Betrogen / House of Night Bd.2
Zoey hat sich im Vampirinternat "House of Night" schon gut eingelebt und sich an ihre Kräfte gewöhnt. Doch dann passieren Morde an menschlichen Teenagern. Und die Spuren führen zum "House of Night". Auch Zoeys Freunde aus ihrem alten Leben sind in Gefahr.
Zoey hat sich im Vampirinternat "House of Night" schon gut eingelebt und sich an ihre Kräfte gewöhnt. Doch dann passieren Morde an menschlichen Teenagern. Und die Spuren führen zum "House of Night". Auch Zoeys Freunde aus ihrem alten Leben sind in Gefahr.
BETROGEN
Der 2. Band der großen Vampyr-Serie.
Zoey hat sich im House of Night eingelebt und gewöhnt sich an die enormen Kräfte, die ihr die Göttin Nyx verliehen hat. Endlich fühlt sie sich sicher und zu Hause, da passiert das Unfassbare: Menschliche Teenager werden getötet und alle Spuren führen zum House of Night. Als die Freunde aus ihrem alten Leben in höchster Gefahr schweben, ahnt Zoey, dass die Kräfte, die sie so einzigartig machen, eine Bedrohung sein können: für alle, die sie liebt.
Die ganze Welt von House of Night auf
www.houseofnight.de
Betrogen - House of Night 2 von P.C. und Kristin Cast
1
Hey, 'ne Neue! Zieht euch das mal rein«, sagte Shaunee und ließ sich auf ihren Platz an >unserer< rustikalen Eichen-Sitzgruppe gleiten, die wir bei allen Mahlzeiten im Speisesaal (mit anderen Worten: High-School-Mensa) als unsere beanspruchten. »Ach, wie tragisch, Zwilling. Einfach tragisch.« Erin hatte genau den gleichen Tonfall drauf. Zwischen den beiden bestand eine Art psychischer Verbindung, jedenfalls waren sie sich abstrus ähnlich. Deshalb hatten wir sie auch >die Zwillinge< getauft, obwohl Shaunee mit ihrer jamaikanischen Abstammung caffè-lattefarben ist und aus Connecticut kommt, die blonde, blauäugige Erin hingegen aus Oklahoma. »Sie ist glücklicherweise mit Sarah Freebird in einem Zimmer.« Damien nickte zu dem zierlichen Mädchen mit den total schwarzen Haaren hin, das die verloren wirkende Neue durch den Speisesaal führte. Mit einem schnellen, geübten Blick hatte er die zwei schon modisch gescannt, von den Ohrringen bis zu den Schuhen. »Offenbar hat sie mehr Style als
»Wenn dein Vokabular nicht so deplorabel wäre, müsstest du nicht ständig ein Wörterbuch mit dir rumschleppen, um mit mir mitzuhalten.« Die Zwillinge holten schon Luft für die nächste Attacke, da ging meine Zimmergenossin dazwischen. In breitestem Oklahoma-Singsang warf sie ihnen die zwei Definitionen an den Kopf, als gebe sie Hilfestellung bei einem Rechtschreibwettbewerb. »Disposition eine natürliche Neigung zu einem Verhalten. Deplorabel bedauernswert, jämmerlich. Na bitte. Könnt ihr jetzt mal aufhören zu kabbeln und euch benehmen? Gleich rücken unsere ganzen Eltern an, sollen die uns etwa für gehirnamputierte Kleinkinder halten?« »Oh, Mist«, sagte ich. »Das mit dem Besuchstag hatte ich total verdrängt.« Damien stöhnte auf und ließ den Kopf einigermaßen unsanft auf die Tischplatte sinken. »Ich hab's auch völlig vergessen.« Wir übrigen schenkten ihm verständnisvolle Blicke. Damiens Eltern fanden es völlig okay, dass er Gezeichnet worden und ins House of Night gekommen war, wo er entweder zu einem Vampyr werden oder, falls sein Körper die Wandlung nicht verkraftete, elend zugrunde gehen würde. Überhaupt nicht okay fanden sie hingegen, dass er schwul war.
