnsinn und die Katastrophe führt, als er eines Morgens aufwacht und bemerkt, daß er in seinen eigenen Träumen nie auftaucht. Oder: Eine Frau, die im Sterben liegt, gesteht ihren Söhnen, daß ihr ganzes Leben und damit auch das ihrer Kinder auf einer Lüge beruht: Sie hat ihren Mann durch eine Täuschung erobert, hat sich für eine andere Person ausgegeben. Alcaén, dem das Haus unter den Nägeln brennt, folgt diesen Geschichten nicht so aufmerksam wie sonst, und als Iker schweigt, sieht er ihm in die Augen und sagt:
"Weiß du was? Ich glaube, ich werde mich in einen schönen Schlamassel begeben."
Ich werde noch nicht verraten, wieviel Wahrheit in diesem Satz steckt, ohne daß Alcaén es wüßte. Aber vermutlich werden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß unser Leben viel glücklicher verlaufen würde, wenn wir wüßten, wann etwas nur so dahingesagt ist und wann es sich um eine Prophezeiung handelt. Denn wäre es möglich, wäre nichts von alldem passiert.
Eines möchte ich doch noch vorausschicken, bevor ich beginne, und zwar: Wer immer es war, der gestern gegen halb zwölf aus dem Haus ging, um Laura Salinas zu töten: Er war ein gebrochener Mensch, ein Mensch, der keinen Ausweg mehr sah. Seine Schritte waren langsam und unsicher, er schien von einem Schlachtfeld zu kommen; er schien vor Bombenangriffen und Schützengräben zu fliehen, vor zerstörten Häusern, dem Tod, der auf der Haut der Gefallenen seine tausend roten Münder aufreißt. Seine Augen wirkten fiebrig und zersplittert. Hätten Sie ihn in dieser Nacht gesehen, er wäre Ihnen nicht gefährlich vorgekommen, sondern eher verängstigt. Da bin ich mir sicher.
Und Angst hatte er tatsächlich, seine uralte Angst vor dunklen Parks und stillen Straßen, diese Beklemmung, die menschenleere Orte hervorrufen, gerade weil sie menschenleer sind, diese Unruhe, die reglose Autos ausstrahlen, Hunde, die nicht bellen, unsichtbare Spaziergänger, geschlossene Geschäfte.
Dieser Mann hatte Angst und fragte sich, ob sein Schmerz jemals vergehen würde. Dieser stechende, unfaßbare Schmerz. Dieser unheimliche, schlangenförmige Schmerz. Er sagte sich, vielleicht würde er heilen, vielleicht war es nur eine Frage der Zeit. Er sagte sich: "Vielleicht wird er sich in ein paar Tagen verflüchtigt haben wie alles andere auch, so wie die Spuren des Wolfes, wenn der Schnee schmilzt."
Ich werde Ihnen erzählen, was geschehen mußte, damit dieser Mann in einen solchen Zustand geriet, damit er allein durch die Stadt zog, auf der Jagd nach Laura Salinas, und sich dabei auszumalen versuchte, wie die Albträume seiner Mordtat aussehen würden.
II
Das große Geschäft
Es war überall und machte ihn ganz verrückt. Er spürte es im Geländer, das sich sanft anfühlte, in seiner geschwungenen, vollkommenen Linie, in seiner cremigen Farbe; im eleganten Knarren der Stufen, in der roten und grünen Dicke der Böden: Das war guter Marmor, das waren teure Teppiche, das war edles Holz. Alcaén Sánchez stellte sich an eines der Fenster und betrachtete zum letzten Mal den Garten, den kleinen Brunnen und die Schaukel unter den Bäumen. Dann drehte er sich zu dem Mann um, nahm das Kärtchen, das er ihm entgegenstreckte, und begab sich in aller Ruhe zum Ausgang. Er blieb erneut stehen, um noch einige Details des Gebäudes zu studieren - den Deckenstuck, die Türangeln - und mit all seinen Gesten den Eindruck eines solventen Mannes zu erwecken, der an Luxus und Geld gewöhnt war, eines Mannes, der gerade zwei Wochen in einem Kurbad verbracht hatte.
