Aus der Goldenen Muschel
Gänge am Mittelmeer
"Die conca d'oro, die goldene Muschel - im Morgenlichte spürten wir ihr Leben, und es flog uns ein Hauch göttlicher Zeitalter an." Jüngers 1944 entstandenees sizilianisches Reisetagebuch lässt die Insel als magischen Ort lebendig werden.
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Produktinformationen zu „Aus der Goldenen Muschel “
"Die conca d'oro, die goldene Muschel - im Morgenlichte spürten wir ihr Leben, und es flog uns ein Hauch göttlicher Zeitalter an." Jüngers 1944 entstandenees sizilianisches Reisetagebuch lässt die Insel als magischen Ort lebendig werden.
Klappentext zu „Aus der Goldenen Muschel “
Als Standquartier diente Jünger dabei der mondäne Badeort Mondello vor den Toren Palermos. Von dort aus besuchte er etwa die berühmte Kapuzinergruft - und verlebendigt eine idyllisch-harmonische Szenerie, die sich scharf von den Gräueln des Zweiten Weltkriegs abhebt. Die Reise ist somit auch Flucht aus einer Realität, die von Jünger mehr und mehr als ungenügend empfunden wurde.
Lese-Probe zu „Aus der Goldenen Muschel “
Aus der goldenen MuschelMondello, 18. April 1929
Vormittags nach der Landung Spaziergang mit dem Magister in den Gärten von Partana und ihrer maurischen Pracht. Durch die Terrassenbeete glitten lange schwarze Nattern wie Ahnungen dahin. Entsprechend äußerte der Magister auch nur ein vages Mißbehagen, fast wie im Traum. Ein großer Scarabaeus mit Bronzepunkten rollte seine Kugel über den Kalksteinpfad, an dessen Rand die fruchtbare goldbraune Erde verwitterte. Auf dem zartgrünen Fenchel, den Ringel rosen, den strotzenden Gemüsen lag noch der Tau, während in überreichen Lasten die Früchte der Orangen- und Zitronenhaine leuchteten. Am Felsweg in hohen Hecken die Opuntie mit den indischen Feigen, die gleich rötlich violetten, eirunden Kerzen auf ihre breiten Blätter gesteckt waren. Die Conca d'oro, die Goldene Muschel - im Morgenlichte spürten wir ihr Leben, und es flog uns ein Hauch göttlicher Zeitalter an.
Auf dem Strandwege nach Sferracavallo. Dort setzten wir uns zu einem bescheidenen Essen, Spaghetti mit Tomaten, an den Tisch. Auf dem Rückweg ergötzten uns die kleinen sizilischen Wagen, die, von Eselchen gezogen, an uns vorüberkamen; ihre Schütten waren mit Bildern der Tafelrunde Karls des Großen bemalt.
Mondello, 20. April 1929
Am Morgen trennten wir uns zum Lesen und zum Arbeiten. Der Magister setzte sich in den Fruchtgärten an einen steinernen Tisch, und ich begab mich in ein verfallenes Haus, aus dessen Mauerspalten wilde Feigenbäume wucherten. Während ich still in einer alten Fensternische saß, sah ich die Geckos sich ganz langsam, wie Mittagsträume, aus den Ritzen hervorwagen. Das Tier ist stark auf Sonne angewiesen, daher sein Leben an der Südwand, die dunkle Farbe und vor allem die Art, in der es, um mehr an Strahlen aufzufangen, den Körper abplattet. [...]
Mondello, 29. April 1929
Früh in Palermo, bei den Cappuccini. Dort erging ich mich einsam inmitten eines gewaltigen Kellers zwischen über achttausend Skeletten oder vielmehr Mumien. Der Raum
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erhielt durch Fenster Oberlicht; die Toten lagen in offenen Särgen, lehnten an den Wänden oder waren gleich der Beute eines grimmigen Jägers an den Mauern aufgeknüpft, darunter eine ganze Mönchskongregation. Die Kutten waren ausgestopft, und die Verschiedenartigkeit der Kappen verriet den Rang, der diese Väter und Brüder zu Lebzeiten geziert hatte. Man sah Greise und Kinder, Männer mit weißen, grauen, schwarzen und roten Bärten, Frauen in Atlaskleidern, die ihre Photographien auf der Brust trugen. Die Leichen werden ein Jahr im heißen Dünensand mumifiziert, dann ausgestellt. Man kann also verstorbene Verwandte von Angesicht zu Angesicht aufsuchen.
