Buttermilchküsse
Roman
Das Leben ist eine sinnliche Reise - steigen Sie ein! Fahren Sie mit!
Der jungen Lehrerin Cath Murphy kommt ihr Leben total ereignislos und langweilig vor. Die junge Lehrerin, die auch noch unglücklich verliebt ist, ahnt nicht, dass eine ganze Familie...
Der jungen Lehrerin Cath Murphy kommt ihr Leben total ereignislos und langweilig vor. Die junge Lehrerin, die auch noch unglücklich verliebt ist, ahnt nicht, dass eine ganze Familie...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Buttermilchküsse “
Das Leben ist eine sinnliche Reise - steigen Sie ein! Fahren Sie mit!
Der jungen Lehrerin Cath Murphy kommt ihr Leben total ereignislos und langweilig vor. Die junge Lehrerin, die auch noch unglücklich verliebt ist, ahnt nicht, dass eine ganze Familie mit nichts anderem beschäftigt ist, als sie zu beschatten und ihre Wünsche zu erfüllen. Die Zings sorgen dafür, dass Eminem Cath einen Song auf den Leib schreibt und dass sie von einem Olympiasieger im Schwimmen trainiert wird, von den anderen täglichen Überraschungen und Freuden mal ganz abgesehen... Warum die Zings das alles für Cath tun? Nun, das ist eine lange und seltsame Geschichte.
Der jungen Lehrerin Cath Murphy kommt ihr Leben total ereignislos und langweilig vor. Die junge Lehrerin, die auch noch unglücklich verliebt ist, ahnt nicht, dass eine ganze Familie mit nichts anderem beschäftigt ist, als sie zu beschatten und ihre Wünsche zu erfüllen. Die Zings sorgen dafür, dass Eminem Cath einen Song auf den Leib schreibt und dass sie von einem Olympiasieger im Schwimmen trainiert wird, von den anderen täglichen Überraschungen und Freuden mal ganz abgesehen... Warum die Zings das alles für Cath tun? Nun, das ist eine lange und seltsame Geschichte.
Klappentext zu „Buttermilchküsse “
Das Leben ist eine sinnliche Reise - steigen Sie ein! Fahren Sie mit!Geschenkausgabe im kleinen Format, bedrucktes Ganzleinen mit Lesebändchen.
Der jungen Lehrerin Cath Murphy kommt ihr Leben total ereignislos und langweilig vor. Die junge Lehrerin, die auch noch unglücklich verliebt ist, ahnt nicht, dass eine ganze Familie mit nichts anderem beschäftigt ist, als sie zu beschatten und ihre Wünsche zu erfüllen. Die Zings sorgen dafür, dass Eminem Cath einen Song auf den Leib schreibt und dass sie von einem Olympiasieger im Schwimmen trainiert wird, von den anderen täglichen Überraschungen und Freuden mal ganz abgesehen ... Warum die Zings das alles für Cath tun? Nun, das ist eine lange und seltsame Geschichte.
Lese-Probe zu „Buttermilchküsse “
Buttermilchküsse von Jaclyn Moriarty1
Der Heißluftballon
Es war einmal ein Aquarellmaler, der glaubte, er könne einen Fallschirm erfinden.
Das war noch in den Kindertagen der Fallschirme.
Draußen in den Feldern, wo er seine Staffelei aufgestellt hatte, sah er einen dieser frühen Fallschirmspringer vom Himmel tröpfeln.
»Wie war's, wie war's?«, rief er, als er zu der versammelten Menge Schaulustiger rannte.
»Oje«, klagte der in seinen Fallschirm verwickelte Fallschirmspringer. »Mir ist speiübel.«
Da sich diese Szene in Paris abspielte, sprachen sie natürlich Französisch.
Damals hatten die Fallschirme noch einen Konstruktionsfehler: Sie schwebten nicht sanft dem Boden entgegen, sondern wirbelten mit Schwindel erregendem Tempo durch die Luft, so dass die Fallschirmspringer olivgrün waren, bis sie landeten.
Der Aquarellmaler ging nach Hause und legte die Füße hoch, trank einen Kaffee und überlegte. »Wie lässt es sich vermeiden, dass diesen mutigen, vom Himmel fallenden Männern schlecht wird?«
Nachdem er fünfunddreißig Jahre gegrübelt hatte, fand er die Lösung. Er stellte seine Kaffeetasse ab, nahm seinen Zeichenblock und rief nach seiner Frau.
»Sieh mal«, sagte er ruhig und stolz, als er ihr die Skizze hinhielt.
Seine Frau kniff die Augen zusammen, und ihre Brauen schnellten in die Höhe - sein Fallschirm stand auf dem Kopf. Statt ›n‹- war er ›u‹-förmig.
»Das soll funktionieren?«, zweifelte sie.
... mehr
»Aber natürlich«, rief er. Um es ihr zu beweisen, bastelte er einen Fallschirm aus ihrem Stofftaschentuch. Das Taschentuch flatterte zu Boden, jedoch - wie er unbedingt betonen musste - ohne dabei ins Trudeln zu geraten.
So sehr war er überzeugt, die Erklärung für das Pendeln des Fallschirms gefunden zu haben, dass er beschloss, selbst einen zu bauen. Auf der Nähmaschine seiner Frau schneiderte er die Stoffbahnen zusammen. Dann überredete er einen Freund, ihn aus dem Korb von dessen Heißluftballon abspringen zu lassen.
Vor lauter Aufregung dachte er gar nicht daran, es zunächst mit einer sonst üblichen Puppe (oder
einer Katze) zu versuchen. Er zurrte sich einfach fest und sprang.
Er stürzte geradewegs in die Tiefe - wie eine Vase, die jemand vom Regalbrett gefegt hat - und war tot.
