Flammen über Arcadion / Carya & Jonan Trilogie Bd.1
Roman
Nach dem Großen Krieg sind weite Teile der Welt verwüstet. Angst und Aberglaube beherrschen die Menschen. Die sechzehnjährige Carya lebt mit ihren Eltern in Arcadion, den Ruinen des einstigen Rom. Eines Tages muss sie mit ansehen, wie ein junger Mann von...
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Produktinformationen zu „Flammen über Arcadion / Carya & Jonan Trilogie Bd.1 “
Klappentext zu „Flammen über Arcadion / Carya & Jonan Trilogie Bd.1 “
Nach dem Großen Krieg sind weite Teile der Welt verwüstet. Angst und Aberglaube beherrschen die Menschen. Die sechzehnjährige Carya lebt mit ihren Eltern in Arcadion, den Ruinen des einstigen Rom. Eines Tages muss sie mit ansehen, wie ein junger Mann von den Schwarzen Templern festgenommen wird. Er soll von der Inquisition gefoltert werden. Voller Wut schießt Carya auf zwei der Inquisitoren und ist fortan auf der Flucht. Ihre einzige Hoffnung ist der junge Templersoldat Jonan, der sein Leben aufs Spiel setzt, um Carya zu retten.
Lese-Probe zu „Flammen über Arcadion / Carya & Jonan Trilogie Bd.1 “
Flammen über Arcadion von Bernd Perplies Kapitel 3
Nach dem Mittagessen zog Carya sich erneut um und machte sich einmal mehr auf den Weg hinunter in die Stadt. Das Vereinshaus ihrer Templerjugendgruppe lag keinen Kilometer entfernt westlich von ihrem Zuhause am Ufer des Tevere, der Arcadion als geschwungenes, grünbraunes Band durchströmte. Bei dem Gebäude handelte es sich um ein schmales, zwischen anderen Häusern eingeklemmtes Bauwerk, das im Erdgeschoss Büroräume aufwies und in den oberen Stockwerken lehr-und Aufenthaltsbereiche sowie eine Küche und einen Esssaal für die insgesamt fünfzig Kinder und Jugendlichen ihrer Gruppe.
Der Lux Dei hatte die Templerjugend seinerzeit aus der Taufe gehoben, um in den dunklen Jahren die zahlreichen Kinder und Jugendlichen von den Straßen Arcadions zu holen und ihnen eine Beschäftigung und ein Ziel zu geben. Gemäß dem Wahl Spruch der Templerjugend »Treu im Glauben, stark im Herzen, unerschütterlich im Geiste« sollten sie sich zu wertvollen Mitgliedern der Gesellschaft und der zukünftigen Elite des Lux Dei entwickeln. religiöse und politische Unterweisungen standen daher ebenso auf dem Programm wie körperliche Ertüchtigung, Handarbeit und Werken. Darüber hinaus bot die Templerjugend begleitete Ausflüge an, die es den Kindern Arcadions erlaubten, einen Blick auf die Welt jenseits der Stadtmauern zu werfen.
... mehr
Heute fand sich in der Stadt kaum jemand zwischen zehn und achtzehn, der nicht Mitglied in einer der zahlreichen Gruppen der Templerjugend war. natürlich gab es Außenseiter wie Rajael, die sich in keine Gemeinschaft einfügen wollten. eine Mitgliedspflicht existierte nicht. die zahlreichen Vorteile, die eine Mitgliedschaft in der Templerjugend mit sich brachte - ganz zu schweigen von den Verbindungen, die sich für später knüpfen ließen -, waren allerdings sehr überzeugende Argumente dafür, sich der Organisation anzuschließen.
Carya jedenfalls bereute es nicht. die Templerjugend hatte ihr ihren ersten und bislang einzigen Ausflug ans Meer ermöglicht. in der Gruppe hatte sie viel über die Geschichte und die Sehenswürdigkeiten von Arcadion gelernt. Und der regelmäßige Sport verlieh ihrem sich entwickelnden Körper eine Form, mit der sie durchaus zufrieden war, wenn sie sich abends im Spiegel betrachtete. dass ihnen mit Ramin nun ein ausgesprochen fesch aussehender Gruppenführer Vorstand, schien da nur noch ein kleiner Zusatzanreiz zu sein, wenn auch einer, der für Carya immer mehr an Bedeutung gewann.
Eine nahe Kirchenglocke schlug gerade zur dritten Nachmittagsstunde, als Carya die Stufen zum Eingang des Jugendhauses hinauflief. Vor dem silbernen Templeremblem neben der Tür, das die dreistrahlige Halbsonne mit dem Templerkreuz kombinierte, hielt sie kurz inne und strich sich mit dem Daumen der rechten Hand dreimal über die linke Brust. Anschließend trat sie ins Innere und eilte die knarrende, hölzerne Treppe hinauf zu dem Versammlungsraum im ersten Stock, aus dem bereits der lärm zahlreicher stimmen drang.
»Ah, Carya, endlich kommst du auch«, begrüßte Ramin sie, als er sie sah. er stand in einer Gruppe aus zwanzig Kindern und Jugendlichen, die sich schwatzend im Raum drängten. Genau wie Carya trugen alle ihre Templerjugenduniform, bestehend aus einem dunkelblauen Unterteil, einem grauen Oberteil und einer Schärpe, in welche die Insignien des Lux Dei eingestickt waren. Ramins Schärpe wurde darüber hinaus von seinen Abzeichen als Gruppenführer und Schüler der Templerakademie geziert.
