Ein Spion in erlauchter Gesellschaft / Blue Raven Bd.1
Philippa Benning gilt als schönste Frau Englands. Als sie einem berüchtigten englischen Spion begegnet, verspricht sie, ihm
Zutritt zu Adelskreisen zu verschaffen. Doch bald muss sie feststellen, dass sie diese Vereinbarung in ein Gefühlschaos stürzt.
Zutritt zu Adelskreisen zu verschaffen. Doch bald muss sie feststellen, dass sie diese Vereinbarung in ein Gefühlschaos stürzt.
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Produktinformationen zu „Ein Spion in erlauchter Gesellschaft / Blue Raven Bd.1 “
Philippa Benning gilt als schönste Frau Englands. Als sie einem berüchtigten englischen Spion begegnet, verspricht sie, ihm
Zutritt zu Adelskreisen zu verschaffen. Doch bald muss sie feststellen, dass sie diese Vereinbarung in ein Gefühlschaos stürzt.
Zutritt zu Adelskreisen zu verschaffen. Doch bald muss sie feststellen, dass sie diese Vereinbarung in ein Gefühlschaos stürzt.
Klappentext zu „Ein Spion in erlauchter Gesellschaft / Blue Raven Bd.1 “
Eine aufregende, humorvolle und hochgradig unterhaltsame Geschichte über ein ungleiches Paar.Philippa Benning gilt als schönste Frau Englands. Als sie einem berüchtigten englischen Spion begegnet, verspricht sie, ihm Zutritt zu Adelskreisen zu verschaffen, wenn er dafür seine wahre Identität enthüllt. Schon bald muss Philippa feststellen, dass diese Vereinbarung sie in ein wahres Gefühlschaos stürzt ...
Lese-Probe zu „Ein Spion in erlauchter Gesellschaft / Blue Raven Bd.1 “
Ein Spion in erlauchter Gesellschaft von Kate Noble 3
Es war jedes Mal ein Ereignis, wenn Phillippa Benning einen Raum betrat. Mitten im Satz brachen die Menschen ihre Unterhaltung ab und verdrehten sich den Hals, um sie zu sehen. Wer in ihrer Gunst stand, stürmte zu ihr, um sie zu begrüßen und sie an den besten Platz im Zimmer zu komplimentieren - an den Platz, der die vorteilhaftesten Ausblicke bot, wo man sah und gesehen wurde. Und wer nicht in ihrer Gunst stand - nun, solche Menschen würde man überhaupt nicht erst einladen. Wenn sie vorbeischwebte, teilte sich die bewundernde Menge, wie einst das Rote Meer sich vor Moses geteilt hatte. Das war immer der schönste Augenblick des Abends, sowohl für sie selbst als auch für die anderen.
Ja, Phillippa Benning wusste nur zu genau, wie man einen solchen Auftritt hinlegte. Ihre Show war einfach unglaublich. Und genau aus diesem Grund war es, als sie das Almack's betrat, so schrecklich befremdlich zu entdecken, dass der Marquis of Broughton noch nicht eingetroffen war.
»Aber in zwanzig Minuten werden die Türen geschlossen!«, wisperte sie Nora mit trügerisch gelassenem Lächeln zu.
»Wie fest war er denn entschlossen, heute hier aufzutauchen? «, wisperte Nora zurück, während sie gleichzeitig einer Bekanntschaft zunickte.
»Felsenfest!«, schoss Phillippa zurück und fügte grüblerisch hinzu, »nun, so ganz eindeutig hat er sich eigentlich nicht geäußert. Er hat nur gefragt, ob er mich hier wohl antreffen würde.«
»Das ist dann eher schwierig«, stimmte Nora zu.