Als sie zum ersten Mal diese Geschichte hörte, war Maude Sausalito (die zu diesem Zeitpunkt elf Jahre alt war) erschüttert von dem traurigen Los des Malers. Anschließend malte sie sich (sehnsüchtig) all die Dinge aus, auf denen er hätte landen können und die ihm das Leben gerettet hätten:
Ein Heuhaufen; ein Teich; ein ganz frisch umgegrabenes Gartenbeet!
Ein Fass voll Maulbeeren!
Ein saftiger Buttermilchkuss.
Ein Berg Blaubeermuffins.
(Sie hatte Hunger.)
Wenn dieser dumme, übereifrige Mensch - dachte sie damals und denkt sie auch heute noch oft - mit seinem nutzlosen Fallschirm doch bloß einen Aufwind erwischt hätte. Der Aufwind hätte ihn einfach davongetragen, hoch hinaus in den tiefblauen Himmel, über Hügel aus schaumig gerührter Butter, hinweg über einen Teich aus Ahornsirup. Und schließlich hätte er ihn sanft abgesetzt, auf einem Bett aus Buttermilchpfannkuchen.
Heutzutage haben Fallschirme oben einen Luft- schlitz, der dafür sorgt, dass sie nicht ins Trudeln geraten.
Angesengte Fragmente aus dem Geräteschuppen der Zings
Stellen Sie sich vor, Sie hätten keine Knie! Beim Bergabgehen neigt sich der Körper automatisch nach vorn. Unbewusst lehnt man sich zurück und beugt die Knie, indem man die vier vorderen Oberschenkelmuskeln anspannt. Die Knie sind dazu da, dass man nicht hinfällt. Und jetzt nehmen Sie mal an, Ihre Oberschenkelmuskulatur wäre so schwach, dass sie den sich beugenden Knien keinen Widerstand bieten könnte. Würden sich die Knie ungehindert immer weiter beugen, würden Sie mitten aufs Gesicht stürzen.
INSTITUT FÜR ARTHROSKOPISCHE CHIRURGIE, SOUTH DAKOTA
Die Sportveranstaltung
Cath Murphy (Lehrerin der Klasse 2B) hält ein Ende des Zielbandes fest und sucht dabei die Zuschauerreihen nach den Zings ab.
Aha. Da auf der Picknickdecke liegt eine der Zings und probiert ihre Handyklingeltöne durch.
Und drüben! Eine kleine Zing, die sich zum Rennen bereit macht.
Diese pummelige Frau dort mit dem Preiselbeermuffin könnte auch eine von ihnen sein -
Nein.
Das ist keine Zing.
Es ist Miss Heather Waratah (Lehrerin der 4C).
Vor einem Jahr hatte sie noch nicht einmal gewusst, dass es Zings gibt. Heute fängt ihr rechtes Auge jedes Mal unwillkürlich an zu zucken, wenn sie eine von ihnen erblickt. (Der Buchstabe ›V‹ löst übrigens die gleiche Reaktion bei ihr aus.)
Außerdem ist ihr ihre Identität abhandengekommen.
Es ist jetzt schon ein paar Monate her, dass ihr ihre Identität abhandenkam.
Um es genauer zu sagen, sie ist im Geräteschuppen der Zings zu Asche verbrannt.
Na das war's dann wohl, denkt sie verbittert, als ihr das Zielband vom Handgelenk rutscht, einem Knäuel aus Kindern vor die Füße.
Fancy Zing hält in der südöstlichen Kurve des Sportplatzes einen Moment lang inne. Sie hatte Heftpflaster aus dem Handschuhfach ihres Autos geholt. Von hier aus kann sie sehen, dass ihre Tochter sich gerade zum Rennen aufstellt. Die Startpis tole knallt, und Cassie sprintet los. Die anderen Kinder bewegen sich wie wild gewordene Marionetten, denkt Fancy. Cassie zieht mühelos an ihnen vorbei.
Fancys Blick wandert hinüber zum Ziel, wo Cath Murphy wartet: die Haare im Nacken akkurat geschnitten, ihre Haltung einwandfrei, mit leicht verzweifelter Miene. Fancy spürt eine Woge der Zuneigung für das Band in Caths Hand. Es birgt so viel Macht! Kaum, dass ein Kind es berührt, müssen es die Erwachsenen sofort loslassen. Ihr Blick folgt der Bahnmarkierung bis hinter die Ziellinie zum anderen Ende des Sportplatzes, wo vier bunte Farbflecken zu sehen sind, offenbar handelt es sich um riesige Blumenbeete.
Verblüfft wendet sich Fancy wieder dem Lauf ihrer Tochter zu.
Marbie Zing lauscht den Anfeuerungsrufen der Kinder. Sie haben sich in den vier Farben ihrer Teams versammelt, um für den Cheerleader-Wettbewerb zu proben. Sie sitzt nicht weit von ihnen auf einer Picknickdecke und hält sich ab und an die Ohren zu.
Ihre Nichte ist soeben durchs Ziel gelaufen und schnappt ein paar Meter hinter Cath Murphy nach Luft. Cath behauptet, sie habe ihre Identität verloren. Als Marbie davon erfuhr, rief sie Cath an und empfahl ihr, mit dem Auto durch die Gegend zu fahren. »Mir passiert das öfters«, sagte sie, »meine Identität habe ich schon bei Vorstellungsgesprächen und auf Polter abenden verloren. Wenn ich dann nach Hause fahre, kommt sie allerdings immer wieder zurück.« Cath legte sofort auf.
Auf dem Sportfeld macht sich gerade ein Mädchen zum Weitsprung bereit. Das Mädchen ist so zierlich, dass es kaum vorhanden zu sein scheint, soweit Marbie das beurteilen kann. Ihre Arme und Beine wirken fast durchsichtig, dermaßen schmal sind sie. Wenn sie etwas sehen will, muss sie das Kinn recken, weil ihr der Sonnenhut tief im Gesicht sitzt. Die Erwachsenen in der Nähe grinsen sich gegenseitig zu. Doch das Mädchen schüttelt ihre Gelenke aus. Sie geht in die Hocke und dehnt die Knie. Sie wirft einen abschätzenden Blick auf die Sandgrube.