Tja, wenigstens fanden sie überhaupt irgendwas an ihm okay. Im Unterschied zu meiner Mutter und ihrem jetzigen Mann John Heffer, meinem Stiefpenner. Die hassten absolut alles an mir. »Meine Erzeugerfraktion kommt nicht. Keine Zeit. Waren ja letzten Monat da.« »Da haben wir's wieder, Zwilling! Gleicher geht's nicht«, sagte Erin. »Meine Leute haben mir 'ne Mail geschickt. Sie machen wohl über Thanksgiving 'nen Trip nach Alaska mit Tante Alane und dem Schwallkopf Onkel Lloyd.« Sie zuckte mit den Schultern. Weder ihr noch Shaunee schien die Abwesenheit ihrer Eltern viel auszumachen. Stevie Rae lächelte rasch. »He, Damien, vielleicht kommen deine Eltern ja auch nich.« Er seufzte. »Doch, tun sie. Ich hab doch diesen Monat Geburtstag. Da werden sie mir was schenken.« »Hört sich doch gar nicht so schlecht an«, sagte ich. »Du brauchtest einen neuen Skizzenblock, oder?«
»Den kriege ich garantiert nicht. Letztes Jahr hatte ich mir eine Staffelei gewünscht. Ich bekam eine Campingausrüstung und ein Abonnement für die Sports Illustrated.« »Yäch!«, riefen Shaunee und Erin simultan. Stevie Rae und ich verzogen das Gesicht und gaben mitfühlende Laute von uns. Da wandte Damien sich an mich, man merkte, dass er das Thema leid war. »Deine Eltern kommen ja heute zum ersten Mal. Was glaubst du, wie es wird?« »Der totale Alptraum«, seufzte ich. »Horror ohne Ende.« »Zoey? Ich dachte, ich stell dir mal meine neue Mitbewohnerin vor. Diana, das ist Zoey Redbird die Anführerin der Töchter der Dunkelheit.« Ich sah auf, froh, von meiner scheußlichen Familienkiste wegzukommen. Sarahs nervöser, zaghafter Tonfall brachte mich zum Lächeln. »Wow, es stimmt wirklich!«, platzte das neue Mädchen heraus, noch ehe ich >hi< sagen konnte. Wie üblich starrte sie meine Stirn an. Dann wurde sie puterrot. »Ich meine ... sorry. Ich wollte nicht aufdringlich sein oder so ...«, stotterte sie ganz betreten. »Schon okay. Ja, es stimmt. Ich hab ein ausgefülltes Mal mit zusätzlichen Ornamenten.« Ich lächelte weiter, um ihr aus der Verlegenheit zu helfen, obwohl ich es total hasste, dass ich (zum wievielten Mal eigentlich?!) so was wie die Hauptattraktion bei einer Freakshow war.
Zum Glück mischte sich Stevie Rae ein, bevor dieses stumme Anstarr-Grinse-Spielchen noch unerträglicher werden konnte. »Ja, das coole Spiralgeschnörkel im Gesicht und die Schultern runter hat Zoey gekriegt, als sie ihren Exfreund vor 'n paar scheißgrausigen Vampyrgeistern gerettet hat«, bemerkte sie fröhlich. »Das hat mir Sarah schon erzählt«, sagte Diana schüchtern. »Es hat nur so unglaublich geklungen, dass ich ... na ja, hm ...« »Dass du's nicht geglaubt hast?«, kam ihr Damien hilfsbereit entgegen. »Ja. Sorry«, sagte sie wieder und fummelte fahrig an ihren Fingernägeln herum. Ich kriegte ein einigermaßen lebensechtes Lächeln zustande. »He, denk nicht mehr darüber nach. Mir kommt's auch manchmal ziemlich verrückt vor und ich war dabei.« »Und hast den Laden aufgeräumt«, ergänzte Stevie Rae. Ich warf ihr einen Blick à la du-hilfst-mir-nicht-gerade zu, aber sie nahm ihn gar nicht zur Kenntnis. Tja, eines Tages bin ich vielleicht Hohepriesterin, aber ganz bestimmt nicht der Boss von meinen Freunden. »Und überhaupt das alles hier kann einem erst mal ziemlich merkwürdig vorkommen«, erklärte ich dem Mädchen. »Aber das wird schon.« »Danke«, sagte sie warm und ehrlich.