»Nun, ich will mich nicht weiter darüber aufregen, dass er meinen Auftritt nicht gesehen hat.«
»Bravo!«
... mehr
»Diese ... Verspätung verschafft mir nämlich die Gelegenheit, die Schirmherrinnen zu begrüßen und mein Kleid zu richten.«
»Ist irgendetwas mit deinem Kleid nicht in Ordnung?« Besorgt ließ Nora den Blick über Phillippas eher züchtiges Kleid schweifen, über das mehr als gewöhnlich verhüllende Mieder und das Hemd aus Chiffon und Spitze, das locker ihren Körper umschmeichelte und bis auf den Boden floss. All das hatte die Farbe einer erblühenden Rose, was den Teint ihrer Haut wunderbar betonte. »Ich kann nicht sehen, dass irgendetwas falsch sitzt. Soll ich nach meiner Mutter schicken?«
Phillippa verdrehte die Augen. »Nein, Nora, deine Mutter kann nun wirklich nicht mit Nadel und Faden umgehen. Außerdem muss auch gar nichts in Ordnung gebracht werden.«
»Aber warum sagst du dann, dass dein Kleid geflickt werden muss?«
»Ich sagte, dass ich es richten möchte«, entgegnete Phillippa mit spöttisch-unschuldigem Blick. »Wer hat etwas von Flicken gesagt? Ah, Countess Leivin, wie schön, Sie hier zu sehen ...«
»Ich hätte es wissen müssen. Du hast doch immer noch einen Trumpf im Ärmel«, bemerkte Nora und lächelte bewundernd, als sie bei der nächsten Umdrehung der Quadrille an Phillippa vorbeiglitt.
Zehn Minuten nach ihrer Ankunft befand Phillippa sich bereits auf der Tanzfläche und erregte Aufsehen.
Das ist bestimmt ein kleiner Rekord, dachte sie. Wie wundervoll.
Das Aufsehen, das sie erregte, war sogar so groß, dass Nora und sie von einem Ohr zum anderen grinsten, als sie sahen (und hörten), wie Mrs. Hurston - sie trug einen aufdringlichen Turban mit violetter Feder - zu Mrs. Markham - mit einem Turban mit Federn in ähnlich Übelkeit erregendem Gelb - sagte: »Ich kann es kaum fassen, was Mrs. Benning heute Abend trägt. Es ist so unglaublich übertrieben und geht so weit über jedes Maß hinaus, dass ich es nicht billigen ...«
Aber hier fand Mrs. Hurstons Tirade ein abruptes Ende. Denn die wilden Gesten, die ihre Rede begleiteten, brachten es mit sich, dass sich ihr Glas Orangenlimonade über die Hemdbrust des armen Mr. Worth ergoss. Dessen einziges Vergehen hatte darin bestanden, dass er sich ebendort aufgehalten hatte, dass er überdurchschnittlich groß war und dass er der Orangenlimonade im Wege gewesen war.
Scheußliches Zeug, diese Limonade.
Als Phillippa beobachtete, wie Mr. Worth vornübergebeugt und mit Orangenlimonade übergossen den Ballsaal verließ, empfand sie einen Moment lang Mitgefühl. Aber dann fiel ihr ein, dass niemand anders als er bei der Parade so ungezogen gewesen war, Noras Handschuh aufzuheben. Daher kam sie zu dem Schluss, dass die Limonade genau die passende Strafe für ihn war. So schnell ihr der Gedanke durch den Kopf geschossen war, so schnell war er auch wieder vergessen, und sie wandte ihren Geist angenehmeren, wenn auch genauso nervenzerfetzenden Themen zu.
Die letzten zehn Minuten hatte sie den Blick immer wieder zu den Haupttüren gleiten lassen, während sie die ganze Zeit über tanzte und bewundert wurde und sich den Anschein gab, als würde sie all die Aufmerksamkeit nicht im Geringsten interessieren. Wahrhaftig eine anstrengende Arbeit. Aber ihre hingebungsvolle Beobachtung zahlte sich aus, denn just in dem Moment, als Mr. Worth durch die Haupttüren verschwunden war, schwang das mächtige Portal nochmals auf und gab diesmal den Blick auf den Marquis of Broughton frei.
Phillippa konnte nicht anders als hörbar die Luft einsaugen. Ihr Tanzpartner, ein gewisser Mr. Green, schaute sie misstrauisch an, verlor aber klugerweise nicht die Beherrschung. Glücklicherweise tanzte Phillippa zu elegant, um wegen einer solchen Kleinigkeit wie dem Auftritt ihrer neuen Eroberung auch nur einen einzigen Schritt zu verpassen.
Broughton glühte, war wie ein golden erstrahlender Gott. Das Licht schien sich in seinem beinahe schmerzhaft schönen Selbst fast zu spiegeln, gar nicht zu reden von den Brillanten an seinen Manschetten und dem Halstuch. Es ging das Gerücht, dass eine junge Lady einst beim Anblick seines golden schimmernden Haars ohnmächtig geworden war, weil sie überzeugt gewesen war, sie habe den Glorienschein eines Engels erblickt. Aber der Grund, weshalb er Phillippas Aufmerksamkeit so sehr erregte, lag vielmehr darin, wie bedeutungsschwer er mit den Augen zwinkern konnte. So als ob ihn langweilte, was er sah, und als ob er sich nach Aufruhr sehnte.
