Blood Night
Deutsche Erstveröffentlichung
Eine Welt der Finsternis und ein unerbittlicher Kampf zwischen Göttern und Dämonen drohen die Menschheit zu vernichten
Die Pforten zur Hölle sind geöffnet und der Weg frei für Kreaturen, wie sie niemand zuvor je gesehen hat - und...
Die Pforten zur Hölle sind geöffnet und der Weg frei für Kreaturen, wie sie niemand zuvor je gesehen hat - und...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Blood Night “
Eine Welt der Finsternis und ein unerbittlicher Kampf zwischen Göttern und Dämonen drohen die Menschheit zu vernichten
Die Pforten zur Hölle sind geöffnet und der Weg frei für Kreaturen, wie sie niemand zuvor je gesehen hat - und wie man sie nie zu Gesicht bekommen sollte. Sie drohen, die Welt in ein einziges Schlachtfeld zu verwandeln. Mittendrin, gefangen zwischen sich bekriegenden Göttern und gefallenen Engeln, versuchen die Menschen, sich vor dem sicheren Tod zu retten. Ihre einzige Hoffnung: die ehemalige Assassine Rachel. Sie will die Welt retten, doch selbst das Opfer ihres Lebens könnte dafür nicht ausreichen ...
Das atemberaubende Finale der erfolgreichen Fantasy-Trilogie.
Die Pforten zur Hölle sind geöffnet und der Weg frei für Kreaturen, wie sie niemand zuvor je gesehen hat - und wie man sie nie zu Gesicht bekommen sollte. Sie drohen, die Welt in ein einziges Schlachtfeld zu verwandeln. Mittendrin, gefangen zwischen sich bekriegenden Göttern und gefallenen Engeln, versuchen die Menschen, sich vor dem sicheren Tod zu retten. Ihre einzige Hoffnung: die ehemalige Assassine Rachel. Sie will die Welt retten, doch selbst das Opfer ihres Lebens könnte dafür nicht ausreichen ...
Das atemberaubende Finale der erfolgreichen Fantasy-Trilogie.
Klappentext zu „Blood Night “
Eine Welt der Finsternis und ein unerbittlicher Kampf zwischen Göttern und Dämonen drohen die Menschheit zu vernichtenDie Pforten zur Hölle sind geöffnet und der Weg frei für Kreaturen, wie sie niemand zuvor je gesehen hat - und wie man sie nie zu Gesicht bekommen sollte. Sie drohen, die Welt in ein einziges Schlachtfeld zu verwandeln. Mittendrin, gefangen zwischen sich bekriegenden Göttern und gefallenen Engeln, versuchen die Menschen, sich vor dem sicheren Tod zu retten. Ihre einzige Hoffnung: die ehemalige Assassine Rachel. Sie will die Welt retten, doch selbst das Opfer ihres Lebens könnte dafür nicht ausreichen ...
Das atemberaubende Finale der erfolgreichen Fantasy-Trilogie.
Lese-Probe zu „Blood Night “
Blood Night von Alan CampbellAus dem Englischen von Jean Paul Ziller
Vorwort
Vorbereitungen für ein Fest
Tief im Bauch von Cospinols großem, hölzernem Himmelsschiff
schmorte eine Halbgöttin. Flügel und Beine hatte
man mit Hämmern zertrümmert, damit sie in den eisernen
Kessel passte, eine Hexenkugel, die man extra mit Platten
verstärkt hatte, um anständig Druck machen zu können.
Diese Kugel hing an einem Haken über einer riesigen Kohlenpfanne.
Über die Düse am Ende eines Bleirohrs wurde
Karbolwasser in das Innere geleitet, durch ein weiteres Rohr
der Geist der Halbgöttin in einen gläsernen Dampfkondensator gefiltert.
Fünfzig Tage lang hatten Cospinols Sklaven Wasser in
den Kessel gepumpt und das Feuer in Gang gehalten, während
sich wie in einem höllischen Puppenspiel rote Schatten
drohend über ihnen auftürmten. Jahrhunderte von
Hitze hatten die Stahlplatten hinter dem Kocher und dessen
Flammrohr geschwärzt. Dampf strömte aus den Ventilen
und rann an den mit Teer verschmierten Schotten herab,
doch die Arbeiter schwitzten nicht, und man hörte sie auch
nicht klagen. Sie bewegten sich mit der stummen Effektivität
von Männern, die an ihre Aufgabe gewohnt sind. Die
Rots ward ruckelte und schlingerte, denn der Kapitän verlangte
ihr auf der Flucht nach Westen das Äußerste ab.
... mehr
Die Sklaven beobachteten, wie sich die zischende Flüssigkeit,
einem Kolloid aus Sternenlicht gleich, in dem gläsernen
Kondensator sammelte, langsam aufstieg und dann als schil-
lernde Lichtkaskade wieder hinabstürzte. Ihre Stimme erinnerte
an das Flüstern von Wahnsinnigen. Jedes Mal wenn
die Kugel zu scheppern oder zu dröhnen begann, justierten
die Sklaven die Düsen. Gestern hatten sie ihre Hämmer
mitgebracht und griffbereit auf dem Boden bereit gestellt,
obwohl sie kaum Schutz versprachen. Sie schaufelten noch
mehr Kohle in das Feuer und fachten es mit ihren Blasebälgen
an. Das Poltern wurde lauter, wenn Carnival in ihrem
druckfesten Gefängnis um sich trat.
Aus einem winzigen Schacht über dem Kesselraum beobachtete
ein Junge die Prozedur. Er hatte Haken statt Fingern.
Sein rotes Gesicht schwebte in der Dunkelheit. Wieso
starb die Halbgöttin nicht einfach? Er hatte noch nie erlebt,
dass Cospinols Arbeiter so lange brauchten. Erst wenn das
letzte Licht in ihr versiegt war, würden sie das Wasser aus
der Kugel kippen und ihm Gelegenheit geben, seinen Topf
zu füllen. Der schwarze Blechtopf war das Einzige von seinem
spärlichen Hab und Gut, was er nicht gestohlen hatte.
Er warf ihm einen anklagenden Blick zu. Nach wie vor gähnend leer.
Er starrte noch eine Weile darauf und ritzte dann einen
neuen Strich in den Deckenbalken, diagonal durch vier vertikale
Kerben. Anschließend machte er kehrt und kroch den
Weg durch den Gang, den er gekommen war, wieder zurück.
Der Rauch aus der Stadt, die unter dem Himmelsschiff in
Flammen stand, war bis in dessen lädierten Holzrumpf eingedrungen.
Die Winde warfen es hin und her. Es schwankte
und ächzte. Seine Tage schienen gezählt. Der Junge summte
ein Schlachtlied vor sich hin, das er einmal gehört hatte, und
wiederholte immer wieder die gleichen Noten, nur um die
furchterregenden Geräusche ringsum zu übertönen. Er blinzelte
und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Sein
Hemd roch nach Schwefel. Er kroch tiefer in das Labyrinth
aus Ventilen und Gängen hinab.
Aus dem Achterschiff drangen laute Stimmen. Der zornige
Gott des Nebels und des Salzes und eine Frau mit einem
merkwürdig weichen Akzent. Der hakenfingrige Junge
schlängelte sich um eine weitere Kurve und gelangte zu einer
Stelle, wo er durch eins der vielen Löcher im Boden hinunterblicken konnte.
»...die Assassinin hat alles gesehen«, murrte Cospinol.
»Coreollis ist dem Erdboden gleichgemacht, Rys' Festung
durch eine unbekannte Katastrophe in Schutt und Asche
gelegt. Sind meine Brüder nun tot oder hecken sie nur etwas
aus?« Bei jedem Schritt, den er tat, klapperte sein Krebspanzer.