»Okay, vielleicht gehen wir jetzt besser, damit ich Diana zeigen kann, wo sie die fünfte Stunde hat«, sagte Sarah, und dann wurde es echt ultrapeinlich, weil sie plötzlich total formell wurde und mich, bevor sie sich abwandte, mit der traditionellen Vampyrgeste des Respekts grüßte den Kopf geneigt, die Faust über dem Herzen. Ich piekste in meinem Salat rum. »Ich hasse es total, wenn sie das machen.« »Ich find's nett«, sagte Stevie Rae. »Du verdienst durchaus Respekt«, sagte Damien in seinem Oberlehrerton. »Du bist die einzige Untersekundanerin, die jemals Anführerin der Töchter der Dunkelheit wurde, und die einzige Jungvampyrin der Geschichte, die affin zu allen fünf Elementen ist.« Shaunee zeigte mit ihrer Gabel in meine Richtung. »Sieh's endlich ein«, nuschelte sie um einen Bissen Salat herum. »Du bist was Besonderes«, ergänzte (wie üblich) Erin. Im House of Night heißt die zehnte Klasse Untersekunda die elfte Obersekunda, die zwölfte Unterprima und die dreizehnte Oberprima. Und ja, ich bin die einzige Untersekundanerin, die je Anführerin der Töchter der Dunkelheit war. Gratuliert mir, Leute! »Apropos Töchter der Dunkelheit«, sagte Shaunee. »Hast du schon darüber nachgedacht, wie da in Zukunft die Aufnahmebedingungen sein sollen?«Ich unterdrückte den Drang zu schreien O bitte nein, ich kann doch in dem Verein nicht wirklich das Sagen haben! Aber ich schüttelte nur den Kopf, und dann kriegte ich plötzlich die Idee und die war hoffentlich meiner Brillanz zu verdanken einen Teil des Drucks an sie zurückzugeben. »Ne, ich hab noch nichts Genaues überlegt. Eigentlich dachte ich, dass ihr mir vielleicht helfen könntet. Habt ihr denn irgendwelche Vorschläge?« Wie vermutet verfielen sie alle vier in Schweigen. Ich wollte ihnen gerade für ihre enorme Unterstützung danken, da schallte gebieterisch die Stimme unserer Hohepriesterin durch die Schullautsprecher. Zuerst war ich froh über die Unterbrechung, da kapierte ich, was sie sagte, und mein Magen zog sich zusammen. »Ich bitte alle Lehrer und Schüler, sich in der Eingangshalle einzufinden. Die Besuchszeit beginnt in fünf Minuten.« Na toll. Auf in die Hölle. »Stevie Rae! Stevie Rae! Omeingott, ich hab dich so vermisst!« »Mama!«, schrie Stevie Rae und warf sich in die Arme einer Frau, die genauso aussah wie sie, nur dreißig Kilo schwerer und ähnlich viele Jahre älter. Damien und ich standen ein bisschen unbeholfen am Rand rum. Die Eingangshalle füllte sich allmählich mit nervös wirkenden menschlichen Eltern, ein paar menschlichen Geschwistern, einem Haufen Jungvampyre und einigen unserer Lehrer. Damien seufzte. »Okay, da sind meine Eltern. Dann bring ich's mal hinter mich. Bis dann.« »Bis dann«, murmelte ich und sah ihm nach, wie er auf ein total gewöhnlich aussehendes Ehepaar zuging, das ein eingepacktes Geschenk dabei hatte. Seine Mom umarmte ihn flüchtig, und sein Dad schüttelte ihm auf extrem männliche Art die Hand. Damien wirkte blass und angespannt. Ich schlenderte zu dem langen Tisch, der an der Wand entlang aufgestellt war. Auf der weißen Tischdecke standen hübsch arrangiert Platten mit exklusiven Käse- und Wurstsorten und süßen Häppchen, dazu Kannen mit Tee und Kaffee und ein paar Karaffen mit Wein. Auch nach