Es schien, als habe sie seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, denn kaum dass der Tanz endete, hatte er sich den Weg durch die bewundernde Menge bis zu ihr gebahnt. Sie bedankte sich mit einem höflichen Knicks bei Mr. Green, der sich, als er die Lage begriffen hatte, abermals als sehr klug erwies und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
»Mrs. Benning.« Broughtons Stimme brummte kehlig. »Ich bin erfreut, Sie hier zu sehen.«
Phillippa genoss es, dass seine Stimme ihr diesen angenehmen kleinen Schauder über den Rücken jagte, den offenbar nur Broughton bei ihr auslösen konnte, und schenkte ihm ein heißblütiges Lächeln. Sogar noch besser als seine Stimme und seine Anwesenheit war die Tatsache, dass es im gesamten Saal zu summen und zu brummen begann, als würde ein Bienenschwarm das Nest verlassen.
»Ist das Broughton?«
»Aye, ich glaube schon. Er macht Mrs. Benning seine Aufwartung! «
»Hat er ihr die Hand geküsst?«
»Wenn er kann, wird er ihr noch viel mehr küssen ... er ist ein Schürzenjäger, wie er im Buche steht!«
Der letzte Wortwechsel war kaum zu überhören, denn Mrs. Croyton, die drei Töchter im gefährlichen Fahrwasser der Gesellschaft wusste (und keine davon mit großer Hoffnung auf Aussichten, dachte Phillippa trocken), hatte es offenbar für nötig erachtet, ihre Missbilligung solch inakzeptablen Verhaltens mit lauter, schriller Stimme zu verkünden.
Broughton grinste ebenso selbstgefällig wie amüsiert, bevor er Phillippas behandschuhte Hand an seinen Mund führte, wo er sie so lange hielt, bis er Mrs. Croyton »Ich sag's doch!« stöhnen und das unvermeidliche Rauschen sowohl ihrer Röcke als auch der ihrer glotzenden Töchter hörte. Aber seine Augen - die Augen ließ er keine Sekunde von Phillippas.
Er verlor kein einziges Wort, als er ihre Hand sanft in seinen Arm schob und sie auf das Parkett führte.
Der Walzer war erst vor Kurzem im Almack's erlaubt worden. Wegen des körperlichen Kontakts, den er den Männern zu den Frauen erlaubte, und der Nähe der Tanzenden zueinander hatte er viele Jahre als skandalös gegolten. Aber der Tanz wurde zunehmend beliebter und die Maßstäbe lockerer, sodass die Schirmherrinnen ihn grollend hatten gestatten müssen - wenn auch nur, weil viele Weisen volkstümlicher Musik im Dreivierteltakt geschrieben waren.
Aber Skandale konnten aus dem Dreischritt-Takt immer noch entstehen.
Überrascht riss Broughton die Augen auf, als er eine Hand auf Phillippas Taille legte und in ihrer ganzen Größe und Stärke über ihren Rücken schob.
Phillippas zauberhaftes Kleid war vollständig rückenfrei.
Von vorn und von der Seite wirkte das Kleid absolut schicklich, und das Dekolleté konnte man nur als züchtig bezeichnen. Aber der rückwärtige Ausschnitt reichte hinunter bis zur Taille; der Stoff fiel in geraden Bahnen über ihre Schulterblätter und endete auf Gürtelhöhe. Broughtons Hand - er trug keine Handschuhe - war umstandslos auf der nackten warmen Haut über ihrem Kreuzbein gelandet.
Phillippa blickte in sündiger Unschuld in Broughtons plötzlich eindringlich eisblaue Augen; in diesem Moment war ihr klar, dass die zusätzliche Summe, die sie bei Madame Le Trois für die abnehmbare Blende ausgegeben hatte, jeden Penny wert gewesen war.
Die Musik setzte ein und zog Phillippa und Broughton mit den anderen Paaren in einen Wirbel aus Schwarz und Weiß. Kaum hatte er sich von seiner Überraschung erholt, schoss wieder ein angenehmer Nervenkitzel durch sie hindurch: Broughton tanzte fantastisch. Sein Schritt war entschlossen, aber nicht zu schnell, und oh! seine Hand auf ihrer nackten Haut sorgte dafür, dass sie seiner Führung beim geringsten Druck gehorchte.
