Bittersüsses Geheimnis
Tennisprofi Daniel ist nach dem Tod seiner Frau ein gebrochener Mann und zieht sich mit seinem kleinen Sohn vom Leben zurück. Erst als er auf der Insel Maui Angela kennen lernt, kann er wieder an die Liebe und an eine Zukunft glauben. Doch Angela verbirgt etwas vor ihm.
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Produktinformationen zu „Bittersüsses Geheimnis “
Tennisprofi Daniel ist nach dem Tod seiner Frau ein gebrochener Mann und zieht sich mit seinem kleinen Sohn vom Leben zurück. Erst als er auf der Insel Maui Angela kennen lernt, kann er wieder an die Liebe und an eine Zukunft glauben. Doch Angela verbirgt etwas vor ihm.
Lese-Probe zu „Bittersüsses Geheimnis “
Bittersüßes Geheimnis von Sandra Brown1. KAPITEL
Daniel McCasslin schmetterte den Tennisball
über das Netz zurück. Sie ist also wieder da,
dachte er. Zum dritten Mal in dieser Woche
saß die dunkelhaarige junge Frau am selben Tisch am Rand
der Terrasse, die zum Freiluft-Restaurant des Clubs gehörte.
Von dort aus konnte man die Tennisplätze sehr gut überblicken.
Zu Beginn des Trainingsspiels hatte sie noch nicht dort
gesessen, aber als sie später auf die Terrasse hinausgetreten
war, hatte Daniel sie sofort bemerkt und prompt einen Ball
verschlagen, weil seine Aufmerksamkeit für einen Augenblick
von ihren anmutigen Bewegungen abgelenkt wurde.
Graziös strich sie den Rock über ihren Hüften und den
Oberschenkeln glatt, bevor sie sich setzte.
„Du wirst mit jedem Tag besser", stellte Gary, Daniels
Trainingspartner, fest. Sie kamen nun am Netz zusammen,
um einen Moment zu verschnaufen, einen Schluck Mineralwasser
zu trinken und sich den Schweiß vom Gesicht zu wischen.
„Leider bin ich noch nicht gut genug", antwortete Daniel.
Dann setzte er die Seltersflasche an den Mund. Dabei
warf er wieder einen Blick zu der Frau auf der Terrasse hinüber.
Seit er sie dort zum ersten Mal entdeckt hatte, verspürte
er Neugierde.
Auch heute beugte sie sich über den Tisch und schrieb irgendetwas
auf einen Block, wie sie es an den vergangenen
Tagen getan hatte. Was zum Teufel notierte sie nur immerzu?
Daniel stellte die Seltersflasche ab. Sein Blick wurde
misstrauisch. Ob diese Frau etwa zu den entnervenden Zeitungsleuten
gehörte? Nur das nicht!
„Daniel! Hörst du mir überhaupt zu?"
... mehr
„Was?" Daniel schaute seinen Tennispartner verwirrt an.
„Entschuldige, Gary. Was hast du gesagt?"
„Ich sagte, deine Kondition hat sich seit letzter Woche
ebenfalls erheblich verbessert. Du scheuchst mich ganz
schön über den Platz und scheinst nicht mal außer Atem zu
geraten."
Daniel lächelte, und dabei verschwanden die kleinen weißen
Linien in seinem tief gebräunten Gesicht. Dieses Lächeln
erinnerte an eine Zeit, in der er noch nicht wusste, was
eine Tragödie im Leben eines Menschen bedeutete.
„Du spielst fantastisch", sagte er, „doch du bist eben
nicht Gerulaitis oder Borg oder McEnroe, Gary. Nimm's
mir nicht übel, alter Junge, aber ich muss erheblich wendiger
und treffsicherer sein als du, wenn ich es wieder mit den
wahren Größen aufnehmen will, und so weit bin ich noch
lange nicht."
„Na, ich seh' den Tag schon kommen, an dem ich über
meine raushängende Zunge stolpere, während du noch so
viel Schwung hast, übers Netz zu hüpfen, wenn das Spiel aus
ist."
Daniel klopfte Gary freundschaftlich auf die Schulter.
„Warten wir es ab, mein Junge." Er lachte, nahm seinen Tennisschläger
auf und ließ ihn unbewusst, aber gekonnt in der
Hand herumwirbeln.
Aufmunternde Zurufe und freundlicher Applaus kamen
von einer Gruppe Zuschauerinnen, die vor dem Zaun standen,
der die Tennisplätze umgab. Die Zurufe wurden lauter,
als Daniel zur Grundlinie zurückging.
„Deine Fans sind heute wieder mal vollzählig versammelt",
spöttelte Gary gutmütig.
„Diese albernen Groupies", knurrte Daniel und blickte
zu den Frauen hinüber, die sich wie hungrige Tiere im Zoo
an den Zaun herandrängten. Und er war ihr Futter!
Er machte eine abweisende Miene, doch das schien seine
Bewunderinnen eher zu begeistern als abzuschrecken. Sie
riefen ihm reichlich schamlose Worte zu und flirteten ohne
jede Zurückhaltung mit ihm.
Daniel wandte sich angewidert ab und zwang sich dazu,
sich auf den Ball zu konzentrieren. Er ließ ihn ein paar Mal
vom Boden abprallen und plante dabei seinen Aufschlag. Er
wollte den Ball so über das Netz schmettern, dass er in der
hinteren Ecke des Feldes aufschlug und dann nach links auf
Garys schwache Rückhandseite sprang.
Eine seiner Anhängerinnen machte eine eindeutige, mehr
als unschickliche Bemerkung. Er knirschte mit den Zähnen.
Wussten diese dummen Gänse nicht, dass Frauen ihm gestohlen
bleiben konnten? Ellie war doch gerade erst gestorben
...
Verdammt, Daniel McCasslin, denk nicht an Ellie! rief er
sich zur Ordnung. Er durfte nicht an sie denken, wenn das
Match nicht zum Teufel gehen sollte.
„Mr. McCasslin?"
„Höchstpersönlich!" hatte Daniel fröhlich ins Telefon
gerufen.
Ein sonniger Tag wie jener im Inselparadies Hawaii
konnte einen Mann auf alle möglichen Gedanken bringen,
nur nicht auf den, dass seine Frau zwischen Blechtrümmern
und Glassplittern bei einem Autounfall gestorben war.
„Sind Sie allein?"
Daniel hatte den Hörer vom Ohr genommen und ihn einen
Moment lang verwundert und erheitert angeschaut.
Dann hatte er gelacht. „Ja, ich bin allein, wenn man von meinem
Sohn absieht. Aber warum fragen Sie? Haben Sie etwa
vor, mir etwas Obszönes zu erzählen?" Er hatte einen Scherz
machen wollen; wie hätte er auch ahnen können, mit was für
einer schrecklichen Nachricht er konfrontiert werden sollte?
„Mr. McCasslin, ich bin Lieutenant Scott von der Polizei
in Honolulu. Es hat einen Autounfall gegeben ..."
Von dem, was dann kam, hatte Daniel nicht viel behalten.
Daniel nahm den Ball auf und hielt ihn in der Hand, als wollte
er ihn wiegen. Dabei versuchte er, die Erinnerung zu verjagen,
die in seinem Innersten schmerzte. Unwillkürlich
richtete er den Blick auf die Frau, die noch immer an dem
Tisch auf der Terrasse saß. Sie hatte den Arm aufgestützt und
die Wange in die Hand gelegt. Offensichtlich schaute sie ins
Leere und schien nichts um sich herum wahrzunehmen. War
sie denn nicht ein bisschen neugierig auf Daniel McCasslin?
Anscheinend nicht. Bis jetzt hatte sie kaum einmal zum
Tennisplatz geschaut. Ihre Gleichgültigkeit ärgerte Daniel,
was absolut unangebracht war; seit Ellies Tod, der jetzt
knapp ein Jahr zurücklag, hatte er schließlich nichts mehr
gewünscht, als in Ruhe gelassen zu werden.
„He, Daniel!" rief eines der Mädchen am Zaun. „Wenn
du keine Lust mehr hast, Tennis zu spielen, dann spiel doch
mal mit mir!"
Heißer Zorn packte Daniel bei so viel Unverschämtheit.
Wütend hob er den Arm und vollzog seinen Aufschlag mit
einer solchen Kraft, dass der Ball wie ein undeutlicher Strich
durch die Luft zischte. Während des gesamten Satzes spielte
er mit der sprichwörtlichen Wut im Bauch, und am Ende
konnte Gary nur zwei Punkte für sich verbuchen.
Wenig später schlang sich Gary ein Handtuch um den
Hals. Er war völlig außer Atem. „Wenn ich gewusst hätte,
dass du nichts weiter als ein paar schmutzige Angebote von
deinen Groupies brauchst, um zu solch großer Form aufzu-
laufen, dann hätte ich die Mädchen längst stundenweise für
dich gemietet."
Daniel packte seine Sporttasche und verstaute den Schläger
im Außenfach. Dann wandte er sich den Treppenstufen
zu, die zur Terrasse führten. „Die meisten von denen da
kann man wohl tatsächlich stundenweise mieten", meinte er.
„Nun rede mal nicht so schlecht von ihnen. Schließlich
sind das deine Fans."
„Mir wäre es lieber, ich hätte ein paar Fans unter den
Sportjournalisten. Aber da fehlt's. Die Leute erzählen der
Welt nur immer, ich sei weg vom Fenster. Erledigt. Ewig betrunken."
„Du warst ewig betrunken."
Daniel blieb auf der Stufe stehen und drehte sich ärgerlich
zu Gary um. Sein Freund schaute ihn offen, ehrlich und
völlig arglos an. Was er gesagt hatte, entsprach ja den Tatsachen.
Daniels Ärger verflog.
„Du hast Recht", gab er fast verlegen zu.