Mondello, 30 April 1929
Nach dem gewohnten Gang am Fuße des Monte Gallo ruhte ich bei starker Hitze im Garten aus. An Tieren beobachtete ich dabei, im Korbstuhl liegend, große stahlblaue Hummeln, die die Akazienblüten besuchten und das Spalier des alten Weinstocks anflogen, aus dessen dunklem Holze jetzt das Grün in schweren Sprossen bricht. Heuschrecken, die wie aus Papier geschnittene Vögel schwirrten, fielen in den Garten ein. Um eine hohe Malve kreiste eine Traube winziger Buprestiden: bei tief erzblauem Körper leuchteten Kopf und Halsschild rot feuergolden auf. Die Tierchen hatten die breiten Blätter der Pflanze ausgenagt wie eine batistene Stickerei. Unweit davon in einer Mauerlücke sonnte sich der Skink, ein braunes Eidechslein, das, obwohl es Füße trägt, sich schlängelnd fortbewegt. Doch ist es in seiner Gestik unbeholfener als die Schlangen und selbst die Schleichen; es führt die Windung, statt sie in Wellen zu unterteilen, mit dem ganzen Körper aus. Die Pfoten hängen ihm dabei am Leibe wie uns die Fausthandschuhe, wenn warmes Wetter ist. Dies alles nahm ich lässig wahr, in angenehmer Erschlaffung, während der Duft wohlriechender Geranien und dichter Rabatten von Zitronenmelisse aus den Beeten stieg.
Am Abend aßen wir Gamberi, eine rot und weiß gest
Mondello, 30 April 1929
Nach dem gewohnten Gang am Fuße des Monte Gallo ruhte ich bei starker Hitze im Garten aus. An Tieren beobachtete ich dabei, im Korbstuhl liegend, große stahlblaue Hummeln, die die Akazienblüten besuchten und das Spalier des alten Weinstocks anflogen, aus dessen dunklem Holze jetzt das Grün in schweren Sprossen bricht. Heuschrecken, die wie aus Papier geschnittene Vögel schwirrten, fielen in den Garten ein. Um eine hohe Malve kreiste eine Traube winziger Buprestiden: bei tief erzblauem Körper leuchteten Kopf und Halsschild rot feuergolden auf. Die Tierchen hatten die breiten Blätter der Pflanze ausgenagt wie eine batistene Stickerei. Unweit davon in einer Mauerlücke sonnte sich der Skink, ein braunes Eidechslein, das, obwohl es Füße trägt, sich schlängelnd fortbewegt. Doch ist es in seiner Gestik unbeholfener als die Schlangen und selbst die Schleichen; es führt die Windung, statt sie in Wellen zu unterteilen, mit dem ganzen Körper aus. Die Pfoten hängen ihm dabei am Leibe wie uns die Fausthandschuhe, wenn warmes Wetter ist. Dies alles nahm ich lässig wahr, in angenehmer Erschlaffung, während der Duft wohlriechender Geranien und dichter Rabatten von Zitronenmelisse aus den Beeten stieg.
Am Abend aßen wir Gamberi, eine rot und weiß gest
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Autoren-Porträt von Ernst Jünger
Ernst Jünger, geb. in Heidelberg am 29. 3. 1895, war Soldat in der Fremdenlegion, dann in der Reichswehr und der Wehrmacht. Er ist der Bruder von Friedrich G. Jünger. Seine Schriften 'In Stahlgewittern' (Tageb., 1920), 'Der Kampf als inneres Erlebnis' (Essay, 1922) und 'Feuer und Blut' (En., 1925) gelten als Verherrlichung von Soldatentum und Krieg. Später Schriften gegen Gewalt und Macht. Jüngers Teilzeitideologien sind bis heute ebenso umstritten wie seine literarischen Werke.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ernst Jünger
- 1984, 236 Seiten, Maße: 14,8 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Klett-Cotta
- ISBN-10: 3608952950
- ISBN-13: 9783608952957
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