Bis zum bitteren Tod
Am Bostoner Flughafen detoniert eine Bombe. Wenig später rast eine Passagiermaschine auf das Kapitol zu. Die Maschine wird eliminiert, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Kurz darauf fliegt in Damaskus ein Wohnhaus in die Luft. Im Hintergrund dieser Machenschaften agieren zwei Todfeinde, deren Racheakte immer perfider werden - das finale Duell ist unvermeidbar.
Admiral Morgan, bärbeißiger ehemaliger Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten, geht nach wie vor im Weißen Haus ein und aus. Als ein Flugzeug mit vermeintlichen Terroristen im Anflug auf das Kapitol ist, empfiehlt er, es abzuschießen, die Aktion aber vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Auf sein Drängen wird auch der Terrorist, der an einem Bombenanschlag in Boston beteiligt war, nach Guantánamo gebracht. Mit Erfolg, nur so erfährt er nämlich, wer hinter den Anschlägen steckt: Niemand anderer als sein Todfeind Ravi Rashud. Der ehemalige Major des britischen SAS hat die Fronten gewechselt und ist als Anführer der Hamas weltweit für Terrorattentate verantwortlich. Als Admiral Morgan den Wohnsitz seines Widersachers in Damaskus sprengt, entgehen Rashud und seine Frau Shakira nur knapp dem Tod. Es beginnt ein unerbittliches Katz- und- Maus-Spiel. Rashud schwört Rache und hat nur ein Ziel: Admiral Morgan persönlich zu töten.
Admiral Morgan, bärbeißiger ehemaliger Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten, geht nach wie vor im Weißen Haus ein und aus. Als ein Flugzeug mit vermeintlichen Terroristen im Anflug auf das Kapitol ist, empfiehlt er, es abzuschießen, die Aktion aber vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Auf sein Drängen wird auch der Terrorist, der an einem Bombenanschlag in Boston beteiligt war, nach Guantánamo gebracht. Mit Erfolg, nur so erfährt er nämlich, wer hinter den Anschlägen steckt: Niemand anderer als sein Todfeind Ravi Rashud. Der ehemalige Major des britischen SAS hat die Fronten gewechselt und ist als Anführer der Hamas weltweit für Terrorattentate verantwortlich. Als Admiral Morgan den Wohnsitz seines Widersachers in Damaskus sprengt, entgehen Rashud und seine Frau Shakira nur knapp dem Tod. Es beginnt ein unerbittliches Katz- und- Maus-Spiel. Rashud schwört Rache und hat nur ein Ziel: Admiral Morgan persönlich zu töten.
Kapitel Eins
Auf dem Logan International Airport, gelegen auf einer Zigmillionen Tonnen schweren Landzunge aus Beton, eingezwängt zwischen Rollfeldern, Tunnel und dem Hafen, wimmelte es nur so von Reisenden. Tausende, die sich in die Schlangen drängelten. Man musste sich für Tickets anstellen, für den Check-in, die Sicherheitskontrollen, für Kaffee, Coke und Donuts. Sogar für Cheeseburger, und dabei war es an diesem düsteren, kalten Januartag noch nicht einmal acht Uhr morgens.
Nach Süden. Süden. Immer wollten alle nach Süden. Nach Florida, Antigua, Barbuda, St. Barts, auf die Inseln, irgendeine Insel, um bloß dieser Kälte zu entkommen, dem Schnee, dem Matsch und dem Eis. Es war der Höhepunkt der Saison.
Hohe Tarife, ruinöse Hotelrechnungen wen kümmerte es auf diesem eisigen Flughafen im winterlich-unwirtlichen Boston. Außerhalb der Abflugterminals pfiff ein strenger Ostwind, der geradewegs von den schiefergrauen Gewässern der Massachusetts Bay hereinwehte. Zwei Kilometer weiter westlich ragten die frostigen Granittürme der City in die Höhe.