„Vergiss es. Das ist jetzt vorbei. Heute warst du ganz der
alte Daniel. Wenn ich bloß an deine Aufschläge denke! Einfach
mörderisch!" Gary verdrehte die Augen, und Daniel
musste lachen. „Und dann deine wohl überlegte Taktik, immer
auf meine schwache Linke zu spielen ..."
Daniel schmunzelte. „Ich dachte, das hättest du nicht gemerkt."
„Na, hör mal!"
Schnell stiegen sie die letzten Stufen zur Terrasse hoch.
Daniel sah, dass die Frau noch immer da war. Schreibpapier
lag über ihrem Tisch verstreut. Ein Glas Mineralwasser
stand griffbereit neben ihrer rechten Hand. Sie schrieb jetzt
wieder etwas auf ihren Block. Der Weg zu den Umkleideräumen
führte an dem Tisch vorbei. Soll ich einen Bogen
schlagen? überlegte Daniel. Nein, das würde auffallen.
Als die beiden Männer bei ihrem Tisch waren, schaute die
dunkelhaarige Frau auf. Das war offenbar eine reine Reflexreaktion;
sie fühlte sich in ihren Gedankengängen gestört
und blickte unwillkürlich hoch, um die Ursache der Störung
zu ergründen. Zufällig sah sie dabei Daniel direkt in die Augen.
Die Frau schaute sofort wieder auf ihren Schreibblock
hinunter, aber Daniel würde ihre unglaublich grünen Augen
so schnell nicht vergessen.
Jäh entschloss er sich, sie bei seiner Rückkehr aus den
Umkleideräumen anzusprechen - wenn sie dann noch immer
hier saß. Wenn nicht, auch gut. Ihm lag schließlich
nichts daran, die Bekanntschaft einer Frau zu machen. Diese
hier interessierte ihn allerdings. Natürlich war er nur deshalb
auf sie neugierig, weil sie ihn offenbar so gar nicht interessant
fand.
Also gut, er wollte es dem Schicksal überlassen. Hielt sie
sich nachher noch hier auf, würde er Kontakt mit ihr aufnehmen.
Das war ja wohl nichts Schlimmes.
Aber nicht extra lange unter der Dusche trödeln! ermahnte
er sich selbst.
Angela Gentrys Herz hämmerte wie wild.
Fünf Minuten waren schon verstrichen, seit Daniel
McCasslin so dicht an ihr vorbeigegangen war, dass sie ihn
hätte berühren können, und noch immer konnte sich ihr
Herz nicht beruhigen. Zum ersten Mal hatte sie ihn ganz
nahe vor sich gesehen. Sie wischte sich die feuchten Hände
an der Serviette ab, die sie zerknüllt in ihrer Faust gehalten
hatte, und trank einen Schluck Mineralwasser. Ihre Finger
zitterten dabei so, dass die Eiswürfel im Glas klirrten.
Er hatte sie direkt angesehen. Ihre Blicke hatten sich nur
eine winzige Sekunde lang gekreuzt. Trotzdem traf es sie wie
ein Blitzschlag, diesem Mann zum ersten Mal in die Augen
zu blicken und dabei an das zu denken, was sie beide miteinander
verband. Jeder war dem anderen völlig fremd, und
dennoch hatten sie beide ein Geheimnis, das sie ihr ganzes
Leben lang miteinander teilen würden.
Angela schaute auf den Platz hinunter, wo er eben so hervorragend
gespielt hatte. Noch vor wenigen Monaten hatte
sie von diesem Sport, insbesondere vom professionellen
Tennis, so gut wie keine Ahnung gehabt. Inzwischen aber
besaß sie so viele Kenntnisse, dass sie sich fast als Expertin
bezeichnen konnte. Und über die Karriere des Profis Daniel
McCasslin wusste sie am besten Bescheid.
Vier Damen traten auf den Platz hinaus. Zu ihrer Tenniskleidung,
offensichtlich Modellanfertigung, trugen sie extravaganten
Gold- und Diamantschmuck, womit sie einiger-
maßen lächerlich wirkten. Angela lächelte nachsichtig zu ihnen
hinunter, als sie sich daran erinnerte, wie Ronald sie
dazu hatte überreden wollen, der Tennisabteilung ihres
Country Clubs in Los Angeles beizutreten.
„Das ist nichts für mich, Ronald", hatte sie abgelehnt.
„Stattdessen sitzt du lieber zu Hause und schreibst deine
kleinen Verse, die du dann versteckst, damit sie niemand zu
lesen bekommt. Du musst ja nicht gut spielen, Angela. Mir
ist völlig egal, ob du von Tennis etwas verstehst oder nicht.
Aber deine Mitgliedschaft wäre gut für mein berufliches Ansehen,
von den nützlichen Kontakten einmal ganz abgesehen,
die du als aktives Mitglied knüpfen könntest. Du kämst
mit den Frauen anderer Ärzte zusammen."
Angela blieb hart, und Ronald war dann schließlich auch
mit Bridge einverstanden. Sie brachte es darin zwar nie zur
Meisterschaft, aber sie spielte gut genug, um zu allen Turnieren,
die der Country Club veranstaltete, eingeladen zu werden.
Auf diese Weise befriedigte sie Ronalds Wunsch nach
einem Umgang, der ihm für die Gattin eines prominenten
Arztes angemessen schien.
Dann kam Joey auf die Welt und bot ihr einen unwiderlegbaren
Grund, ihre gesellschaftlichen Aktivitäten etwas
einzuschränken. Außerdem konnte sie Joey als Entschuldigung
für verschiedene andere Dinge anführen, von denen sie
heute einige am liebsten vergessen würde. Ob ihr geliebter,
unschuldiger Sohn ihre Entscheidung verstanden hätte, die
ihr ganzes Leben verändert hatte? Könnte er ihr verzeihen,
was sie sich selbst kaum zu verzeihen vermochte?
An dem Tag, als sein kleiner Sarg in die Erde gesenkt
wurde, hatte Angela im Stillen um Joeys Vergebung gefleht,
und sie hatte auch Gott um Vergebung gebeten dafür, dass es
sie immer mit Bitterkeit erfüllte, mit anzusehen, wie ein intelligentes,
hübsches Kind in einem Krankenbett dahinsiechte,
während andere Kinder fröhlich herumtollten und
Unsinn anstellten.
Angela versuchte, ihre trüben Erinnerungen beiseite zu
schieben. Sie hob ihr Glas an die Lippen und trank sich selber
zu, weil sie sich Daniel McCasslin gegenüber richtig verhalten
hatte. Jedermann wusste, dass er Interviews und jede
andere Art von Publicity rundweg ablehnte, seit er völlig zurückgezogen
auf seinem abgeschirmten Anwesen hier auf
der Hawaii-Insel Maui lebte.
Tagelang hatte sich Angela überlegt, wie sie am besten an
ihn herankommen könne. Selbst noch auf dem Flug von Los
Angeles hierher waren immer wieder neue Pläne von ihr entwickelt
und dann verworfen worden.
Unternommen hatte sie bisher nichts Handfestes, außer
sich ein Zimmer in der Ferienanlage zu mieten, auf deren
Tennisplatz Daniel trainierte. Die Geschäftsleitung hatte
ihm hier strengste Diskretion zugesichert.
Angela war nichts weiter übrig geblieben, als unauffällig
vorzugehen. Also ließ sie sich einfach nur sehen und wartete
ab, was geschehen würde. Ganz bewusst tat sie so, als nehme
sie Daniel gar nicht zur Kenntnis, denn sie hatte deutlich gemerkt,
wie ihn seine weniger zurückhaltenden Bewunderinnen
verstimmten.
Heute also hat er mir endlich Beachtung geschenkt, ich
habe es sofort gespürt, dachte sie zufrieden. Obwohl sie weiterhin
vorgegeben hatte, sich nicht im Mindesten für ihn zu
interessieren, hatte sie ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen.
Ein paar Mal hatte er zu ihr heraufgeschaut, vor allem
nach besonders guten Schlägen. Stets war es ihr gelungen,
noch rechtzeitig auf ihren Schreibblock zu gucken, so dass
Daniel ihrem Blick nie begegnete.
Eine Berühmtheit wie er war es natürlich nicht gewöhnt,
nicht beachtet zu werden, und in seinem Fall war eine gewisse
Eitelkeit auch durchaus verständlich. Er trug sein blondes
Haar ein wenig zu lang, aber es stand ihm ausgezeichnet. Seinem
durchtrainierten Körper sah man den Alkoholmissbrauch
der vergangenen Monate nicht an. Die tropische Sonne
hatte Daniel tief gebräunt, und er bewegte sich geschmeidig.
Sein Oberkörper war etwas massiger als bei den meisten
Tennisspielern, doch diesen kleinen Schönheitsfehler vergaß
man sofort, wenn man das Spiel seiner Muskeln unter seinem
weißen T-Shirt beobachtete.
Offensichtlich berührte es ihn seit dem tragischen Tod
seiner Frau unangenehm, wenn seine Bewunderinnen seine
Anziehungskraft allzu deutlich zur Kenntnis nahmen.
Ja, ich habe es schon richtig angefangen, gratulierte sich
Angela. Heute hatte Daniel sie zum ersten Mal beachtet, und
morgen würde er vielleicht ...
„Sie müssen sehr viele Freunde und Verwandte haben."
Beim Klang der Männerstimme hinter ihr zuckte Angela
zusammen. Sie drehte sich um, und ihr Blick fiel zunächst
einmal auf bemerkenswert gut sitzende weiße Shorts, die auf
der Stelle ihre Fantasie in Gang setzten.
Angela errötete ein wenig und schaute langsam an Daniel
McCasslin hoch. Seine blaue Windbluse, deren Reißverschluss
nur zur Hälfte geschlossen war, gab den Blick auf seine
braune Brust mit dem goldschimmernden Haar darauf
frei. Er lächelte strahlend, seine weißen Zähne blitzten, und
seine Augen waren tatsächlich von dem so oft beschriebenen
umwerfenden Blau.