Er wußte nicht genau, warum er seit Jahren all diese Häuser besichtigte, die er sich niemals würde leisten können. Vielleicht, um seine Hoffnung zu nähren, seine Hoffnung auf eine behagliche, glänzende Zukunft ohne Sorgen und Nöte; vielleicht war es aber auch nur ein Spiel, eine List, um sich, während er mit den Immobilienmaklern verhandelte, eine Zeitlang selbst vorzugaukeln, er wäre tatsächlich dieser Mann, der zu sein er vorgab, ein lockerer, weltläufiger Typ, dessen Ruf vor allem auf seiner Zuversichtlichkeit und einem achtstelligen Betrag auf dem Bankkonto gründete. Er hätte wissen müssen, daß Spielen gefährlich ist, daß es kein Spiel gibt, bei dem man nicht etwas verlieren kann. Damals wußte er das aber noch nicht.
Diesmal war irgend etwas anders als sonst. Natürlich war alles wie gewohnt verlaufen: Er hatte den wohlhabenden Mann gemimt, der zu dem Treffen am Samstag morgen in teurem Anzug und Armanishirt erschienen war, die seine Lässigkeit und seinen Reichtum zum Ausdruck bringen sollten; wie immer hatte der Verkäufer ihn anfangs argwöhnisch gemustert, hatte mit geübtem Blick versucht, ihn einzuschätzen und auf eine bestimmte Geldsumme zu taxieren; und wie immer hatte er ihm, dem mutmaßlichen Betrüger, nachdem Alcaén die richtigen Signale ausgesendet hatte und zu einem ernstzunehmenden Kunden geworden war, mit weitschweifigen Sätzen und einem breiten Verkäuferlächeln Honig ums Maul geschmiert.
"Und hier haben wir eine kleine Privatbibliothek", sagte der Süßholzraspler, "mit exquisitem Blick auf den Garten. Die Vitrinen sind aus echter Eiche. Ein reizendes Plätzchen, ideal, um alle Sorgen zu vergessen, finden Sie nicht? Hier haben wir einen Barschrank. Und diese Tür führt zu einem der Schlafzimmer."
Alcaén Sánchez schwieg, während er jeden Zentimeter des Zimmers und jede Bemerkung des Verkäufers sorgfältig abzuwägen schien.
"Tja, hier fänden nicht einmal dreißig Prozent unserer Bücher Platz", antwortete er schließlich im Ton dessen, der es gewohnt ist, nicht um den heißen Brei herumzureden. "Und was die Bar betrifft: In meiner Familie pflegt man abstinent zu sein. Trotzdem, sehr hübsch, dieser Bereich, zweifellos."
Mit dem Wort "abstinent" gewann er endgültig die Achtung des Angestellten, der nun fast wie ein Priester die Arme ausbreitete und ihn ehrfürchtig ansah. Er irrte sich. Denn wäre das, was Alcaén gestern abend getrunken hatte, Benzin gewesen, hätte er es mit dem Auto von Cádiz bis nach Neu-Delhi geschafft.
An all dies erinnerte er sich, als er mit dem Bus zurück ins Zentrum fuhr, aber vor allem auch daran, wie sehr ihn der Preis des Häuschens verblüfft hatte. Er hatte sich derartig an dieser Summe festgebissen, daß er kaum bemerkte, wie sich die breiten, makellosen Straßen des Neubauviertels erst in waldiges Gelände, dann in eine Autobahn und schließlich in die Außenbezirke der Stadt verwandelt hatten. Es war ein Morgen im Dezember, die Schaufenster der Geschäfte waren verziert wie eine Hochzeitstorte, die Leute liefen mit bunten Päckchen und Kindern an der Hand von einem Ort zum anderen. Bestimmt war keiner bereit, besser zu sein, als er war, und doch wollten alle es sich einige Wochen lang gutgehen lassen, so daß diese Sehnsucht nach Glück in der Luft lag, die man Weihnachtsstimmung nennt.