einem Monat im House of Night fand ich es noch ein bisschen krass, wie bedenkenlos hier Wein serviert wurde. Teilweise gibt es dafür einen ganz einfachen Grund: Die Schule ist den europäischen Houses of Night nachempfunden, und in Europa trinkt man Wein anscheinend so zum Essen wie hier Tee oder Cola niemand denkt sich was dabei. Außerdem spielt auch noch eine genetische Tatsache mit rein: Vampyre können nicht betrunken werden Jungvampyre müssen sich echt anstrengen, wenn sie sich die Kante geben wollen (das gilt für Alkohol Blut ist da unglücklicherweise ein ganz anderes Thema). Also ist
Wein hier echt nichts Besonderes. Ich dachte aber doch, es könnte spannend sein, wie Eltern aus Oklahoma auf Alk in der Schule reagieren würden. »Mama! Du musst unbedingt meine Mitbewohnerin kennenlernen! Ich hab dir doch von ihr erzählt. Das ist Zoey Redbird. Zoey, das ist meine Mama.« »Hallo, Mrs. Johnson. Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte ich höflich. »O Zoey! Ich freue mich ja so, dass ich dich mal treffe! Und meine Güte! Dein Mal ist wirklich so wunderschön, wie Stevie Rae gesagt hat.« Und sie verblüffte mich total, indem sie mich plötzlich auf weiche, mütterliche Art in die Arme schloss. Dabei flüsterte sie: »Gut, dass du auf meine Stevie Rae aufpasst. Ich mach mir Sorgen um sie.« Ich drückte sie auch ein bisschen und flüsterte: »Keine Sorge, Mrs. Johnson. Stevie Rae ist meine beste Freundin.« Und so unrealistisch es war, plötzlich wünschte ich mir, meine Mom würde mich auch in den Arm nehmen und sich Sorgen um mich machen, so wie Mrs. Johnson sich um Stevie Rae sorgte. »Mama, hast du mir Schokoladenkekse mitgebracht?«, fragte Stevie Rae. »Ja, Kind, hab ich, aber ich merke gerade, dass ich sie wohl im Auto vergessen hab.« Mrs. Johnsons breiter Okie-Singsang glich aufs Haar dem ihrer Tochter. »Komm doch mit raus und hilf mir, sie reinzubringen. Ich hab diesmal auch ein paar für deine Freunde gemacht.« Sie lächelte mich freundlich an. »Du kannst uns sehr gerne begleiten, wenn du magst, Zoey.« »Zoey.« Wie ein gefrorenes Echo ihrer warmen, herzlichen Worte hörte ich ein zweites Mal meinen Namen. Über Mrs. Johnsons Schulter hinweg sah ich, wie meine Mom und John die Halle betraten. Das Herz rutschte mir in den Magen. Sie hatte ihn mitgebracht. Himmel nochmal, konnte sie ihn nicht einmal zu Hause lassen, einmal allein mit mir sein, nur sie und ich? Aber ich kannte die Antwort auf die Frage. Das würde er niemals zulassen. Und folglich würde sie es niemals tun. Fertig. Aus. Basta. Seit meine Mom John Heffer geheiratet hatte, musste sie sich keine Geldsorgen mehr machen. Sie wohnte in einem gigantofantösen Haus in einem gepflegten Vorstadtviertel. Sie war ehrenamtlich im Eltern-Lehrer-Ausschuss und natürlich ohne Ende in der Kirche aktiv. Aber in den drei Jahren dieser >perfekten Ehe< war ihr alles, was sie selber ausmachte, komplett und vollständig abhandengekommen. »Danke, Mrs. Johnson, aber meine Eltern kommen gerade. Ich sollte besser zu ihnen gehen.« »Oh, Liebes, ich würde deine Eltern wahnsinnig gern kennenlernen.« Und als wären wir auf einer ganz normalen High-School-Veranstaltung, wandte sich Mrs. Johnson mit strahlendem Lächeln meinen Eltern zu.
