Buddenbrooks
Thomas Manns meistgelesener Roman, für den er den Nobelpreis erhielt, als Sonderausgabe mit dem geprägten Motiv der Ausgabe von 1903.
Die bewegende Familiensaga einer Lübecker Kaufmannsfamilie über vier...
Thomas Manns meistgelesener Roman, für den er den Nobelpreis erhielt, als Sonderausgabe mit dem geprägten Motiv der Ausgabe von 1903.
Die bewegende Familiensaga einer Lübecker Kaufmannsfamilie über vier Generationen hinweg: Johann Buddenbrook hat ein Handels-Imperium aufgebaut - doch seine Kinder und Enkel treiben dieses in den Ruin. Erfolg, Schicksal und Verfall in vier Generationen. Ein Jahrhundertroman und eine Perle der Weltliteratur.
Buddenbrooksvon Thomas Mann
LESEPROBE
Zwei und ein halbes Jahr später, um die Mitte des Aprilschon, war zeitiger als jemals der Frühling gekommen, und zu gleicher Zeit warein Ereignis eingetreten, das den alten Johann Buddenbrook vor Vergnügenträllern machte und seinen Sohn aufs freudigste bewegte.
Um 9 Uhr, eines Sonntag morgens, saß der Konsul im Frühstückszimmervor dem großen, braunen Sekretär, der am Fenster stand und dessen gewölbterDeckel vermittelst eines witzigen Mechanismus zurückgeschoben war. Eine dickeLedermappe, gefüllt mit Papieren, lag vor ihm; aber er hatte ein Heft mitgepreßtem Umschlage und Goldschnitt herausgenommen, und schrieb, eifrigdarüber gebeugt, in seiner dünnen, winzig dahineilenden Schrift, - emsig undohne Aufenthalt, es sei denn, daß er die Gänsefeder in das schwereMetall-Tintenfaß tauchte...
Die beiden Fenster standen offen, und vom Garten her, wo einemilde Sonne die ersten Knospen beschien, und wo ein paar kleine Vogelstimmeneinander kecke Antworten gaben, wehte voll frischer und zarter Würze dieFrühlingsluft herein und trieb dann und wann sacht und geräuschlos die Gardinenein wenig empor. Drüben, auf dem Frühstückstische, ruhte die Sonne blendend aufdem weißen, hie und da von Brosamen gesprenkelten Leinen und spielte inkleinen, blitzenden Drehungen und Sprüngen auf der Vergoldung dermörserförmigen Tassen ...
Beide Flügel der Tür zum Schlafzimmer waren geöffnet, und vondorther vernahm man die Stimme Johann Buddenbrooks, der ganz leise nach eineralten drolligen Melodie vor sich hin summte:
»Ein guter Mann, ein braver Mann,
Ein Mann von Complaisancen;
Er kocht die Stipp' und wiegt das Kind
Und riecht nach Pomeranzen. «
Er saß zur Seite der kleinen Wiege mit grünseidenenVorhängen, die bei dem hohen Himmelbett der Konsulin stand und die er mit einerHand in gleichmäßiger Schwingung erhielt. Die Konsulin und ihr Gatte hattensich, der leichteren Bedienung halber, für einige Zeit hier unten eingerichtet,während ihr Vater und Madame Antoinette, die, eine Schürze über dem gestreiftenKleide und eine Spitzenhaube auf den dicken weißen Locken, sich dort hinten amTische mit Flanell und Linnen zu schaffen machte, das dritte Zimmer desZwischengeschosses zum Schlafen benutzten.
Konsul Buddenbrook warf kaum einen Blick in das Nebenzimmer,so sehr war er von seiner Arbeit in Anspruch genommen. Sein Gesicht trug einenernsten und vor Andacht beinahe leidenden Ausdruck. Sein Mund war leichtgeöffnet, er ließ das Kinn ein wenig hängen, und seine Augen verschleiertensich dann und wann. Er schrieb:
»Heute, d. 14. April 1838, morgens um 6 Uhr, ward meine liebeFrau Elisabeth, geb. Kröger, mit Gottes gnädiger Hilfe aufs glücklichste voneinem Töchterchen entbunden, welches in der hl. Taufe den Namen Clara empfangensoll. Ja, so gnädig half ihr der Herr, obgleich nach Aussage des Doktors Grabowdie Geburt um etwas zu früh eintrat und sich vordem nicht alles zum Bestenverhielt und Bethsy große Schmerzen gelitten hat. Ach, wo ist doch ein solcherGott, wie du bist, du Herr Zebaoth, der du hilfst in allen Nöten und Gefahrenund uns lehrst deinen Willen recht zu erkennen, damit wir dich fürchten und indeinem Willen und Geboten treu mögen erfunden werden! Ach Herr, leite und führeuns alle, solange wir leben auf Erden ... « - Die Feder eilte weiter, glatt,behende und indem sie hie und da einen kaufmännischen Schnörkel ausführte, undredete Zeile für Zeile zu Gott. Zwei Seiten weiter hieß es:
»Ich habe meiner jüngsten Tochter eine Police von 150 Courant-Talernausgeschrieben. Führe du sie, ach Herr! auf deinen Wegen, und schenke du ihrein reines Herz, auf daß sie einstmals eingehe in die Wohnungen des ewigenFriedens. Denn wir wissen wohl, wie schwer es sei, von ganzer Seele zuglauben, daß der ganze liebe süße Jesus mein sei, weil unser irdisches kleines schwachesHerz...« Nach drei Seiten schrieb der Konsul ein »Amen«, allein die Feder glittweiter, sie glitt mit feinem Geräusch noch über manches Blatt, sie schrieb vonder köstlichen Quelle, die den müden Wandersmann labt, von des Seligmachersheiligen, bluttriefenden Wunden, vom engen und vom breiten Wege und von Gottesgroßer Herrlichkeit. Es kann nicht geleugnet werden, daß der Konsul nach diesemoder jenem Satze die Neigung verspürte, es nun genug sein zu lassen, die Federfortzulegen, hinein zu seiner Gattin zu gehen oder sich ins Comptoir zubegeben. Wie aber! Wurde er es so bald müde, sich mit seinem Schöpfer undErhalter zu bereden? Welch ein Raub an Ihm, dein Herrn, schon jetzt einzuhaltenmit Schreiben... Nein, nein, als Züchtigung gerade für sein unfrommes Gelüste citierteer noch längere Abschnitte aus den heiligen Schriften, betete für seine Eltern,seine Frau, seine Kinder und sich selbst, betete auch für seinen BruderGotthold, - und endlich, nach einem letzten Bibelspruch und einem letzten,dreimaligen Amen, streute er Goldsand auf die Schrift und lehnte sich aufatmendzurück. (...)
©1960 / 1974 S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main
- Autor: Thomas Mann
- 2008, 14. Aufl., 758 Seiten, Maße: 13 x 19,4 cm, Leinen, Deutsch
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- ISBN-10: 3103481241
- ISBN-13: 9783103481242
- Erscheinungsdatum: 01.10.1997
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