Dies war einst die Heimat der schlachterprobten Neuengländer gewesen, die die Kälte akzeptiert und mit einem Schulterzucken abgetan hatten. Doch das war vorbei. Heute pochte man auf den Wohlstand der Moderne, auf Flugreisen und das Gefühl, man habe Besseres verdient. Verdammt noch mal, die beschissene Tundra kann mir gestohlen bleiben. Ich will hier raus.
Die Massen der ungeduldigen Urlauber kollidierten mit den sowieso schon genervten Geschäftsleuten, die durch die Bank weg von den Startverspätungen die Schnauze voll hatten. Und wie immer am Montagmorgen herrschte das reinste Chaos.
»Total verrückt«, murmelte Officer Pete Mackay und ergriff fester seine MP, während er sich durch die Menge
»Kannst du laut sagen«, kam es von seinem Gefährten, Officer Danny Kearns.
»Jeder Osama-bin-Arsch könnte spurlos in der verdammten Donut-Schlange untertauchen.«
Mackay und Kearns waren auch außerhalb des Bostoner Police Department Kumpel. Beide waren glühende Anhänger der New England Patriots.
Jede Saison glaubten sie elf, manchmal sogar zwölf Monate lang aus tiefstem Herzen, dass dieses Jahr wirklich ihnen gehörte, dass endlich mal wieder die glorreichen Jahre der Super-Bowl-Siege anbrechen würden.
Sie lebten für den Football. Ob beim Essen oder Schlafen, sie dachten an Football. Nachts schreckten sie aus dem Schlaf hoch und führten die Patriots zum Angriff; der große, stiernackige Pete Mackay war in seinen Träumen der größte Defensive Lineman aller Zeiten; Danny, etwas bescheidener, sah sich als der schnellste Running Back auf Erden.
Wann immer sie Zeit hatten, gingen sie gemeinsam zu den Spielen und nahmen abwechselnd ihre Jungs mit, Pete seinen Patrick und seinen Sean, und Danny Mike und Ray. Beide Polizisten waren Bostoner Iren der fünften Generation; beide wohnten im Süden der Stadt am Ufer gegenüber dem Flughafen. Ihre Ururgroßeltern waren etwa zur gleichen Zeit, kurz nach der großen Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts, aus Irland emigriert.
Keiner konnte sich daran erinnern, dass sich die Mackays und Kearns nicht gekannt hatten. Auch Petes und Dannys Vater waren Bostoner Polizisten gewesen. Beide hatten dieselbe Grundschule in Southie besucht, sie hatten zusammen auf der Straße Football und Baseball gespielt, hatten sich mit den Jungs aus der Nachbarschaft geprügelt und eine glückliche Kindheit voller Raufereien erlebt. Sowohl Pete als auch Danny hatten es auf die Universität geschafft, und beide hatten dort natürlich Football gespielt leider nicht auf höchstem Niveau, wie sehr sie sich auch anstrengten.
In der Folge standen die beiden Männer mit schwer geprüftem Stolz bedingungslos zu den Patriots, wozu ein hohes Maß an Selbstironie gehörte, die allerdings zu völlig unvernünftiger Leidenschaft aufwallte, wenn mal wieder »Barbaren« vor den Toren standen das hieß, wenn ein Team aus einer anderen Stadt die Jungs aus Foxborough herausforderte.
Als Polizist war der 34-jährige Pete Mackay dazu ausersehen, es bis ganz nach oben zu schaffen. Er war ehrgeizig, hartgesotten und gefiel sich in gelegentlichem Zynismus. Noch immer flink auf den Beinen, verstand er es meisterhaft, die gelegentlichen Ausbrüche von innerstädtischer Gewalt zu regulieren. Wie Danny war er ein ausgezeichneter Scharfschütze. Daneben besaß er einen rechten Haken wie von einem Presslufthammer, falls jemand so dämlich war und ihn tätlich angriff.
Officer Kearns, der Komiker der örtlichen Polizeitruppe, war seiner Dienststelle nicht ganz so ergeben. Er hatte eine äußerst attraktive italienische Frau, Louise, und ließ nach Dienstschluss gerne die Arbeit Arbeit sein, um nach Hause in den Schoß seiner Familie zu entfliehen.