Stevie Rae und ich sahen uns an. Sorry, gab ich ihr lautlos zu verstehen. Okay nicht dass ich hundertpro sicher war, dass gleich die Katastrophe kommen würde, aber so, wie mein Stiefpenner auf uns zupflügte: wie ein testosteronbekiffter General an der Spitze eines Trauermarschs, schienen mir die Chancen ganz gut für 'ne kleine Horrorshow zu stehen. Doch dann schwebte mein Herz wieder nach oben, und alles wurde plötzlich leicht und gut, denn da trat die Person, die ich am meisten liebte, hinter John hervor und kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. »Grandma!« Und schon versank ich in ihren Armen und dem süßen Lavendelduft, der sie stets umgab, als trüge sie überall, wo sie war, einen Teil ihrer wunderschönen Lavendelfarm mit sich. Sie hielt mich ganz fest. »O Zoeybird! Ich hab dich vermisst, U-we-tsi a-ge-hu-tsa.« Unter Tränen lächelnd sog ich den vertrauten, geliebten Klang des Cherokee-Wortes für Tochter ein. In ihm lagen Geborgenheit, Liebe und bedingungslose Akzeptanz, alles Dinge, die es für mich in den letzten drei Jahren zu Hause nicht gegeben hatte Dinge, die ich, ehe ich ins House of Night gekommen war, nur auf Grandmas Farm hatte spüren können. »Ich hab dich auch vermisst, Grandma. Ich bin so froh, dass du hergekommen bist!« Als wir uns voneinander lösten, sagte Mrs. Johnson: »Sie müssen Zoeys Großmama sein. Wie schön, Sie kennenzulernen. Ein klasse Mädel haben Sie da.« Grandma lächelte herzlich und wollte etwas sagen, doch John kam ihr in seinem üblichen Die-Welt-gehört-mir-Ton zuvor. »Nun, um genau zu sein, wäre das wohl unser klasse Mädel.« Wie eine von den Frauen von Stepford kam jetzt meine Mom endlich mit der Sprache heraus. »Ja, wir sind Zoeys Eltern. Ich bin Linda Heffer. Das ist mein Mann John und das meine Mutter, Sylvia Red « Da fiel es ihr mitten in ihrer ach so korrekt-höflichen Vorstellungsrunde ein, mich überhaupt mal anzuschauen, und da blieb ihr die nächste Silbe im Hals stecken und sie rang nach Luft. Es gelang mir, ein Lächeln aufzusetzen, aber mein Gesicht fühlte sich heiß und hart an, als wär es aus Gips und zu lange in der Sonne getrocknet, und wenn ich nicht aufpasste, würde es in Stücke zerfallen. »Hi Mom.« »Bei der Liebe Gottes, was hast du mit diesem Mal gemacht?« Das Wort >Mal< betonte sie so, wie sie auch >Krebs< oder >Kinderporno< sagen würde. »Sie hat das Leben eines jungen Mannes gerettet. Dabei hat sie unbewusst aus einer von der Göttin verliehenen Affinität für die Elemente geschöpft, und im Gegenzug hat Nyx sie auf eine Weise Gezeichnet, die bei einem Jungvampyr höchst selten vorkommt«, erklärte Neferet mit ihrer weichen, melodischen Stimme
und schritt, die Hand meinem Stiefpenner zum Gruß entgegengestreckt, geradewegs mitten in unsere unbehagliche Versammlung hinein. Wie die meisten erwachsenen Vampyre war Neferet einfach so perfekt, dass es einem die Sprache verschlug. Sie war groß, hatte traumhaft dichtes, glänzendes kastanienbraunes Haar und mandelförmige, ungewöhnlich moosgrüne Augen. Sie bewegte sich mit übermenschlicher Anmut und Selbstsicherheit, und ihre Haut schimmerte auf ganz unbeschreibliche Weise, als hätte man in ihr drin ein Licht angezündet. An diesem Abend trug sie ein elegantes, königsblaues Seidenkostüm und Ohrringe in Form silberner Spiralen (das Symbol für die spirituelle Wanderung auf dem Weg der Göttin nicht, dass das den Eltern normalerweise klar ist). Über ihrer linken Brust war wie bei allen Lehrern ein kleines silbernes Symbol der Göttin mit nach oben gereckten Händen eingestickt. Ihr Lächeln war atemberaubend. »Mr. Heffer, ich bin Neferet, Hohepriesterin des House of Night; aber betrachten Sie mich besser einfach als eine Art Rektorin wie bei einer gewöhnlichen High School. Es freut mich, dass Sie zum heutigen Besuchsabend gekommen sind.