Während sie in Tanz und Musik und dem Gedanken schwelgte, wie hinreißend Broughton und sie zusammen aussehen mussten - mit den blauen Augen und dem blonden Haar, das so wunderbar zueinander passte, dass ihre jeweils individuelle Schönheit kombiniert selbst die Sterne erblassen ließ - überhörte Phillippa beinahe, dass Broughton mit ihr sprach.
»Ich freue mich sehr, dass Sie meine Herausforderung angenommen haben«, begann er kaum lauter als ein Murmeln und nur für Phillippas Ohren bestimmt.
»Herausforderung?«, hakte sie unschuldig nach.
»Heute Abend zu Almack's zu kommen.« Er lächelte sarkastisch. »Man sagt, dass Sie es beinahe genauso sehr verabscheuen wie ich.«
Phillippa lächelte, zuckte kaum merklich die Schultern und errötete anmutig. Broughtons Hand auf ihrem Rücken verstärkte ihren Griff und zog sie einen winzigen Zentimeter zu sich heran.
»Ich empfinde das Almack's als einengend, Sie nicht auch?«, fuhr er fort und schlug wieder einen Plauderton an.
»Irgendwie schon«, erwiderte Phillippa und zog die Brauen hoch, »aber der größte Teil der Gesellschaft schätzt es wohl, sich ein wenig eingeengt zu fühlen.«
»Aber Sie zählen sich nicht zu diesem Teil«, behauptete Broughton.
»Woher wissen Sie das?«
Er beugte sich so weit nach vorn, dass seine Stimme ihr Ohr streichelte.
»Weil Sie kein Korsett tragen.«
Phillippa sog die Luft scharf in die Lungen und spürte, wie er die Finger auf ihrem Rücken anspannte und wieder lockerte. Broughtons Berührung, die Atmosphäre um sie herum, alles knisterte nur so vor Elektrizität. Phillippa beherrschte dieses Spiel geradezu meisterlich, dieses Katz-und-Maus-Spiel des Flirtens; aber nur selten war es so aufregend wie mit Broughton. Spontan beschloss sie, das Spiel ein wenig zu intensivieren.
»Ich brauche keins.« Ihre Stimme klang atemlos. »Außerdem ist es bei diesem Kleid unmöglich, ein Korsett zu tragen. Bei diesem Kleid ist es beinahe unmöglich, überhaupt Unterwäsche zu tragen.«
Jetzt war es an Broughton, hörbar Luft zu holen. Phillippa schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln und folgte ihm in die nächste Drehung. Seine Augen wurden wirklich und wahrhaftig schwarz, wie bei einem Habicht, der sich auf seine Beute stürzen wollte.
»Mrs. Benning, ich finde Ihre Unterhaltung überaus erfrischend. Ich hoffe, wir haben die Gelegenheit, sie wieder aufzugreifen. Vielleicht noch heute Abend?« Sie hielt seinen Blick fest. »Vielleicht auf dem Ball bei den Iversons?«, erkundigte sich Broughton leise und ruhig mit der vollendeten Höflichkeit eines Gentleman. Aber trotzdem strich seine Stimme noch zärtlicher über ihre Haut, als es seiner Hand erlaubt war. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihre Bibliothek sehr exklusiv sein soll. Und sehr privat.«
Konnte es sein ... konnte es wirklich sein, dass er das vorschlug, wovon Phillippa glaubte, dass er es vorschlug? Oh, du liebe Güte! Aber dieses Funkeln in seinen Augen ... diese abgründige Verworfenheit ... er rührte Leidenschaften auf, und er wusste genau, wie er sich einen Spaß daraus machen konnte.
Vielleicht ... vielleicht sollte sie noch ein bisschen deutlicher werden. Schließlich war sie verwitwet. Vielleicht war die Zeit gekommen, dass sie an allem teilnahm, was der Witwenstand ihr erlaubte.
Aber natürlich nur nach ihren Regeln.
»Oh, Mylord, nach dem Almack's habe ich schon dieser Sache bei den Fieldstones zugesagt«, erwiderte Phillippa und legte einen Hauch des Bedauerns in ihre Stimme.
»Bestimmt sind Ihre Pläne noch zu ändern. Nichts ist in Stein gemeißelt«, brummte er.
»Meine Pläne ließen sich so leicht ändern wie Ihre, Mylord«, konterte sie mit hochgezogenen Brauen.