Pete, der ihm die Stichwörter für seine Blödeleien lieferte, hatte mit Marie zwar auch eine hübsche Frau, konnte sich aber trotzdem kaum von den Ermittlungen losreißen, plauderte hier und da noch mit den Detectives und marschierte gezielt auf den Tag zu, an dem er zum Detective Sergeant ernannt werden würde.
Mackay und Kearns waren ein beliebtes Team, sie verbrachten viel Zeit damit, Gelder für die Familien jener Polizeibeamten zu sammeln, die im Dienst verwundet oder getötet worden waren. An diesem Morgen, im Gewühl des Terminal C, waren sie in höchster Alarmbereitschaft und hielten Ausschau nach allem, was auch nur entfernt verdächtig wirken könnte. Normalerweise patrouillierten sie langsam vom einen Ende des Terminals zum anderen, wobei sie immer in Sichtweite des Sicherheitspersonals blieben.
Aufgrund des Massenansturms war das an diesem Morgen allerdings etwas schwierig. Aus dem Gedränge ertönten die lauten Stimmen der Flughafenangestellten Hier entlang, Sir ... Tut mir leid, Sir ganz bis zum Ende der Schlange, ja ... Wir tun, was wir können, Sir ... stellen Sie sich hinten an ... ja, einfach hinten anstellen.
»Großer Gott, Pete«, sagte Danny. »Ich war mal in Griechenland, dort behandelt man ja die Ziegenherden besser.«
Wie immer lachte Pete Mackay über Dannys Witzchen. Aber dann erinnerte sich der Bostoner Polizist, warum sie hier waren.
»Ja, trotzdem, es ist ernst. Wenn was passiert, können wir kaum reagieren. Wahrscheinlich brauchen wir eine volle halbe Minute, bis wir überhaupt bei den Jungs von der Sicherheitskontrolle sind es sei denn, wir rennen ein Dutzend Passagiere übern Haufen.«
»Du meinst, wie Rayman letzten Monat gegen die Steelers? Da hat er drei Linemen mitgenommen! Was für ein Spiel!«
»So in der Art mit dem Kopf voraus. Aber im Ernst, es sind Scheißbedingungen, schließlich sollen wir ja in Sichtweite der Passagiere und des Personals bleiben.«
»Es wäre in der Tat besser, wir könnten ein paar Schritte machen, ohne gleich jemanden zu rammen.«
Die beiden Polizisten versuchten an den Anfang der Schlange zu kommen, drehten dann aber um. »Ich will vor allem in Sichtweite der Security bleiben, das ist alles«, sagte Mackay. Donald Martin war Junior Vice President eines Bostoner Wertpapierhandelshauses und bemühte sich redlich, die Passkontrolle hinter sich zu bringen und seinen Flug nach Atlanta zu erreichen.
Er hatte kein Gepäck bei sich und erwartete, um Mitternacht wieder zu Hause in Newton, westlich von Boston, zu sein. Er reiste in Begleitung des Vorsitzenden seines Unternehmens, des silberhaarigen Elliott Gardner, der 30 Jahre älter war als er und aus einer alteingesessenen Bostoner Bankiersfamilie stammte.
Donald las still für sich den Globe; sein Boss, angewidert von dem Chaos, starrte ziellos in die Ferne. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass ihre Erste-Klasse-Tickets ihnen nicht erlaubten, sich dieser
degoutanten Nähe zum Plebs zu entziehen. Vor allem, nachdem es in der Schlange nicht mehr vorwärtszugehen schien.
Hinter ihnen stand ein einzelner Passagier und hinter dem eine Familie mit zwei sehr kleinen Kindern. Ihr Wagen war mit Gepäckstücken überfüllt. Eines der Kinder greinte. Bei Gott, Elliott hoffte, dass die Familie nicht mit Delta erster Klasse nach Atlanta flog.
»Wa-haaaah!«, schrie das Kind.