Beim Anblick seines markanten Kinns und der strahlend blauen Augen - ein eher ungewöhnliches Merkmal in Arcadion - beschleunigte sich Caryas Herzschlag unwillkürlich. lächelnd und ohne ein Wort herauszubringen blieb sie vor ihm stehen.
Ramin runzelte die Stirn. »Geht es dir gut?«, fragte er.
Sag irgendwas, du blöde Kuh, schalt sich Carya innerlich, während sie gleichzeitig versuchte, das Grinsen, das zweifellos mit jeder Sekunde dämlicher wirkte, aus dem Gesicht zu scheuchen. »Ja, danke. ich ... ich freue mich auf den Ausflug.«
Ramin nickte zufrieden und schenkte ihr sogar ein kleines Lächeln. »sehr gut. ich bin mir sicher, er wird ausgesprochen interessant werden.« er wandte sich von Carya ab und hob die Stimme. »In Ordnung, Gruppe! in Zweierreihe antreten und den Mund halten.«
Ramin musste seinen Befehl nicht wiederholen. Gehorsam verstummten alle und sammelten sich vor ihm.
er straffte sich und blickte sie mit ernsten Augen an. »Wir werden heute den Dom des Lichts besuchen. Ich weiß, dass einige Jüngere von euch ihn das erste Mal von innen sehen. da ich aus eigener Erfahrung sagen kann, was für einen überwältigenden Anblick dieses Bauwerk bietet, möchte ich euch hiermit vorwarnen. ihr dürft schauen und staunen. Aber ich möchte kein Glotzen sehen, kein Zeigen mit den Fingern, kein hektisches Tuscheln. Wir werden von einem Templer begleitet, der uns durch den Dom führt. Zeigt ihm, was ihr taugt! Zeigt ihm, dass wir uns durch nichts aus der Fassung bringen lassen. Wir erweisen dem Mann den ihm gebotenen Respekt und geben uns dem Bauwerk angemessen ehrfürchtig. denkt daran!«
»Jawohl, Capo!«, antworteten die Kinder und Jugendlichen wie aus einem Mund.
»Ausgezeichnet.« Ramin wirkte zufrieden. »Dann lasst uns jetzt gehen. Wir werden erwartet. in Zweierreihe marsch.«
Carya und die anderen drehten sich auf dem Absatz um neunzig Grad nach rechts und bildeten so eine Marschkolonne. Carya hatte sich extra so gestellt, dass sie nun ganz vorne war, direkt hinter Ramin. neben ihr stand ein Mädchen namens Marielle, eine schlaksige sechzehnjährige mit Nickelbrille, die immer wieder durch ihr unglaubliches Gedächtnis überraschte, dafür aber ziemlich unsportlich war. Carya mochte sie weder besonders, noch störte sie sich an ihr. sie gehörte eben zur Gruppe.
Zu zweit nebeneinander gehend verließen sie den Versammlungsraum und kurz darauf das Jugendhaus. Am Ufer des Tevere entlang, aber doch in gebotenem Abstand, wanderten sie in Richtung des weiter südlich gelegenen Ordensdistrikts von Arcadion, wo sich neben dem Dom des Lichts und der Engelsburg auch der Ratspalast und die Templerkaserne befanden.
Zu ihrer rechten waren die Überreste der Schutzmauern zu sehen, die in den dunklen Jahren und noch einige Zeit danach das Flussbett vom Rest der Stadt abgeschirmt hatten. der Fluss, der mehrere Hundert Kilometer nordöstlich in den Bergen seinen Ursprung hatte, war damals nicht nur hochgiftig gewesen, sondern hatte auch Reststrahlung aus den Todeszonen nördlich von Arcadion in die Stadt geführt. ein Umleiten des Flussbetts oder ein stauen des Tevere hatte sich als unmöglich erwiesen. dem Orden war nichts anderes übrig geblieben, als den Fluss und sein radioaktives Wasser, soweit es praktisch möglich gewesen war, von den Bewohnern der Stadt fernzuhalten.
Im Laufe der Jahre hatten Messungen ergeben, dass eine solche Abschirmung nicht länger notwendig war, und die hässlichen Sichtbarrieren waren abgerissen worden. Gebadet hätte Carya in dem brackig braungrünen Wasser deswegen trotzdem nicht.
Der Marsch dauerte nicht länger als eine halbe Stunde. Über eine steinbrücke mit geschwungenen Bögen erreichten sie den Ordensdistrikt. Vor ihnen, am Ende der Brücke, erhoben sich die trutzigen Mauern der Engelsburg. Hier residierte der Hochmeister der Templer, des militärischen Arms des Lux Dei, zusammen mit seinen Beratern, Offizieren und der Purpurgarde, der zeremoniellen Eliteeinheit der Templer, die sich vor allem dem Schutz hoher Würdenträger und wichtiger Gebäude verschrieben hatte.
Irgendwie wirkte die Burg auf Carya immer wie ein ziemlich düsterer Ort. daran änderten auch die großen weißgoldenen Banner mit den Zeichen der Templer und des Lux Dei nichts. Hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie die Engelsburg für ein Gefängnis gehalten. Vielleicht lag das auch daran, dass das wirkliche Gefängnis, das unweit des als Gerichtshof dienenden Tribunalpalasts im Osten der Stadt lag, der Burg so ähnlich sah.