„Wie meinen Sie, bitte?" Angela konnte nur hoffen, dass
ihre Stimme ihm ihre Nervosität nicht verriet.
„Sie schreiben so furchtbar viel. Ich dachte, es wären lauter
Ansichtskarten. Ihr Lieben daheim, mir geht es gut. Schade,
dass Ihr nicht auch hier seid und so weiter."
Angela lächelte, fiel dabei aber keineswegs aus ihrer nonchalanten
Rolle. „Nein, ich schreibe keine Postkarten. Es
gibt daheim niemanden, der sie erwarten würde."
„Dann gibt es also auch niemanden, der etwas dagegen
hätte, dass ich mich zu Ihnen setze."
„Ich selbst könnte etwas dagegen haben."
„Und? Haben Sie?"
Angela war entzückt, zeigte es aber natürlich nicht. Sie
machte eine winzige Kunstpause und antwortete dann:
„Nein, ich glaube nicht."
Daniel schob seine Sporttasche unter den Stuhl ihr gegenüber,
setzte sich und streckte Angela über den papierübersäten
Tisch hinweg die Hand hin. „Daniel McCasslin."
Sie nahm seine ausgestreckte Rechte. „Angela Gentry."
Sie berührte ihn! Ihre Hand lag tatsächlich auf seiner! Dies
war der erste körperliche Kontakt mit diesem Mann, und,
dabei ...
„Machen Sie hier Ferien?" erkundigte er sich höflich.
Angela ließ seine Hand los, lehnte sich auf ihrem Stuhl
zurück und versuchte, einen klaren Kopf zu behalten. „Teils,
teils. Eine Mischung aus Arbeit und Vergnügen."
Daniel winkte dem Kellner, der hinter der Freiluft-Bar
stand. „Möchten Sie noch etwas trinken?" fragte er Angela.
„Ja, aber diesmal Ananassaft."
„Natürlich, Sie sind nicht von hier. Sonst hätten Sie das
Zeug längst über."
Warum muss er nur so hinreißend lächeln? dachte Angela.
Bei seinem Charme würde sie noch vergessen, weshalb sie
ihn eigentlich kennen lernen, sein Vertrauen und wenn möglich
auch seine Freundschaft gewinnen wollte.
„Die Dame wünscht Ananassaft, und ich möchte drei
oder vier Gläser Wasser", sagte er zu dem Kellner.
„Sehr wohl, Mr. McCasslin. Sie haben heute ausgezeichnet
gespielt, Sir."
„Vielen Dank. Machen Sie schnell mit dem Wasser. Ich
bin völlig ausgetrocknet."
„Sehr wohl, Sir."
„Sie haben wirklich ausgezeichnet gespielt", bemerkte Angela,
nachdem der Kellner sich entfernt hatte.
Daniel schaute sie eine Weile nachdenklich an, ehe er antwortete:
„Ich dachte, Sie hätten das Match überhaupt nicht
zur Kenntnis genommen."
„Dann hätte ich taub und blind sein müssen. Ich verstehe
zwar nicht viel von Tennis, aber ich kann beurteilen, dass Sie
jetzt entschieden besser spielen als vor ein paar Monaten."
„Dann kennen Sie mich also?"
„Ja. Ich habe Sie ein paar Mal im Fernsehen gesehen."
Weil Daniel darauf ein jungenhaft enttäuschtes Gesicht
machte, fuhr sie lächelnd fort: „Sie sind eine Berühmtheit,
Mr. McCasslin. Ihr Name ist weltweit ein Begriff."
„Richtig, und darum werde ich normalerweise auch
weltweit angestarrt", gab er etwas herausfordernd zurück.
„Von Leuten wie Ihre Hurra-Riege da unten?" Angela
deutete mit dem Kopf zum Zaun hinunter, hinter dem sich
die jetzt verschwundenen Groupies gedrängt hatten.
Daniel seufzte. „Nehmen Sie es mir ab, wenn ich Ihnen
versichere, dass ich nur deswegen hier trainiere, weil man
mir Anonymität und Ruhe garantiert hatte? Außerdem sind
das hier die besten Tennisplätze auf Maui. Was ich aber nicht
bedachte, ist die Tatsache, dass die Gäste der Ferienanlage
Zutritt zu den Sportplätzen haben. Als sich herumsprach,
dass ich hier trainiere ..." Er zuckte resigniert die Schultern.
„Nun, Sie haben das Ergebnis ja gesehen."
„Die meisten Menschen würden sich von solcher Begeisterung
geschmeichelt fühlen."
Daniel quittierte das mit einem spöttischen Blick und
wechselte dann rasch das Thema. „Also, was schreiben Sie
hier nun andauernd?" fragte er und deutete auf die über den
Tisch verstreuten Blätter.
„Das sind Notizen. Ich bin freiberufliche Journalistin."
Obwohl Daniel sich nicht bewegte, nahm Angela deutlich
wahr, dass er sich vor ihr zurückzog. Sein Gesichtsausdruck
wurde undurchdringlich. Er presste die Lippen zusammen
und packte das Glas Wasser fester, das der Kellner
gerade gebracht hatte.
„Ich verstehe", sagte er kühl.
Angela senkte den Blick und zupfte an dem Papieruntersatz
ihres Glases. „Den Eindruck habe ich nicht. Ich bin
zwar Journalistin, aber keine Reporterin und keineswegs auf
ein Interview mit Ihnen aus. Sie haben dieses Gespräch begonnen,
Mr. McCasslin, nicht ich."
Als er darauf nicht antwortete, hob sie die Lider und
schaute ihn an. Er machte wieder das gleiche Gesicht wie zuvor,
und sein Lächeln war durchaus freundlich, wenn auch
ein bisschen zurückhaltender.
„Nennen Sie mich bitte Daniel", bat er.
Er wollte das Gespräch also nicht abbrechen. Angela verspürte
Erleichterung. „Gut, Daniel. Und ich bin Angela."
„Sie schreiben für Zeitschriften. Was denn? Romane
etwa?"
Angela lachte. „Noch nicht. Eines Tages vielleicht einmal.
Im Moment versuche ich mich auf jedem möglichen
Gebiet, bis ich mein eigenes Fach gefunden habe. Wissen Sie,
ich hatte schon lange vor, einmal auf die Hawaii-Inseln zu
kommen, habe es jedoch nie geschafft. Nun verpflichtete ich
mich für ein paar Artikel, um so meine Reise zu finanzieren.
Auf diese Weise kann ich jetzt länger hier bleiben, ohne befürchten
zu müssen, dass das Minus auf meinem Bankkonto
allzu groß wird."
Daniel gefiel der Klang ihrer Stimme und die Art, wie sie
ihren Kopf beim Sprechen ein wenig zur Seite neigte, wobei
ihr dunkles Haar über eine Schulter fiel. Der Wind blies ihr
ein paar Strähnen ins Gesicht, die in der hellen Sonne ein
bisschen rötlich schimmerten. Offensichtlich war sie schon
lange genug auf der Insel, um eine leichte Bräune erworben
zu haben. Angela Gentry besaß eine Haut, die man gern berühren
wollte. Und das galt auch für ihr Haar. Und erst recht
für ihre Lippen.
Daniel räusperte sich. „Was sind das für Artikel?"
Angela erzählte ihm, dass sie für den Reiseteil der „Los
Angeles Times" und für ein Modemagazin schrieb. Demnächst
würde sie einen bekannten Botaniker interviewen
und dann einen Artikel für eine Gartenzeitschrift verfassen.
Daniel hörte ihr kaum zu. Zum ersten Mal seit Ellies Tod
interessierte er sich wieder für eine Frau. Das verblüffte ihn
selbst, denn er hatte nie gedacht, dass ihm jemals daran liegen
würde, sich noch einmal auf irgendwelche tieferen Beziehungen
einzulassen.
Dieses Zusammentreffen hier würde selbstverständlich
über einen gemeinsamen Drink oder eine kleine Unterhaltung
nicht hinausgehen; dennoch gab ihm die Bekanntschaft
mit Angela Gentry das Gefühl, dass er eines Tages über El-
lies Tod hinwegkommen und sich wieder ernsthaft um weibliche
Gesellschaft bemühen würde.
Fraglos entgingen ihm Angelas Reize nicht; da hätte er ja
blind sein müssen. Sie war eine schöne Frau, und sie hatte so
etwas Gelassenes an sich, das ihn ansprach. Daniel versuchte,
sich auf ihre Ausstrahlung und auf ihre angenehme Stimme
zu konzentrieren und alle anderen Aspekte außer Acht zu
lassen.
Seit er sich an ihren Tisch gesetzt hatte, kostete es ihn
Mühe, nicht immerzu auf ihre Brüste zu starren. Waren sie
wohl von Natur so schön geformt, oder trug Angela einen
trägerlosen BH unter ihrem grünen Strandkleid?
Na, versuch doch, es herauszufinden! munterte er sich
selbst auf.
Da das natürlich hier nicht ging, musste er sich auf sein
Urteilsvermögen beschränken, und das sagte ihm, dass Angela
keine formenden Kleidungsstücke nötig hatte. Als guter
Beobachter, der Daniel nun einmal war, sah er, dass sich ihre
Brustspitzen unter dem leichten Stoff ihres Kleides abzeichneten.
In ihm regte sich ein Verlangen, das er seit Ellies Tod
verloren zu haben glaubte. Jetzt wusste er nicht, ob er sich
über dieses Gefühl freuen oder schämen sollte.
Was würde wohl passieren, schoss es ihm plötzlich durch
den Kopf, wenn ich mich jetzt zu ihr hinüberbeugte und ihr
sagte: „Angela, nehmen Sie es mir nicht übel, aber zum ersten
Mal seit dem Tod meiner Frau reagiert mein Körper wieder
richtig auf ein weibliches Wesen."