»Großer Gott«, murmelte er. Doch dann spürte er, wie ihm jemand sacht auf die Schulter klopfte. Der Passagier hinter ihm. Er drehte sich um. Vor ihm stand ein jugendlicher Mann, gut gekleidet, kaum älter als 30 Jahre und von nahöstlicher Herkunft. Er hätte Türke oder Araber sein können, keinesfalls jedoch Jude oder gar Israeli. Das Gesicht eines Mannes, der in der Wüste oder in einer Kasbah geboren und aufgewachsen war.
Der Mann lächelte ihn breit an.
»Entschuldigen Sie, Sir«, sagte er. »Ich habe hier zwei relativ schwere Koffer und wollte nur mal rüber zu Starbucks, um mir einen Kaffee zu holen. Könnten Sie vielleicht ein Auge auf sie haben und sie einfach weiterschieben, wenn es mit der Schlange wieder vorangeht?«
Elliott, ein kultivierter Herr, dem jede Unhöflichkeit fremd war, sah zu den beiden braunen Leder-Aktenkoffern auf dem Boden.
»Kein Problem«, erwiderte er.
»Lassen Sie sie einfach hier.« Gedankenverloren sah Donald Martin von seiner Zeitung auf und fragte: »Was wollte er?«
»Ach, ich soll auf seine Aktenkoffer aufpassen, er will sich bloß einen Kaffee holen er ist dort drüben, bei Starbucks. Ich hätte ihn bitten sollen, uns auch einen mitzubringen, hier geht ja nichts mehr voran.«
»Wo ist er?«, kam es vom plötzlich hellwachen Martin.
»Dort drüben bei Starbucks.« »Was hat er an?«
»Ein beigefarbenes Jackett, glaube ich.« Martin ließ den Blick schweifen.
»Meinen Sie den da?« Er deutete mit dem Finger.
»Den Typen, der sich gegen den Menschenstrom durch die Halle kämpft?«
»Ja, dunkle Haare, das ist er. Was ist denn los, Don?«
»Na ja, Starbucks hat er zumindest schon mal nicht angesteuert.«
»Wahrscheinlich muss er auf die Toilette«, erwiderte Elliott. »Gut, jedenfalls hat er mit seinem unbeaufsichtigten Gepäck gegen alle Sicherheitsregeln verstoßen. Und Sie auch. Sie wissen doch nicht, was in diesen Aktenkoffern ist. Außerdem sieht der Typ wie ein Araber aus.«
Elliott Gardner wirkte plötzlich äußerst nervös. Damit hatte er beim besten Willen nicht gerechnet. Sein noch sehr junger Junior Vice President reckte den rechten Arm hoch und sah über die Menge zu den patrouillierenden Pete Mackay und Danny Kearns.
»Officer!«, brüllte er lautstark. Äußerst lautstark.
»Hier ... hier rüber, bitte!« Officer Mackay fuhr herum. Er bemerkte Don Martins gestreckten Arm und wühlte und rammte sich 30 Meter durch die Menge. Danny Kearns folgte dichtauf.
Als sie eintrafen, scheuchte Donald Martin die Leute zurück, weg von den Koffern, die nun einsam auf dem Boden standen wie zwei von Zuschauern umringte Hähne bei einem Hahnenkampf.
»Officer«, sagte Martin, »ein Typ, der wie ein Araber aussah, hat die Koffer hier stehen lassen. Er wollte angeblich zu Starbucks, aber dann ist er einfach daran vorbeigelaufen in Richtung Ausgang.« Pete Mackay zog ein kleines hochmodernes Stethoskop von seinem Gürtel, steckte sich die oberen Enden in die Ohren und hielt den langen Schlauch an einen der Koffer. Nichts. Dann an den anderen. »Mein Gott!«, murmelte er. »Danny, da ist ein leises Klicken zu hören. Halt mal den Detektor ran.« Danny Kearns zog einen Metallapparat von seinem Gürtel und hielt ihn an den Koffer. Sofort begann er zu piepen.