Ihr Blick fiel auf Ramin, und sie bemerkte, dass er noch aufrechter und energischer ausschritt als zuvor. innerlich schmunzelte sie. Ein junger Mann, insbesondere ein Schüler der Templerakademie, sah die Engelsburg natürlich mit ganz anderen Augen. Für ihn lag hinter diesen runden Mauern alles, was sich sein Herz ersehnte. Nun, hoffentlich nur fast alles, fügte sie in Gedanken hinzu.
Sie ließen die Burg zu ihrer rechten und schritten über die breite Allee der Sterne dem imposanten Dom des Lichts entgegen. der Kirchenbau war, wie Carya wusste, uralt. schon Jahrhunderte vor dem sternenfall hatte er als spirituelles Herzstück des Glaubens der alten Welt gedient. der Dom hatte enorme Ausmaße, und während der schlimmsten Tage der dunklen Jahre, jenen Tagen, an denen der Lux Dei entstanden war, um den Menschen den Weg zu weisen, hatte er Tausenden verängstigten Männern, Frauen und Kindern Schutz geboten. Vielleicht hatte eben dieser Umstand den Glauben der Menschen an den Dom des Lichts so stark gemacht, wie er heute war: dass seine festen Mauern nicht nur Heil für Körper und Seele versprachen, sondern dieses Versprechen auch eingelöst hatten, als die Not am größten gewesen war.
ihre Gruppe erreichte den weitläufigen Platz vor dem Dom, der von hufeisenförmigen Arkaden umgeben war. Wie von selbst erwachte in Carya ein Gefühl der Ehrfurcht. Alles war groß an diesem Ort, schwer, machtvoll und erhaben. natürlich besuchte sie den Dom nicht zum ersten Mal. sowohl mit ihren Eltern als auch mit der Templerjugend war sie bereits hier gewesen. die Wirkung, die das gewaltige kreuzförmige Bauwerk mit dem eindrucksvollen Kuppeldach auf sie ausübte, wurde dadurch jedoch nicht im Geringsten geschmälert.
das Hauptportal des Doms war geschlossen. es wurde nur für besondere Zeremonien geöffnet. An den Seiten daneben gab es allerdings kleinere Eingänge, durch die man zu jeder Tages- und Nachtzeit den Kirchenbau betreten konnte. es gehörte zu den Grundpfeilern des Kodex des Lux Dei, dass der Dom den Bürgern von Arcadion jederzeit offen stehen sollte. Nur in ungewöhnlichen Ausnahmefällen, etwa bei der Wahl des neuen Ordensprimus, wurde die Öffentlichkeit ausgesperrt. das hieß natürlich trotzdem nicht, dass jedem uneingeschränkt Zutritt gewährt wurde. es gab Mönche, die sehr genau darauf achteten, dass keine Straßenkinder, Taugenichtse oder Störenfriede die Würde des Ortes verletzten.
Vor den Eingängen des Doms stand eine Einheit aus acht Templern der Purpurgarde. die Männer allein waren sicherlich schon kräftige Kerle. nur die Besten wurden zum Dienst in der Purpurgarde zugelassen. in ihren massiven Kampfanzügen wirkten sie jedoch geradezu riesenhaft. sie waren fast zweieinhalb Meter groß, und die dicken Panzerplatten ihrer Ganzkörperrüstung erweckten den Eindruck, als könnten sie einer Kanonenkugel standhalten. die purpurrote Lackierung der Rüstung glänzte in der nachmittagssonne, und die weißgoldenen Insignienwimpel an den Schulterstücken wehten träge in der leichten Brise, die hier auf dem Platz herrschte.
Carya wusste, dass Männer wie diese, wenn auch in nicht ganz so prunkvollen Anzügen, an den Grenzen des Reichs gegen die Feinde des Ordens kämpften. sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand ihnen zu widerstehen vermochte.
»Wenn ich groß bin, werde ich auch in der Purpurgarde dienen «, flüsterte ein Junge hinter ihr seinem Nebenmann zu.
»Na klar«, spöttelte dieser. »du Zwerg wirst denen höchstens die Rüstung polieren dürfen.«
»Halt's Maul, ich bin kein Zwerg«, empörte sich der erste.
»Schau mal in den Spiegel«, riet ihm der zweite.
Ramin wandte den Kopf zur Seite. »Ruhe da hinten!«, befahl er.
sofort verstummten die beiden Streithähne.
Schweigend passierten sie die Wachen und betraten das Gebäude. im inneren war der Dom beinahe noch eindrucksvoller als von außen. der ganze Kirchenbau schien aus einem einzigen, riesigen Raum zu bestehen. er war so groß, dass ein kleines Dorf darin Platz gefunden hätte, und die Decke wölbte sich dermaßen hoch über ihren Köpfen, dass ein Dutzend Männer übereinander sie nicht erreicht hätten. Getragen wurde sie von gewaltigen, reich verzierten Säulen aus weißem Stein.