Natürlich hatte es in den vergangenen Monaten Frauen
für ihn gegeben. Diese Damen waren ihm von wohlmeinenden
Freunden zugeführt worden, die glaubten, in Liebesdingen
geschickte Hände und verführerische Lippen seien das
Allheilmittel gegen jeden Kummer. Während Daniel jetzt an
diese im Alkoholnebel erlebten Begegnungen zurückdachte,
verachtete er sich aus tiefster Seele.
Nach einem Match in Paris, das ihm so ziemlich die größte
Blamage seines Lebens bescherte, hatte er sich sogar selbst
eine Frau ausgesucht, ein Callgirl. Später, als er wieder nüchtern
war, hatte er dieses Erlebnis als eine Art selbst auferlegter
Strafe betrachtet, und dies war der Wendepunkt für ihn
gewesen.
Wenn jemand den Untergang des Daniel McCasslin aufhalten
konnte, dann nur er selber. Und der Untergang musste
unbedingt aufgehalten werden. Schließlich gab es ja Richy.
„Wie lange leben Sie schon auf den Hawaii-Inseln?" erkundigte
sich Angela.
Ihre Frage holte Daniel in die inzwischen nicht mehr
ganz so düstere Gegenwart zurück.
„Seit ich erwachsen bin", antwortete er. „Nachdem ich
als Vertragsspieler Siege errang und damit Geld verdiente,
schien mir Hawaii als Adresse für einen Junggesellen sehr
passend. Ich wohnte in Honolulu auf Oahu, als ich Ellie
kennen lernte. Sie ..." Daniel unterbrach sich. „Entschuldigen
Sie bitte." Er schaute in sein Wasserglas und nahm unmerklich
eine gewisse Abwehrhaltung ein.
„Mir ist bekannt, was Ihrer Frau zugestoßen ist, Daniel",
sagte Angela leise. „Sie brauchen sich nicht dafür zu entschuldigen,
dass Sie sie erwähnt haben."
Daniel blickte in Angelas Augen und sah darin ein Mitgefühl,
das nichts mit der Neugier früherer Gesprächspartner
zu tun hatte. Das bewegte ihn weiterzusprechen.
„Ihr Vater war Marineoffizier und in Pearl Harbor stationiert.
Eleanor Elizabeth Davidson - ich erklärte ihr, dass
sie einfach zu klein sei - sie war wirklich ein zierliches Persönchen
-, um den Namen einer Präsidentengattin, Eleanor
Roosevelt, und den einer englischen Königin zu tragen."
„Also haben Sie sie kurzerhand zu Ihrer ,Ellie‘ ernannt,
ja?" Angela lächelte aufmunternd.
Daniel nickte. „Ja, und zwar sehr zum Missfallen ihrer
Eltern." Er trank einen Schluck Wasser und malte Kringel in
den feuchten Niederschlag auf seinem kalten Glas. „Wie
dem auch sei, nach ihrem Tod brauchte ich einen Tapetenwechsel
und zog von Oahu hierher nach Maui, wo man viel
ruhiger leben kann. Ich wollte mich vor der Öffentlichkeit
zurückziehen und Richy vor den vielen Blicken abschirmen."
Angela erstarrte. „Richy?"
„Mein Sohn." Daniel strahlte.
Angelas Hals war wie zugeschnürt. Sie schluckte. „Ach
ja", brachte sie heraus. „Ich habe von ihm gelesen."
„Er ist einfach umwerfend. Der klügste und süßeste kleine
Junge auf der ganzen Welt. Heute Morgen hat er ..." Daniel
brach ab. „Entschuldigen Sie. Wenn ich von ihm rede,
kenne ich meist kein Halten mehr."
„Sie langweilen mich damit keineswegs", versicherte Angela
rasch.
„Na, ich glaube, auf die Dauer doch. Lassen Sie mich nur
so viel sagen: Richy ist in meinem augenblicklichen Leben
das Einzige, worauf ich stolz sein kann. Wir wohnen direkt
am Strand. Es gefällt uns dort."
Angela hatte Mühe, Haltung zu bewahren. Sie schaute
auf den Ozean hinaus. Schaumgekrönte Wellen rollten auf
den Strand und zogen sich dann wieder ins Meer zurück.
„Ich verstehe, weshalb Sie gern auf Maui leben. Es ist
wunderschön hier."
„Ja, das ist es", bestätigte Daniel. „Ich fühle mich hier inzwischen
wie in einem Sanatorium, in dem sich Körper und
Seele erholen können."
Insgeheim fragte er sich, weshalb er so offen mit dieser
Frau redete. Gleich darauf fand er die Antwort: Sie wirkte
verständnisvoll und flößte einem irgendwie Vertrauen ein.
Dann kam ihm etwas anderes in den Sinn. „Sie sagten
vorhin, es gäbe bei Ihnen daheim niemanden, der Ihre Postkarten
erwartet. Sind Sie nicht verheiratet?"
„Ich war es. Ich bin geschieden."
„Und Kinder?"
„Einen Sohn, Joey." Angela sah Daniel direkt ins Gesicht.
„Er ist gestorben."
Er murmelte ein an sich selbst gerichtetes Schimpfwort,
seufzte und sagte dann: „Verzeihen Sie bitte. Ich weiß, wie
schmerzlich es manchmal ist, wenn man an etwas erinnert
wird."
„Ich bin Ihnen nicht böse. Im Gegenteil. Wissen Sie, ich
nehme es meinen Freunden und Bekannten geradezu übel,
dass sie dieses Thema so gründlich vermeiden, als hätte es
Joey nie gegeben."
„Das kann ich nachfühlen. Alle Leute umgehen es, Ellie
zu erwähnen. Vermutlich haben sie Angst, ich werde in Tränen
ausbrechen und sie damit in Verlegenheit bringen."
„Ja", sagte Angela, „und dabei möchte ich Joeys Andenken
bewahren. Er war ein so intelligentes, hübsches und
fröhliches Kind."
„Was ist passiert? Ein Unfall?"
„Nein. Im Alter von vier Monaten zog er sich eine Hirnhautentzündung
zu. Das hat seine Nieren zerstört. Von da
an musste er sich regelmäßig einer Blutwäsche unterziehen.
Ich dachte, dass er dennoch ein einigermaßen normales Leben
würde führen können, aber ..."
Angela sprach nicht weiter, und für eine Weile herrschte
Schweigen. Auch alle anderen Laute schienen erstorben zu
sein - das Gelächter an dem Tisch am anderen Ende der Terrasse,
das Geschepper des Mixbechers, den der Kellner hinter
der Bar schüttelte, und das Gekreische der vier Damen
auf dem Tennisplatz unter ihnen.
„Es ging ihm immer schlechter", fuhr Angela schließlich
fort. „Komplikationen traten ein, und ehe eine passende
Niere für eine Transplantation zur Verfügung stand, starb
Joey."
„Und Ihr Mann?" fragte Daniel leise.
Wann hatte er eigentlich ihre Hand ergriffen? Angela
hätte es nicht sagen können, aber plötzlich war sie sich dessen
bewusst und fühlte, wie er mit dem Daumen über ihre
Fingerknöchel streichelte.
„Wir wurden vor Joeys Tod geschieden. Er hat unseren
Sohn mehr oder weniger meiner Fürsorge überlassen."
„Mr. Gentry scheint ein ziemlicher Schuft zu sein."
Angela lächelte. Der Name ihres geschiedenen Mannes
lautete zwar nicht Gentry, aber ansonsten musste sie Daniel
Recht geben. „Stimmt genau. Er ist ein Schuft."
Daniel erwiderte unwillkürlich Angelas Lächeln, und
eine Weile blinzelten die beiden einander wie zwei Vertraute
zu. Schließlich wurden sie sich dessen bewusst, was sie
prompt verlegen machte.
Daniel ließ Angelas Hand los und angelte unter seinem
Stuhl nach seiner Sporttasche.
„Ich habe Sie lange genug von Ihrer Arbeit abgehalten",
sagte er. „Außerdem habe ich mich für heute Nachmittag als
Babysitter verpflichtet, weil meine Haushälterin einkaufen
gehen möchte."
„Sie haben eine Haushälterin, die sich um Richy kümmert?
Kann sie ... ich meine, ist sie gut zu ihm?" Vor Aufregung
versagte Angela fast die Stimme.
„Ich wüsste nicht, was ich ohne sie täte. Mrs. Laani war
schon vor ... vor Richys Geburt bei uns. Nach Ellies Tod zog
sie mit mir nach Maui, übernahm den Haushalt und die Pflege
Richys. Sie genießt mein volles Vertrauen."
Angela atmete erleichtert auf. „Welch ein Glück, dass Sie
mit Richy nicht ganz allein dastehen."
Daniel erhob sich und streckte ihr die Rechte hin. „Ich
freue mich sehr, Sie kennen gelernt zu haben, Angela."
Sie schüttelte seine Hand. „Ganz meinerseits."
Er schien ihre nicht wieder loslassen zu wollen, und als er
es endlich doch tat, strich er dabei mit den Fingerspitzen
über ihren Handteller. Er wünschte, er könne auf gleiche
Weise auch ihre Wangen, ihre Schultern und die Unterseite
ihrer Arme berühren. Wie gern hätte er auch ihr Haar und
ihren Nacken gestreichelt!
„Ich hoffe, Sie verleben hier weiterhin schöne Tage, Angela."
Ihr Herz schlug schneller. „Oh, ganz bestimmt."
„Dann also - auf Wiedersehen."
„Auf Wiedersehen, Daniel."
Nach drei Schritten blieb Daniel stehen. Offensichtlich
kämpfte er mit sich. Sollte er jetzt etwas tun, was er nicht
mehr getan hatte, seit Ellie Davidson in sein Leben getreten
war, sollte er Angela um ein Rendezvous bitten?
Er wandte sich zu Angela um. „Ich - äh - sind Sie morgen
auch wieder hier?" fragte er.
„Das weiß ich noch nicht", antwortete sie freundlich,
aber kühl. Insgeheim hielt sie den Atem an und schickte ein
Stoßgebet zum Himmel. „Warum?"