Er blieb vor einer Fensterreihe am Ende des Raumes
stehen. Dünne Strähnen von guanofarbenem Haar bedeckten
sein vornehmes Gesicht und fielen auf dem Rücken
bis über die Hohlräume zwischen den Flügeln. Durch die
Scheiben sah man im Nebel nur das dunkle Galgengerüst
der Rotsward. »Rys' Nordmänner sind tot oder längst über
alle Berge«, fuhr er fort. »Pollacks Parias ebenfalls. In dem
Moment, als König Menoa seine Archoniten losließ, war die
Schlacht entschieden.«
»Trotzdem ist der Krieg noch nicht verloren, Durchlaucht.
Ihr müsst an die Vorsehung glauben«, erwiderte die Frauenstimme.
Der hakenfingrige Junge bückte sich, um zu sehen, wer
da sprach. Direkt unter seinem Versteck saß eine Frau in
einem grauen Kapuzengewand, sie trug rote Handschuhe
und drückte einen winzigen Hund an die Brust. Doch als
der Junge genauer hinsah, entdeckte er, dass es gar keine
Handschuhe waren. Die Frau hatte eine Haut aus gläsernen Schuppen.
Eine Mesmeristenhexe? Cospinol unterbrach sein nervöses Hin und Her. Der
verbale Angriff auf seinen Stolz spiegelte sich in seinem
gequälten Gesicht wider. »Wessen Vorsehung? Die meiner
Mutter Ayen etwa?«, raunte er. »Oder spielst du auf meine
verschwundenen Brüder an? Sind sie wirklich untergegangen
oder brüten sie irgendetwas aus? Ach was, es spielt
ohnehin keine Rolle mehr. Mirith ist ein Feigling und völlig
meschugge, außerdem hat er von Kriegsführung keine Ahnung.
Rys, Hafe und Sabor besaßen zwar einiges Geschick
auf dem Schlachtfeld, hielten sich aber alle in Rys' Festung
auf, als diese unterging. Wahrscheinlich irren ihre Seelen
jetzt durch die Hölle. Und Hasp nützt uns herzlich wenig.«
Er wandte den Blick von der Frau ab. »Nichts für ungut, Hasp.«
Von da, wo er hockte, konnte der Junge die dritte Person
nicht sehen, doch die Antwort klang barsch und wütend.
»Ich weiß sehr wohl, was du von mir hältst, Cospinol.«
Die Frau warf dem Betreffenden einen Blick zu, ehe sie
wieder den alten Meeresgott ansah. »Eure eigene Vorsehung,
Gott Cospinol. Ihr müsst diese missliche Situation unter
Kontrolle bekommen. Die meisten Nordmänner konnten
aus Larnaig fliehen. Hafes Truppen sind jetzt ohne Führung
und überall streunen Milizen herum. Zehntausende von bewaffneten
Männern, die bereit sind, zu kämpfen.«
Cospinol warf die Arme hoch. »Wozu? Menoas Archoniten
sind unbesiegbar. Diese schmerzliche Erfahrung haben wir in Skirl machen müssen.«
»Wenn Ihr sie nicht rekrutiert, wird Menoa es tun.«
Er schnaubte. »Menoa wird sie einfach auflösen oder töten.«
»So dumm ist er nicht. Nach Rys' Verschwinden haben
diese Männer nicht nur ihren Anführer und ihre Bestimmung
verloren, sondern auch ihren Sold. Wovon sollen sie jetzt ihre Familien ernähren?«
»Glaubst du wirklich, dass uns diese Männer verraten
und sich dem verhassten Feind anschließen würden?«
»Wenn sie nicht verhungern wollen, bleibt ihnen gar
nichts anderes übrig.« Sie setzte den kleinen Köter auf den
Boden, der sofort das Bein hob und anschließend seine
Pfütze beschnüffelte. »Menoa weiß, wie man Menschen betört.
In der Hölle scharte er die Toten um sich, und das Gleiche
wird er auch auf der Erde tun. Wenn Ihr diese Krieger
nicht unter Vertrag nehmt, Durchlaucht, werden die
Archoniten von König Menoa bald über schlagkräftige Bodentruppen
verfügen. Und wir können uns nicht noch mehr Feinde leisten.«
Der Gott des Meeres schüttelte den Kopf. »Wie soll ich
eine Armee unterhalten? Sie wird wie ein Schwarm von
Rüsselkäfern über die Vorräte der Rotsward herfallen und
sich anschließend meine Goldtruhen vorknöpfen. Wenn
dann Rüben und Münzen alle sind, werden sie Seelenperlen
von mir verlangen, glaub mir.« Er lächelte verbittert. »Und
du erwartest, dass ich einen Haufen Nichtsnutze in meine
Gehaltsliste aufnehme, nur damit sie nicht gegen mich zu
Felde ziehen. Diese müden Krieger, mit denen ich nichts,
aber auch gar nichts gegen meine wirklichen Feinde ausrichten kann.«
»Gegen Menoas Archoniten sind sie zwar machtlos, aber sie können kämpfen.«
»Gegen wen sollen sie denn kämpfen?«, brüllte er.
Das Hündchen der Zauberin knurrte und stupste mit
der Nase gegen ihr Bein, worauf sie es wieder auf den Arm
nahm. »Da wir geschlagen wurden, schlecht ausgerüstet
sind und wortwörtlich um unser Leben rennen, schlage ich
vor, dass wir uns einen neuen Feind suchen«, sagte sie.
Cospinol starrte sie nur an, doch aus dem hinteren Teil
der Kabine kam schroffes Gelächter. Der Junge konnte die
dritte Person immer noch nicht sehen, erkannte aber Hasps
tiefe Stimme. »Ich glaube, ich weiß, was du meinst. O Mina,
du hast uns auf etwas gebracht, was die Geschichte der Welt erschüttern wird!«
Das Gespräch setzte sich fort, doch der Junge hatte das
Interesse daran verloren. Er beobachtete, wie ein Käfer über
den feuchten, modrigen Holzboden des Gangs kroch. Wie
einen Käfig stülpte er seine Hakenfinger darüber.
Der Käfer untersuchte sein Gefängnis. Der Junge beobachtete,
wie sich die Fühler und zarten Beinchen bewegten.
Schließlich spießte er ihn auf und verschlang ihn. Dann
lehnte er sich zurück und begann, das Muster eines Labyrinths
in die Wand des Ganges zu ritzen. Als ihn auch das
langweilte, kroch er den morschen Gang tiefer in die Dunkelheit
hinab, zwängte sich durch eine Öffnung und schlitzte
sich an den scharfen Kanten seine Segeltuchhose auf. In einem
schmalen Spalt zwischen der inneren Schottwand und
der von Kanonenkugeln durchlöcherten Außenwand der
Rotsward wartete Monk auf ihn.
Monk behauptete, er sei Himmelsforscher, trug jedoch
die Uniform eines alten Musketiers und sah aus wie der Gehilfe
eines Totengräbers. Er saß zusammengekauert da, und
seine schmutzigen Knie lugten wie halb ausgegrabene Schädel
durch die Löcher seine Hose. Seine Augen waren so fett
und feucht wie Froschlaich, die schwarzen Pupillen flackerten,
während sie die Dunkelheit absuchten. In der Hand
hielt er eine Holzschale und einen Löffel. »Wer ist da?«, rief
er. »Junge, was schleichst du im Dunklen herum? Hast du meine Suppe?«
Der Junge zuckte die Achseln. »Sie kocht noch.«
»Seit zwanzig Tagen?«
»Fünfzig. Sie strampelt immer noch in dem Kessel herum.«
Monk verzog ärgerlich das Gesicht und legte seine Schale
und den Löffel weg. »Du könntest ja eine Möwe für mich erlegen«, murmelte er.