»Aber, aber ... Sie sind meiner Einladung gefolgt, mich hier zu treffen. Warum mir nicht auch beim nächsten Schritt folgen? Gönnen Sie sich ein kleines Abenteuer.« Als die Musik zu Ende gespielt hatte, blieben die Paare auf dem Parkett stehen. Der höfliche Applaus verhinderte, dass seine nächsten Worte noch von anderen Ohren als ihren zu hören waren. »Phillippa, bin ich die Jagd nicht wert?«
Für den Bruchteil einer Sekunde stand Phillippa der Mund offen. Dann hatte sie sich wieder im Griff und bedachte ihn mit einem langen, kühl maßnehmenden Blick.
»Sie stellen die falsche Frage«, entgegnete sie, nachdem sie ihn von Kopf bis Fuß eindringlich gemustert hatte. »Sie sollten sich lieber erkundigen, ob ich die Jagd wert bin oder nicht.«
Broughton grinste selbstgefällig und wollte gerade antworten, als Phillippa ihm mutig die Fingerspitze auf den Mund legte. »Und die Antwort darauf«, fuhr sie fort, ohne den Blick von ihm zu lassen, »kann um Mitternacht in der Bibliothek der Fieldstones gefunden werden.«
Mit einem angedeuteten Knicks, auf den eine mechanisch ausgeführte Verbeugung von Broughton folgte, drehte Phillippa sich um und bahnte sich ihren Weg durch die Menge, ohne sich noch einmal nach ihm umzuschauen.
Ihr Herz raste. Phillippa gestattete sich ein heimliches Lächeln. Für ein nettes, kleines Abenteuer war dieser Anfang doch gar nicht einmal so schlecht, nicht wahr?
Copyright © 2012 by LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
»Diese ... Verspätung verschafft mir nämlich die Gelegenheit, die Schirmherrinnen zu begrüßen und mein Kleid zu richten.«
»Ist irgendetwas mit deinem Kleid nicht in Ordnung?« Besorgt ließ Nora den Blick über Phillippas eher züchtiges Kleid schweifen, über das mehr als gewöhnlich verhüllende Mieder und das Hemd aus Chiffon und Spitze, das locker ihren Körper umschmeichelte und bis auf den Boden floss. All das hatte die Farbe einer erblühenden Rose, was den Teint ihrer Haut wunderbar betonte. »Ich kann nicht sehen, dass irgendetwas falsch sitzt. Soll ich nach meiner Mutter schicken?«
Phillippa verdrehte die Augen. »Nein, Nora, deine Mutter kann nun wirklich nicht mit Nadel und Faden umgehen. Außerdem muss auch gar nichts in Ordnung gebracht werden.«
»Aber warum sagst du dann, dass dein Kleid geflickt werden muss?«
»Ich sagte, dass ich es richten möchte«, entgegnete Phillippa mit spöttisch-unschuldigem Blick. »Wer hat etwas von Flicken gesagt? Ah, Countess Leivin, wie schön, Sie hier zu sehen ...«
»Ich hätte es wissen müssen. Du hast doch immer noch einen Trumpf im Ärmel«, bemerkte Nora und lächelte bewundernd, als sie bei der nächsten Umdrehung der Quadrille an Phillippa vorbeiglitt.
Zehn Minuten nach ihrer Ankunft befand Phillippa sich bereits auf der Tanzfläche und erregte Aufsehen.
Das ist bestimmt ein kleiner Rekord, dachte sie. Wie wundervoll.
Das Aufsehen, das sie erregte, war sogar so groß, dass Nora und sie von einem Ohr zum anderen grinsten, als sie sahen (und hörten), wie Mrs. Hurston - sie trug einen aufdringlichen Turban mit violetter Feder - zu Mrs. Markham - mit einem Turban mit Federn in ähnlich Übelkeit erregendem Gelb - sagte: »Ich kann es kaum fassen, was Mrs. Benning heute Abend trägt. Es ist so unglaublich übertrieben und geht so weit über jedes Maß hinaus, dass ich es nicht billigen ...«
Aber hier fand Mrs. Hurstons Tirade ein abruptes Ende. Denn die wilden Gesten, die ihre Rede begleiteten, brachten es mit sich, dass sich ihr Glas Orangenlimonade über die Hemdbrust des armen Mr. Worth ergoss. Dessen einziges Vergehen hatte darin bestanden, dass er sich ebendort aufgehalten hatte, dass er überdurchschnittlich groß war und dass er der Orangenlimonade im Wege gewesen war.
Scheußliches Zeug, diese Limonade.