Im Zentrum des Doms konnte Carya den unter der Kuppel hängenden Baldachin sehen, unter dem der Ordensprimus des Lux Dei, auf einem reinweißen Thron sitzend, seine Gottesdienste abhielt. die geschickte Anordnung der Fenster in der Kuppel oberhalb des Baldachins sorgte dafür, dass, wann immer draußen die Sonne schien, ein scharf gebündelter Lichtstrahl auf den Sitz des Ordensprimus fiel. laut Kodex des Lux Dei handelte es sich dabei um das Licht Gottes, das dem Orden seinen namen verliehen hatte und der Erleuchtung der Gläubigen diente.
»Jungtempler Ramin, ich freue mich, sie zu sehen.« eine Stimme zu ihrer rechten riss Carya aus ihrem staunen. sie wandte den Kopf und sah zwei Männer näherkommen. der eine war drahtig und hatte ein scharfkantiges Gesicht. die Erfahrungen seines Lebens hatten tiefe Furchen in seinen Zügen hinterlassen, und sein dunkles Haar war von silbernen strähnen durchzogen. seine Haltung hingegen war aufrecht und sein Blick kein bisschen weniger wach als der seines jüngeren Begleiters, ein Mann Anfang zwanzig, der sein Assistent zu sein schien. Beide trugen schwarze Templeruniformen mit weißgoldenen Schärpen.
Carya hielt unwillkürlich den Atem an. schwarz ... Bedeutete das nicht, dass sie zu den schwarzen Templern gehörten, der Sondereinheit des Tribunalpalasts? War die Purpurgarde so etwas wie eine Ehrenformation, konnte man die schwarzen Templer, die korrekterweise Garde des Tribunalpalasts genannt wurden, wohl am besten mit einer Geheimpolizei vergleichen. ihre Aufgabe war es, sich um Gefahren zu kümmern, die Arcadion und dem Lux Dei von innen drohten: Häretiker, Dissidenten und, wie manche munkelten, invitros.
Was machen zwei Mitglieder der Schwarzen Templer hier?, fragte sich Carya.
Ramin neben ihr schien nicht weniger überrascht zu sein. »Inquisitor Loraldi, euch hatte ich hier nicht erwartet. ich war mit Templer Matteas verabredet.«
»Templer Matteas ist verhindert« erklärte Loraldi kurz angebunden. dann jedoch legte er Ramin plötzlich väterlich eine Hand auf die Schulter und lächelte. »Aber als er mir erzählte, dass der Neffe von Großmeister Artamnon mit seiner Templerjugendgruppe kommt, um den Dom des Lichts zu besuchen, habe ich beschlossen, es persönlich auf mich zu nehmen, die jungen Leute herumzuführen.«
Ramin blinzelte. »ich ... ich fühle mich geehrt, Inquisitor.«
»Ach, nicht der Rede wert.« Loraldi machte eine wegwerfende Geste. »Jeder von uns dient dem Orden doch gelegentlich auch über die ihm zugewiesene Aufgabe hinaus. Sie selbst sind das beste Beispiel. Mein Adjutant hat mir schon viel von ihnen erzählt. sie ragen unter den Schülern an der Akademie heraus, heißt es. Und dann haben sie in ihrer knappen Freizeit noch diese Jugendgruppe übernommen. ich bin stolz auf sie.«
»danke, Inquisitor.« Ramin blickte zu Loraldis Begleiter hinüber, der nicht viel älter war als er selbst, aber seiner Uniform zufolge bereits ein vollwertiger Templer und entweder Tutor oder gar Ausbilder an der Akademie. »Und auch euch danke ich, Signore. «
Der Angesprochene nickte knapp.
Obwohl der junge Mann sich Mühe gab, einen neutralen Gesichtsausdruck zu wahren, hatte Carya den Eindruck, als wäre er lieber woanders. irgendwie passte er auch überhaupt nicht in die schwarze Uniform. natürlich war er breitschultrig und durchtrainiert, wie man es von den Templern der Sondereinheiten erwartete. Aber auf seinen Zügen fehlte der Ausdruck soldatischer Härte, den man auf den Gesichtern vieler anderer Templer fand. Vielleicht lag es auch nur daran, dass er noch so jung war. Carya bezweifelte, dass er schon viele Kämpfe gesehen hatte.
In diesem Moment richteten sich seine dunklen Augen auf sie.
Ein Kribbeln wie von einem elektrischen Schlag durchfuhr Carya. Oh Gott, ich habe ihn angestarrt, erkannte sie. Wie peinlich. rasch schaute sie zu Boden.
»Also schön«, sagte der Inquisitor unterdessen. »dann wollen wir mit unserer Führung beginnen. Ich bin mir sicher, dass ihr die Geschichten, die sich um den Dom des Lichts ranken, ausgesprochen faszinierend finden werdet. Wenn ihr mir folgen möchtet.«
»Was hältst du von ihm?«, fragte Marielle flüsternd, während sie den Männern tiefer in den gewaltigen Innenraum des Kirchenbaus folgten.
»Von wem?«, wollte Carya wissen.
Marielle deutete mit dem Kopf. »dem Templer.«
»Was soll ich von ihm halten?«
»Meinst du nicht auch, dass er in seiner Uniform ordentlich was hermacht?«
»Geht so«, sagte Carya.
Vor ihnen hob Ramin warnend einen Zeigefinger. er drehte sich nicht um und sagte auch nichts, um den Inquisitor nicht zu unterbrechen, der sich gerade über die Größe des Doms ausließ. doch Carya verstand ihn auch so. Marielle und sie verstummten.