»Hier gibt es keine«, entgegnete der Junge. »Zu viel
Qualm in der Luft. Aber es gibt Krähen, unten auf dem
Schlachtfeld und in der Stadt. Vom unteren Galgengerüst aus kann man sie hören.«
»Keine zehn Pferde kriegen mich zu den Galgen, bloß um
ein paar Vögel krächzen zu hören.«
Der Himmelsforscher war seit hundertfünfzig Jahren tot,
zumindest behauptete er es. Er würde nicht zu den Galgen
zurückkehren, im Leben nicht. Nicht nach all der Zeit, die
er dort neben einer wehleidigen Quasselstrippe aus Cog gebaumelt
hatte. Außerdem würden sie ihn vermutlich sofort
wieder aufknüpfen, wenn er sich draußen blicken ließ, oder?
Nein, hier war er am besten aufgehoben, hier hatte er seine
Ruhe und konnte sich die Käfer und Vogeleier, die sie fanden,
mit dem Jungen teilen.
Nur fand Monk keine Käfer oder Eier. Er verließ sein
Versteck nie, höchstens um zu dem großen Loch im Rumpf
hinunterzustolpern, wo er seine Muskete und das alte ramponierte
Fernrohr aufbewahrte.
Monk folgte dem Blick des Jungen. »Keine Sterne letzte
Nacht«, sagte er bitter.
»Vielleicht gibt es keine Sterne mehr«, antwortete der
Junge. »Vielleicht sind sie alle vom Himmel gefallen, so wie
Cospinol. Was, wenn Pandemeria nun voller Götter ist und
der Himmel darüber schwarz und leer?«
»Ich glaube nicht, dass wir noch in Pandemeria sind«, erklärte
Monk. »Als ich die Welt zum letzten Mal sah, holten
sie mich vom Strick herunter, um in Skirl zu kämpfen.«
Er konzentrierte sich auf seine Erinnerungen. »Sie brauchten
uns alte Veteranen, um gegen Menoas ersten Riesen anzutreten.
Sie versprachen uns die Freiheit, wenn wir gegen diesen
Golem zu Felde zogen. ›Keine Schlingen und keinen Strick
mehr‹ gelobten sie«, sagte er spöttisch und spuckte aus. »War
sowieso alles Unfug. Wie soll man jemand umbringen, der
gar nicht lebt? Obendrein konnten wir in dem verflixten Nebel
nicht mal sehen, wohin wir schießen sollten.«
Monk war während des Aufstands mit Shelagh Benedict
Coopers Musketieren in Pandemeria gewesen. Er behauptete,
für Shelagh selbst in den Sternen gelesen und sieben
Mesmeristen totgeschossen zu haben.
»Und Sterne sah man auch nicht«, fuhr er fort. »Keiner
von uns konnte aus dem Nebel heraus, ohne geradewegs
in die Hölle hinabzustürzen. Kaum hatten sie uns von der
Rotsward heruntergelassen, lösten wir uns auf, und als wir
endlich mit beiden Füßen auf dem Schlachtfeld standen,
waren wir nur noch Geister, Gespenster mit Musketen, die
wir kaum halten konnten. Wir haben gegen den Archoniten
von Skirl genauso viel ausgerichtet wie ein Furz.«
»Weil Cospinol eure ewigen Seelen verspeist hat?«
Monk nickte. »Er hat mir die Sterne gestohlen.«
»Trotzdem will ich nicht weg. Mir macht es Spaß hier«, sagte der Junge.
»Dir macht es Spaß, den Gott des Meeres zu piesacken«,
stellte Monk fest. »Wenn er dich erwischt, schlägt er dir den Kopf ab.«
Der Junge grinste nur. »Dann lasse ich mir einen neuen aus Metall wachsen.«
»Verfluchte Formwandler«, seufzte Monk. »Ihr meint,
ihr könnt machen, was ihr wollt, wie? Aber wie willst du dir
einen neuen Kopf wachsen lassen, wenn du niemand mehr
hast, der weiß, wie er aussehen soll, hä? Es ist nicht dasselbe
wie die Eisenfinger, die du dir hast wachsen lassen.« Er
machte eine Handbewegung, als würde er etwas abhacken.
»Ein geschickter Hieb, und das war's. Cospinol kann es sich
leisten, eine Seele an das Labyrinth zu verlieren, bei den vielen,
die von seinen Galgen baumeln.«
Der Junge zuckte die Schultern. Daran hatte er nicht gedacht.
»Ich verstehe nicht, wieso du dich zur Abwechslung nicht
mal in etwas Brauchbares verwandeln kannst«, schimpfte
der Sternforscher. »Das wäre was, was deinem Freund
Monk helfen könnte, sich die Zeit zu vertreiben.« Seine
Pupillen waren wie funkelnde Nadellöcher im Dunkeln. »In
eine Waffe vielleicht ... oder in etwas Weicheres.«
»Ich bin kein Zauberschwert!«, rief der Junge. »Ich bin nicht so wie die.«
Der alte Mann kniff die Lippen zusammen. »Nein, du
bist ein guter Junge, der seinem alten Freund Monk seine
Suppe bringt. Nur gibt es keine, weil dieser Engel den Löffel
nicht abgeben will. Fünfzig Tage? Was zum Teufel bildet
er sich ein?« Er warf dem Jungen einen misstrauischen Blick
zu. »Du führst mich doch nicht etwa hinter's Licht, wie?«
»Aber nein.«
»Du würdest deinen alten Freund Monk nicht anlügen, oder?«
»Gewiss nicht.«
»Dann hast du auch bestimmt nichts dagegen, wenn wir
uns die Sache mal gemeinsam anschauen, oder?«
»Na ja ...« Der Junge brauchte einen Moment Zeit, um
seine wirren Gedanken zu sammeln. »Du gehst doch sowieso
nirgendwohin«, sagte er schließlich.
»Und darauf hast du dich verlassen, was?« Der Alte
machte einen Satz nach vorne, packte den Jungen am Kragen
und zog ihn durch das schräg abfallende Innere des
Schiffsrumpfs. Sein graues Haar war so zerzaust wie das
Ende einer zerfetzten Trosse.
Der Junge geriet in Panik und versuchte, seine Gestalt zu
verändern oder seine Knochen zu verbiegen, um sich aus
dem Griff des Alten zu befreien.
Doch Monk verpasste ihm eine kräftige Ohrfeige. »Lass
den Unsinn!«, raunte er. »Willst du wohl in dem verflixten
Körper bleiben, in dem du geboren wurdest.«
Die unsanfte Ermahnung verschlug dem jungen Formwandler
die Sprache. Er krallte sich zwar mit seinen schar-
fen Fingerhaken an der hölzernen Schottwand fest, doch
Monk schleifte ihn weiter durch den engen Gang. »Und wohin
jetzt?«, fragte er den Jungen und schubste ihn wie einen
Sack vor sich her. »Backbord oder Steuerbord?«
Der Junge hatte keine Ahnung und bog nach links ab,
dann stolperten sie in einem Durcheinander von Knien und
Ellbogen geräuschvoll weiter.
Als sie den Schacht erreichten, drängte Monk den Jungen
zur Seite und blickte durch das Loch im Boden hinab.