»Da ist Metall drin, Pete, möglicherweise explosiv. Das Ding ist verdammt noch mal scharf.«
»Was hat er an?«, brüllte Pete. »Was zum Teufel hat er an?«
»Ein beigefarbenes Jackett«, erwiderte Elliott Gardner. »Schwarzes T-Shirt. Nicht groß, kurze schwarze Haare. Sieht wohl wie ein Araber aus.«
»Schnapp ihn dir, Pete! Ich kümmere mich um die Sache hier.«
Danny Kearns hatte bereits unzählige Stunden auf dem Bostoner Flughafen verbracht. Er kannte die Gebäude. Draußen vor den breiten Glastüren lag eine vierspurige Straße, auf der Taxis, Pkws, Limousinen und Busse die Passagiere herankarrten.
Officer Kearns war es gewohnt, schnelle Entscheidungen zu treffen, aber er hatte es noch nie mit etwas zu tun gehabt, das so dringend war. Sollte er das Terminal so schnell wie möglich evakuieren lassen? Oder sich auf das Tod-oder-Ehre-Spielchen einlassen, den Koffer packen und von hier verschwinden? Und dabei hoffen, dass das Scheißding nicht hochging? Das Letztere beinhaltete eine weitere teuflische Frage was sollte er mit dem verdammten Koffer machen, wenn er erst mal draußen war?
An das Terminal im Ankunftsbereich grenzte ein Parkhaus. Denn Danny Kearns wollte den verdammten Zeitzünder nicht länger als unbedingt nötig in Händen halten. Seine Gedanken rasten. Wenn er den Koffer auf die Betonauffahrt des Parkhauses warf, demolierte er vielleicht ein paar Pkws und verletzte oder tötete möglicherweise ein Dutzend Menschen. Ließ er ihn im Terminal, während er der Menge befahl, das Gebäude zu verlassen, würden mit Sicherheit an die tausend Menschen sterben.
Keine Frage. Danny Kearns, Patriots-Fan, Ehemann der schönen Louise, Vater von Mike und Ray, packte den Koffer. Er hielt ihn wie ein klassischer Running Back eng an den Körper gepresst, von unten mit der rechten Hand gestützt. Sein von Tausenden Stunden NFL-Football geschärfter Instinkt gebot ihm, etwas langsamer als sonst zu laufen.
Vor sich sah er die Glastüren. Er stürzte darauf zu, steuerte sein erstes Ziel an, schob sich an Passagieren vorbei und stieß jeden, der ihm im Weg stand, mit einem harten Schulter-Check zur Seite.
Vor ihm stand eine Gruppe aus etwa sechs Leuten, die die Türen blockierten die gottverdammte Defensive Secondary, die zweite Verteidigungslinie, viel zu viele.
Danny rammte den ersten erschreckten Fluggast zur Seite, drehte sich weg, klammerte sich verbissen an den Koffer und nahm, nun hart an der linken Seite, erneut Anlauf. Die Türen standen offen, allerdings blockierte ein Typ mit roter Baseballkappe und einem Gepäckwagen den Weg. Danny Kearns aber sah nur noch den Free Safety vor sich, den Verteidiger der gegnerischen Mannschaft, den es wegzuräumen galt, um ins Ziel zu kommen.
Er ließ die linke Hand vorschnellen und traf den Gepäckträger genau unter dem Kinn, noch im gleichen Moment wich er dem leeren Gepäckwagen aus und raste hinaus in die Anfahrtszone des Flughafens.
Ein Bus musste abrupt abbremsen, ein Taxi fuhr ihm hinten auf. Zwei Einsatzbeamte hörten Danny brüllen: »Sofort das Parkhaus räumen! Ich hab hier einen beschissenen Sprengsatz!«
Die beiden Polizisten sahen ihn mitten auf die Fahrbahn stürmen und stellten sich in den Verkehr. Eine Limousine fuhr auf einen Pick-up auf. Ein SUV krachte auf den Bürgersteig. Und Danny Kearns lief weiter, duckte sich, wich Hindernissen aus und schrie unaufhörlich: »Raus aus dem Parkhaus sofort das Gelände räumen, schnell!«
Vor ihm ragte die niedrige Betonwand vom Erdgeschoss des Parkhauses auf, und Danny bereitete sich auf den Wurf seines Lebens vor. Er sah, dass die Stelle, die er vorgesehen hatte, leer war, eine gähnend leere Endzone. In Gedanken fühlte er sich von Tom Brady angetrieben, dem legendären Quarterback der Patriots, der noch im Alter von 35 Jahren großartige Spiele hingelegt hatte.