Als Phillippa beobachtete, wie Mr. Worth vornübergebeugt und mit Orangenlimonade übergossen den Ballsaal verließ, empfand sie einen Moment lang Mitgefühl. Aber dann fiel ihr ein, dass niemand anders als er bei der Parade so ungezogen gewesen war, Noras Handschuh aufzuheben. Daher kam sie zu dem Schluss, dass die Limonade genau die passende Strafe für ihn war. So schnell ihr der Gedanke durch den Kopf geschossen war, so schnell war er auch wieder vergessen, und sie wandte ihren Geist angenehmeren, wenn auch genauso nervenzerfetzenden Themen zu.
Die letzten zehn Minuten hatte sie den Blick immer wieder zu den Haupttüren gleiten lassen, während sie die ganze Zeit über tanzte und bewundert wurde und sich den Anschein gab, als würde sie all die Aufmerksamkeit nicht im Geringsten interessieren. Wahrhaftig eine anstrengende Arbeit. Aber ihre hingebungsvolle Beobachtung zahlte sich aus, denn just in dem Moment, als Mr. Worth durch die Haupttüren verschwunden war, schwang das mächtige Portal nochmals auf und gab diesmal den Blick auf den Marquis of Broughton frei.
Phillippa konnte nicht anders als hörbar die Luft einsaugen. Ihr Tanzpartner, ein gewisser Mr. Green, schaute sie misstrauisch an, verlor aber klugerweise nicht die Beherrschung. Glücklicherweise tanzte Phillippa zu elegant, um wegen einer solchen Kleinigkeit wie dem Auftritt ihrer neuen Eroberung auch nur einen einzigen Schritt zu verpassen.
Broughton glühte, war wie ein golden erstrahlender Gott. Das Licht schien sich in seinem beinahe schmerzhaft schönen Selbst fast zu spiegeln, gar nicht zu reden von den Brillanten an seinen Manschetten und dem Halstuch. Es ging das Gerücht, dass eine junge Lady einst beim Anblick seines golden schimmernden Haars ohnmächtig geworden war, weil sie überzeugt gewesen war, sie habe den Glorienschein eines Engels erblickt. Aber der Grund, weshalb er Phillippas Aufmerksamkeit so sehr erregte, lag vielmehr darin, wie bedeutungsschwer er mit den Augen zwinkern konnte. So als ob ihn langweilte, was er sah, und als ob er sich nach Aufruhr sehnte.
Es schien, als habe sie seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, denn kaum dass der Tanz endete, hatte er sich den Weg durch die bewundernde Menge bis zu ihr gebahnt. Sie bedankte sich mit einem höflichen Knicks bei Mr. Green, der sich, als er die Lage begriffen hatte, abermals als sehr klug erwies und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
»Mrs. Benning.« Broughtons Stimme brummte kehlig. »Ich bin erfreut, Sie hier zu sehen.«
Phillippa genoss es, dass seine Stimme ihr diesen angenehmen kleinen Schauder über den Rücken jagte, den offenbar nur Broughton bei ihr auslösen konnte, und schenkte ihm ein heißblütiges Lächeln. Sogar noch besser als seine Stimme und seine Anwesenheit war die Tatsache, dass es im gesamten Saal zu summen und zu brummen begann, als würde ein Bienenschwarm das Nest verlassen.
»Ist das Broughton?«
»Aye, ich glaube schon. Er macht Mrs. Benning seine Aufwartung! «
»Hat er ihr die Hand geküsst?«
»Wenn er kann, wird er ihr noch viel mehr küssen ... er ist ein Schürzenjäger, wie er im Buche steht!«
Der letzte Wortwechsel war kaum zu überhören, denn Mrs. Croyton, die drei Töchter im gefährlichen Fahrwasser der Gesellschaft wusste (und keine davon mit großer Hoffnung auf Aussichten, dachte Phillippa trocken), hatte es offenbar für nötig erachtet, ihre Missbilligung solch inakzeptablen Verhaltens mit lauter, schriller Stimme zu verkünden.
Broughton grinste ebenso selbstgefällig wie amüsiert, bevor er Phillippas behandschuhte Hand an seinen Mund führte, wo er sie so lange hielt, bis er Mrs. Croyton »Ich sag's doch!« stöhnen und das unvermeidliche Rauschen sowohl ihrer Röcke als auch der ihrer glotzenden Töchter hörte. Aber seine Augen - die Augen ließ er keine Sekunde von Phillippas.
