Blues für Lilly

Drei Jahre ist es her, dass Bradleys Großmutter Lilly starb und ihm den größten Schatz hinterließ, den man sich vorstellen kann. Kein Gold und keine Edelsteine, keine Juwelen und auch kein Vermögen auf irgendeinem geheimen Bankkonto, sondern die einfache Erkenntnis, dass allein die Liebe zählt. Lilly hatte geliebt und war geliebt worden. Und Bradley hatte ihr geholfen, nach über vierzig Jahren wieder mit der Liebe ihres Lebens zusammenzukommen. Bradley erinnert sich. Vierzehn war er gewesen, als ihm zum ersten Mal ein altes, leicht vergilbtes Foto in die Hände gefallen war. Ein Paar auf einer Holzbank war darauf zu sehen gewesen. Eine junge weiße Frau und neben ihr ein junger Schwarzer mit einer Gitarre auf den Knien. Die Frau erkannte er als seine Großmutter, die inzwischen im Altersheim lebte, doch wer war der Mann? Im Streit mit seinem Vater verächtlich hingeworfene Bemerkungen seiner Mutter schürten seinen Verdacht, dass es sich bei diesem Fremden um seinen Großvater hande lnkönnte. Doch niemand in der Familie wollte mit ihm darüber reden. Es bedurfte detektivischer Kleinarbeit, bis er schließlich die Liebesgeschichte von Lilly und J. B. Smith, einem seinerzeit berühmten Blues-Gitarristen, erfuhr. Ihre Liebe war tragisch, denn J. B. wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt und hatte nach der Gerichtsverhandlung jeglichen Kontakt zu Lilly abgebrochen. Doch Lilly war sich nach all den Jahren sicher, dass J. B. noch lebte. Also machte sich Bradley auf den Weg, den alten Mann zu finden. Er spürte ihn schließlich in einem Gefängnis in Louisiana auf, wo J. B. seit seiner Begnadigung weiter als Hausmeister gelebt hatte. Die Welt da draußen sei nichts mehr für ihn, hatte er beschlossen. Doch Bradley gelingt es, ihn von Lillys ungebrochener Liebe zu ihm zu überzeugen. Nach mehr als vierzig Jahren können sich die Liebenden zum ersten Mal wieder umarmen. Und erst jetzt, im Alter, ist es ihnen vergönnt, wenigstens für kurze Zeit ein gemeinsames Leben zu führen.