Black Monday
Flugzeuge stürzen vom Himmel, Kraftwerke explodieren, Kommunikation und Versorgung brechen zusammen. In kürzester Zeit fällt die zivilisierte Welt zurück ins finsterste Mittelalter, Millionen Menschen sterben. Das Pentagon vermutet eine Welle...
Flugzeuge stürzen vom Himmel, Kraftwerke explodieren, Kommunikation und Versorgung brechen zusammen. In kürzester Zeit fällt die zivilisierte Welt zurück ins finsterste Mittelalter, Millionen Menschen sterben. Das Pentagon vermutet eine Welle terroristischer Anschläge. Doch der Virologe Greg Gerard befürchtet Schlimmeres: eine Seuche, die die gesamte Menschheit ausrotten wird. Auf der Suche nach der Ursache der Katastrophe kämpft er sich schließlich allein durch ein Amerika, das in völliger Auflösung begriffen ist. Gejagt von einem perfekten Killer, der alles tun wird, um eine Rettung zu verhinder.
"Reiss entwickelt in seinem verstörenden Debüt ein erschreckendes Szenario - ein echter Pageturner voller Wucht und Action."
Publishers Weekly
"Einfallsreich und plausibel, mutige Charaktere und ein Tempo wie bei Crichton. Ein Buch, das eine Menge Leser begeistern wird."
Booklist
Black Mondayvon R. Scott Reiss
LESEPROBE
1. KAPITEL
27.Oktober. Sechs Stunden vor dem Ausbruch.
EineSeuche, die für Millionen Menschen den Tod bedeutet. Dieganze Länder vernichtet. Und die Welt in ein finsteres Zeitalter stürzt.
EineSeuche, die niemanden krank macht.
Lewis Stokes zumindest lautet so der falsche Name in seinem inNevada ausgestellten Führerschein wirft einen weiteren Dollar in denGlücksrad-Spielautomaten in der Lobby des Hotels New York-NewYork in Las Vegas und spürt, wie sein Herz plötzlich schneller schlägt, wasallerdings nicht an dem Spiel liegt. Der ehemalige Bettlerjunge dessenMutter öffentlich enthauptet wurde hat soeben den zwanzigjährigenAnglistikstudenten der University of Nevada entdeckt, den zu töten erzehntausend Kilometer weit geflogen ist.
Der jungeMann dunkelhaarig mit ungepflegtem Äußeren kommt auf seinem Weg zurRezeption an Blackjacktischen vorbei auf ihn zu. Auseinem hohen Glas schlürft er eine leuchtend rote Flüssigkeit, wahrscheinlicheinen Singapore Sling odereinen Mix aus Rum und Fruchtsäften. Er wirkt angetrunken, arglos, allein.
Der jungemuss um o Uhr 14 getötet werden.
»KeineMinute später«, hatte Lewis' Mentor gesagt, während er ihm die ganze Palette perfektgefälschter Papiere übergeben hatte.
Doch alsLewis sich anschickt, aufzustehen und dem jungen Mann zu folgen, fällt ihm auf,dass dieser zu hochaufgeschossen ist, um Robert Grady zu sein.
Er sieht Grady nur ähnlich.
Lewisflucht vor sich hin und schiebt noch einen Dollar in den Automatenschlitz.
Normalerweiseein gut aussehender Blondschopf, hat sich Lewis heute in einen dunkelhaarigenTypen mit beginnender Glatze verwandelt. Von Natur aus schlank, wirkt er jetztschwerfällig und unbeholfen, ein Ballon unter dem Hemd täuscht einen Bauch vor,und er trägt eine Brille mit einem dicken, schwarzen Rahmen. Er hält sich krummund zieht beim Gehen einen Fuß nach. Die wenigen Leute, die ihn bemerken, sehennur einen armen Kerl in einer schlecht sitzenden Sportjacke, einem billigenTeil von der Stange.