Marbie beobachtet die Szene und denkt: Wie oft doch Kinder in die Welt der Erwachsenen eintauchen, und dann - als ein Lehrer herbeieilt, um den Sprung des Mädchens zu messen -, wie häufig wir uns in ihrer Welt wiederfinden.
Sie wird von zwei Paar Füßen, die direkt neben ihr auf der Decke zum Stehen kommen, aus ihren Gedanken gerissen. Es handelt sich um ihre Schwes ter Fancy, zurückgekehrt vom Auto, und um Cassie, die aus der anderen Richtung aufgetaucht ist mit einem flatternden blauen Band in der Hand.
2
Cath Murphy
Noch vor einem Jahr hatte Cath Murphy auf dem Laubengang vor den Räumen der 2. Klassen gestanden, die Morgensonne angelächelt, ihre Hände tief in die Taschen ihrer neuen weiten Hose vergraben, mit einem warmen Gefühl im Nacken unter ihren kurzen blonden Haaren.
Es war der erste Unterrichtstag des neuen Schuljahrs, und die Kinder versammelten sich unten. Am anderen Ende der Brüstung vor dem Klassenzimmer der 2A stand Warren Woodford, der neue Lehrer. Er neigte sein Kinn zum Geländer und nickte Cath knapp und ernst zu: Ja, da sind sie, da sammeln sie sich.
Sie reagierte darauf mit einem feierlichen Nicken ihrerseits.
Der Neue würde gut bei den Kindern ankommen. Er war so groß, dass er die Decke berühren oder die Zeichnungen oben an die Wand hängen konnte. Außerdem schaffte er es, einen Mundwinkel herab- und gleichzeitig die gegenüberliegende Augenbraue hochzuziehen. Kinder hielten diese Grimasse, ganz besonders, wenn man sie damit veralbern wollte, für den Inbegriff des Erwachsenenhumors schlechthin.
Als Cath wieder zu Warren hinübersah, hatte er genau dieses Gesicht aufgesetzt.
Es sah tatsächlich witzig aus, und sie ertappte sich dabei, ihn nachzuahmen. Er lächelte sanft, wandte den Blick ab und rief dann etwas, das klang wie: »... schon lange.«
»Wie bitte?«
»Doch schon so lange?«
»Ja«, gestand sie zögernd. Dann wollte sie es genauer wissen und ging ein paar Schritte an der Brüstung entlang auf ihn zu. »Was sagten Sie?«
Er winkte ab. »Ich fragte nur, ist Ihnen bange? Haben Sie Angst?«
»Na klar. Sie etwa nicht?«
Sie lief zurück auf ihren Posten, wo sie weiter wartete und sich dabei linkisch und dämlich vorkam, aber zugleich auch frech, klein, keck, verrucht und extrem blond.
In Wirklichkeit hatte sie gar keine Angst, sondern war eher aufgeregt. Wie ihre Mutter immer sagte: Die Begegnung mit Fremden, selbst wenn es nur Schlosser oder siebenjährige Kinder sind, kann schon Furcht einflößend sein.
Cath unterrichtete bereits seit zwei Jahren und hatte bei den Kindern den Ruf weg, sehr nett und hübsch zu sein, manchmal etwas streng, aber vor allem nett. Sie war dafür bekannt, dass sie großzügig goldene Sternchen und PRIMA ARBEIT- Stempel verteilte. Unter den Lehrern galt sie als ruhig und gewissenhaft, vielleicht ein bisschen schüchtern, doch mit einem Hang zu Kicheranfällen.
Sie aß jeden Mittag einen Granny-Smith-Apfel und glaubte an ein Lächeln, das noch mindestens fünf Sekunden nach einer flüchtigen Begegnung auf dem Flur anhielt. Ihre Augen funkelten wie die von Mary Poppins, aber sie hatte keine roten Flecken auf den Wangen und trug auch nicht wie Mary Poppins eine Reisetasche.
Jetzt, wo die Kinder aufgeregt drängelnd die Treppe hinaufmarschierten, miteinander und mit ihr schwatzend, antwortete sie ihnen ebenfalls im Plauderton: Guten Morgen! und So ist's richtig! und Stell deine Tasche einfach ins Fach, ja, super! und Hoppla, ist es nicht ein wenig früh am Tag, um über seine eigenen Schnürsenkel zu stolpern? Hey, alles in Ordnung?
Dabei fiel ihr auf, dass Warren, der Neue, seine Klasse wortlos empfing. Einen Arm hielt er hoch, den anderen benutzte er, um sie ins Klassenzimmer zu winken. Er benahm sich wie ein echter Polizist. Und die Kinder gehorchten ihm mit großen verwunderten Augen.
Später am Morgen, den sie mit pädagogisch wertvollen Begrüßungsspielen verbrachte (Lukes Name beginnt mit dem gleichen Buchstaben wie Löwe! Direkt unheimlich!), bemerkte Cath die langen Phasen der Stille im Klassenzimmer nebenan. Hin und wieder wurde dieses Schweigen von lautem Gelächter durchbrochen.
Am nächsten Tag, Dienstag, erhielt Cath Gelegenheit, mit ihren Freundinnen, Lenny D'Souza (Klassenlehrerin der 6B und Schulrätin) und Suzanne Barker (Klassenlehrerin der 1A) zu reden. Das war in der großen Pause.
Cath erzählte ihnen, seit Anfang der Sommerferien sei mit ihrem Freund von letztem Jahr Schluss. Lenny und Suzanne ließen ein trauriges »Ooch« hören, aber Cath lachte nur und sagte, sie könne sich nicht mal mehr an seinen Namen erinnern. Suzanne half ihr auf die Sprünge. »Danke «, antwortete Cath. »Ich fand noch nie, dass ihr zusammenpasst«, kam ihr Suzanne entgegen. »Du hattest nämlich nicht die Aura von jemandem, der wirklich geliebt wird.« »Danke«, wiederholte Cath. Lenny erzählte ihnen, dass sie essen war mit - ratet, wem? Und Cath fragte: »Mit wem denn?«, und Lenny antwortete: »Rate mal«, usw., bis Lenny gestand, dass sie mit Frank Billson (dem Rektor) aus war.