« Dass er ihre Hand nahm, geschah rein automatisch. Ich war sicher, er hätte sich geweigert, wenn sie ihn nicht so überrumpelt hätte. Neferet schüttelte ihm kurz und energisch die Hand und wandte sich dann an meine Mutter.
»Mrs. Heffer, es ist mir eine Freude, Zoeys Mutter kennenzulernen. Wir sind so froh, dass Zoey ins House of Night gekommen ist.« »Ja, äh, danke«, stotterte meine Mom von Neferets Schönheit und Charme ebenfalls total erschlagen. Als Neferet Grandma begrüßte, vertiefte sich ihr Lächeln und wurde echter. Ich sah, dass die beiden sich auf die traditionelle Art der Vampyre begrüßten, indem sie den Unterarm der anderen ergriffen. »Sylvia Redbird, es ist mir immer ein Vergnügen, Sie hier willkommen heißen zu dürfen.« »Neferet, auch ich freue mich von Herzen, Sie zu sehen. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie Ihr Versprechen gehalten und sich um meine Enkelin gekümmert haben.« »Dieses Versprechen zu halten ist mir keine Bürde. Zoey ist ein so außergewöhnliches Mädchen.« Diesmal schloss Neferets Lächeln auch mich ein. Dann drehte sie sich zu Stevie Rae und ihrer Mutter um. »Das sind Stevie Rae, Zoeys Zimmernachbarin, und ihre Mutter. Soweit ich weiß, sind die beiden Mädchen praktisch unzertrennlich. Sogar Zoeys Katze hat sich mit Stevie Rae angefreundet.« »Stimmt«, sagte Stevie Rae lachend. »Gestern hat sie sich beim Fernsehen doch tatsächlich auf meinen Schoß gesetzt. Und sonst mag Nala niemanden außer Zoey.« »Eine Katze? Ich kann mich nicht erinnern, dass
wir Zoey erlaubt hätten, eine Katze zu halten«, sagte John. Ich hätte kotzen können. Als ob jemand außer Grandma es für nötig gehalten hätte, sich im ganzen letzten Monat überhaupt mal bei mir zu melden! »Sie missverstehen das, Mr. Heffer. Im House of Night sind Katzen freie Wesen. Sie suchen sich ihre Besitzer aus, nicht andersherum. Zoey brauchte keine Erlaubnis dafür, dass Nala sich mit ihr zusammengetan hat«, sagte Neferet sanft. John gab ein Schnauben von sich, das von allen ignoriert wurde. So eine Pissnelke. Neferet machte eine anmutige Geste Richtung Tisch. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken oder zu essen anbieten?« »Herrschaftszeiten! Das erinnert mich daran, dass wir ja die Kekse aus dem Auto holen wollten. Stevie Rae und ich waren gerade auf dem Sprung. Hat mich echt gefreut, Sie alle kennenzulernen.« Mit einer raschen Umarmung für mich und einem Winken in die Runde flüchteten Stevie Rae und ihre Mutter und ließen mich zurück. Ich hätte gern auch einen Grund gehabt, mich verdrücken zu können. Auf dem Weg zum Tisch mit den Häppchen nahm ich Grandmas Hand und verschränkte die Finger mit ihren. Wie viel einfacher wäre es gewesen, wenn nur sie gekommen wäre! Verstohlen blickte ich zu meiner Mom. Das Stirnrunzeln schien ihr so richtig ins Gesicht gemeißelt.