Geht so, wiederholte Carya in Gedanken. sie warf dem jungen
Mann verstohlen einen erneuten Blick zu. Mit Sicherheit trat er nicht so schneidig auf wie Ramin. Und er besaß auch nicht dessen strahlend blaue Augen. Und dennoch war da dieses Prickeln gewesen, das sie verspürt hatte, als sich ihre Blicke begegnet waren. Konnte das etwas bedeuten?
Ha, denk gar nicht drüber nach, empfahl ihr eine innere Stimme. Du hast es ja noch nicht mal geschafft, einen Templerschüler auf dich aufmerksam zu machen. Ein richtiger Ritter und auch noch ein Mitglied der Garde des Tribunalpalasts ist doch etwas außerhalb deiner Liga.
Carya gratulierte sich lautlos zu so viel Einsicht. sie hob den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Inquisitor Loraldi und seine Ausführungen. sie waren hier, um den Dom des Lichts kennenzulernen, nicht irgendwelche jungen Templer. Außerdem musste sie zuhören, wenn sie Ramin auf dem Heimweg mit ihrem Wissen beeindrucken wollte. Und genau das hatte sie vor.
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
Heute fand sich in der Stadt kaum jemand zwischen zehn und achtzehn, der nicht Mitglied in einer der zahlreichen Gruppen der Templerjugend war. natürlich gab es Außenseiter wie Rajael, die sich in keine Gemeinschaft einfügen wollten. eine Mitgliedspflicht existierte nicht. die zahlreichen Vorteile, die eine Mitgliedschaft in der Templerjugend mit sich brachte - ganz zu schweigen von den Verbindungen, die sich für später knüpfen ließen -, waren allerdings sehr überzeugende Argumente dafür, sich der Organisation anzuschließen.
Carya jedenfalls bereute es nicht. die Templerjugend hatte ihr ihren ersten und bislang einzigen Ausflug ans Meer ermöglicht. in der Gruppe hatte sie viel über die Geschichte und die Sehenswürdigkeiten von Arcadion gelernt. Und der regelmäßige Sport verlieh ihrem sich entwickelnden Körper eine Form, mit der sie durchaus zufrieden war, wenn sie sich abends im Spiegel betrachtete. dass ihnen mit Ramin nun ein ausgesprochen fesch aussehender Gruppenführer Vorstand, schien da nur noch ein kleiner Zusatzanreiz zu sein, wenn auch einer, der für Carya immer mehr an Bedeutung gewann.
Eine nahe Kirchenglocke schlug gerade zur dritten Nachmittagsstunde, als Carya die Stufen zum Eingang des Jugendhauses hinauflief. Vor dem silbernen Templeremblem neben der Tür, das die dreistrahlige Halbsonne mit dem Templerkreuz kombinierte, hielt sie kurz inne und strich sich mit dem Daumen der rechten Hand dreimal über die linke Brust. Anschließend trat sie ins Innere und eilte die knarrende, hölzerne Treppe hinauf zu dem Versammlungsraum im ersten Stock, aus dem bereits der lärm zahlreicher stimmen drang.
»Ah, Carya, endlich kommst du auch«, begrüßte Ramin sie, als er sie sah. er stand in einer Gruppe aus zwanzig Kindern und Jugendlichen, die sich schwatzend im Raum drängten. Genau wie Carya trugen alle ihre Templerjugenduniform, bestehend aus einem dunkelblauen Unterteil, einem grauen Oberteil und einer Schärpe, in welche die Insignien des Lux Dei eingestickt waren. Ramins Schärpe wurde darüber hinaus von seinen Abzeichen als Gruppenführer und Schüler der Templerakademie geziert.
Beim Anblick seines markanten Kinns und der strahlend blauen Augen - ein eher ungewöhnliches Merkmal in Arcadion - beschleunigte sich Caryas Herzschlag unwillkürlich. lächelnd und ohne ein Wort herauszubringen blieb sie vor ihm stehen.
Ramin runzelte die Stirn. »Geht es dir gut?«, fragte er.
Sag irgendwas, du blöde Kuh, schalt sich Carya innerlich, während sie gleichzeitig versuchte, das Grinsen, das zweifellos mit jeder Sekunde dämlicher wirkte, aus dem Gesicht zu scheuchen. »Ja, danke. ich ... ich freue mich auf den Ausflug.«
Ramin nickte zufrieden und schenkte ihr sogar ein kleines Lächeln. »sehr gut. ich bin mir sicher, er wird ausgesprochen interessant werden.« er wandte sich von Carya ab und hob die Stimme. »In Ordnung, Gruppe! in Zweierreihe antreten und den Mund halten.«
Ramin musste seinen Befehl nicht wiederholen. Gehorsam verstummten alle und sammelten sich vor ihm.
er straffte sich und blickte sie mit ernsten Augen an. »Wir werden heute den Dom des Lichts besuchen. Ich weiß, dass einige Jüngere von euch ihn das erste Mal von innen sehen. da ich aus eigener Erfahrung sagen kann, was für einen überwältigenden Anblick dieses Bauwerk bietet, möchte ich euch hiermit vorwarnen. ihr dürft schauen und staunen. Aber ich möchte kein Glotzen sehen, kein Zeigen mit den Fingern, kein hektisches Tuscheln. Wir werden von einem Templer begleitet, der uns durch den Dom führt. Zeigt ihm, was ihr taugt! Zeigt ihm, dass wir uns durch nichts aus der Fassung bringen lassen. Wir erweisen dem Mann den ihm gebotenen Respekt und geben uns dem Bauwerk angemessen ehrfürchtig. denkt daran!«
»Jawohl, Capo!«, antworteten die Kinder und Jugendlichen wie aus einem Mund.