Die Kupferknöpfe auf seinen Epauletten schimmerten im
dumpfen Licht des Feuers unter ihnen, und die Spitze seiner
Hakennase leuchtete wie ein Wasserhahn, den man mit
einem Schweißgerät zum Glühen gebracht hat. Eine ganze
Weile sagte er nichts.
Der Junge warf einen Blick auf den Kessel, der über dem
Loch an einem Haken hing, und betrachtete dann den Kopf
des Himmelsforschers.
»Eine Hexenkugel«, flüsterte Monk. »Und sie haben sie
obendrein verstärkt.« Er runzelte die Stirn. »Hexenkugeln
lassen sich nicht von innen öffnen und sind unverwüstlich.
Sie wurden als Welt der Qualen konzipiert.« Die Runzeln
auf seiner Stirn vertieften sich. »Warum haben sie sich dann
die Mühe gemacht, sie zu verstärken?«
Aus dem Kesselraum drang ein heftiges Dröhnen. Dampf
schoss durch das Loch empor. Der Himmelsforscher fuhr zurück.
»Siehst du«, sagte der Junge.
Monk starrte einen Augenblick in die Dunkelheit. »Sie
tritt um sich wie ein Baby im Mutterleib.«
»Hab' ich doch gesagt«, erklärte der Junge.
Der Alte wischte sich die Feuchtigkeit von der Stirn. Mit
mürrischem Ausdruck sah er sich den Feuerofen da unten
genauer an. »Die Schraubzwingen an den Platten sollen
einem höheren Druck standhalten«, sagte er. »Aber die
Streben sind nicht richtig angeschweißt. Das Metall von
Hexenkugeln lässt sich nicht verschweißen. Das ist der
Schwachpunkt. Komm her Junge, ich zeig es dir.«
Der Junge gehorchte. Er sah sich die Hexenkugel an, die
an dem Haken über dem Feuerofen hing, die heißen Kohlen,
die vielen Rohre, die Ventile und das Wirrwarr aus glühend
heißen Eisenstreben. Cospinols Sklaven schaufelten Kohle
und fachten das Feuer mit ihren ledernen Blasebälgen an.
Im Kondensator brodelte weißes Licht auf und warf lange,
künstliche Schatten auf den Boden.
»Die Platten werden von Bolzen an entgegengesetzten
Ecken gehalten. Man kann die Schweißstellen an den
Kanten sehen. Das ist einfacher Stahl.« Der Sternforscher
kratzte sich am Kinn. »Die Streben sind aber nur an den Enden
befestigt, und die Schweißnähte von dem vielen Dampf
bereits verrostet. Ein kräftiger Schlag mit dem Hammer,
und das Ding ist auf.«
»Aber dann würde der Engel entkommen.«
Monk sah lange Zeit auf die Hexenkugel hinab und biss
sich auf die Lippen. »Die Kugel würde ein Loch bekommen,
und wir könnten unseren Topf füllen, bevor die Sklaven sie
wieder abdichten. So einfach wäre das.« Er zuckte die Achseln.
»Und wenn der Engel entkommt, Pech gehabt.« Er
grinste. »Nicht unser Problem.«
1
Drei Stunden zuvor
Aus der Neunten Zitadelle der Hölle waren zwölf Engel in
die Welt entlassen worden, und sie würden erst nach dem
Ende der Menschheit zurückkehren. Die Erde bebte und
barst unter ihren Fersen aus gusseisernen Knochen. In ihren
Schädeln und hinter den gepanzerten Rippen, die noch von
dem Höllentor dampften, durch das sie gekommen waren,
hämmerten Maschinen. Sie überrollten Rys' Nordmänner
auf dem Schlachtfeld von Larnaig, rückten gegen Coreollis
vor und rissen die Tore dieser ausgebluteten Stadt nieder.
Schattenengel auf dünnen Beinen führten sie über sanft
geschwungene Äcker aus dunklem, stoppeligem Grasland,
durch versengte Wälder und mit Leichen übersäten Morast.
Die Flügel bildeten harte schwarze Silhouetten im blutigen
Dunst; die niedrige Sonne strahlte hindurch wie die Buntglasvision
eines apokalyptischen Feuers.
Die wenigen Verteidiger, die dem Gott Rys treu geblieben
waren, lösten die Sperrkegel ihrer Katapulte auf den Festungsmauern
der Stadt und drehten die hölzernen Ungetüme
um. Schwefelpötte flogen im hohen Bogen durch die
Luft, prallten an den eisernen Riesen ab und fielen in einem
Schwall gelber Flammen auf die darunter liegenden Häuser
unschuldiger Bewohner. Die Schlacht aber war bereits
in Larnaig geschlagen und verloren worden; jetzt lebten in
den traurigen Gebäuden nur noch Witwen und Kinder, die
keine Väter mehr hatten.
In rotgoldenen Glanz gehüllt verbreiteten die Zwölf den
Gestank von Schwefel in den Straßen von Coreollis, als sie
sich vor der Burg eines belagerten Gottes versammelten.
Unter ihren vorrückenden Beinschienen brachen Hausgiebel
ab, die Balken der Dächer erbebten. Schornsteine kippten
um, Dachpfannen flogen in die Luft oder gerieten massenweise
ins Rutschen, bis sie auf den Pflastersteinen unter
einem Schleier aus rotem Staub und gelben Schwefelschwaden zerschellten.
Eine halbe Meile weiter im Osten stand Rachel Hael auf
dem Wehrgang eines aufgegebenen Burgfrieds. Rys' Mannen
hatten vor einer Ewigkeit die Holzfestung gebaut, um
von hier aus die Red Road zu überwachen. Die Schädel der
pandemerianischen Verräter und Mesmeristendämonen
schmückten noch immer die Spitzen der Palisaden um den
Burghof. Auf einer Bank hinter der Brüstung hatte sie eine
einfache Mahlzeit aus Brot, Butter und Obst ausgebreitet.
Mit einem Apfel zwischen den Zähnen hob die ehemalige
Assassinin das Fernrohr und folgte den leeren Blicken
der grimmigen Wächter auf den Pfählen. Sie suchte die
Straße ab, wo die eisernen Stiefel von König Menoas Legionen
die Erde aufgewühlt hatten, und ließ das Fernrohr über
das metallisch rosige Wasser des Lake Larnaig schweifen.
Grüppchen von weißen Weiden sprenkelten die Buchten
wie silberne Pavillons; ihre uralten Stämme verbargen sich
in Mulden aus roten Schatten. Im Osten schimmerten die
stählernen Gleise der Skirl Railway so hell wie Linien aus
Quecksilber unter dem tintenschwarzen Himmel. Die Spur
führte mitten durch ein Dorf aus abgebrannten Bahnhofshäusern
und Hütten am nördlichen Ufer, ehe sie am Ende
des Kais von Larnaig endete. Die Sally Broom hatte Menoas
Friedensvertrag an dieses steinerne Dock befördert. Jetzt lag
das ramponierte Dampfschiff am Ende einer tiefen Mulde auf dem Larnaig Field.
Hinter dem See türmte sich das Moine-Massiv auf, in
luftigen blauen Schichten von Zacken und spitzen Kegeln,
flirrende Tempel des Lichts. Davor, nur eine Meile Richtung
Nordosten, hing ein künstlicher Nebel wie eine Decke
über dem Wald aus Laubbäumen, wo sich Cospinols
Himmelsschiff im Schneckentempo aus dem Staub machte.
Rachel sah eine Weile zu, wie sich der magische Nebel der
Rotsward langsam entfernte, ehe sie das Fernglas gen Westen
richtete. Das Larnaig Field war mit vielen Toten und unzähligen
Leichenteilen von Menschen und Mesmeristen übersät.