Und die voll besetzten Ränge der Patriot-Fans feuerten ihn an. Er packte den Aktenkoffer am Griff, richtete sich auf, drehte sich halb um die eigene Achse und neigte sich zurück mehr wie ein Diskuswerfer als ein Quarterback. Und dann schleuderte er den Koffer. Schleuderte ihn in das Parkhaus, so weit in die Mitte, wie es ihm möglich war.
Er sah ihm nach, sah, wie er über das Dach eines Cadillac schlitterte und anschließend über den Betonboden glitt. Danny brüllte noch immer, flehte jeden an, zum Teufel noch mal das Parkhaus zu verlassen, und warf sich zu Boden, direkt an die niedrige Mauer, die das Parkhaus von der Straße trennte. Er schlug die Arme über den Kopf und ging ganz richtig davon aus, dass der Zeitzünder durch einen derart harten Aufprall vorzeitig ausgelöst werden würde.
32 Sekunden später detonierte der Koffer in einer gewaltigen Explosion. Vier Wagen wurden in die Luft geschleudert, zwölf weitere durch die Druckwelle bis zu zehn Meter weit verschoben, vier stahlarmierte Betonpfeiler wurden zum Einsturz gebracht. Der erste Stock des Parkhauses sackte nach unten durch, in den Boden des zweiten Geschosses wurde ein knapp zehn Meter breiter Krater gerissen. An die 40 Pkws erlitten Totalschaden. Lediglich zwölf Personen hatten sich im direkten Detonationsbereich aufgehalten und wurden durch herumfliegende Trümmer zum Teil schwer verletzt. Todesopfer gab es keine zu beklagen.
Überall war dichter Rauch, Flammen schlugen hoch, in der Luft hing unverkennbarer Korditgeruch. Der Logan International Airport war in eine Kriegszone verwandelt worden. Während Danny Kearns den Sprengsatz weggebracht hatte, war Pete Mackay dem Mann im beigefarbenen Jackett gefolgt. Beim zweiten Notausgang war er nach draußen auf den Bürgersteig gestürzt und hatte darum gebetet, dass sein Opfer durch den nächsten Ausgang kommen würde.
Denn draußen, wusste Pete, würde er verdammt noch mal sehr viel schneller laufen können als drinnen im dicht gedrängten Terminal. Er erreichte den Ausgang vor der Explosion. In diesem Moment trat der Mann, der Elliott Gardner gebeten hatte, auf seine Koffer aufzupassen, ins Freie.
Es war der Augenblick, auf den Pete Mackay sein Leben lang gewartet hatte. Mit einem Block, bei dem sogar ein Grizzlybär aufgestöhnt hätte, brachte er den Terroristen zu Fall. Der andere krachte gegen die Tür, und noch bevor er zu Boden gesackt war, hatte Pete Mackay die Hände am Hals seines Gegners und hämmerte ihm den Schädel gegen den Bürgersteig.
In diesem Augenblick ging der Koffer hoch. Und ein Dritter mischte sich in die Auseinandersetzung ein, ein weiterer Typ mit nahöstlichen Gesichtszügen, der aus einer schwarzen Limousine sprang und Mackay einen heftigen Schlag gegen die Rippen verpasste. Pete klappte zusammen, kurz blieb ihm die Luft weg, aber er schaffte es, den Mann am Knöchel zu fassen.
Der erste Terrorist hatte sich mittlerweile wieder hochgerappelt und lief auf den schwarzen Wagen zu. Pete lag noch immer am Boden, während der zweite sich losriss und zur Fahrerseite stürzte, hineinglitt, den Motor anließ und Gas gab.