Fünfzig Millionen. So viel kostete das Haus, eine Summe, die ihm gleichzeitig klein und unerreichbar vorkam. Zweifellos war es ein guter Preis, doch konnte er es sich erlauben, auch nur davon zu träumen? Natürlich nicht. Und wenn er seine Wohnung verkaufen würde? Wenn die Firma ihm einen Vorschuß gäbe? Wenn er abends einem zweiten Job nachginge? Wenn er bei der Bank einen Kredit aufnähme ... Solchen Träumereien hing er nach, stellte sich sein Leben in dem Haus so bildhaft vor, daß er beinahe zu jenem wohlhabenden Mann ohne Sorgen wurde, den auch der schleimige Immobilienmakler in der Ferne erspäht hatte, als Alcaén sagte:
"Nun ja, fünfzig Millionen sind eine ernsthafte Investition. Wobei mir der Preis durchaus angemessen erscheint."
Das Gesicht des Verkäufers verzerrte sich vor Wohlgefallen oder vielleicht auch aus Unsicherheit, jedenfalls bemühte er sich, seine Gesichtszüge auf eine Weise neu anzuordnen, so daß sie jemandem zu gehören schienen, der doppelt so ehrlich war, doppelt so vertrauenswürdig. Es war ein Gesicht, das zu sagen versuchte: "Glauben Sie mir, das ist ein großartiges Geschäft. Ich würde Sie niemals reinlegen."
Der Bus kam an, und Alcaén schlenderte ziellos ein wenig umher, betrachtete die Geschäfte, die Kioske, die Obstläden; er studierte die Speisekarten und Preise einiger Restaurants. Plötzlich wollte er keine Zeit mehr verplempern, kaufte ein paar Äpfel und ging zum Sívori. In der Kneipe bei ihm um die Ecke, wo er meist den frühen Abend verbrachte, könnte er die Äpfel essen und einige Gläser Bier trinken. Und natürlich würde er dort auch irgendwann seinen besten Freund Iker Orbáiz treffen. Er brannte darauf, ihm von dem Haus zu erzählen, und überlegte sich unterwegs, wie er das Thema am besten anschneiden konnte. Fast sah er es vor sich: Iker erfindet eines seiner seltsamen Gleichnisse, und die anderen hören ihm aufmerksam zu, scheinen in jedem Abenteuer etwas Wichtiges für sich selbst zu entdecken, zum Beispiel: Ein Mann biegt in eine Sackgasse ein, die ihn in den Wahnsinn und die Katastrophe führt, als er eines Morgens aufwacht und bemerkt, daß er in seinen eigenen Träumen nie auftaucht. Oder: Eine Frau, die im Sterben liegt, gesteht ihren Söhnen, daß ihr ganzes Leben und damit auch das ihrer Kinder auf einer Lüge beruht: Sie hat ihren Mann durch eine Täuschung erobert, hat sich für eine andere Person ausgegeben. Alcaén, dem das Haus unter den Nägeln brennt, folgt diesen Geschichten nicht so aufmerksam wie sonst, und als Iker schweigt, sieht er ihm in die Augen und sagt:
"Weiß du was? Ich glaube, ich werde mich in einen schönen Schlamassel begeben."
Ich werde noch nicht verraten, wieviel Wahrheit in diesem Satz steckt, ohne daß Alcaén es wüßte. Aber vermutlich werden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß unser Leben viel glücklicher verlaufen würde, wenn wir wüßten, wann etwas nur so dahingesagt ist und wann es sich um eine Prophezeiung handelt. Denn wäre es möglich, wäre nichts von alldem passiert.
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Autoren-Porträt von Benjamin Prado
Benjamin Prado wurde 1961 in Madrid geboren. Er hat mehrere Gedichtbände und ein Kinderbuch veröffentlicht. Von der Kritik wurde er mit Raymond Chandler und Paul Auster verglichen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Benjamin Prado
- 2004, 1, 190 Seiten, Maße: 13 x 20,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Luchterhand Literaturverlag
- ISBN-10: 3630871704
- ISBN-13: 9783630871707
Rezension zu „Als einer von uns Laura Salinas töten wollte “
"Ein Romancier mit einer umwerfenden Persönlichkeit, der alle Voraussetzungen mitbringt, um zum Kultautor zu werden." ((Der Spiegel)"Die beste Prosa, die ich seit langer, langer Zeit gelesen habe." (Daniel Cohn-Bendit)
"Prados konzentrierte Prosa liefert große Einsichten in lapidarem Tonfall." (Nürnberger Nachrichten)
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