Verbrannte, von Schlamm verkrustete, im Tod erstarrte
Gestalten lagen auf der aufgewühlten Erde wie durch eine
plötzliche gewaltsame Umwälzung frei gelegte menschliche und tierische Fossilien.
Adern aus dunklerem Schlamm verbanden ein Bild des
Grauens mit dem anderen, bis man den Eindruck hatte,
selbst die Haut der Welt sei alt und dünn geworden. Sand
wehte durch die metallenen Keulen, Schwerter, Lanzen,
Piken, Kriegshämmer, Äxte und Morgensterne, die noch
von Panzerhandschuhen und Klauen gehalten wurden.
Der Sand polierte Knochenhäufchen, trockene Zähne und
eiserne Gliedmaßen manipulierter Menschen, die kahl
geschoren oder gebeugt, wie vom Wind niedergestreckt,
dalagen, Brustkörbe und verbranntes Fleisch, so schwarz wie
versteinertes Leder. Überall waren Maschinenteile verstreut:
Zahnräder, Bolzen, Ketten, Klammern und Drähte, schwarz
von den mineralischen Ölen, die die Erde verseuchten. Reste
von Stahlplatten oder Kettenhemden glänzten stumpf zwischen
Helmen mit blauweißen Federbüschen, schmutzigen
Lumpen und Eingeweiden.
Das Schlachtfeld war mit Kadavern von Pferden, Kriegshunden,
Schakalen mit rosaschwarzen Zungen, den teilweise
ausgeweideten Rümpfen von gepanzerten Belagerungsochsen
und endlosen Haufen blaulippiger Krieger
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München
Umschlagillustration: Dominic Harman/Arena
Redaktion: Peter Kultzen
NG • Herstellung: Str.
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
Druck und Bindung: GGP Media GmbH
Printed in Germany
ISBN: 978-3-442-46271-1
www.goldmann-verlag.de
Die Sklaven beobachteten, wie sich die zischende Flüssigkeit,
einem Kolloid aus Sternenlicht gleich, in dem gläsernen
Kondensator sammelte, langsam aufstieg und dann als schil-
lernde Lichtkaskade wieder hinabstürzte. Ihre Stimme erinnerte
an das Flüstern von Wahnsinnigen. Jedes Mal wenn
die Kugel zu scheppern oder zu dröhnen begann, justierten
die Sklaven die Düsen. Gestern hatten sie ihre Hämmer
mitgebracht und griffbereit auf dem Boden bereit gestellt,
obwohl sie kaum Schutz versprachen. Sie schaufelten noch
mehr Kohle in das Feuer und fachten es mit ihren Blasebälgen
an. Das Poltern wurde lauter, wenn Carnival in ihrem
druckfesten Gefängnis um sich trat.
Aus einem winzigen Schacht über dem Kesselraum beobachtete
ein Junge die Prozedur. Er hatte Haken statt Fingern.
Sein rotes Gesicht schwebte in der Dunkelheit. Wieso
starb die Halbgöttin nicht einfach? Er hatte noch nie erlebt,
dass Cospinols Arbeiter so lange brauchten. Erst wenn das
letzte Licht in ihr versiegt war, würden sie das Wasser aus
der Kugel kippen und ihm Gelegenheit geben, seinen Topf
zu füllen. Der schwarze Blechtopf war das Einzige von seinem
spärlichen Hab und Gut, was er nicht gestohlen hatte.
Er warf ihm einen anklagenden Blick zu. Nach wie vor gähnend leer.
Er starrte noch eine Weile darauf und ritzte dann einen
neuen Strich in den Deckenbalken, diagonal durch vier vertikale
Kerben. Anschließend machte er kehrt und kroch den
Weg durch den Gang, den er gekommen war, wieder zurück.
Der Rauch aus der Stadt, die unter dem Himmelsschiff in
Flammen stand, war bis in dessen lädierten Holzrumpf eingedrungen.
Die Winde warfen es hin und her. Es schwankte
und ächzte. Seine Tage schienen gezählt. Der Junge summte
ein Schlachtlied vor sich hin, das er einmal gehört hatte, und
wiederholte immer wieder die gleichen Noten, nur um die
furchterregenden Geräusche ringsum zu übertönen. Er blinzelte
und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Sein
Hemd roch nach Schwefel. Er kroch tiefer in das Labyrinth
aus Ventilen und Gängen hinab.
Aus dem Achterschiff drangen laute Stimmen. Der zornige
Gott des Nebels und des Salzes und eine Frau mit einem
merkwürdig weichen Akzent. Der hakenfingrige Junge
schlängelte sich um eine weitere Kurve und gelangte zu einer
Stelle, wo er durch eins der vielen Löcher im Boden hinunterblicken konnte.
»...die Assassinin hat alles gesehen«, murrte Cospinol.
»Coreollis ist dem Erdboden gleichgemacht, Rys' Festung
durch eine unbekannte Katastrophe in Schutt und Asche
gelegt. Sind meine Brüder nun tot oder hecken sie nur etwas
aus?« Bei jedem Schritt, den er tat, klapperte sein Krebspanzer.
Er blieb vor einer Fensterreihe am Ende des Raumes
stehen. Dünne Strähnen von guanofarbenem Haar bedeckten
sein vornehmes Gesicht und fielen auf dem Rücken
bis über die Hohlräume zwischen den Flügeln. Durch die
Scheiben sah man im Nebel nur das dunkle Galgengerüst
der Rotsward. »Rys' Nordmänner sind tot oder längst über
alle Berge«, fuhr er fort. »Pollacks Parias ebenfalls. In dem
Moment, als König Menoa seine Archoniten losließ, war die
Schlacht entschieden.«
»Trotzdem ist der Krieg noch nicht verloren, Durchlaucht.
Ihr müsst an die Vorsehung glauben«, erwiderte die Frauenstimme.
Der hakenfingrige Junge bückte sich, um zu sehen, wer
da sprach. Direkt unter seinem Versteck saß eine Frau in
einem grauen Kapuzengewand, sie trug rote Handschuhe
und drückte einen winzigen Hund an die Brust. Doch als
der Junge genauer hinsah, entdeckte er, dass es gar keine
Handschuhe waren. Die Frau hatte eine Haut aus gläsernen Schuppen.
Eine Mesmeristenhexe? Cospinol unterbrach sein nervöses Hin und Her. Der
verbale Angriff auf seinen Stolz spiegelte sich in seinem
gequälten Gesicht wider. »Wessen Vorsehung? Die meiner
Mutter Ayen etwa?«, raunte er. »Oder spielst du auf meine
verschwundenen Brüder an? Sind sie wirklich untergegangen
oder brüten sie irgendetwas aus? Ach was, es spielt
ohnehin keine Rolle mehr. Mirith ist ein Feigling und völlig
meschugge, außerdem hat er von Kriegsführung keine Ahnung.
Rys, Hafe und Sabor besaßen zwar einiges Geschick
auf dem Schlachtfeld, hielten sich aber alle in Rys' Festung
auf, als diese unterging. Wahrscheinlich irren ihre Seelen
jetzt durch die Hölle. Und Hasp nützt uns herzlich wenig.«
Er wandte den Blick von der Frau ab. »Nichts für ungut, Hasp.«
Von da, wo er hockte, konnte der Junge die dritte Person
nicht sehen, doch die Antwort klang barsch und wütend.