Neben ihm saß der Mann im beigefarbenen Jackett. Pete Mackay rappelte sich auf, lief auf die Straße und richtete die MP auf das direkt auf ihn zukommende Fahrzeug. Pete zuckte nicht mit der Wimper, während er eine Salve nach der anderen durch die Windschutzscheibe pumpte. Erst in letzter Sekunde sprang er zur Seite. Der Wagen brach seitlich aus, direkt hinein in den gestauten Verkehr. Der Fahrer war tot, hatte aber, nach vorn gesackt, den Fuß auf dem Gaspedal. Diagonal schoss der Wagen über die Fahrbahn, krachte gegen das Heck eines Busses, überschlug sich und explodierte in einem Feuerball.
Danny Kearns war mittlerweile wieder auf den Beinen und eilte seinem Partner zu Hilfe. Die linke Seite des schwarzen Wagens war ein einziges Inferno. Danny trat die Beifahrerscheibe ein, gemeinsam hievten sie den Terroristen in seinem angesengten beigefarbenen Jackett heraus und zerrten ihn fort. Es dauerte nur Minuten, bis Streifenwagen aus der gesamten Stadt eintrafen, um bei der völligen Evakuierung der Terminals zu helfen. Eintreffende Flüge wurden nach Providence, Rhode Island, umgeleitet, lediglich ausgehenden Maschinen, die bereits das Gate verlassen hatten, wurde die Starterlaubnis erteilt.
Die Officer Mackay und Kearns übernahmen im Terminal C die Kontrolle und schickten die Menschen in den langen Schlangen vor den Pass- und Sicherheitskontrollen mit dem Hinweis zum Ausgang, dass alle den Flughafen so schnell wie möglich verlassen sollten.
Die Polizei hatte keine Ahnung, ob es sich um ein weiteres 9/11 handelte und der Flughafen nur der Vorbote für eine ganze Reihe weiterer Angriffe war. Niemand wollte auch nur das geringste Risiko eingehen.
An diesem Tag jedenfalls ging am Logan International Airport nichts mehr, und laut den dort versammelten Sicherheitskräften würde sich das in den nächsten 48 Stunden auch nicht ändern. Die Gerüchte, die bei Vorfällen dieser Größenordnung munter durch die Redaktionen der lokalen Medien schwirrten, waren natürlich nicht zu stoppen.
Um 8.45 Uhr wusste bereits die gesamte Stadt, dass es am Flughafen zu einem Big Bang gekommen war. Und dass dabei Terroristen beteiligt gewesen waren. Kamerateams, die in Krisensituationen wie dieser immer nur allen im Weg rumstanden, erhielten von der Polizei allerdings keinen Zugang zum Tatort.
Gewöhnlich neigen die Medien bei solchen Gelegenheiten zu leicht zorniger Selbstherrlichkeit. Schließlich halten sie sich selbst für wesentlich wichtiger als zum Beispiel die Feuerwehrleute, die jetzt das im Parkhaus wütende Feuer zu löschen versuchten, oder die unzähligen Polizisten, die verhindern wollten, dass weitere Menschen in die Luft gesprengt und getötet wurden.
Wie konnte das nur passieren? Wie war es möglich, dass die Sicherheitskräfte ein solches Maß an Inkompetenz an den Tag legten? Ist zu erwarten, dass Köpfe rollen?
Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, das zu erfahren ... und jetzt zu unserem Reporter vor Ort. Wie sieht's dort draußen in diesem Moment aus? Das war der Augenblick, in dem die Polizei entschied, dass sie auf das alles gut und gern verzichten konnte, und den Rundfunk und Fernsehleuten den Zugang zum Flughafen verwehrte. Trotzdem wurde in jedem Winkel des Landes und kurz darauf und ungeachtet der Zeitunterschiede auch in jedem Winkel der Welt von dem Terroranschlag auf dem Logan International im Rundfunk berichtet.
Übersetzung: Karl-Heinz Ebnet
Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
- Autor: Patrick Robinson
- 2010, 480 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Karl-Heinz Ebnet
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453266196
- ISBN-13: 9783453266193
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