Cath und Suzanne kreischten. Doch als Lenny losging, um ihr Pausenbrot zu holen, steckten sie die Köpfe zusammen und raunten: »Ach du liebe Güte!«, und zogen die Brauen hoch: »Was denkt sie sich bloß dabei?« Lenny kam zurück, und sie richteten sich auf und zeigten wieder Unschuldsmienen.
Lenny fragte Cath nach dem Neuen, diesem Warren Woodford. Als Cath gerade antworten wollte, unterbrach sie Suzanne, die gehört hatte, dass er Schauspiel studiert hatte, bevor er Lehrer wurde.
Cath ertappte sich dabei, wie sie dachte: Der Neue gehört MIR, Suzanne.
Sie unterrichtete ja schließlich die 2. Klasse.
Als sie am Mittwochabend spät von einem klassenübergreifenden Evaluationstreffen nach Hause kam und Schlüssel und Sonnenbrille auf den Tisch warf, streifte ihr Blick ihr eigenes, geschäftiges, gedankenverlorenes Gesicht, das sich im Esszimmerfenster widerspiegelte. Sie hielt inne, um dieses Gesicht genauer zu betrachten. »Kaum zu glauben, dass mir noch vor kurzem jemand das Herz gebrochen hat«, sprach sie zum Fenster.
Es war ihr Freund von letztem Jahr, der ihr das Herz gebrochen hatte, ganz gleich, was sie Lenny und Suzanne darüber erzählt hatte. Er hatte sie wegen eines Jobs in New Orleans verlassen. Eines Abends kam er bei ihr vorbei und brachte die Zusage für die Stelle mit, in einem schmalen weißen Umschlag, und das Schreiben klang ausgesprochen begeistert von seinem Hochschulabschluss in Ökologie. »Wann geht's denn los?«, fragte sie, sehr darum bemüht, ähnlich erfreut und aufgeregt zu klingen wie er. »Nächste Woche!« »Und für wie lange?« »Die Stelle ist unbefristet!«
Den Rest des Abends verbrachte er an Caths Ess tisch, wo er mit dem Finger auf der Landkarte die landschaftlich schönen Strecken von Louisiana nach fuhr.
»Bist du sicher, dass du bei diesem Licht etwas sehen kannst?«, fragte Cath frostig.
Aber er war zu sehr mit den Alligatoren beschäftigt. Cath nahm er erst wieder am Flughafen wahr. Da war es längst zu spät. Sein Gepäck hatte er bereits aufgegeben.
Kann er dir wirklich das Herz gebrochen haben?, fragte Caths Spiegelbild skeptisch. Dann fielen ihr all die Nächte danach ein, wie sie sich in ihrer leeren Wohnung in den Schlaf geweint, das Telefon durch das Zimmer gefeuert, die Blumen, die er ihr aus New Orleans schickte, misshandelt hatte (sie verwelkten einfach in ihrem Papier). Cath ließ sich die Haare kurz schneiden und immatrikulierte sich nebenbei für einen Hochschulabschluss in Jura. Ob er es nun wert war oder nicht, er hatte ihr auf jeden Fall das Herz gebrochen. (An seine Blumen war eine ›Kopf hoch!‹-Notiz geheftet gewesen.)
»Aber jetzt«, verkündete sie ihrem Kater Violin, der um ihre Knöchel strich, »hab ich's hinter mir!« Das Glöckchen an Violins Halsband bimmelte leise.
Sie starrte ihr Spiegelbild im Fenster an und dachte darüber nach, wie gut es doch war, Single zu sein. Erst gestern hatte sie zum Beispiel um Mitternacht noch Schokokekse gebacken, um den Beginn des neuen Schuljahres würdig zu begehen! Heute Abend sollte es Käsetoast mit Vegemite, einem Brotaufstrich aus Hefeextrakt, geben. Dann wollte sie so lange MTV gucken, wie sie Lust hatte. (Die meisten Freunde wurden nach einer Weile unruhig und wollten lieber Kricket sehen.) Und anschließend ab ins Bett mit einem Roman und bis in die Puppen lesen. Herrlich!
Außerdem, sagte ein feines, verstohlenes Stimmlein in ihrem Hinterkopf, außerdem bin ich mir sicher, dass ich bald einen neuen Freund finden werde, jetzt, wo ich so drauf bin! Immer wenn ich in diesem Zustand glücklichen, unabhängigen Alleinseinseins angelangt bin, GENAU DANN treffe ich jemand Neues! Es wirkt anziehend auf andere, wenn ich mit mir SELBST zufrieden bin. Ich bin kurz davor -
»SEI STILL«, sagte sie entschlossen zu ihrem Spiegelbild und wandte sich ab. Da merkte sie, wie überdreht sie war, und musste erst einmal ausgehen, zum Laden an der Ecke.
Am Donnerstag beschloss sie: Ich bin gern allein!, während sie durchs Klassenzimmer ging und die Kinder für ihre selbst gebastelten Bommeln lobte. Ich werde nebenher noch Jura studieren! Einige der Kinder erwiderten ihr Lächeln. Ein Mädchen namens Lucinda hörte gar nicht mehr auf zu grinsen, so dass Cath sie fragte, ob alles in Ordnung sei. »Nein. Weil ich die Lehrerin nicht so nennen darf«, entgegnete Lucinda.
»Nicht wie?«, fragte Cath.
Aber Lucinda lächelte nur immer weiter, schüttelte den Kopf und murmelte vor sich hin. Cath hockte sich neben sie, um zu verstehen, was sie leise vor sich hinsagte.
»Miss Murphy«, hauchte sie.