»Ich weiß sehr wohl, was du von mir hältst, Cospinol.«
Die Frau warf dem Betreffenden einen Blick zu, ehe sie
wieder den alten Meeresgott ansah. »Eure eigene Vorsehung,
Gott Cospinol. Ihr müsst diese missliche Situation unter
Kontrolle bekommen. Die meisten Nordmänner konnten
aus Larnaig fliehen. Hafes Truppen sind jetzt ohne Führung
und überall streunen Milizen herum. Zehntausende von bewaffneten
Männern, die bereit sind, zu kämpfen.«
Cospinol warf die Arme hoch. »Wozu? Menoas Archoniten
sind unbesiegbar. Diese schmerzliche Erfahrung haben wir in Skirl machen müssen.«
»Wenn Ihr sie nicht rekrutiert, wird Menoa es tun.«
Er schnaubte. »Menoa wird sie einfach auflösen oder töten.«
»So dumm ist er nicht. Nach Rys' Verschwinden haben
diese Männer nicht nur ihren Anführer und ihre Bestimmung
verloren, sondern auch ihren Sold. Wovon sollen sie jetzt ihre Familien ernähren?«
»Glaubst du wirklich, dass uns diese Männer verraten
und sich dem verhassten Feind anschließen würden?«
»Wenn sie nicht verhungern wollen, bleibt ihnen gar
nichts anderes übrig.« Sie setzte den kleinen Köter auf den
Boden, der sofort das Bein hob und anschließend seine
Pfütze beschnüffelte. »Menoa weiß, wie man Menschen betört.
In der Hölle scharte er die Toten um sich, und das Gleiche
wird er auch auf der Erde tun. Wenn Ihr diese Krieger
nicht unter Vertrag nehmt, Durchlaucht, werden die
Archoniten von König Menoa bald über schlagkräftige Bodentruppen
verfügen. Und wir können uns nicht noch mehr Feinde leisten.«
Der Gott des Meeres schüttelte den Kopf. »Wie soll ich
eine Armee unterhalten? Sie wird wie ein Schwarm von
Rüsselkäfern über die Vorräte der Rotsward herfallen und
sich anschließend meine Goldtruhen vorknöpfen. Wenn
dann Rüben und Münzen alle sind, werden sie Seelenperlen
von mir verlangen, glaub mir.« Er lächelte verbittert. »Und
du erwartest, dass ich einen Haufen Nichtsnutze in meine
Gehaltsliste aufnehme, nur damit sie nicht gegen mich zu
Felde ziehen. Diese müden Krieger, mit denen ich nichts,
aber auch gar nichts gegen meine wirklichen Feinde ausrichten kann.«
»Gegen Menoas Archoniten sind sie zwar machtlos, aber sie können kämpfen.«
»Gegen wen sollen sie denn kämpfen?«, brüllte er.
Das Hündchen der Zauberin knurrte und stupste mit
der Nase gegen ihr Bein, worauf sie es wieder auf den Arm
nahm. »Da wir geschlagen wurden, schlecht ausgerüstet
sind und wortwörtlich um unser Leben rennen, schlage ich
vor, dass wir uns einen neuen Feind suchen«, sagte sie.
Cospinol starrte sie nur an, doch aus dem hinteren Teil
der Kabine kam schroffes Gelächter. Der Junge konnte die
dritte Person immer noch nicht sehen, erkannte aber Hasps
tiefe Stimme. »Ich glaube, ich weiß, was du meinst. O Mina,
du hast uns auf etwas gebracht, was die Geschichte der Welt erschüttern wird!«
Das Gespräch setzte sich fort, doch der Junge hatte das
Interesse daran verloren. Er beobachtete, wie ein Käfer über
den feuchten, modrigen Holzboden des Gangs kroch. Wie
einen Käfig stülpte er seine Hakenfinger darüber.
Der Käfer untersuchte sein Gefängnis. Der Junge beobachtete,
wie sich die Fühler und zarten Beinchen bewegten.
Schließlich spießte er ihn auf und verschlang ihn. Dann
lehnte er sich zurück und begann, das Muster eines Labyrinths
in die Wand des Ganges zu ritzen. Als ihn auch das
langweilte, kroch er den morschen Gang tiefer in die Dunkelheit
hinab, zwängte sich durch eine Öffnung und schlitzte
sich an den scharfen Kanten seine Segeltuchhose auf. In einem
schmalen Spalt zwischen der inneren Schottwand und
der von Kanonenkugeln durchlöcherten Außenwand der
Rotsward wartete Monk auf ihn.
Monk behauptete, er sei Himmelsforscher, trug jedoch
die Uniform eines alten Musketiers und sah aus wie der Gehilfe
eines Totengräbers. Er saß zusammengekauert da, und
seine schmutzigen Knie lugten wie halb ausgegrabene Schädel
durch die Löcher seine Hose. Seine Augen waren so fett
und feucht wie Froschlaich, die schwarzen Pupillen flackerten,
während sie die Dunkelheit absuchten. In der Hand
hielt er eine Holzschale und einen Löffel. »Wer ist da?«, rief
er. »Junge, was schleichst du im Dunklen herum? Hast du meine Suppe?«
Der Junge zuckte die Achseln. »Sie kocht noch.«
»Seit zwanzig Tagen?«
»Fünfzig. Sie strampelt immer noch in dem Kessel herum.«
Monk verzog ärgerlich das Gesicht und legte seine Schale
und den Löffel weg. »Du könntest ja eine Möwe für mich erlegen«, murmelte er.
»Hier gibt es keine«, entgegnete der Junge. »Zu viel
Qualm in der Luft. Aber es gibt Krähen, unten auf dem
Schlachtfeld und in der Stadt. Vom unteren Galgengerüst aus kann man sie hören.«
»Keine zehn Pferde kriegen mich zu den Galgen, bloß um
ein paar Vögel krächzen zu hören.«
Der Himmelsforscher war seit hundertfünfzig Jahren tot,
zumindest behauptete er es. Er würde nicht zu den Galgen
zurückkehren, im Leben nicht. Nicht nach all der Zeit, die
er dort neben einer wehleidigen Quasselstrippe aus Cog gebaumelt
hatte. Außerdem würden sie ihn vermutlich sofort
wieder aufknüpfen, wenn er sich draußen blicken ließ, oder?
Nein, hier war er am besten aufgehoben, hier hatte er seine
Ruhe und konnte sich die Käfer und Vogeleier, die sie fanden,
mit dem Jungen teilen.
Nur fand Monk keine Käfer oder Eier. Er verließ sein
Versteck nie, höchstens um zu dem großen Loch im Rumpf
hinunterzustolpern, wo er seine Muskete und das alte ramponierte
Fernrohr aufbewahrte.
Monk folgte dem Blick des Jungen. »Keine Sterne letzte
Nacht«, sagte er bitter.
»Vielleicht gibt es keine Sterne mehr«, antwortete der
Junge. »Vielleicht sind sie alle vom Himmel gefallen, so wie
Cospinol. Was, wenn Pandemeria nun voller Götter ist und
der Himmel darüber schwarz und leer?«
»Ich glaube nicht, dass wir noch in Pandemeria sind«, erklärte
Monk. »Als ich die Welt zum letzten Mal sah, holten
sie mich vom Strick herunter, um in Skirl zu kämpfen.«
Er konzentrierte sich auf seine Erinnerungen. »Sie brauchten
uns alte Veteranen, um gegen Menoas ersten Riesen anzutreten.