SeinePosition am Spielautomaten ermöglicht ihm den Blick auf die Rezeption, ohneselbst von den Pagen, den Angestellten an der Rezeption und denSicherheitsleuten wahrgenommen zu werden. Einer unter Hunderten von Spielern.Aber dieser eine Spieler verbirgt eine Glock unter derJacke, und hinten in seinem Gürtel steckt ein gezacktes Kampfmesser. Lewis hatsein erstes Opfer im Alter von zwölf Jahren getötet, in Notwehr, in einem Zelt.
»Glücks ...rad«, ertönt ein ganzer Chor mechanischer Stimmen aus dem Automaten, währenddas Rad sich dreht und bunte Lichter blinken und die potenziellen Gewinne $800, $ 100 und $ 20 - in Form von Tortenstücken auf dem Rad erscheinen.
Las Vegasgeht ihm auf die Nerven, die Aufdringlichkeit, der Krach und das Durcheinander,all das erinnert ihn an das Flüchtlingslager, in dem er aufgewachsen ist. Dasgrauenhafte Erdgeschoss ist das Schlimmste. Als hätte Fellini es sichausgedacht. Eine Kakophonie aus Rockmusik, herumrennenden Kindern, plärrendenSpielautomaten, lachenden Betrunkenen. Keine Fenster, die den Blick auf dieAußenwelt freigeben. Ein riesiges Glücksspielareal, wo es zugeht wie imIrrenhaus, ein Labyrinth, durch das sich ein endloser menschlicher Jackpotwälzt. Menschen, die wie die Münzen aus den Fahrstühlen ausgespuckt werden,unterwegs zu den neuen Mausefallen in der Umgebung: in das Riviera und das Paris,das Monte Carlo, das Gold Coast sie alle habennicht die geringste Ähnlichkeit mit den romantischen Orten, nach denen siebenannt sind.
Aber wo magRobert Grady stecken?
»Lass esmöglichst nach Raubmord aussehen«, hatte Lewis' Mentor gesagt. »Aber sollte derBursche um o Uhr 14 gerade mitten in einer überfüllten Lobby stehen, danngehst du einfach auf ihn zu und erschießt ihn. Kann ich mich darauf verlassen,dass du dich notfalls opferst, mein alter und besonderer Freund?«
»Und waspassiert um o Uhr 15, falls er dann immer noch lebt?«
»Dann wirddie Welt unglücklicherweise bleiben, wie sie ist.«
»Was kanndaran so wichtig sein, einen College-Studenten zutöten?«
»Ich würdedir gern genau erklären, welche Rolle er spielt. Du hättest es verdient. Aberwenn die Amerikaner dich schnappen, wenn die rauskriegen, wer du bist, dann werdensie versuchen, dich mit allen Mitteln zum Reden zu bringen.«
Ihm bleibennoch fünf Stunden und dreizehn Minuten.
Lewis istvor zwei Tagen in Las Vegas eingetroffen. Eigentlich viel Zeit für einenAuftrag. Bisher ist es ihm jedoch nicht gelungen, Robert Gradyausfindig zu machen. Er war weder zu Hause noch in der Uni. SeinAnrufbeantworter ist schon so voll, dass er keine neuen Nachrichten mehr speichert.Weiß er, dass Lewis hier ist? Wer zum Teufel ist er überhaupt? Ein Anruf beider Freundin, der gegenüber Lewis als Verwaltungsangestellter der Uniausgegeben hatte, war ebenfalls ergebnislos gewesen. Sie hatte behauptet, ihn schonseit einer Woche nicht mehr gesehen zu haben.
»Der Typist ein hirnloser Spieler, der kann mir gestohlen bleiben«, hatte sie gefaucht.»Der hat sich doch bloß an der verdammten Uni eingeschrieben, um sich in denKasinos rumtreiben zu können. Wenn er verschwindet,kann das nur heißen, dass er Geld gewonnen hat. Und er wird so lange spielen,bis er es wieder los ist.«
Vor einerStunde schließlich hat Lewis zum vierten Mal die Kasinos abgeklappert, die derjunge Mann regelmäßig aufsucht, und erfahren, dass Gradyfür heute Nacht in diesem Hotel ein Zimmer gebucht hat. Daraufhin hat Lewissich ebenfalls ein Zimmer genommen. Laut Akte quartiert sich Grady immer im elften Stock des CenturyTower ein, weil er glaubt, dass ihm der Turm Glück bringt. Also hat Lewis ebenfallsein Turmzimmer geordert, um an die Schlüsselkarte für die nach oben führendenAufzüge zu gelangen.