»Du darfst mich nicht Miss Murphy nennen?«, fragte Cath erstaunt.
Lucinda nickte, dass ihr Pferdeschwanz auf und ab wippte.
»Aber Lucinda, so heiß ich doch!«
»Ich kann nicht Msss sagen«, erklärte Lucinda und schüttelte sich, als ob sie sich in Spinnweben verfangen hätte. »Verlangen Sie nicht von mir, dass ich das ausspreche! Ich kann diesen Laut nicht, dieses sss ...« Sie japste nach Luft und schüttelte wieder den Kopf.
Zum Glück setzte in dem Moment Lucindas Nachbarin mit »Vagina, Vagina, Vagina« ein.
Wie hieß das Mädchen gleich noch mal? Ihr Namensschild war auf den Boden gefallen.
»CASSIE HAT VAGINA GESAGT!«, rief Marcus Ellison.
Genau, Cassie. Sie war heute Morgen fünf Minuten zu spät zur Schule gekommen, und ihre Mutter hatte ihr eine Entschuldigung geschrieben, was sehr aufmerksam gewesen war. Dafür hätte ich mir wenigstens den Namen ihrer Tochter merken können, dachte Cath streng.
Der Gerechtigkeit halber: Cassies Namensschild war selten an seinem Platz, weil sie dazu neigte, ihren dramatischen Ausführungen mit Händen und Füßen Nachdruck zu verleihen, und dabei Bleistifte und das Namensschild vom Tisch fegte.
»Vagina, Vagina, Vagina«, verkündete Cassie weiter.
»Das reicht jetzt, Cassie«, sagte Cath bestimmt.
Cassie sah verwundert auf. »Aber ich muss es fünfhundertmal sagen.«
»Wer sagt das denn?«
»Ich.«
»Na, dann sag dir doch einfach selbst, dass du das nicht zu tun brauchst.«
»In Ordnung.« Sie nickte und machte sich wieder an ihre Bommel.
Deutsch von Mo Zuber
© Weltbild
»Aber natürlich«, rief er. Um es ihr zu beweisen, bastelte er einen Fallschirm aus ihrem Stofftaschentuch. Das Taschentuch flatterte zu Boden, jedoch - wie er unbedingt betonen musste - ohne dabei ins Trudeln zu geraten.
So sehr war er überzeugt, die Erklärung für das Pendeln des Fallschirms gefunden zu haben, dass er beschloss, selbst einen zu bauen. Auf der Nähmaschine seiner Frau schneiderte er die Stoffbahnen zusammen. Dann überredete er einen Freund, ihn aus dem Korb von dessen Heißluftballon abspringen zu lassen.
Vor lauter Aufregung dachte er gar nicht daran, es zunächst mit einer sonst üblichen Puppe (oder
einer Katze) zu versuchen. Er zurrte sich einfach fest und sprang.
Er stürzte geradewegs in die Tiefe - wie eine Vase, die jemand vom Regalbrett gefegt hat - und war tot.
Als sie zum ersten Mal diese Geschichte hörte, war Maude Sausalito (die zu diesem Zeitpunkt elf Jahre alt war) erschüttert von dem traurigen Los des Malers. Anschließend malte sie sich (sehnsüchtig) all die Dinge aus, auf denen er hätte landen können und die ihm das Leben gerettet hätten:
Ein Heuhaufen; ein Teich; ein ganz frisch umgegrabenes Gartenbeet!
Ein Fass voll Maulbeeren!
Ein saftiger Buttermilchkuss.
Ein Berg Blaubeermuffins.
(Sie hatte Hunger.)
Wenn dieser dumme, übereifrige Mensch - dachte sie damals und denkt sie auch heute noch oft - mit seinem nutzlosen Fallschirm doch bloß einen Aufwind erwischt hätte. Der Aufwind hätte ihn einfach davongetragen, hoch hinaus in den tiefblauen Himmel, über Hügel aus schaumig gerührter Butter, hinweg über einen Teich aus Ahornsirup. Und schließlich hätte er ihn sanft abgesetzt, auf einem Bett aus Buttermilchpfannkuchen.
Heutzutage haben Fallschirme oben einen Luft- schlitz, der dafür sorgt, dass sie nicht ins Trudeln geraten.
Angesengte Fragmente aus dem Geräteschuppen der Zings
Stellen Sie sich vor, Sie hätten keine Knie! Beim Bergabgehen neigt sich der Körper automatisch nach vorn. Unbewusst lehnt man sich zurück und beugt die Knie, indem man die vier vorderen Oberschenkelmuskeln anspannt. Die Knie sind dazu da, dass man nicht hinfällt. Und jetzt nehmen Sie mal an, Ihre Oberschenkelmuskulatur wäre so schwach, dass sie den sich beugenden Knien keinen Widerstand bieten könnte. Würden sich die Knie ungehindert immer weiter beugen, würden Sie mitten aufs Gesicht stürzen.
INSTITUT FÜR ARTHROSKOPISCHE CHIRURGIE, SOUTH DAKOTA
Die Sportveranstaltung
Cath Murphy (Lehrerin der Klasse 2B) hält ein Ende des Zielbandes fest und sucht dabei die Zuschauerreihen nach den Zings ab.
Aha. Da auf der Picknickdecke liegt eine der Zings und probiert ihre Handyklingeltöne durch.
Und drüben! Eine kleine Zing, die sich zum Rennen bereit macht.
Diese pummelige Frau dort mit dem Preiselbeermuffin könnte auch eine von ihnen sein -
Nein.
Das ist keine Zing.
Es ist Miss Heather Waratah (Lehrerin der 4C).
Vor einem Jahr hatte sie noch nicht einmal gewusst, dass es Zings gibt. Heute fängt ihr rechtes Auge jedes Mal unwillkürlich an zu zucken, wenn sie eine von ihnen erblickt. (Der Buchstabe ›V‹ löst übrigens die gleiche Reaktion bei ihr aus.)