Sie versprachen uns die Freiheit, wenn wir gegen diesen
Golem zu Felde zogen. ›Keine Schlingen und keinen Strick
mehr‹ gelobten sie«, sagte er spöttisch und spuckte aus. »War
sowieso alles Unfug. Wie soll man jemand umbringen, der
gar nicht lebt? Obendrein konnten wir in dem verflixten Nebel
nicht mal sehen, wohin wir schießen sollten.«
Monk war während des Aufstands mit Shelagh Benedict
Coopers Musketieren in Pandemeria gewesen. Er behauptete,
für Shelagh selbst in den Sternen gelesen und sieben
Mesmeristen totgeschossen zu haben.
»Und Sterne sah man auch nicht«, fuhr er fort. »Keiner
von uns konnte aus dem Nebel heraus, ohne geradewegs
in die Hölle hinabzustürzen. Kaum hatten sie uns von der
Rotsward heruntergelassen, lösten wir uns auf, und als wir
endlich mit beiden Füßen auf dem Schlachtfeld standen,
waren wir nur noch Geister, Gespenster mit Musketen, die
wir kaum halten konnten. Wir haben gegen den Archoniten
von Skirl genauso viel ausgerichtet wie ein Furz.«
»Weil Cospinol eure ewigen Seelen verspeist hat?«
Monk nickte. »Er hat mir die Sterne gestohlen.«
»Trotzdem will ich nicht weg. Mir macht es Spaß hier«, sagte der Junge.
»Dir macht es Spaß, den Gott des Meeres zu piesacken«,
stellte Monk fest. »Wenn er dich erwischt, schlägt er dir den Kopf ab.«
Der Junge grinste nur. »Dann lasse ich mir einen neuen aus Metall wachsen.«
»Verfluchte Formwandler«, seufzte Monk. »Ihr meint,
ihr könnt machen, was ihr wollt, wie? Aber wie willst du dir
einen neuen Kopf wachsen lassen, wenn du niemand mehr
hast, der weiß, wie er aussehen soll, hä? Es ist nicht dasselbe
wie die Eisenfinger, die du dir hast wachsen lassen.« Er
machte eine Handbewegung, als würde er etwas abhacken.
»Ein geschickter Hieb, und das war's. Cospinol kann es sich
leisten, eine Seele an das Labyrinth zu verlieren, bei den vielen,
die von seinen Galgen baumeln.«
Der Junge zuckte die Schultern. Daran hatte er nicht gedacht.
»Ich verstehe nicht, wieso du dich zur Abwechslung nicht
mal in etwas Brauchbares verwandeln kannst«, schimpfte
der Sternforscher. »Das wäre was, was deinem Freund
Monk helfen könnte, sich die Zeit zu vertreiben.« Seine
Pupillen waren wie funkelnde Nadellöcher im Dunkeln. »In
eine Waffe vielleicht ... oder in etwas Weicheres.«
»Ich bin kein Zauberschwert!«, rief der Junge. »Ich bin nicht so wie die.«
Der alte Mann kniff die Lippen zusammen. »Nein, du
bist ein guter Junge, der seinem alten Freund Monk seine
Suppe bringt. Nur gibt es keine, weil dieser Engel den Löffel
nicht abgeben will. Fünfzig Tage? Was zum Teufel bildet
er sich ein?« Er warf dem Jungen einen misstrauischen Blick
zu. »Du führst mich doch nicht etwa hinter's Licht, wie?«
»Aber nein.«
»Du würdest deinen alten Freund Monk nicht anlügen, oder?«
»Gewiss nicht.«
»Dann hast du auch bestimmt nichts dagegen, wenn wir
uns die Sache mal gemeinsam anschauen, oder?«
»Na ja ...« Der Junge brauchte einen Moment Zeit, um
seine wirren Gedanken zu sammeln. »Du gehst doch sowieso
nirgendwohin«, sagte er schließlich.
»Und darauf hast du dich verlassen, was?« Der Alte
machte einen Satz nach vorne, packte den Jungen am Kragen
und zog ihn durch das schräg abfallende Innere des
Schiffsrumpfs. Sein graues Haar war so zerzaust wie das
Ende einer zerfetzten Trosse.
Der Junge geriet in Panik und versuchte, seine Gestalt zu
verändern oder seine Knochen zu verbiegen, um sich aus
dem Griff des Alten zu befreien.
Doch Monk verpasste ihm eine kräftige Ohrfeige. »Lass
den Unsinn!«, raunte er. »Willst du wohl in dem verflixten
Körper bleiben, in dem du geboren wurdest.«
Die unsanfte Ermahnung verschlug dem jungen Formwandler
die Sprache. Er krallte sich zwar mit seinen schar-
fen Fingerhaken an der hölzernen Schottwand fest, doch
Monk schleifte ihn weiter durch den engen Gang. »Und wohin
jetzt?«, fragte er den Jungen und schubste ihn wie einen
Sack vor sich her. »Backbord oder Steuerbord?«
Der Junge hatte keine Ahnung und bog nach links ab,
dann stolperten sie in einem Durcheinander von Knien und
Ellbogen geräuschvoll weiter.
Als sie den Schacht erreichten, drängte Monk den Jungen
zur Seite und blickte durch das Loch im Boden hinab.
Die Kupferknöpfe auf seinen Epauletten schimmerten im
dumpfen Licht des Feuers unter ihnen, und die Spitze seiner
Hakennase leuchtete wie ein Wasserhahn, den man mit
einem Schweißgerät zum Glühen gebracht hat. Eine ganze
Weile sagte er nichts.
Der Junge warf einen Blick auf den Kessel, der über dem
Loch an einem Haken hing, und betrachtete dann den Kopf
des Himmelsforschers.
»Eine Hexenkugel«, flüsterte Monk. »Und sie haben sie
obendrein verstärkt.« Er runzelte die Stirn. »Hexenkugeln
lassen sich nicht von innen öffnen und sind unverwüstlich.
Sie wurden als Welt der Qualen konzipiert.« Die Runzeln
auf seiner Stirn vertieften sich. »Warum haben sie sich dann
die Mühe gemacht, sie zu verstärken?«
Aus dem Kesselraum drang ein heftiges Dröhnen. Dampf
schoss durch das Loch empor. Der Himmelsforscher fuhr zurück.
»Siehst du«, sagte der Junge.
Monk starrte einen Augenblick in die Dunkelheit. »Sie
tritt um sich wie ein Baby im Mutterleib.«
»Hab' ich doch gesagt«, erklärte der Junge.
Der Alte wischte sich die Feuchtigkeit von der Stirn. Mit
mürrischem Ausdruck sah er sich den Feuerofen da unten
genauer an. »Die Schraubzwingen an den Platten sollen
einem höheren Druck standhalten«, sagte er. »Aber die
Streben sind nicht richtig angeschweißt. Das Metall von
Hexenkugeln lässt sich nicht verschweißen. Das ist der
Schwachpunkt. Komm her Junge, ich zeig es dir.«
Der Junge gehorchte. Er sah sich die Hexenkugel an, die
an dem Haken über dem Feuerofen hing, die heißen Kohlen,
die vielen Rohre, die Ventile und das Wirrwarr aus glühend
heißen Eisenstreben. Cospinols Sklaven schaufelten Kohle
und fachten das Feuer mit ihren ledernen Blasebälgen an.
Im Kondensator brodelte weißes Licht auf und warf lange,
künstliche Schatten auf den Boden.
»Die Platten werden von Bolzen an entgegengesetzten
Ecken gehalten. Man kann die Schweißstellen an den
Kanten sehen. Das ist einfacher Stahl.« Der Sternforscher
kratzte sich am Kinn. »Die Streben sind aber nur an den Enden
befestigt, und die Schweißnähte von dem vielen Dampf
bereits verrostet. Ein kräftiger Schlag mit dem Hammer,
und das Ding ist auf.«
»Aber dann würde der Engel entkommen.«
Monk sah lange Zeit auf die Hexenkugel hinab und biss
sich auf die Lippen. »Die Kugel würde ein Loch bekommen,
und wir könnten unseren Topf füllen, bevor die Sklaven sie
wieder abdichten. So einfach wäre das.« Er zuckte die Achseln.