»Ausgezeichnet.« Ramin wirkte zufrieden. »Dann lasst uns jetzt gehen. Wir werden erwartet. in Zweierreihe marsch.«
Carya und die anderen drehten sich auf dem Absatz um neunzig Grad nach rechts und bildeten so eine Marschkolonne. Carya hatte sich extra so gestellt, dass sie nun ganz vorne war, direkt hinter Ramin. neben ihr stand ein Mädchen namens Marielle, eine schlaksige sechzehnjährige mit Nickelbrille, die immer wieder durch ihr unglaubliches Gedächtnis überraschte, dafür aber ziemlich unsportlich war. Carya mochte sie weder besonders, noch störte sie sich an ihr. sie gehörte eben zur Gruppe.
Zu zweit nebeneinander gehend verließen sie den Versammlungsraum und kurz darauf das Jugendhaus. Am Ufer des Tevere entlang, aber doch in gebotenem Abstand, wanderten sie in Richtung des weiter südlich gelegenen Ordensdistrikts von Arcadion, wo sich neben dem Dom des Lichts und der Engelsburg auch der Ratspalast und die Templerkaserne befanden.
Zu ihrer rechten waren die Überreste der Schutzmauern zu sehen, die in den dunklen Jahren und noch einige Zeit danach das Flussbett vom Rest der Stadt abgeschirmt hatten. der Fluss, der mehrere Hundert Kilometer nordöstlich in den Bergen seinen Ursprung hatte, war damals nicht nur hochgiftig gewesen, sondern hatte auch Reststrahlung aus den Todeszonen nördlich von Arcadion in die Stadt geführt. ein Umleiten des Flussbetts oder ein stauen des Tevere hatte sich als unmöglich erwiesen. dem Orden war nichts anderes übrig geblieben, als den Fluss und sein radioaktives Wasser, soweit es praktisch möglich gewesen war, von den Bewohnern der Stadt fernzuhalten.
Im Laufe der Jahre hatten Messungen ergeben, dass eine solche Abschirmung nicht länger notwendig war, und die hässlichen Sichtbarrieren waren abgerissen worden. Gebadet hätte Carya in dem brackig braungrünen Wasser deswegen trotzdem nicht.
Der Marsch dauerte nicht länger als eine halbe Stunde. Über eine steinbrücke mit geschwungenen Bögen erreichten sie den Ordensdistrikt. Vor ihnen, am Ende der Brücke, erhoben sich die trutzigen Mauern der Engelsburg. Hier residierte der Hochmeister der Templer, des militärischen Arms des Lux Dei, zusammen mit seinen Beratern, Offizieren und der Purpurgarde, der zeremoniellen Eliteeinheit der Templer, die sich vor allem dem Schutz hoher Würdenträger und wichtiger Gebäude verschrieben hatte.
Irgendwie wirkte die Burg auf Carya immer wie ein ziemlich düsterer Ort. daran änderten auch die großen weißgoldenen Banner mit den Zeichen der Templer und des Lux Dei nichts. Hätte sie es nicht besser gewusst, hätte sie die Engelsburg für ein Gefängnis gehalten. Vielleicht lag das auch daran, dass das wirkliche Gefängnis, das unweit des als Gerichtshof dienenden Tribunalpalasts im Osten der Stadt lag, der Burg so ähnlich sah.
Ihr Blick fiel auf Ramin, und sie bemerkte, dass er noch aufrechter und energischer ausschritt als zuvor. innerlich schmunzelte sie. Ein junger Mann, insbesondere ein Schüler der Templerakademie, sah die Engelsburg natürlich mit ganz anderen Augen. Für ihn lag hinter diesen runden Mauern alles, was sich sein Herz ersehnte. Nun, hoffentlich nur fast alles, fügte sie in Gedanken hinzu.
Sie ließen die Burg zu ihrer rechten und schritten über die breite Allee der Sterne dem imposanten Dom des Lichts entgegen. der Kirchenbau war, wie Carya wusste, uralt. schon Jahrhunderte vor dem sternenfall hatte er als spirituelles Herzstück des Glaubens der alten Welt gedient. der Dom hatte enorme Ausmaße, und während der schlimmsten Tage der dunklen Jahre, jenen Tagen, an denen der Lux Dei entstanden war, um den Menschen den Weg zu weisen, hatte er Tausenden verängstigten Männern, Frauen und Kindern Schutz geboten. Vielleicht hatte eben dieser Umstand den Glauben der Menschen an den Dom des Lichts so stark gemacht, wie er heute war: dass seine festen Mauern nicht nur Heil für Körper und Seele versprachen, sondern dieses Versprechen auch eingelöst hatten, als die Not am größten gewesen war.
ihre Gruppe erreichte den weitläufigen Platz vor dem Dom, der von hufeisenförmigen Arkaden umgeben war. Wie von selbst erwachte in Carya ein Gefühl der Ehrfurcht. Alles war groß an diesem Ort, schwer, machtvoll und erhaben. natürlich besuchte sie den Dom nicht zum ersten Mal. sowohl mit ihren Eltern als auch mit der Templerjugend war sie bereits hier gewesen. die Wirkung, die das gewaltige kreuzförmige Bauwerk mit dem eindrucksvollen Kuppeldach auf sie ausübte, wurde dadurch jedoch nicht im Geringsten geschmälert.