www.houseofnight.de
432 Seiten, gebunden ISBN 978-3-596-86004-3
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Was macht ihr gerne, wenn ihr nicht schreibt?
PC: Kristin und ich reisen gerne. Seit sie klein ist machen wir lange Autotouren. Außerdem sehen wir uns gerne Trash im Fernsehen an und gehen ins Kino. Ich mache gern Wanderungen mit meinen Hunden. Dass wir beide auch ins Fitnessstudio gehen, ist eigentlich kein Hobby – eher eine Notwendigkeit. Denn Essen in tollen Restaurants ist auch ein Hobby von uns.
Wie ist es mit der Tochter/Mutter zu schreiben? Wie schreibt man mit jemand anderem?
PC: Ich liebe es mit Kristin zu schreiben! Autoren haben normalerweise einen sehr einsamen Job; da ist es schön, jemanden dabei zu haben. Und es ist sehr beruhigend, dass Kristin alles, was ich schreibe, noch mal durchgeht. Ich schreibe nämlich immer erst einen kompletten Entwurf, bevor Kristin das Manuskript zur Bearbeitung bekommt. Da muss ich mir keine Sorgen machen, ob ich zu alt oder jung klinge – Kristin richtet das. Ich schreibe nur die Geschichte.
KC: Mit meiner Mutter zu schreiben ist großartig, weil ich ihr zum ersten mal in meinem Leben sagen kann, wenn sie nicht Recht hat.
Habt ihr ein paar Tipps für junge aufstrebende Autoren?
KC: Worüber du schreiben solltest? Schreib ein Buch, dass du selbst am liebsten lesen würdest.
Gibt es Momente in denen ihr beide völlig anderer Meinung seid und nicht entscheiden könnt, in welche Richtung ihr gehen wollt?
PC: Zuerst war es schwierig. Ich bin es zwar gewohnt mit einem Lektorat zu arbeiten, aber als Team zu schreiben ist anders. Ich hatte bereits ein wenig Erfahrung damit, denn ich habe mit der Bestsellerautorin Gena Showalter an ein paar Anthologien gearbeitet und wir haben gemeinsam Ideen gewälzt. Kristin und ich sind uns manchmal uneinig, aber nicht über das Große und Ganze. Weil ich die erfahrenere Schriftstellerin (und die Mutter!) bin, gewinne ich meistens. Und für Kristin ist es dann immer das Größte, wenn unsere Lektorin denselben Vorschlag macht, den ich gerade noch abgelehnt hatte.
Mit welcher Figur könnt ihr euch am meisten identifizieren?
PC: Aphrodite!
KC: Zoey!
- Autoren: P. C. Cast , Kristin Cast
- Altersempfehlung: 14 - 17 Jahre
- 2010, 5. Aufl., 512 Seiten, Maße: 13,8 x 20,9 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Christine Blum
- Verlag: Fischer FJB
- ISBN-10:
- ISBN-13: 4026411361727
- Erscheinungsdatum: 23.03.2010
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