„Nun, Gary und ich spielen morgen wieder zusammen."
Er nestelte am Reißverschluss seiner Windjacke. „Ich dachte,
vielleicht möchten Sie zuschauen. Anschließend könnten
wir - könnten wir irgendwo zusammen zu Mittag essen."
Angela senkte die Lider. Am liebsten hätte sie vor Freude
laut gejubelt.
„Wenn Sie nicht ...", begann Daniel erneut.
„Nein, nein", unterbrach sie ihn. „Ich meine, ja. Okay,
danke, gern."
„Fein!" rief er aus. Sein Selbstvertrauen kehrte zurück.
Wieso lag ihm eigentlich so viel daran, dass sie einwilligte?
Er konnte doch jederzeit jede Frau bekommen, die er haben
Copyright © 1993 by Sandra Brown
erschienen bei Silhouette Books, Toronto
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Titelabbildung: Mauritius Images, Mittenwald
Redaktion: Sarah Hielscher
Satz: D.I.E. Grafikpartner GmbH, Köln
Druck und Bindearbeiten: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm
Printed in Germany
ISBN 978-3-89941-900-9
Genehmigte Sonderausgabe 2011
für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Cora Verlag GmbH & Co. KG,
Valentinskamp 24, 20350 Hamburg
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder
auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
„Was?" Daniel schaute seinen Tennispartner verwirrt an.
„Entschuldige, Gary. Was hast du gesagt?"
„Ich sagte, deine Kondition hat sich seit letzter Woche
ebenfalls erheblich verbessert. Du scheuchst mich ganz
schön über den Platz und scheinst nicht mal außer Atem zu
geraten."
Daniel lächelte, und dabei verschwanden die kleinen weißen
Linien in seinem tief gebräunten Gesicht. Dieses Lächeln
erinnerte an eine Zeit, in der er noch nicht wusste, was
eine Tragödie im Leben eines Menschen bedeutete.
„Du spielst fantastisch", sagte er, „doch du bist eben
nicht Gerulaitis oder Borg oder McEnroe, Gary. Nimm's
mir nicht übel, alter Junge, aber ich muss erheblich wendiger
und treffsicherer sein als du, wenn ich es wieder mit den
wahren Größen aufnehmen will, und so weit bin ich noch
lange nicht."
„Na, ich seh' den Tag schon kommen, an dem ich über
meine raushängende Zunge stolpere, während du noch so
viel Schwung hast, übers Netz zu hüpfen, wenn das Spiel aus
ist."
Daniel klopfte Gary freundschaftlich auf die Schulter.
„Warten wir es ab, mein Junge." Er lachte, nahm seinen Tennisschläger
auf und ließ ihn unbewusst, aber gekonnt in der
Hand herumwirbeln.
Aufmunternde Zurufe und freundlicher Applaus kamen
von einer Gruppe Zuschauerinnen, die vor dem Zaun standen,
der die Tennisplätze umgab. Die Zurufe wurden lauter,
als Daniel zur Grundlinie zurückging.
„Deine Fans sind heute wieder mal vollzählig versammelt",
spöttelte Gary gutmütig.
„Diese albernen Groupies", knurrte Daniel und blickte
zu den Frauen hinüber, die sich wie hungrige Tiere im Zoo
an den Zaun herandrängten. Und er war ihr Futter!
Er machte eine abweisende Miene, doch das schien seine
Bewunderinnen eher zu begeistern als abzuschrecken. Sie
riefen ihm reichlich schamlose Worte zu und flirteten ohne
jede Zurückhaltung mit ihm.
Daniel wandte sich angewidert ab und zwang sich dazu,
sich auf den Ball zu konzentrieren. Er ließ ihn ein paar Mal
vom Boden abprallen und plante dabei seinen Aufschlag. Er
wollte den Ball so über das Netz schmettern, dass er in der
hinteren Ecke des Feldes aufschlug und dann nach links auf
Garys schwache Rückhandseite sprang.
Eine seiner Anhängerinnen machte eine eindeutige, mehr
als unschickliche Bemerkung. Er knirschte mit den Zähnen.
Wussten diese dummen Gänse nicht, dass Frauen ihm gestohlen
bleiben konnten? Ellie war doch gerade erst gestorben
...
Verdammt, Daniel McCasslin, denk nicht an Ellie! rief er
sich zur Ordnung. Er durfte nicht an sie denken, wenn das
Match nicht zum Teufel gehen sollte.
„Mr. McCasslin?"
„Höchstpersönlich!" hatte Daniel fröhlich ins Telefon
gerufen.
Ein sonniger Tag wie jener im Inselparadies Hawaii
konnte einen Mann auf alle möglichen Gedanken bringen,
nur nicht auf den, dass seine Frau zwischen Blechtrümmern
und Glassplittern bei einem Autounfall gestorben war.
„Sind Sie allein?"
Daniel hatte den Hörer vom Ohr genommen und ihn einen
Moment lang verwundert und erheitert angeschaut.
Dann hatte er gelacht. „Ja, ich bin allein, wenn man von meinem
Sohn absieht. Aber warum fragen Sie? Haben Sie etwa
vor, mir etwas Obszönes zu erzählen?" Er hatte einen Scherz
machen wollen; wie hätte er auch ahnen können, mit was für
einer schrecklichen Nachricht er konfrontiert werden sollte?
„Mr. McCasslin, ich bin Lieutenant Scott von der Polizei
in Honolulu. Es hat einen Autounfall gegeben ..."
Von dem, was dann kam, hatte Daniel nicht viel behalten.
Daniel nahm den Ball auf und hielt ihn in der Hand, als wollte
er ihn wiegen. Dabei versuchte er, die Erinnerung zu verjagen,
die in seinem Innersten schmerzte. Unwillkürlich
richtete er den Blick auf die Frau, die noch immer an dem
Tisch auf der Terrasse saß. Sie hatte den Arm aufgestützt und
die Wange in die Hand gelegt. Offensichtlich schaute sie ins
Leere und schien nichts um sich herum wahrzunehmen. War
sie denn nicht ein bisschen neugierig auf Daniel McCasslin?
Anscheinend nicht. Bis jetzt hatte sie kaum einmal zum
Tennisplatz geschaut. Ihre Gleichgültigkeit ärgerte Daniel,
was absolut unangebracht war; seit Ellies Tod, der jetzt
knapp ein Jahr zurücklag, hatte er schließlich nichts mehr
gewünscht, als in Ruhe gelassen zu werden.
„He, Daniel!" rief eines der Mädchen am Zaun. „Wenn
du keine Lust mehr hast, Tennis zu spielen, dann spiel doch
mal mit mir!"
Heißer Zorn packte Daniel bei so viel Unverschämtheit.
Wütend hob er den Arm und vollzog seinen Aufschlag mit
einer solchen Kraft, dass der Ball wie ein undeutlicher Strich
durch die Luft zischte. Während des gesamten Satzes spielte
er mit der sprichwörtlichen Wut im Bauch, und am Ende
konnte Gary nur zwei Punkte für sich verbuchen.
Wenig später schlang sich Gary ein Handtuch um den
Hals. Er war völlig außer Atem. „Wenn ich gewusst hätte,
dass du nichts weiter als ein paar schmutzige Angebote von
deinen Groupies brauchst, um zu solch großer Form aufzu-
laufen, dann hätte ich die Mädchen längst stundenweise für
dich gemietet."
Daniel packte seine Sporttasche und verstaute den Schläger
im Außenfach. Dann wandte er sich den Treppenstufen
zu, die zur Terrasse führten. „Die meisten von denen da
kann man wohl tatsächlich stundenweise mieten", meinte er.
„Nun rede mal nicht so schlecht von ihnen. Schließlich
sind das deine Fans."
„Mir wäre es lieber, ich hätte ein paar Fans unter den
Sportjournalisten. Aber da fehlt's. Die Leute erzählen der
Welt nur immer, ich sei weg vom Fenster. Erledigt. Ewig betrunken."
„Du warst ewig betrunken."
Daniel blieb auf der Stufe stehen und drehte sich ärgerlich
zu Gary um. Sein Freund schaute ihn offen, ehrlich und
völlig arglos an. Was er gesagt hatte, entsprach ja den Tatsachen.
Daniels Ärger verflog.
„Du hast Recht", gab er fast verlegen zu.
„Vergiss es. Das ist jetzt vorbei. Heute warst du ganz der
alte Daniel. Wenn ich bloß an deine Aufschläge denke! Einfach
mörderisch!" Gary verdrehte die Augen, und Daniel
musste lachen. „Und dann deine wohl überlegte Taktik, immer
auf meine schwache Linke zu spielen ..."
Daniel schmunzelte. „Ich dachte, das hättest du nicht gemerkt."
„Na, hör mal!"
Schnell stiegen sie die letzten Stufen zur Terrasse hoch.
Daniel sah, dass die Frau noch immer da war. Schreibpapier
lag über ihrem Tisch verstreut. Ein Glas Mineralwasser
stand griffbereit neben ihrer rechten Hand. Sie schrieb jetzt
wieder etwas auf ihren Block. Der Weg zu den Umkleideräumen
führte an dem Tisch vorbei. Soll ich einen Bogen
schlagen? überlegte Daniel. Nein, das würde auffallen.
Als die beiden Männer bei ihrem Tisch waren, schaute die
dunkelhaarige Frau auf. Das war offenbar eine reine Reflexreaktion;
sie fühlte sich in ihren Gedankengängen gestört
und blickte unwillkürlich hoch, um die Ursache der Störung
zu ergründen. Zufällig sah sie dabei Daniel direkt in die Augen.
Die Frau schaute sofort wieder auf ihren Schreibblock
hinunter, aber Daniel würde ihre unglaublich grünen Augen
so schnell nicht vergessen.