das Hauptportal des Doms war geschlossen. es wurde nur für besondere Zeremonien geöffnet. An den Seiten daneben gab es allerdings kleinere Eingänge, durch die man zu jeder Tages- und Nachtzeit den Kirchenbau betreten konnte. es gehörte zu den Grundpfeilern des Kodex des Lux Dei, dass der Dom den Bürgern von Arcadion jederzeit offen stehen sollte. Nur in ungewöhnlichen Ausnahmefällen, etwa bei der Wahl des neuen Ordensprimus, wurde die Öffentlichkeit ausgesperrt. das hieß natürlich trotzdem nicht, dass jedem uneingeschränkt Zutritt gewährt wurde. es gab Mönche, die sehr genau darauf achteten, dass keine Straßenkinder, Taugenichtse oder Störenfriede die Würde des Ortes verletzten.
Vor den Eingängen des Doms stand eine Einheit aus acht Templern der Purpurgarde. die Männer allein waren sicherlich schon kräftige Kerle. nur die Besten wurden zum Dienst in der Purpurgarde zugelassen. in ihren massiven Kampfanzügen wirkten sie jedoch geradezu riesenhaft. sie waren fast zweieinhalb Meter groß, und die dicken Panzerplatten ihrer Ganzkörperrüstung erweckten den Eindruck, als könnten sie einer Kanonenkugel standhalten. die purpurrote Lackierung der Rüstung glänzte in der nachmittagssonne, und die weißgoldenen Insignienwimpel an den Schulterstücken wehten träge in der leichten Brise, die hier auf dem Platz herrschte.
Carya wusste, dass Männer wie diese, wenn auch in nicht ganz so prunkvollen Anzügen, an den Grenzen des Reichs gegen die Feinde des Ordens kämpften. sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand ihnen zu widerstehen vermochte.
»Wenn ich groß bin, werde ich auch in der Purpurgarde dienen «, flüsterte ein Junge hinter ihr seinem Nebenmann zu.
»Na klar«, spöttelte dieser. »du Zwerg wirst denen höchstens die Rüstung polieren dürfen.«
»Halt's Maul, ich bin kein Zwerg«, empörte sich der erste.
»Schau mal in den Spiegel«, riet ihm der zweite.
Ramin wandte den Kopf zur Seite. »Ruhe da hinten!«, befahl er.
sofort verstummten die beiden Streithähne.
Schweigend passierten sie die Wachen und betraten das Gebäude. im inneren war der Dom beinahe noch eindrucksvoller als von außen. der ganze Kirchenbau schien aus einem einzigen, riesigen Raum zu bestehen. er war so groß, dass ein kleines Dorf darin Platz gefunden hätte, und die Decke wölbte sich dermaßen hoch über ihren Köpfen, dass ein Dutzend Männer übereinander sie nicht erreicht hätten. Getragen wurde sie von gewaltigen, reich verzierten Säulen aus weißem Stein.
Im Zentrum des Doms konnte Carya den unter der Kuppel hängenden Baldachin sehen, unter dem der Ordensprimus des Lux Dei, auf einem reinweißen Thron sitzend, seine Gottesdienste abhielt. die geschickte Anordnung der Fenster in der Kuppel oberhalb des Baldachins sorgte dafür, dass, wann immer draußen die Sonne schien, ein scharf gebündelter Lichtstrahl auf den Sitz des Ordensprimus fiel. laut Kodex des Lux Dei handelte es sich dabei um das Licht Gottes, das dem Orden seinen namen verliehen hatte und der Erleuchtung der Gläubigen diente.
»Jungtempler Ramin, ich freue mich, sie zu sehen.« eine Stimme zu ihrer rechten riss Carya aus ihrem staunen. sie wandte den Kopf und sah zwei Männer näherkommen. der eine war drahtig und hatte ein scharfkantiges Gesicht. die Erfahrungen seines Lebens hatten tiefe Furchen in seinen Zügen hinterlassen, und sein dunkles Haar war von silbernen strähnen durchzogen. seine Haltung hingegen war aufrecht und sein Blick kein bisschen weniger wach als der seines jüngeren Begleiters, ein Mann Anfang zwanzig, der sein Assistent zu sein schien. Beide trugen schwarze Templeruniformen mit weißgoldenen Schärpen.
Carya hielt unwillkürlich den Atem an. schwarz ... Bedeutete das nicht, dass sie zu den schwarzen Templern gehörten, der Sondereinheit des Tribunalpalasts? War die Purpurgarde so etwas wie eine Ehrenformation, konnte man die schwarzen Templer, die korrekterweise Garde des Tribunalpalasts genannt wurden, wohl am besten mit einer Geheimpolizei vergleichen. ihre Aufgabe war es, sich um Gefahren zu kümmern, die Arcadion und dem Lux Dei von innen drohten: Häretiker, Dissidenten und, wie manche munkelten, invitros.
Was machen zwei Mitglieder der Schwarzen Templer hier?, fragte sich Carya.