Außerdem ist ihr ihre Identität abhandengekommen.
Es ist jetzt schon ein paar Monate her, dass ihr ihre Identität abhandenkam.
Um es genauer zu sagen, sie ist im Geräteschuppen der Zings zu Asche verbrannt.
Na das war's dann wohl, denkt sie verbittert, als ihr das Zielband vom Handgelenk rutscht, einem Knäuel aus Kindern vor die Füße.
Fancy Zing hält in der südöstlichen Kurve des Sportplatzes einen Moment lang inne. Sie hatte Heftpflaster aus dem Handschuhfach ihres Autos geholt. Von hier aus kann sie sehen, dass ihre Tochter sich gerade zum Rennen aufstellt. Die Startpis tole knallt, und Cassie sprintet los. Die anderen Kinder bewegen sich wie wild gewordene Marionetten, denkt Fancy. Cassie zieht mühelos an ihnen vorbei.
Fancys Blick wandert hinüber zum Ziel, wo Cath Murphy wartet: die Haare im Nacken akkurat geschnitten, ihre Haltung einwandfrei, mit leicht verzweifelter Miene. Fancy spürt eine Woge der Zuneigung für das Band in Caths Hand. Es birgt so viel Macht! Kaum, dass ein Kind es berührt, müssen es die Erwachsenen sofort loslassen. Ihr Blick folgt der Bahnmarkierung bis hinter die Ziellinie zum anderen Ende des Sportplatzes, wo vier bunte Farbflecken zu sehen sind, offenbar handelt es sich um riesige Blumenbeete.
Verblüfft wendet sich Fancy wieder dem Lauf ihrer Tochter zu.
Marbie Zing lauscht den Anfeuerungsrufen der Kinder. Sie haben sich in den vier Farben ihrer Teams versammelt, um für den Cheerleader-Wettbewerb zu proben. Sie sitzt nicht weit von ihnen auf einer Picknickdecke und hält sich ab und an die Ohren zu.
Ihre Nichte ist soeben durchs Ziel gelaufen und schnappt ein paar Meter hinter Cath Murphy nach Luft. Cath behauptet, sie habe ihre Identität verloren. Als Marbie davon erfuhr, rief sie Cath an und empfahl ihr, mit dem Auto durch die Gegend zu fahren. »Mir passiert das öfters«, sagte sie, »meine Identität habe ich schon bei Vorstellungsgesprächen und auf Polter abenden verloren. Wenn ich dann nach Hause fahre, kommt sie allerdings immer wieder zurück.« Cath legte sofort auf.
Auf dem Sportfeld macht sich gerade ein Mädchen zum Weitsprung bereit. Das Mädchen ist so zierlich, dass es kaum vorhanden zu sein scheint, soweit Marbie das beurteilen kann. Ihre Arme und Beine wirken fast durchsichtig, dermaßen schmal sind sie. Wenn sie etwas sehen will, muss sie das Kinn recken, weil ihr der Sonnenhut tief im Gesicht sitzt. Die Erwachsenen in der Nähe grinsen sich gegenseitig zu. Doch das Mädchen schüttelt ihre Gelenke aus. Sie geht in die Hocke und dehnt die Knie. Sie wirft einen abschätzenden Blick auf die Sandgrube.
Marbie beobachtet die Szene und denkt: Wie oft doch Kinder in die Welt der Erwachsenen eintauchen, und dann - als ein Lehrer herbeieilt, um den Sprung des Mädchens zu messen -, wie häufig wir uns in ihrer Welt wiederfinden.
Sie wird von zwei Paar Füßen, die direkt neben ihr auf der Decke zum Stehen kommen, aus ihren Gedanken gerissen. Es handelt sich um ihre Schwes ter Fancy, zurückgekehrt vom Auto, und um Cassie, die aus der anderen Richtung aufgetaucht ist mit einem flatternden blauen Band in der Hand.
2
Cath Murphy
Noch vor einem Jahr hatte Cath Murphy auf dem Laubengang vor den Räumen der 2. Klassen gestanden, die Morgensonne angelächelt, ihre Hände tief in die Taschen ihrer neuen weiten Hose vergraben, mit einem warmen Gefühl im Nacken unter ihren kurzen blonden Haaren.
Es war der erste Unterrichtstag des neuen Schuljahrs, und die Kinder versammelten sich unten. Am anderen Ende der Brüstung vor dem Klassenzimmer der 2A stand Warren Woodford, der neue Lehrer. Er neigte sein Kinn zum Geländer und nickte Cath knapp und ernst zu: Ja, da sind sie, da sammeln sie sich.
Sie reagierte darauf mit einem feierlichen Nicken ihrerseits.
Der Neue würde gut bei den Kindern ankommen. Er war so groß, dass er die Decke berühren oder die Zeichnungen oben an die Wand hängen konnte. Außerdem schaffte er es, einen Mundwinkel herab- und gleichzeitig die gegenüberliegende Augenbraue hochzuziehen. Kinder hielten diese Grimasse, ganz besonders, wenn man sie damit veralbern wollte, für den Inbegriff des Erwachsenenhumors schlechthin.
Als Cath wieder zu Warren hinübersah, hatte er genau dieses Gesicht aufgesetzt.
Es sah tatsächlich witzig aus, und sie ertappte sich dabei, ihn nachzuahmen. Er lächelte sanft, wandte den Blick ab und rief dann etwas, das klang wie: »... schon lange.«
»Wie bitte?«
»Doch schon so lange?«
»Ja«, gestand sie zögernd. Dann wollte sie es genauer wissen und ging ein paar Schritte an der Brüstung entlang auf ihn zu. »Was sagten Sie?«
Er winkte ab. »Ich fragte nur, ist Ihnen bange? Haben Sie Angst?«
»Na klar. Sie etwa nicht?«
Sie lief zurück auf ihren Posten, wo sie weiter wartete und sich dabei linkisch und dämlich vorkam, aber zugleich auch frech, klein, keck, verrucht und extrem blond.
