Bis Sansibar und weiter
Vom Erwachsenwerden und der ersten Liebe
Marius steht auf Zahlen und Kurven und ist viel zu nett, um wahr zu sein. Linda hat eine Stimme wie Sandpapier und Sahnepudding, blonde Wallehaare und Lippen wie kleine Sofakissen. Kein Wunder, dass Marius' Hormone Amok laufen, und sein Hirn aussetzt.
Zum ersten Mal in seinem Leben macht Marius etwas ganz Verrücktes: Von einem schrulligen, alten Kapitän kauft er von seinen letzten Ersparnissen ein Segelboot. Er will Lindas heimlichen Wunsch erfüllen und mit ihr nach Sansibar segeln. Warum sie ausgerechnet dort hin will, ahnt er nicht. Und dass sie dort vielleicht nie ankommen werden, ist ihm auch egal. Hauptsache: Alles Linda. Manchmal ist Liebe eben so.
- Starke Identifikationsfiguren für Mädchen und für Jungs
- Warmherzig, humorvoll, lebensecht: eine wunderschöne Liebesgeschichte mit Tiefgang
"Jürgen Banscherus verknüpft hervorragend spannende Unterhaltung mit einem anspruchsvollen Thema." - Brigitte
"Jürgen BanscherusŽ Bücher enthalten weit mehr, als auf dem Papier steht." - Bulletin Jugend + Literatur
BisSansibar und weiter von Jürgen Banscherus
LESEPROBE
Wenn einerMarius Dick heißt, sollte er einen gut sichtbaren Bauch haben. Oder wenigstenseinen knackigen Po in der Hose. Aber ich bin so dünn, dass man auf meinenRippen Klavier spielen kann. Behauptet meine Oma. Vierzig Kilo verteilt aufeinen Meter sechzig. Macht genau 250 Gramm pro Zentimeter. Meine Mutter heißtIrene Dick. Anders als bei mir passt der Name zu ihr. Und wie! Neunzig KiloLebendgewicht verteilt auf einen Meter siebzig. Macht ungefähr 500 Gramm proZentimeter. Oder für Matheexperten und sonstige Freaks: 529,4117647 Gramm undso weiter und so weiter. Klavierspielen ist da nicht. Zumindest nicht auf denRippen.
Mein Vaterhieß Dieter Dick. Aber alle nannten ihn nur DD. Er ist beim Kirschenpflückenvom Baum gestürzt. Von ganz oben aus der Krone mit vollem Karacho durch genausieben Äste. Ich war im Kindergarten, als der Unfall passierte. Seitdem hängt DDs Bild am Baum hinterm Komposthaufen. Mama sagt, sie hatmeinen Vater gewarnt, die Kirschen ohne Leiter zu ernten. Immerhin brachte erdamals ein Gewicht von einhundertfünfzig Kilo auf die Waage. Nackt und ohneSchuhe.
Eigentlicherinnere ich mich kaum an ihn. Aber ich weiß, dass ich mich in DD verkriechenkonnte wie in einem großen Wackelpudding. Dass er eine Stimme wie einLastwagenmotor hatte. Und dass er nach Rasierwasser roch. Hätte sich derBlödmann nicht das Genick gebrochen, hätte er mir bestimmt früh Schwimmenbeigebracht. Er spielte in einer Wasserballmannschaft im Tor und war mit seinemTeam fünfmal hintereinander aufgestiegen, das letzte Mal kurz vor seinem Tod. DDwar fast zwei Meter groß und genauso breit. Kein Wunder, dass die gegnerischenSpieler nicht an ihm vorbeikamen. Schon als Kind habe er quadratischausgesehen, behauptet meine Oma.
Anders alsmein Vater finde ich Sport langweilig. Und Wasserball sowieso. Stattdesseninteressiere ich mich, seit ich denken kann, für Zahlen. Bereits imKindergarten konnte ich locker bis Tausend addieren und noch vor meinem achtenGeburtstag vierstellige Zahlen im Kopf multiplizieren. Zum Beispiel 4362 mal 9876 (für ganz Eilige - das macht 331512). DieLehrerinnen in der Grundschule sahen in mir so was wie einen Außerirdischen.Sie haben mich zuerst ins zweite und dann gleich ins vierte Schuljahr gesteckt- allerdings nur in den Stunden, in denen ich Rechnen hatte. In den anderenFächern bin ich nicht so toll. Seit ich auf dem Gymnasium bin, mache ich ineiner Mathe-AG für die Oberstufe mit. Bis auf einMädchen aus der 12 rechne ich dort alle an die Wand. Ehrlich und ungelogen.
Nebenmeiner Leidenschaft für Mathe habe ich noch eine andere. Ich mag alles, wasrund ist. Besonders runde Mädchen. Der kleine Psychologe in mir sagt: Ist dochlogisch, Mann. Deine Mutter ist kugelrund, dein Vater war kugelrund. KeinWunder, dass du Bock auf Kurven hast.
Da war zumBeispiel Valery. Die anderen haben sich über sie lustig gemacht. Sie habeneinen Wal an die Tafel gezeichnet und »WALery frisstwie noch nie« daneben geschrieben. Obwohl ich nicht wollte, habe ichmitgelacht. Nicht besonders laut, aber immerhin. Hätte ich es nicht getan,hätten sie bestimmt rausbekommen, dass ich auf runde Mädchen stehe. Dann hätteich mich selbst an der Tafel wiedergefunden.Vielleicht als kleiner Fisch, der einen großen Wal küsst.
Mann, ichwar so verknallt in Valery, dass ich kein einziges Mal mit ihr geredet habe. Esging einfach nicht. Ich hatte Angst, mir versagt die Stimme oder ich mache mirin die Hose oder ich falle vor Aufregung tot um. Darauf konnte ich verzichten,echt. Ein Todesfall in der Familie reicht. Valery hat übrigens nach der Fünftendie Schule gewechselt. Ich habe sie nie mehr wiedergesehen.Meine Mutter ist nicht nur rund, sie ist auch ein bisschen langsam. Leute, diesie nicht so gut kennen wie ich, sagen, sie ist dumm. Früher bin ich deswegen stinkwütend geworden, inzwischen habe ich mich drangewöhnt. Denn in Wirklichkeit ist Mama überhaupt nicht dumm. Sie brauchteinfach ein bisschen länger, bis sie was kapiert. Bloß mit Zahlen lässt man siebesser in Frieden, mit Zahlen hat sie wirklich ein Problem. Mama leidet nämlichan einer so genannten »Rechenschwäche«, das hat sie sogar schriftlich. ImLexikon habe ich dafür das Wort »Dyskalkulie«gefunden. Ich finde, »Zahlenblindheit « klingt viel schöner. So nannte man esfrüher.
Weil meineMutter nach DDs Tod irgendwann den Überblick überunsere Finanzen verlor, habe ich die Buchführung übernommen. Meine Oma hatzuerst nur den Kopf geschüttelt. So was könne ein Zehnjähriger nicht, hat sieMama gewarnt, selbst wenn er noch so gut in Mathe sei. Wahrscheinlich brauchteich kein halbes Jahr, um uns in den Ruin zu treiben. Aber dann hat sie gemerkt,dass ich unser Geld zusammenhalte. Seitdem lässt sie mich in Ruhe - wenigstenswas unsere Konten bei der Bank angeht. ( )
© cbj Verlag
- Autor: Jürgen Banscherus
- Altersempfehlung: 12 - 15 Jahre
- 2006, 1, 171 Seiten, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: cbj
- ISBN-10: 3570131068
- ISBN-13: 9783570131060
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