Er verlor kein einziges Wort, als er ihre Hand sanft in seinen Arm schob und sie auf das Parkett führte.
Der Walzer war erst vor Kurzem im Almack's erlaubt worden. Wegen des körperlichen Kontakts, den er den Männern zu den Frauen erlaubte, und der Nähe der Tanzenden zueinander hatte er viele Jahre als skandalös gegolten. Aber der Tanz wurde zunehmend beliebter und die Maßstäbe lockerer, sodass die Schirmherrinnen ihn grollend hatten gestatten müssen - wenn auch nur, weil viele Weisen volkstümlicher Musik im Dreivierteltakt geschrieben waren.
Aber Skandale konnten aus dem Dreischritt-Takt immer noch entstehen.
Überrascht riss Broughton die Augen auf, als er eine Hand auf Phillippas Taille legte und in ihrer ganzen Größe und Stärke über ihren Rücken schob.
Phillippas zauberhaftes Kleid war vollständig rückenfrei.
Von vorn und von der Seite wirkte das Kleid absolut schicklich, und das Dekolleté konnte man nur als züchtig bezeichnen. Aber der rückwärtige Ausschnitt reichte hinunter bis zur Taille; der Stoff fiel in geraden Bahnen über ihre Schulterblätter und endete auf Gürtelhöhe. Broughtons Hand - er trug keine Handschuhe - war umstandslos auf der nackten warmen Haut über ihrem Kreuzbein gelandet.
Phillippa blickte in sündiger Unschuld in Broughtons plötzlich eindringlich eisblaue Augen; in diesem Moment war ihr klar, dass die zusätzliche Summe, die sie bei Madame Le Trois für die abnehmbare Blende ausgegeben hatte, jeden Penny wert gewesen war.
Die Musik setzte ein und zog Phillippa und Broughton mit den anderen Paaren in einen Wirbel aus Schwarz und Weiß. Kaum hatte er sich von seiner Überraschung erholt, schoss wieder ein angenehmer Nervenkitzel durch sie hindurch: Broughton tanzte fantastisch. Sein Schritt war entschlossen, aber nicht zu schnell, und oh! seine Hand auf ihrer nackten Haut sorgte dafür, dass sie seiner Führung beim geringsten Druck gehorchte.
Während sie in Tanz und Musik und dem Gedanken schwelgte, wie hinreißend Broughton und sie zusammen aussehen mussten - mit den blauen Augen und dem blonden Haar, das so wunderbar zueinander passte, dass ihre jeweils individuelle Schönheit kombiniert selbst die Sterne erblassen ließ - überhörte Phillippa beinahe, dass Broughton mit ihr sprach.
»Ich freue mich sehr, dass Sie meine Herausforderung angenommen haben«, begann er kaum lauter als ein Murmeln und nur für Phillippas Ohren bestimmt.
»Herausforderung?«, hakte sie unschuldig nach.
»Heute Abend zu Almack's zu kommen.« Er lächelte sarkastisch. »Man sagt, dass Sie es beinahe genauso sehr verabscheuen wie ich.«
Phillippa lächelte, zuckte kaum merklich die Schultern und errötete anmutig. Broughtons Hand auf ihrem Rücken verstärkte ihren Griff und zog sie einen winzigen Zentimeter zu sich heran.
»Ich empfinde das Almack's als einengend, Sie nicht auch?«, fuhr er fort und schlug wieder einen Plauderton an.
»Irgendwie schon«, erwiderte Phillippa und zog die Brauen hoch, »aber der größte Teil der Gesellschaft schätzt es wohl, sich ein wenig eingeengt zu fühlen.«
»Aber Sie zählen sich nicht zu diesem Teil«, behauptete Broughton.
»Woher wissen Sie das?«
Er beugte sich so weit nach vorn, dass seine Stimme ihr Ohr streichelte.
»Weil Sie kein Korsett tragen.«
Phillippa sog die Luft scharf in die Lungen und spürte, wie er die Finger auf ihrem Rücken anspannte und wieder lockerte. Broughtons Berührung, die Atmosphäre um sie herum, alles knisterte nur so vor Elektrizität. Phillippa beherrschte dieses Spiel geradezu meisterlich, dieses Katz-und-Maus-Spiel des Flirtens; aber nur selten war es so aufregend wie mit Broughton. Spontan beschloss sie, das Spiel ein wenig zu intensivieren.