Ramin neben ihr schien nicht weniger überrascht zu sein. »Inquisitor Loraldi, euch hatte ich hier nicht erwartet. ich war mit Templer Matteas verabredet.«
»Templer Matteas ist verhindert« erklärte Loraldi kurz angebunden. dann jedoch legte er Ramin plötzlich väterlich eine Hand auf die Schulter und lächelte. »Aber als er mir erzählte, dass der Neffe von Großmeister Artamnon mit seiner Templerjugendgruppe kommt, um den Dom des Lichts zu besuchen, habe ich beschlossen, es persönlich auf mich zu nehmen, die jungen Leute herumzuführen.«
Ramin blinzelte. »ich ... ich fühle mich geehrt, Inquisitor.«
»Ach, nicht der Rede wert.« Loraldi machte eine wegwerfende Geste. »Jeder von uns dient dem Orden doch gelegentlich auch über die ihm zugewiesene Aufgabe hinaus. Sie selbst sind das beste Beispiel. Mein Adjutant hat mir schon viel von ihnen erzählt. sie ragen unter den Schülern an der Akademie heraus, heißt es. Und dann haben sie in ihrer knappen Freizeit noch diese Jugendgruppe übernommen. ich bin stolz auf sie.«
»danke, Inquisitor.« Ramin blickte zu Loraldis Begleiter hinüber, der nicht viel älter war als er selbst, aber seiner Uniform zufolge bereits ein vollwertiger Templer und entweder Tutor oder gar Ausbilder an der Akademie. »Und auch euch danke ich, Signore. «
Der Angesprochene nickte knapp.
Obwohl der junge Mann sich Mühe gab, einen neutralen Gesichtsausdruck zu wahren, hatte Carya den Eindruck, als wäre er lieber woanders. irgendwie passte er auch überhaupt nicht in die schwarze Uniform. natürlich war er breitschultrig und durchtrainiert, wie man es von den Templern der Sondereinheiten erwartete. Aber auf seinen Zügen fehlte der Ausdruck soldatischer Härte, den man auf den Gesichtern vieler anderer Templer fand. Vielleicht lag es auch nur daran, dass er noch so jung war. Carya bezweifelte, dass er schon viele Kämpfe gesehen hatte.
In diesem Moment richteten sich seine dunklen Augen auf sie.
Ein Kribbeln wie von einem elektrischen Schlag durchfuhr Carya. Oh Gott, ich habe ihn angestarrt, erkannte sie. Wie peinlich. rasch schaute sie zu Boden.
»Also schön«, sagte der Inquisitor unterdessen. »dann wollen wir mit unserer Führung beginnen. Ich bin mir sicher, dass ihr die Geschichten, die sich um den Dom des Lichts ranken, ausgesprochen faszinierend finden werdet. Wenn ihr mir folgen möchtet.«
»Was hältst du von ihm?«, fragte Marielle flüsternd, während sie den Männern tiefer in den gewaltigen Innenraum des Kirchenbaus folgten.
»Von wem?«, wollte Carya wissen.
Marielle deutete mit dem Kopf. »dem Templer.«
»Was soll ich von ihm halten?«
»Meinst du nicht auch, dass er in seiner Uniform ordentlich was hermacht?«
»Geht so«, sagte Carya.
Vor ihnen hob Ramin warnend einen Zeigefinger. er drehte sich nicht um und sagte auch nichts, um den Inquisitor nicht zu unterbrechen, der sich gerade über die Größe des Doms ausließ. doch Carya verstand ihn auch so. Marielle und sie verstummten.
Geht so, wiederholte Carya in Gedanken. sie warf dem jungen
Mann verstohlen einen erneuten Blick zu. Mit Sicherheit trat er nicht so schneidig auf wie Ramin. Und er besaß auch nicht dessen strahlend blaue Augen. Und dennoch war da dieses Prickeln gewesen, das sie verspürt hatte, als sich ihre Blicke begegnet waren. Konnte das etwas bedeuten?
Ha, denk gar nicht drüber nach, empfahl ihr eine innere Stimme. Du hast es ja noch nicht mal geschafft, einen Templerschüler auf dich aufmerksam zu machen. Ein richtiger Ritter und auch noch ein Mitglied der Garde des Tribunalpalasts ist doch etwas außerhalb deiner Liga.
Carya gratulierte sich lautlos zu so viel Einsicht. sie hob den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Inquisitor Loraldi und seine Ausführungen. sie waren hier, um den Dom des Lichts kennenzulernen, nicht irgendwelche jungen Templer. Außerdem musste sie zuhören, wenn sie Ramin auf dem Heimweg mit ihrem Wissen beeindrucken wollte. Und genau das hatte sie vor.
© 2012 LYX verlegt durch EGMONT Verlagsgesellschaften mbH
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Autoren-Porträt von Bernd Perplies, Isabelle Hirtz
Bernd Perplies, geboren 1977 in Wiesbaden, studierte Filmwissenschaft und Germanistik in Mainz. Parallel zu einer Anstellung beim Deutschen Filminstitut in Frankfurt a. M., wandte er sich nach dem Studium dem Schreiben zu. Heute ist er als Schriftsteller, Übersetzer und Journalist tätig.
Bibliographische Angaben
- Autoren: Bernd Perplies , Isabelle Hirtz
- 2012, 1. Aufl., 528 Seiten, Gebunden, Deutsch
- Verlag: LYX
- ISBN-10: 3802586379
- ISBN-13: 9783802586378
- Erscheinungsdatum: 13.09.2012
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