Jäh entschloss er sich, sie bei seiner Rückkehr aus den
Umkleideräumen anzusprechen - wenn sie dann noch immer
hier saß. Wenn nicht, auch gut. Ihm lag schließlich
nichts daran, die Bekanntschaft einer Frau zu machen. Diese
hier interessierte ihn allerdings. Natürlich war er nur deshalb
auf sie neugierig, weil sie ihn offenbar so gar nicht interessant
fand.
Also gut, er wollte es dem Schicksal überlassen. Hielt sie
sich nachher noch hier auf, würde er Kontakt mit ihr aufnehmen.
Das war ja wohl nichts Schlimmes.
Aber nicht extra lange unter der Dusche trödeln! ermahnte
er sich selbst.
Angela Gentrys Herz hämmerte wie wild.
Fünf Minuten waren schon verstrichen, seit Daniel
McCasslin so dicht an ihr vorbeigegangen war, dass sie ihn
hätte berühren können, und noch immer konnte sich ihr
Herz nicht beruhigen. Zum ersten Mal hatte sie ihn ganz
nahe vor sich gesehen. Sie wischte sich die feuchten Hände
an der Serviette ab, die sie zerknüllt in ihrer Faust gehalten
hatte, und trank einen Schluck Mineralwasser. Ihre Finger
zitterten dabei so, dass die Eiswürfel im Glas klirrten.
Er hatte sie direkt angesehen. Ihre Blicke hatten sich nur
eine winzige Sekunde lang gekreuzt. Trotzdem traf es sie wie
ein Blitzschlag, diesem Mann zum ersten Mal in die Augen
zu blicken und dabei an das zu denken, was sie beide miteinander
verband. Jeder war dem anderen völlig fremd, und
dennoch hatten sie beide ein Geheimnis, das sie ihr ganzes
Leben lang miteinander teilen würden.
Angela schaute auf den Platz hinunter, wo er eben so hervorragend
gespielt hatte. Noch vor wenigen Monaten hatte
sie von diesem Sport, insbesondere vom professionellen
Tennis, so gut wie keine Ahnung gehabt. Inzwischen aber
besaß sie so viele Kenntnisse, dass sie sich fast als Expertin
bezeichnen konnte. Und über die Karriere des Profis Daniel
McCasslin wusste sie am besten Bescheid.
Vier Damen traten auf den Platz hinaus. Zu ihrer Tenniskleidung,
offensichtlich Modellanfertigung, trugen sie extravaganten
Gold- und Diamantschmuck, womit sie einiger-
maßen lächerlich wirkten. Angela lächelte nachsichtig zu ihnen
hinunter, als sie sich daran erinnerte, wie Ronald sie
dazu hatte überreden wollen, der Tennisabteilung ihres
Country Clubs in Los Angeles beizutreten.
„Das ist nichts für mich, Ronald", hatte sie abgelehnt.
„Stattdessen sitzt du lieber zu Hause und schreibst deine
kleinen Verse, die du dann versteckst, damit sie niemand zu
lesen bekommt. Du musst ja nicht gut spielen, Angela. Mir
ist völlig egal, ob du von Tennis etwas verstehst oder nicht.
Aber deine Mitgliedschaft wäre gut für mein berufliches Ansehen,
von den nützlichen Kontakten einmal ganz abgesehen,
die du als aktives Mitglied knüpfen könntest. Du kämst
mit den Frauen anderer Ärzte zusammen."
Angela blieb hart, und Ronald war dann schließlich auch
mit Bridge einverstanden. Sie brachte es darin zwar nie zur
Meisterschaft, aber sie spielte gut genug, um zu allen Turnieren,
die der Country Club veranstaltete, eingeladen zu werden.
Auf diese Weise befriedigte sie Ronalds Wunsch nach
einem Umgang, der ihm für die Gattin eines prominenten
Arztes angemessen schien.
Dann kam Joey auf die Welt und bot ihr einen unwiderlegbaren
Grund, ihre gesellschaftlichen Aktivitäten etwas
einzuschränken. Außerdem konnte sie Joey als Entschuldigung
für verschiedene andere Dinge anführen, von denen sie
heute einige am liebsten vergessen würde. Ob ihr geliebter,
unschuldiger Sohn ihre Entscheidung verstanden hätte, die
ihr ganzes Leben verändert hatte? Könnte er ihr verzeihen,
was sie sich selbst kaum zu verzeihen vermochte?
An dem Tag, als sein kleiner Sarg in die Erde gesenkt
wurde, hatte Angela im Stillen um Joeys Vergebung gefleht,
und sie hatte auch Gott um Vergebung gebeten dafür, dass es
sie immer mit Bitterkeit erfüllte, mit anzusehen, wie ein intelligentes,
hübsches Kind in einem Krankenbett dahinsiechte,
während andere Kinder fröhlich herumtollten und
Unsinn anstellten.
Angela versuchte, ihre trüben Erinnerungen beiseite zu
schieben. Sie hob ihr Glas an die Lippen und trank sich selber
zu, weil sie sich Daniel McCasslin gegenüber richtig verhalten
hatte. Jedermann wusste, dass er Interviews und jede
andere Art von Publicity rundweg ablehnte, seit er völlig zurückgezogen
auf seinem abgeschirmten Anwesen hier auf
der Hawaii-Insel Maui lebte.
Tagelang hatte sich Angela überlegt, wie sie am besten an
ihn herankommen könne. Selbst noch auf dem Flug von Los
Angeles hierher waren immer wieder neue Pläne von ihr entwickelt
und dann verworfen worden.
Unternommen hatte sie bisher nichts Handfestes, außer
sich ein Zimmer in der Ferienanlage zu mieten, auf deren
Tennisplatz Daniel trainierte. Die Geschäftsleitung hatte
ihm hier strengste Diskretion zugesichert.
Angela war nichts weiter übrig geblieben, als unauffällig
vorzugehen. Also ließ sie sich einfach nur sehen und wartete
ab, was geschehen würde. Ganz bewusst tat sie so, als nehme
sie Daniel gar nicht zur Kenntnis, denn sie hatte deutlich gemerkt,
wie ihn seine weniger zurückhaltenden Bewunderinnen
verstimmten.
Heute also hat er mir endlich Beachtung geschenkt, ich
habe es sofort gespürt, dachte sie zufrieden. Obwohl sie weiterhin
vorgegeben hatte, sich nicht im Mindesten für ihn zu
interessieren, hatte sie ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen.
Ein paar Mal hatte er zu ihr heraufgeschaut, vor allem
nach besonders guten Schlägen. Stets war es ihr gelungen,
noch rechtzeitig auf ihren Schreibblock zu gucken, so dass
Daniel ihrem Blick nie begegnete.
Eine Berühmtheit wie er war es natürlich nicht gewöhnt,
nicht beachtet zu werden, und in seinem Fall war eine gewisse
Eitelkeit auch durchaus verständlich. Er trug sein blondes
Haar ein wenig zu lang, aber es stand ihm ausgezeichnet. Seinem
durchtrainierten Körper sah man den Alkoholmissbrauch
der vergangenen Monate nicht an. Die tropische Sonne
hatte Daniel tief gebräunt, und er bewegte sich geschmeidig.
Sein Oberkörper war etwas massiger als bei den meisten
Tennisspielern, doch diesen kleinen Schönheitsfehler vergaß
man sofort, wenn man das Spiel seiner Muskeln unter seinem
weißen T-Shirt beobachtete.
Offensichtlich berührte es ihn seit dem tragischen Tod
seiner Frau unangenehm, wenn seine Bewunderinnen seine
Anziehungskraft allzu deutlich zur Kenntnis nahmen.
Ja, ich habe es schon richtig angefangen, gratulierte sich
Angela. Heute hatte Daniel sie zum ersten Mal beachtet, und
morgen würde er vielleicht ...
„Sie müssen sehr viele Freunde und Verwandte haben."
Beim Klang der Männerstimme hinter ihr zuckte Angela
zusammen. Sie drehte sich um, und ihr Blick fiel zunächst
einmal auf bemerkenswert gut sitzende weiße Shorts, die auf
der Stelle ihre Fantasie in Gang setzten.
Angela errötete ein wenig und schaute langsam an Daniel
McCasslin hoch. Seine blaue Windbluse, deren Reißverschluss
nur zur Hälfte geschlossen war, gab den Blick auf seine
braune Brust mit dem goldschimmernden Haar darauf
frei. Er lächelte strahlend, seine weißen Zähne blitzten, und
seine Augen waren tatsächlich von dem so oft beschriebenen
umwerfenden Blau.
„Wie meinen Sie, bitte?" Angela konnte nur hoffen, dass
ihre Stimme ihm ihre Nervosität nicht verriet.
„Sie schreiben so furchtbar viel. Ich dachte, es wären lauter
Ansichtskarten. Ihr Lieben daheim, mir geht es gut. Schade,
dass Ihr nicht auch hier seid und so weiter."
Angela lächelte, fiel dabei aber keineswegs aus ihrer nonchalanten
Rolle. „Nein, ich schreibe keine Postkarten. Es
gibt daheim niemanden, der sie erwarten würde."
„Dann gibt es also auch niemanden, der etwas dagegen
hätte, dass ich mich zu Ihnen setze."
„Ich selbst könnte etwas dagegen haben."
„Und? Haben Sie?"
Angela war entzückt, zeigte es aber natürlich nicht. Sie
machte eine winzige Kunstpause und antwortete dann:
„Nein, ich glaube nicht."
Daniel schob seine Sporttasche unter den Stuhl ihr gegenüber,
setzte sich und streckte Angela über den papierübersäten
Tisch hinweg die Hand hin. „Daniel McCasslin."
Sie nahm seine ausgestreckte Rechte. „Angela Gentry."
Sie berührte ihn! Ihre Hand lag tatsächlich auf seiner! Dies
war der erste körperliche Kontakt mit diesem Mann, und,
dabei ...
„Machen Sie hier Ferien?" erkundigte er sich höflich.
Angela ließ seine Hand los, lehnte sich auf ihrem Stuhl
zurück und versuchte, einen klaren Kopf zu behalten. „Teils,
teils. Eine Mischung aus Arbeit und Vergnügen."