In Wirklichkeit hatte sie gar keine Angst, sondern war eher aufgeregt. Wie ihre Mutter immer sagte: Die Begegnung mit Fremden, selbst wenn es nur Schlosser oder siebenjährige Kinder sind, kann schon Furcht einflößend sein.
Cath unterrichtete bereits seit zwei Jahren und hatte bei den Kindern den Ruf weg, sehr nett und hübsch zu sein, manchmal etwas streng, aber vor allem nett. Sie war dafür bekannt, dass sie großzügig goldene Sternchen und PRIMA ARBEIT- Stempel verteilte. Unter den Lehrern galt sie als ruhig und gewissenhaft, vielleicht ein bisschen schüchtern, doch mit einem Hang zu Kicheranfällen.
Sie aß jeden Mittag einen Granny-Smith-Apfel und glaubte an ein Lächeln, das noch mindestens fünf Sekunden nach einer flüchtigen Begegnung auf dem Flur anhielt. Ihre Augen funkelten wie die von Mary Poppins, aber sie hatte keine roten Flecken auf den Wangen und trug auch nicht wie Mary Poppins eine Reisetasche.
Jetzt, wo die Kinder aufgeregt drängelnd die Treppe hinaufmarschierten, miteinander und mit ihr schwatzend, antwortete sie ihnen ebenfalls im Plauderton: Guten Morgen! und So ist's richtig! und Stell deine Tasche einfach ins Fach, ja, super! und Hoppla, ist es nicht ein wenig früh am Tag, um über seine eigenen Schnürsenkel zu stolpern? Hey, alles in Ordnung?
Dabei fiel ihr auf, dass Warren, der Neue, seine Klasse wortlos empfing. Einen Arm hielt er hoch, den anderen benutzte er, um sie ins Klassenzimmer zu winken. Er benahm sich wie ein echter Polizist. Und die Kinder gehorchten ihm mit großen verwunderten Augen.
Später am Morgen, den sie mit pädagogisch wertvollen Begrüßungsspielen verbrachte (Lukes Name beginnt mit dem gleichen Buchstaben wie Löwe! Direkt unheimlich!), bemerkte Cath die langen Phasen der Stille im Klassenzimmer nebenan. Hin und wieder wurde dieses Schweigen von lautem Gelächter durchbrochen.
Am nächsten Tag, Dienstag, erhielt Cath Gelegenheit, mit ihren Freundinnen, Lenny D'Souza (Klassenlehrerin der 6B und Schulrätin) und Suzanne Barker (Klassenlehrerin der 1A) zu reden. Das war in der großen Pause.
Cath erzählte ihnen, seit Anfang der Sommerferien sei mit ihrem Freund von letztem Jahr Schluss. Lenny und Suzanne ließen ein trauriges »Ooch« hören, aber Cath lachte nur und sagte, sie könne sich nicht mal mehr an seinen Namen erinnern. Suzanne half ihr auf die Sprünge. »Danke «, antwortete Cath. »Ich fand noch nie, dass ihr zusammenpasst«, kam ihr Suzanne entgegen. »Du hattest nämlich nicht die Aura von jemandem, der wirklich geliebt wird.« »Danke«, wiederholte Cath. Lenny erzählte ihnen, dass sie essen war mit - ratet, wem? Und Cath fragte: »Mit wem denn?«, und Lenny antwortete: »Rate mal«, usw., bis Lenny gestand, dass sie mit Frank Billson (dem Rektor) aus war.
Cath und Suzanne kreischten. Doch als Lenny losging, um ihr Pausenbrot zu holen, steckten sie die Köpfe zusammen und raunten: »Ach du liebe Güte!«, und zogen die Brauen hoch: »Was denkt sie sich bloß dabei?« Lenny kam zurück, und sie richteten sich auf und zeigten wieder Unschuldsmienen.
Lenny fragte Cath nach dem Neuen, diesem Warren Woodford. Als Cath gerade antworten wollte, unterbrach sie Suzanne, die gehört hatte, dass er Schauspiel studiert hatte, bevor er Lehrer wurde.
Cath ertappte sich dabei, wie sie dachte: Der Neue gehört MIR, Suzanne.
Sie unterrichtete ja schließlich die 2. Klasse.
Als sie am Mittwochabend spät von einem klassenübergreifenden Evaluationstreffen nach Hause kam und Schlüssel und Sonnenbrille auf den Tisch warf, streifte ihr Blick ihr eigenes, geschäftiges, gedankenverlorenes Gesicht, das sich im Esszimmerfenster widerspiegelte. Sie hielt inne, um dieses Gesicht genauer zu betrachten. »Kaum zu glauben, dass mir noch vor kurzem jemand das Herz gebrochen hat«, sprach sie zum Fenster.
Es war ihr Freund von letztem Jahr, der ihr das Herz gebrochen hatte, ganz gleich, was sie Lenny und Suzanne darüber erzählt hatte. Er hatte sie wegen eines Jobs in New Orleans verlassen. Eines Abends kam er bei ihr vorbei und brachte die Zusage für die Stelle mit, in einem schmalen weißen Umschlag, und das Schreiben klang ausgesprochen begeistert von seinem Hochschulabschluss in Ökologie. »Wann geht's denn los?«, fragte sie, sehr darum bemüht, ähnlich erfreut und aufgeregt zu klingen wie er. »Nächste Woche!« »Und für wie lange?« »Die Stelle ist unbefristet!«
Den Rest des Abends verbrachte er an Caths Ess tisch, wo er mit dem Finger auf der Landkarte die landschaftlich schönen Strecken von Louisiana nach fuhr.
»Bist du sicher, dass du bei diesem Licht etwas sehen kannst?«, fragte Cath frostig.
Aber er war zu sehr mit den Alligatoren beschäftigt. Cath nahm er erst wieder am Flughafen wahr. Da war es längst zu spät. Sein Gepäck hatte er bereits aufgegeben.