»Und wenn der Engel entkommt, Pech gehabt.« Er
grinste. »Nicht unser Problem.«
1
Drei Stunden zuvor
Aus der Neunten Zitadelle der Hölle waren zwölf Engel in
die Welt entlassen worden, und sie würden erst nach dem
Ende der Menschheit zurückkehren. Die Erde bebte und
barst unter ihren Fersen aus gusseisernen Knochen. In ihren
Schädeln und hinter den gepanzerten Rippen, die noch von
dem Höllentor dampften, durch das sie gekommen waren,
hämmerten Maschinen. Sie überrollten Rys' Nordmänner
auf dem Schlachtfeld von Larnaig, rückten gegen Coreollis
vor und rissen die Tore dieser ausgebluteten Stadt nieder.
Schattenengel auf dünnen Beinen führten sie über sanft
geschwungene Äcker aus dunklem, stoppeligem Grasland,
durch versengte Wälder und mit Leichen übersäten Morast.
Die Flügel bildeten harte schwarze Silhouetten im blutigen
Dunst; die niedrige Sonne strahlte hindurch wie die Buntglasvision
eines apokalyptischen Feuers.
Die wenigen Verteidiger, die dem Gott Rys treu geblieben
waren, lösten die Sperrkegel ihrer Katapulte auf den Festungsmauern
der Stadt und drehten die hölzernen Ungetüme
um. Schwefelpötte flogen im hohen Bogen durch die
Luft, prallten an den eisernen Riesen ab und fielen in einem
Schwall gelber Flammen auf die darunter liegenden Häuser
unschuldiger Bewohner. Die Schlacht aber war bereits
in Larnaig geschlagen und verloren worden; jetzt lebten in
den traurigen Gebäuden nur noch Witwen und Kinder, die
keine Väter mehr hatten.
In rotgoldenen Glanz gehüllt verbreiteten die Zwölf den
Gestank von Schwefel in den Straßen von Coreollis, als sie
sich vor der Burg eines belagerten Gottes versammelten.
Unter ihren vorrückenden Beinschienen brachen Hausgiebel
ab, die Balken der Dächer erbebten. Schornsteine kippten
um, Dachpfannen flogen in die Luft oder gerieten massenweise
ins Rutschen, bis sie auf den Pflastersteinen unter
einem Schleier aus rotem Staub und gelben Schwefelschwaden zerschellten.
Eine halbe Meile weiter im Osten stand Rachel Hael auf
dem Wehrgang eines aufgegebenen Burgfrieds. Rys' Mannen
hatten vor einer Ewigkeit die Holzfestung gebaut, um
von hier aus die Red Road zu überwachen. Die Schädel der
pandemerianischen Verräter und Mesmeristendämonen
schmückten noch immer die Spitzen der Palisaden um den
Burghof. Auf einer Bank hinter der Brüstung hatte sie eine
einfache Mahlzeit aus Brot, Butter und Obst ausgebreitet.
Mit einem Apfel zwischen den Zähnen hob die ehemalige
Assassinin das Fernrohr und folgte den leeren Blicken
der grimmigen Wächter auf den Pfählen. Sie suchte die
Straße ab, wo die eisernen Stiefel von König Menoas Legionen
die Erde aufgewühlt hatten, und ließ das Fernrohr über
das metallisch rosige Wasser des Lake Larnaig schweifen.
Grüppchen von weißen Weiden sprenkelten die Buchten
wie silberne Pavillons; ihre uralten Stämme verbargen sich
in Mulden aus roten Schatten. Im Osten schimmerten die
stählernen Gleise der Skirl Railway so hell wie Linien aus
Quecksilber unter dem tintenschwarzen Himmel. Die Spur
führte mitten durch ein Dorf aus abgebrannten Bahnhofshäusern
und Hütten am nördlichen Ufer, ehe sie am Ende
des Kais von Larnaig endete. Die Sally Broom hatte Menoas
Friedensvertrag an dieses steinerne Dock befördert. Jetzt lag
das ramponierte Dampfschiff am Ende einer tiefen Mulde auf dem Larnaig Field.
Hinter dem See türmte sich das Moine-Massiv auf, in
luftigen blauen Schichten von Zacken und spitzen Kegeln,
flirrende Tempel des Lichts. Davor, nur eine Meile Richtung
Nordosten, hing ein künstlicher Nebel wie eine Decke
über dem Wald aus Laubbäumen, wo sich Cospinols
Himmelsschiff im Schneckentempo aus dem Staub machte.
Rachel sah eine Weile zu, wie sich der magische Nebel der
Rotsward langsam entfernte, ehe sie das Fernglas gen Westen
richtete. Das Larnaig Field war mit vielen Toten und unzähligen
Leichenteilen von Menschen und Mesmeristen übersät.
Verbrannte, von Schlamm verkrustete, im Tod erstarrte
Gestalten lagen auf der aufgewühlten Erde wie durch eine
plötzliche gewaltsame Umwälzung frei gelegte menschliche und tierische Fossilien.
Adern aus dunklerem Schlamm verbanden ein Bild des
Grauens mit dem anderen, bis man den Eindruck hatte,
selbst die Haut der Welt sei alt und dünn geworden. Sand
wehte durch die metallenen Keulen, Schwerter, Lanzen,
Piken, Kriegshämmer, Äxte und Morgensterne, die noch
von Panzerhandschuhen und Klauen gehalten wurden.
Der Sand polierte Knochenhäufchen, trockene Zähne und
eiserne Gliedmaßen manipulierter Menschen, die kahl
geschoren oder gebeugt, wie vom Wind niedergestreckt,
dalagen, Brustkörbe und verbranntes Fleisch, so schwarz wie
versteinertes Leder. Überall waren Maschinenteile verstreut:
Zahnräder, Bolzen, Ketten, Klammern und Drähte, schwarz
von den mineralischen Ölen, die die Erde verseuchten. Reste
von Stahlplatten oder Kettenhemden glänzten stumpf zwischen
Helmen mit blauweißen Federbüschen, schmutzigen
Lumpen und Eingeweiden.
Das Schlachtfeld war mit Kadavern von Pferden, Kriegshunden,
Schakalen mit rosaschwarzen Zungen, den teilweise
ausgeweideten Rümpfen von gepanzerten Belagerungsochsen
und endlosen Haufen blaulippiger Krieger
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2010
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München
Umschlagillustration: Dominic Harman/Arena
Redaktion: Peter Kultzen
NG • Herstellung: Str.
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
Druck und Bindung: GGP Media GmbH
Printed in Germany
ISBN: 978-3-442-46271-1
www.goldmann-verlag.de
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Autoren-Porträt von Alan Campbell
Alan Campbell, der an der Universität von Edinburgh studierte, hat sich bereits einen Namen gemacht als Schöpfer eines weltweit erfolgreichen Computerspiels und eine große Fangemeinde gewonnen. Die Kettenwelt-Trilogie ist Campbells gefeiertes literarisches Debüt. Heute lebt der Autor im Süden Lanarkshires und arbeitet an weiteren Romanen.
Bibliographische Angaben
- Autor: Alan Campbell
- 2010, 444 Seiten, Maße: 13,7 x 20,4 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Ziller, Jean-Paul
- Übersetzer: Jean Paul Ziller
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442462711
- ISBN-13: 9783442462711
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