Daniel winkte dem Kellner, der hinter der Freiluft-Bar
stand. „Möchten Sie noch etwas trinken?" fragte er Angela.
„Ja, aber diesmal Ananassaft."
„Natürlich, Sie sind nicht von hier. Sonst hätten Sie das
Zeug längst über."
Warum muss er nur so hinreißend lächeln? dachte Angela.
Bei seinem Charme würde sie noch vergessen, weshalb sie
ihn eigentlich kennen lernen, sein Vertrauen und wenn möglich
auch seine Freundschaft gewinnen wollte.
„Die Dame wünscht Ananassaft, und ich möchte drei
oder vier Gläser Wasser", sagte er zu dem Kellner.
„Sehr wohl, Mr. McCasslin. Sie haben heute ausgezeichnet
gespielt, Sir."
„Vielen Dank. Machen Sie schnell mit dem Wasser. Ich
bin völlig ausgetrocknet."
„Sehr wohl, Sir."
„Sie haben wirklich ausgezeichnet gespielt", bemerkte Angela,
nachdem der Kellner sich entfernt hatte.
Daniel schaute sie eine Weile nachdenklich an, ehe er antwortete:
„Ich dachte, Sie hätten das Match überhaupt nicht
zur Kenntnis genommen."
„Dann hätte ich taub und blind sein müssen. Ich verstehe
zwar nicht viel von Tennis, aber ich kann beurteilen, dass Sie
jetzt entschieden besser spielen als vor ein paar Monaten."
„Dann kennen Sie mich also?"
„Ja. Ich habe Sie ein paar Mal im Fernsehen gesehen."
Weil Daniel darauf ein jungenhaft enttäuschtes Gesicht
machte, fuhr sie lächelnd fort: „Sie sind eine Berühmtheit,
Mr. McCasslin. Ihr Name ist weltweit ein Begriff."
„Richtig, und darum werde ich normalerweise auch
weltweit angestarrt", gab er etwas herausfordernd zurück.
„Von Leuten wie Ihre Hurra-Riege da unten?" Angela
deutete mit dem Kopf zum Zaun hinunter, hinter dem sich
die jetzt verschwundenen Groupies gedrängt hatten.
Daniel seufzte. „Nehmen Sie es mir ab, wenn ich Ihnen
versichere, dass ich nur deswegen hier trainiere, weil man
mir Anonymität und Ruhe garantiert hatte? Außerdem sind
das hier die besten Tennisplätze auf Maui. Was ich aber nicht
bedachte, ist die Tatsache, dass die Gäste der Ferienanlage
Zutritt zu den Sportplätzen haben. Als sich herumsprach,
dass ich hier trainiere ..." Er zuckte resigniert die Schultern.
„Nun, Sie haben das Ergebnis ja gesehen."
„Die meisten Menschen würden sich von solcher Begeisterung
geschmeichelt fühlen."
Daniel quittierte das mit einem spöttischen Blick und
wechselte dann rasch das Thema. „Also, was schreiben Sie
hier nun andauernd?" fragte er und deutete auf die über den
Tisch verstreuten Blätter.
„Das sind Notizen. Ich bin freiberufliche Journalistin."
Obwohl Daniel sich nicht bewegte, nahm Angela deutlich
wahr, dass er sich vor ihr zurückzog. Sein Gesichtsausdruck
wurde undurchdringlich. Er presste die Lippen zusammen
und packte das Glas Wasser fester, das der Kellner
gerade gebracht hatte.
„Ich verstehe", sagte er kühl.
Angela senkte den Blick und zupfte an dem Papieruntersatz
ihres Glases. „Den Eindruck habe ich nicht. Ich bin
zwar Journalistin, aber keine Reporterin und keineswegs auf
ein Interview mit Ihnen aus. Sie haben dieses Gespräch begonnen,
Mr. McCasslin, nicht ich."
Als er darauf nicht antwortete, hob sie die Lider und
schaute ihn an. Er machte wieder das gleiche Gesicht wie zuvor,
und sein Lächeln war durchaus freundlich, wenn auch
ein bisschen zurückhaltender.
„Nennen Sie mich bitte Daniel", bat er.
Er wollte das Gespräch also nicht abbrechen. Angela verspürte
Erleichterung. „Gut, Daniel. Und ich bin Angela."
„Sie schreiben für Zeitschriften. Was denn? Romane
etwa?"
Angela lachte. „Noch nicht. Eines Tages vielleicht einmal.
Im Moment versuche ich mich auf jedem möglichen
Gebiet, bis ich mein eigenes Fach gefunden habe. Wissen Sie,
ich hatte schon lange vor, einmal auf die Hawaii-Inseln zu
kommen, habe es jedoch nie geschafft. Nun verpflichtete ich
mich für ein paar Artikel, um so meine Reise zu finanzieren.
Auf diese Weise kann ich jetzt länger hier bleiben, ohne befürchten
zu müssen, dass das Minus auf meinem Bankkonto
allzu groß wird."
Daniel gefiel der Klang ihrer Stimme und die Art, wie sie
ihren Kopf beim Sprechen ein wenig zur Seite neigte, wobei
ihr dunkles Haar über eine Schulter fiel. Der Wind blies ihr
ein paar Strähnen ins Gesicht, die in der hellen Sonne ein
bisschen rötlich schimmerten. Offensichtlich war sie schon
lange genug auf der Insel, um eine leichte Bräune erworben
zu haben. Angela Gentry besaß eine Haut, die man gern berühren
wollte. Und das galt auch für ihr Haar. Und erst recht
für ihre Lippen.
Daniel räusperte sich. „Was sind das für Artikel?"
Angela erzählte ihm, dass sie für den Reiseteil der „Los
Angeles Times" und für ein Modemagazin schrieb. Demnächst
würde sie einen bekannten Botaniker interviewen
und dann einen Artikel für eine Gartenzeitschrift verfassen.
Daniel hörte ihr kaum zu. Zum ersten Mal seit Ellies Tod
interessierte er sich wieder für eine Frau. Das verblüffte ihn
selbst, denn er hatte nie gedacht, dass ihm jemals daran liegen
würde, sich noch einmal auf irgendwelche tieferen Beziehungen
einzulassen.
Dieses Zusammentreffen hier würde selbstverständlich
über einen gemeinsamen Drink oder eine kleine Unterhaltung
nicht hinausgehen; dennoch gab ihm die Bekanntschaft
mit Angela Gentry das Gefühl, dass er eines Tages über El-
lies Tod hinwegkommen und sich wieder ernsthaft um weibliche
Gesellschaft bemühen würde.
Fraglos entgingen ihm Angelas Reize nicht; da hätte er ja
blind sein müssen. Sie war eine schöne Frau, und sie hatte so
etwas Gelassenes an sich, das ihn ansprach. Daniel versuchte,
sich auf ihre Ausstrahlung und auf ihre angenehme Stimme
zu konzentrieren und alle anderen Aspekte außer Acht zu
lassen.
Seit er sich an ihren Tisch gesetzt hatte, kostete es ihn
Mühe, nicht immerzu auf ihre Brüste zu starren. Waren sie
wohl von Natur so schön geformt, oder trug Angela einen
trägerlosen BH unter ihrem grünen Strandkleid?
Na, versuch doch, es herauszufinden! munterte er sich
selbst auf.
Da das natürlich hier nicht ging, musste er sich auf sein
Urteilsvermögen beschränken, und das sagte ihm, dass Angela
keine formenden Kleidungsstücke nötig hatte. Als guter
Beobachter, der Daniel nun einmal war, sah er, dass sich ihre
Brustspitzen unter dem leichten Stoff ihres Kleides abzeichneten.
In ihm regte sich ein Verlangen, das er seit Ellies Tod
verloren zu haben glaubte. Jetzt wusste er nicht, ob er sich
über dieses Gefühl freuen oder schämen sollte.
Was würde wohl passieren, schoss es ihm plötzlich durch
den Kopf, wenn ich mich jetzt zu ihr hinüberbeugte und ihr
sagte: „Angela, nehmen Sie es mir nicht übel, aber zum ersten
Mal seit dem Tod meiner Frau reagiert mein Körper wieder
richtig auf ein weibliches Wesen."
Natürlich hatte es in den vergangenen Monaten Frauen
für ihn gegeben. Diese Damen waren ihm von wohlmeinenden
Freunden zugeführt worden, die glaubten, in Liebesdingen
geschickte Hände und verführerische Lippen seien das
Allheilmittel gegen jeden Kummer. Während Daniel jetzt an
diese im Alkoholnebel erlebten Begegnungen zurückdachte,
verachtete er sich aus tiefster Seele.
Nach einem Match in Paris, das ihm so ziemlich die größte
Blamage seines Lebens bescherte, hatte er sich sogar selbst
eine Frau ausgesucht, ein Callgirl. Später, als er wieder nüchtern
war, hatte er dieses Erlebnis als eine Art selbst auferlegter
Strafe betrachtet, und dies war der Wendepunkt für ihn
gewesen.
Wenn jemand den Untergang des Daniel McCasslin aufhalten
konnte, dann nur er selber. Und der Untergang musste
unbedingt aufgehalten werden. Schließlich gab es ja Richy.
„Wie lange leben Sie schon auf den Hawaii-Inseln?" erkundigte
sich Angela.
Ihre Frage holte Daniel in die inzwischen nicht mehr
ganz so düstere Gegenwart zurück.
„Seit ich erwachsen bin", antwortete er. „Nachdem ich
als Vertragsspieler Siege errang und damit Geld verdiente,
schien mir Hawaii als Adresse für einen Junggesellen sehr
passend. Ich wohnte in Honolulu auf Oahu, als ich Ellie
kennen lernte. Sie ..." Daniel unterbrach sich. „Entschuldigen
Sie bitte." Er schaute in sein Wasserglas und nahm unmerklich
eine gewisse Abwehrhaltung ein.