Lewis siehtauf die Uhr, unterbricht das Spiel am Automaten und ruft vom Haustelefon ausdie Hotelzentrale an.
»Mr Grady hat soeben telefonisch Bescheidgegeben, dass er heute später kommt«, erklärt ihm eine Frau.
»Wie vielspäter?«
»Das hat ernicht gesagt.«
»Haben Siemit ihm gesprochen?«
»Ich kannIhnen nur das sagen, was ich auf dem Bildschirm sehe«, erwidert die Fraugekränkt.
Lewisschluckt seinen Unmut herunter, lässt die Schultern wieder hängen, um keinenVerdacht zu erregen, und schlendert zurück zu seinem Spiel. Am Automaten nebenihm sitzt jetzt eine weißhaarige alte Dame in einem Rollstuhl. Sie balancierteinen Plastikbecher mit Vierteldollarstücken auf ihrem knochigen Schoß.
Sie lächeltihn an. »Wie aufregend es hier ist!«
Er gibt ihrkeine Antwort. So kann sie sich später weniger deutlich an ihn erinnern. Ermuss an seinen letzten Besuch bei seinem Mentor denken, im August, und fühltsich zuriickversetzt an jenen ruhigen, schönen Ort.Sie hatten Orangensaft in einem angenehm kühlen grünen Garten getrunken. Derriesige Rasen war umgeben von in Nebel gehüllten Eichen. Das Rauschen des nahegelegenen Meeres vermischte sich mit den Schreien kreisender Seeschwalben,während der Mentor und sein Adlatus auf neunhundert Jahre alten Steinbänkensaßen. Alles um sie herum, der private Wald, die grün bewachsenen Berge und dasweitläufige Haus jenseits des Skulpturengartens, warsolide, freundlich und alt.
»Robert Grady ist einer von mehreren Leuten, denen du hoffentlichin Amerika einen Besuch abstatten wirst«, hatte Lewis' Mentor gesagt und denAuftrag wie üblich als Bitte formuliert.
Lewis'Gedanken kehren zurück zu seinem letzten Mord, drei Wochen nach dem Gespräch.Er war nach Washington geflogen, hatte ein Auto gekauft und war über die Interstate 95 und den Taconic Parkway durch die Hügel von Berkshirenach Massachusetts in das Städtchen Becket gefahren.Dort hatte er das einzeln an einer unbefestigten Straße gelegene Haus einesneunundfünfzigjährigen Kajakbauers ausfindig gemacht und durch eine nichtverschlossene Tür betreten. Dort rechnete offenbar niemand mit Einbrechern. Alsder Mann an einem Freitagabend von dem Jacob's Pillow Dance Festival nach Hause kam, wo er sich eine Steptanzshow von Savion Glover angesehen hatte, lauerte Lewis ihm auf und erstachihn. Bei dem Auftrag trug er Latexhandschuhe und führte seine Tat mit derlinken Hand aus, um die forensischen Experten in Bezug auf den Einstichwinkelin die Irre zu führen.
Lewis isteigentlich Rechtshänder, außer wenn er einen Auftrag erledigt.
Nach demMord durchforstete er den Medizinschrank nach Tabletten, entwendete das Bargeldaus der Brieftasche des Mannes und ließ einen Teil des alten Silberbestecks mitgehen.Anschließend versenkte er seine Beute in einem tiefen, grünen Baggersee.
»MORDMOTIVRAUB«, titelte die örtliche Tageszeitung Berkshire Eagle.