»Ich brauche keins.« Ihre Stimme klang atemlos. »Außerdem ist es bei diesem Kleid unmöglich, ein Korsett zu tragen. Bei diesem Kleid ist es beinahe unmöglich, überhaupt Unterwäsche zu tragen.«
Jetzt war es an Broughton, hörbar Luft zu holen. Phillippa schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln und folgte ihm in die nächste Drehung. Seine Augen wurden wirklich und wahrhaftig schwarz, wie bei einem Habicht, der sich auf seine Beute stürzen wollte.
»Mrs. Benning, ich finde Ihre Unterhaltung überaus erfrischend. Ich hoffe, wir haben die Gelegenheit, sie wieder aufzugreifen. Vielleicht noch heute Abend?« Sie hielt seinen Blick fest. »Vielleicht auf dem Ball bei den Iversons?«, erkundigte sich Broughton leise und ruhig mit der vollendeten Höflichkeit eines Gentleman. Aber trotzdem strich seine Stimme noch zärtlicher über ihre Haut, als es seiner Hand erlaubt war. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihre Bibliothek sehr exklusiv sein soll. Und sehr privat.«
Konnte es sein ... konnte es wirklich sein, dass er das vorschlug, wovon Phillippa glaubte, dass er es vorschlug? Oh, du liebe Güte! Aber dieses Funkeln in seinen Augen ... diese abgründige Verworfenheit ... er rührte Leidenschaften auf, und er wusste genau, wie er sich einen Spaß daraus machen konnte.
Vielleicht ... vielleicht sollte sie noch ein bisschen deutlicher werden. Schließlich war sie verwitwet. Vielleicht war die Zeit gekommen, dass sie an allem teilnahm, was der Witwenstand ihr erlaubte.
Aber natürlich nur nach ihren Regeln.
»Oh, Mylord, nach dem Almack's habe ich schon dieser Sache bei den Fieldstones zugesagt«, erwiderte Phillippa und legte einen Hauch des Bedauerns in ihre Stimme.
»Bestimmt sind Ihre Pläne noch zu ändern. Nichts ist in Stein gemeißelt«, brummte er.
»Meine Pläne ließen sich so leicht ändern wie Ihre, Mylord«, konterte sie mit hochgezogenen Brauen.
»Aber, aber ... Sie sind meiner Einladung gefolgt, mich hier zu treffen. Warum mir nicht auch beim nächsten Schritt folgen? Gönnen Sie sich ein kleines Abenteuer.« Als die Musik zu Ende gespielt hatte, blieben die Paare auf dem Parkett stehen. Der höfliche Applaus verhinderte, dass seine nächsten Worte noch von anderen Ohren als ihren zu hören waren. »Phillippa, bin ich die Jagd nicht wert?«
Für den Bruchteil einer Sekunde stand Phillippa der Mund offen. Dann hatte sie sich wieder im Griff und bedachte ihn mit einem langen, kühl maßnehmenden Blick.
»Sie stellen die falsche Frage«, entgegnete sie, nachdem sie ihn von Kopf bis Fuß eindringlich gemustert hatte. »Sie sollten sich lieber erkundigen, ob ich die Jagd wert bin oder nicht.«
Broughton grinste selbstgefällig und wollte gerade antworten, als Phillippa ihm mutig die Fingerspitze auf den Mund legte. »Und die Antwort darauf«, fuhr sie fort, ohne den Blick von ihm zu lassen, »kann um Mitternacht in der Bibliothek der Fieldstones gefunden werden.«
Mit einem angedeuteten Knicks, auf den eine mechanisch ausgeführte Verbeugung von Broughton folgte, drehte Phillippa sich um und bahnte sich ihren Weg durch die Menge, ohne sich noch einmal nach ihm umzuschauen.
Ihr Herz raste. Phillippa gestattete sich ein heimliches Lächeln. Für ein nettes, kleines Abenteuer war dieser Anfang doch gar nicht einmal so schlecht, nicht wahr?
Copyright © 2012 by LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Kate Noble
Schon in ihrer Kindheit entdeckte Kate Noble ihre Liebe zum Schreiben. Mit ihrem ersten veröffentlichten Roman landete sie in den USA einen großen Erfolg. Kate lebt in Los Angeles.
Bibliographische Angaben
- Autor: Kate Noble
- 2012, 1. Aufl., 496 Seiten, Maße: 12,4 x 18 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Herausgegeben: Jutta Nickel
- Übersetzer: Jutta Nickel
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802588657
- ISBN-13: 9783802588655
- Erscheinungsdatum: 05.11.2012
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