„Mir ist bekannt, was Ihrer Frau zugestoßen ist, Daniel",
sagte Angela leise. „Sie brauchen sich nicht dafür zu entschuldigen,
dass Sie sie erwähnt haben."
Daniel blickte in Angelas Augen und sah darin ein Mitgefühl,
das nichts mit der Neugier früherer Gesprächspartner
zu tun hatte. Das bewegte ihn weiterzusprechen.
„Ihr Vater war Marineoffizier und in Pearl Harbor stationiert.
Eleanor Elizabeth Davidson - ich erklärte ihr, dass
sie einfach zu klein sei - sie war wirklich ein zierliches Persönchen
-, um den Namen einer Präsidentengattin, Eleanor
Roosevelt, und den einer englischen Königin zu tragen."
„Also haben Sie sie kurzerhand zu Ihrer ,Ellie‘ ernannt,
ja?" Angela lächelte aufmunternd.
Daniel nickte. „Ja, und zwar sehr zum Missfallen ihrer
Eltern." Er trank einen Schluck Wasser und malte Kringel in
den feuchten Niederschlag auf seinem kalten Glas. „Wie
dem auch sei, nach ihrem Tod brauchte ich einen Tapetenwechsel
und zog von Oahu hierher nach Maui, wo man viel
ruhiger leben kann. Ich wollte mich vor der Öffentlichkeit
zurückziehen und Richy vor den vielen Blicken abschirmen."
Angela erstarrte. „Richy?"
„Mein Sohn." Daniel strahlte.
Angelas Hals war wie zugeschnürt. Sie schluckte. „Ach
ja", brachte sie heraus. „Ich habe von ihm gelesen."
„Er ist einfach umwerfend. Der klügste und süßeste kleine
Junge auf der ganzen Welt. Heute Morgen hat er ..." Daniel
brach ab. „Entschuldigen Sie. Wenn ich von ihm rede,
kenne ich meist kein Halten mehr."
„Sie langweilen mich damit keineswegs", versicherte Angela
rasch.
„Na, ich glaube, auf die Dauer doch. Lassen Sie mich nur
so viel sagen: Richy ist in meinem augenblicklichen Leben
das Einzige, worauf ich stolz sein kann. Wir wohnen direkt
am Strand. Es gefällt uns dort."
Angela hatte Mühe, Haltung zu bewahren. Sie schaute
auf den Ozean hinaus. Schaumgekrönte Wellen rollten auf
den Strand und zogen sich dann wieder ins Meer zurück.
„Ich verstehe, weshalb Sie gern auf Maui leben. Es ist
wunderschön hier."
„Ja, das ist es", bestätigte Daniel. „Ich fühle mich hier inzwischen
wie in einem Sanatorium, in dem sich Körper und
Seele erholen können."
Insgeheim fragte er sich, weshalb er so offen mit dieser
Frau redete. Gleich darauf fand er die Antwort: Sie wirkte
verständnisvoll und flößte einem irgendwie Vertrauen ein.
Dann kam ihm etwas anderes in den Sinn. „Sie sagten
vorhin, es gäbe bei Ihnen daheim niemanden, der Ihre Postkarten
erwartet. Sind Sie nicht verheiratet?"
„Ich war es. Ich bin geschieden."
„Und Kinder?"
„Einen Sohn, Joey." Angela sah Daniel direkt ins Gesicht.
„Er ist gestorben."
Er murmelte ein an sich selbst gerichtetes Schimpfwort,
seufzte und sagte dann: „Verzeihen Sie bitte. Ich weiß, wie
schmerzlich es manchmal ist, wenn man an etwas erinnert
wird."
„Ich bin Ihnen nicht böse. Im Gegenteil. Wissen Sie, ich
nehme es meinen Freunden und Bekannten geradezu übel,
dass sie dieses Thema so gründlich vermeiden, als hätte es
Joey nie gegeben."
„Das kann ich nachfühlen. Alle Leute umgehen es, Ellie
zu erwähnen. Vermutlich haben sie Angst, ich werde in Tränen
ausbrechen und sie damit in Verlegenheit bringen."
„Ja", sagte Angela, „und dabei möchte ich Joeys Andenken
bewahren. Er war ein so intelligentes, hübsches und
fröhliches Kind."
„Was ist passiert? Ein Unfall?"
„Nein. Im Alter von vier Monaten zog er sich eine Hirnhautentzündung
zu. Das hat seine Nieren zerstört. Von da
an musste er sich regelmäßig einer Blutwäsche unterziehen.
Ich dachte, dass er dennoch ein einigermaßen normales Leben
würde führen können, aber ..."
Angela sprach nicht weiter, und für eine Weile herrschte
Schweigen. Auch alle anderen Laute schienen erstorben zu
sein - das Gelächter an dem Tisch am anderen Ende der Terrasse,
das Geschepper des Mixbechers, den der Kellner hinter
der Bar schüttelte, und das Gekreische der vier Damen
auf dem Tennisplatz unter ihnen.
„Es ging ihm immer schlechter", fuhr Angela schließlich
fort. „Komplikationen traten ein, und ehe eine passende
Niere für eine Transplantation zur Verfügung stand, starb
Joey."
„Und Ihr Mann?" fragte Daniel leise.
Wann hatte er eigentlich ihre Hand ergriffen? Angela
hätte es nicht sagen können, aber plötzlich war sie sich dessen
bewusst und fühlte, wie er mit dem Daumen über ihre
Fingerknöchel streichelte.
„Wir wurden vor Joeys Tod geschieden. Er hat unseren
Sohn mehr oder weniger meiner Fürsorge überlassen."
„Mr. Gentry scheint ein ziemlicher Schuft zu sein."
Angela lächelte. Der Name ihres geschiedenen Mannes
lautete zwar nicht Gentry, aber ansonsten musste sie Daniel
Recht geben. „Stimmt genau. Er ist ein Schuft."
Daniel erwiderte unwillkürlich Angelas Lächeln, und
eine Weile blinzelten die beiden einander wie zwei Vertraute
zu. Schließlich wurden sie sich dessen bewusst, was sie
prompt verlegen machte.
Daniel ließ Angelas Hand los und angelte unter seinem
Stuhl nach seiner Sporttasche.
„Ich habe Sie lange genug von Ihrer Arbeit abgehalten",
sagte er. „Außerdem habe ich mich für heute Nachmittag als
Babysitter verpflichtet, weil meine Haushälterin einkaufen
gehen möchte."
„Sie haben eine Haushälterin, die sich um Richy kümmert?
Kann sie ... ich meine, ist sie gut zu ihm?" Vor Aufregung
versagte Angela fast die Stimme.
„Ich wüsste nicht, was ich ohne sie täte. Mrs. Laani war
schon vor ... vor Richys Geburt bei uns. Nach Ellies Tod zog
sie mit mir nach Maui, übernahm den Haushalt und die Pflege
Richys. Sie genießt mein volles Vertrauen."
Angela atmete erleichtert auf. „Welch ein Glück, dass Sie
mit Richy nicht ganz allein dastehen."
Daniel erhob sich und streckte ihr die Rechte hin. „Ich
freue mich sehr, Sie kennen gelernt zu haben, Angela."
Sie schüttelte seine Hand. „Ganz meinerseits."
Er schien ihre nicht wieder loslassen zu wollen, und als er
es endlich doch tat, strich er dabei mit den Fingerspitzen
über ihren Handteller. Er wünschte, er könne auf gleiche
Weise auch ihre Wangen, ihre Schultern und die Unterseite
ihrer Arme berühren. Wie gern hätte er auch ihr Haar und
ihren Nacken gestreichelt!
„Ich hoffe, Sie verleben hier weiterhin schöne Tage, Angela."
Ihr Herz schlug schneller. „Oh, ganz bestimmt."
„Dann also - auf Wiedersehen."
„Auf Wiedersehen, Daniel."
Nach drei Schritten blieb Daniel stehen. Offensichtlich
kämpfte er mit sich. Sollte er jetzt etwas tun, was er nicht
mehr getan hatte, seit Ellie Davidson in sein Leben getreten
war, sollte er Angela um ein Rendezvous bitten?
Er wandte sich zu Angela um. „Ich - äh - sind Sie morgen
auch wieder hier?" fragte er.
„Das weiß ich noch nicht", antwortete sie freundlich,
aber kühl. Insgeheim hielt sie den Atem an und schickte ein
Stoßgebet zum Himmel. „Warum?"
„Nun, Gary und ich spielen morgen wieder zusammen."
Er nestelte am Reißverschluss seiner Windjacke. „Ich dachte,
vielleicht möchten Sie zuschauen. Anschließend könnten
wir - könnten wir irgendwo zusammen zu Mittag essen."
Angela senkte die Lider. Am liebsten hätte sie vor Freude
laut gejubelt.
„Wenn Sie nicht ...", begann Daniel erneut.
„Nein, nein", unterbrach sie ihn. „Ich meine, ja. Okay,
danke, gern."
„Fein!" rief er aus. Sein Selbstvertrauen kehrte zurück.
Wieso lag ihm eigentlich so viel daran, dass sie einwilligte?
Er konnte doch jederzeit jede Frau bekommen, die er haben
Copyright © 1993 by Sandra Brown
erschienen bei Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with
HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Konzeption/Gestaltung: fredebold & partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: Alexandra Dohse, www.grafikkiosk.de, München
Titelabbildung: Mauritius Images, Mittenwald
Redaktion: Sarah Hielscher
Satz: D.I.E. Grafikpartner GmbH, Köln
Druck und Bindearbeiten: CPI - Ebner & Spiegel, Ulm
Printed in Germany
ISBN 978-3-89941-900-9
Genehmigte Sonderausgabe 2011
für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Cora Verlag GmbH & Co. KG,
Valentinskamp 24, 20350 Hamburg
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder
auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
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Bibliographische Angaben
- Autor: Sandra Brown
- 300 Seiten, Maße: 12,4 x 18,6 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3899419006
- ISBN-13: 9783899419009
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