Wie seinMentor sagte: »Täuschung bedeutet Erfolg. Desinformation ist Täuschung. Dumusst immer dafür sorgen, dass die Amerikaner jemand anderem die Schuld fürdeine Taten geben.«
»Spätestensum o Uhr 14 wird Robert Grady die Reise auf dieandere Seite antreten«, versprach Lewis in Erinnerung an die Worte, die seinUrurgroßvater nach dem Ersten Weltkrieg geschrieben hatte. Worte, die er ineinem zerfledderten Buch von 1927 stets im Reisegepäck hatte. »Blut war immeran unseren Händen, dazu waren wir ja ermächtigt.«
Und in diesemMoment erblickt er endlich Robert Grady.
Der jungeMann kommt auf dem Weg zur Rezeption ganz nahe an ihm vorbei. Auf den erstenBlick wirkt Grady wie ein typischer unbekümmerterStudent. Weißes Hemd mit offenem Kragen, ein bisschen zerknittert.Ausgewaschene Jeans. Abgetragene Sportschuhe und ein Rucksack über der rechtenSchulter. Ein junges Gesicht mit einem ungepflegten braunen Bart und babyblauenAugen.
Aber Lewiserspäht auch etwas Rohes unter der jungenhaften Oberfläche. Die Augen sindnicht wirklich klar und unschuldig, sondern scheinen auf etwas Unsichtbares gerichtetzu sein. Lewis, der in einer Umgebung voller Verzweiflung aufgewachsen ist,kennt ihre Erscheinungsformen: Bedürftigkeit, Schrecken, Besessenheit, Gier.Diesen Burschen quälen Vorahnungen, Zwanghaftigkeit und Abhängigkeit vomZufall.
Lewisbeobachtet, wie Bobby Grady sich von der Rezeptionabwendet. Aber anstatt nach oben zu gehen, reicht er einem Pagen seinenRucksack, zeigt auf den Aufzug und steckt ihm ein Trinkgeld zu.
Robert Grady hat offenbar noch vor zu spielen.
Lewisseufzt, steckt einen letzten Dollar in den Glücksradautomaten und wartet, bis Grady auf dem Weg ins Kasino an ihm vorbeikommt. Er drücktein letztes Mal auf den Knopf, startet ein neues Spiel und steht dann ruhigauf, um seinem Opfer zu folgen.
Dochplötzlich spielt der Automat verrückt, veranstaltet einen Höllenlärm, und dieRäder drehen sich wie wild. Alle im Umkreis von dreißig Metern werden auf Lewisaufmerksam. Pagen, Gäste, Kinder, eine Prostituierte. Die Sicherheitskamerasan der Decke werden die Szenerie aufzeichnen. Hotelgäste und Neuankömmlinge,die gerade einchecken, recken die Hälse, um etwas sehen zu können. Der Glücksradautomatist darauf programmiert, bei den äußerst seltenen Gelegenheiten, wo er eineMenge Geld ausspuckt, einen Radau zu machen wie die Luftalarm-Sirenen auf einemamerikanischen Militärstützpunkt. Der Krach übertönt beinahe die Rockmusik,von der die Lobby erfüllt ist.
Klingklingklingkling!!!
Die alteDame im Rollstuhl schnappt nach Luft. »Mein Gott! Das nimmt ja kein Ende mehr!Fünftausend und ... o nein!«
Robert Grady, der sich nicht einmal umdreht, uni zu sehen, was losist, verschwindet in Richtung der Halle für Sportwetten.
EinBlitzlicht zuckt. Jemand hat ein Foto vom großen Gewinner geschossen.
( )
© UllsteinBuchverlage
Übersetzung:Charlotte Breuer und Norbert Möllemann
- Autor: R. Scott Reiss
- 2008, 2. Aufl., 471 Seiten, Maße: 11,7 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Engl. v. Charlotte Breuer u. Norbert Möllemann
- Übersetzer: Charlotte Breuer, Norbert Möllemann
- Verlag: Ullstein TB
- ISBN-10: 354826851X
- ISBN-13: 9783548268514
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Black Monday".
Kommentar verfassen