Kann er dir wirklich das Herz gebrochen haben?, fragte Caths Spiegelbild skeptisch. Dann fielen ihr all die Nächte danach ein, wie sie sich in ihrer leeren Wohnung in den Schlaf geweint, das Telefon durch das Zimmer gefeuert, die Blumen, die er ihr aus New Orleans schickte, misshandelt hatte (sie verwelkten einfach in ihrem Papier). Cath ließ sich die Haare kurz schneiden und immatrikulierte sich nebenbei für einen Hochschulabschluss in Jura. Ob er es nun wert war oder nicht, er hatte ihr auf jeden Fall das Herz gebrochen. (An seine Blumen war eine ›Kopf hoch!‹-Notiz geheftet gewesen.)
»Aber jetzt«, verkündete sie ihrem Kater Violin, der um ihre Knöchel strich, »hab ich's hinter mir!« Das Glöckchen an Violins Halsband bimmelte leise.
Sie starrte ihr Spiegelbild im Fenster an und dachte darüber nach, wie gut es doch war, Single zu sein. Erst gestern hatte sie zum Beispiel um Mitternacht noch Schokokekse gebacken, um den Beginn des neuen Schuljahres würdig zu begehen! Heute Abend sollte es Käsetoast mit Vegemite, einem Brotaufstrich aus Hefeextrakt, geben. Dann wollte sie so lange MTV gucken, wie sie Lust hatte. (Die meisten Freunde wurden nach einer Weile unruhig und wollten lieber Kricket sehen.) Und anschließend ab ins Bett mit einem Roman und bis in die Puppen lesen. Herrlich!
Außerdem, sagte ein feines, verstohlenes Stimmlein in ihrem Hinterkopf, außerdem bin ich mir sicher, dass ich bald einen neuen Freund finden werde, jetzt, wo ich so drauf bin! Immer wenn ich in diesem Zustand glücklichen, unabhängigen Alleinseinseins angelangt bin, GENAU DANN treffe ich jemand Neues! Es wirkt anziehend auf andere, wenn ich mit mir SELBST zufrieden bin. Ich bin kurz davor -
»SEI STILL«, sagte sie entschlossen zu ihrem Spiegelbild und wandte sich ab. Da merkte sie, wie überdreht sie war, und musste erst einmal ausgehen, zum Laden an der Ecke.
Am Donnerstag beschloss sie: Ich bin gern allein!, während sie durchs Klassenzimmer ging und die Kinder für ihre selbst gebastelten Bommeln lobte. Ich werde nebenher noch Jura studieren! Einige der Kinder erwiderten ihr Lächeln. Ein Mädchen namens Lucinda hörte gar nicht mehr auf zu grinsen, so dass Cath sie fragte, ob alles in Ordnung sei. »Nein. Weil ich die Lehrerin nicht so nennen darf«, entgegnete Lucinda.
»Nicht wie?«, fragte Cath.
Aber Lucinda lächelte nur immer weiter, schüttelte den Kopf und murmelte vor sich hin. Cath hockte sich neben sie, um zu verstehen, was sie leise vor sich hinsagte.
»Miss Murphy«, hauchte sie.
»Du darfst mich nicht Miss Murphy nennen?«, fragte Cath erstaunt.
Lucinda nickte, dass ihr Pferdeschwanz auf und ab wippte.
»Aber Lucinda, so heiß ich doch!«
»Ich kann nicht Msss sagen«, erklärte Lucinda und schüttelte sich, als ob sie sich in Spinnweben verfangen hätte. »Verlangen Sie nicht von mir, dass ich das ausspreche! Ich kann diesen Laut nicht, dieses sss ...« Sie japste nach Luft und schüttelte wieder den Kopf.
Zum Glück setzte in dem Moment Lucindas Nachbarin mit »Vagina, Vagina, Vagina« ein.
Wie hieß das Mädchen gleich noch mal? Ihr Namensschild war auf den Boden gefallen.
»CASSIE HAT VAGINA GESAGT!«, rief Marcus Ellison.
Genau, Cassie. Sie war heute Morgen fünf Minuten zu spät zur Schule gekommen, und ihre Mutter hatte ihr eine Entschuldigung geschrieben, was sehr aufmerksam gewesen war. Dafür hätte ich mir wenigstens den Namen ihrer Tochter merken können, dachte Cath streng.
Der Gerechtigkeit halber: Cassies Namensschild war selten an seinem Platz, weil sie dazu neigte, ihren dramatischen Ausführungen mit Händen und Füßen Nachdruck zu verleihen, und dabei Bleistifte und das Namensschild vom Tisch fegte.
»Vagina, Vagina, Vagina«, verkündete Cassie weiter.
»Das reicht jetzt, Cassie«, sagte Cath bestimmt.
Cassie sah verwundert auf. »Aber ich muss es fünfhundertmal sagen.«
»Wer sagt das denn?«
»Ich.«
»Na, dann sag dir doch einfach selbst, dass du das nicht zu tun brauchst.«
»In Ordnung.« Sie nickte und machte sich wieder an ihre Bommel.
Deutsch von Mo Zuber
© Weltbild
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Autoren-Porträt von Jaclyn Moriarty
Jaclyn Moriarty wuchs in der Nähe von Sydney mit vier Schwestern, einem Bruder, zwei Hunden und zwölf Hühnern auf. Sie studierte Literatur und Jura und arbeitet heute als Medienanwältin in Sydney.
Bibliographische Angaben
- Autor: Jaclyn Moriarty
- 2010, Sonderausg., 693 Seiten, Maße: 10,1 x 15,4 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übers. v. Mo Zuber
- Übersetzer: Mo Zuber
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442740428
- ISBN-13: 9783442740420
Rezension zu „Buttermilchküsse “
"Ein Süßwarenladen von einem Buch - wenn Sie ein Leckermaul sind, werden Sie es lieben!" Sunday Telegraph
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