Cezanne gesucht!, Sonderausgabe
André Kelly, New Yorker Starfotograf, freut sich auf seinen neuen Auftrag. Er soll das Haus der reichen Familie Denoyer ablichten. Doch als er vor dem Anwesen steht, beobachtet er, wie der unbezahlbare Cézanne der Denoyers in einem Lieferwagen...
André Kelly, New Yorker Starfotograf, freut sich auf seinen neuen Auftrag. Er soll das Haus der reichen Familie Denoyer ablichten. Doch als er vor dem Anwesen steht, beobachtet er, wie der unbezahlbare Cézanne der Denoyers in einem Lieferwagen abtransportiert wird. Aber wohin? Und was hat Andrés Chefin mit der Sache zu tun? Eine wilde Verfolgung beginnt.
''Ein köstliches Menü aus Kunstraub, Verrat und Liebe, gewürzt mit einem Hauch Ambiente und Haute Cuisine."
Publishers Weekly
''Süffig, spritzig, prickelnd, elegant.''
Recklinghäuser Zeitung
Cézannegesucht! von Peter Mayle
LESEPROBE
Die Dame am Empfang paßte genau zur Inneneinrichtung: ein menschlichesAccessoire, perfekt abgestimmt auf die verhaltene, fast strenge Eleganz desAmbientes. Mit makellosem Make-up, gekleidet in kühles Beige und Schwarz,sprach sie mit gedämpfter Stimme ins Telefon, wobei sie den zerzausten jungenMann, der vor ihr stand, keines Blickes würdigte. Der Hauch eines Stirnrunzelnsdrohte die glatte kosmetische Fassade zu sprengen, als ihr Blick auf dieabgewetzte, lederne Schultertasche fiel, die der Besucher auf ihrem ansonstenjungfräulich unberührten Schreibtisch aus schimmerndem Platanenholz abgestellthatte. Sie legte den Hörer auf und strich eine blonde Haarsträhne zurück, umden goldenen Ohrring wieder anzuklipsen, den sie aus Gründen der Bequemlichkeitfür die Dauer des Gesprächs abgenommen hatte. Ihre Augenbrauen, zu formvollendetenBögen gezupft, schnellten fragend in die Höhe.
Der junge Mann lächelte. »Guten Morgen. Ich bin mit Camilla verabredet.«
Die Augenbrauen blieben oben. »Ihr Name?«
»Andre Kelly. Sind Sie neu hier?«
Ohne ihre Zeit mit einer Antwort zu verschwenden, streiftedie Vorzimmerdame ihren Ohrring wieder ab und griff zum Telefonhörer. Andrefragte sich, warum Camilla fortwährend Zimtzicken wie diese einstellte. Sieblieben selten länger als ein paar Monate und wurden dann gegen ein neuesModell ausgetauscht, das den Vorgängerinnen wie ein Ei dem anderen glich -herausgeputzt wie ein Weihnachtsbaum, schnippisch und gnadenlos herablassend.Wo sie wohl nach ihrer Kündigung ein neues Betätigungsfeld fanden? In derKosmetikabteilung von Barney's? An der Rezeption eines gewieftenBestattungsunternehmers, als wandelndes Demonstrationsobjekt für dieSchminkkünste des Etablissements? Oder in der Horizontalen, bei einem derzahllosen Freunde Camillas aus den niederen Gefilden des europäischen Adels?
»Sie ist noch in einer Besprechung.« Der lustlosausgestreckte Finger verwies auf die Sitzecke an der gegenüberliegenden Seite desRezeptionsbereichs. »Sie können dort drüben warten.«
Andre lächelte sie an und nahm seine Tasche. »Ist dieUnfreundlichkeit bei Ihnen eigentlich angeboren, oder mußten Sie einen Kursbesuchen?«
Doch sein Spott stieß auf taube Ohren. Der Hörer war bereitsunter den glänzenden Haarschopf geklemmt und die unterbrochene, gedämpfteUnterhaltung fortgesetzt worden. Andre nahm auf einem Sessel Platz undbereitete sich auf eine längere Wartezeit vor.
Camilla war bekannt für ihre sprichwörtliche Unpünktlichkeit- die manche sogar bewunderten -, aber auch für ihre Fähigkeit, auf zweiHochzeiten gleichzeitig zu tanzen, was ihre Termine anging. Dabei war sie eineMeisterin in der Planung von Situationen, die sowohl ihr Charisma alsHerausgeberin einer auflagenstarken Zeitschrift als auch ihregesellschaftliche Bedeutung deutlich werden ließen. In der Welt des Powerplay,wo im Rahmen eines Arbeitsessens Entscheidungen von strategischer Bedeutunggetroffen werden, hatte sie einen neuen Rekord aufgestellt, indem sie amselben Tag zur selben Stunde zwei Tische im Royalton bestellte. Dabei war esihr spielend gelungen - ein Blättchen Rucola- und Endiviensalat hier, einSchlückchen Evian-Tafelwasser da -, zwischen ihren Pflichten als Gastgeberineines wichtigen Anzeigenkunden und der eines vielversprechenden Architekten ausSüdamerika hin- und herzupendeln. Keiner der Betroffenen fühlte sich gekränkt,was sie mit Sicherheit auch ihrem sagenhaften Ruf zu verdanken hatte, und derLunch im Doppelpack wurde zu einer Übung, die Camilla in ihrgesellschaftlich-geschäftliches Repertoire aufnahm, um bei Gelegenheit daraufzurückzugreifen.
Letztendlich ließ man ihr solche Eskapaden natürlich nurdeshalb ungestraft durchgehen, weil sie Erfolg hatte, und den Erfolgreichen siehtman, zumindest in New York, jede nur erdenkliche Grille nach. Ihr war esgelungen, eine in die Jahre gekommene Zeitschrift vor dem Ableben zu bewahren,indem sie ihr ein zeitgemäßes Outfit und einen neuen Namen verpaßte, diealtgediente Redaktionsriege aufs Altenteil schickte, einen zündenden, abersozial engagierten Leitartikel mit der Überschrift »Brief eines Herausgebers« ausder Taufe hob und sowohl die Aufmachung der Titelseiten, das Schriftbild undLayout als eben auch das äußere Erscheinungsbild der Empfangsdame und desEmpfangsbereichs auf Vordermann brachte. Die Auflage hatte sich seitherverdreifacht, der Anzeigenteil wuchs ständig, und für die Inhaber desVerlagshauses war das Magazin zwar immer noch ein Verlustgeschäft, aber dafürsonnten sie sich im Glanz eines strahlenden neuen Sterns am Medienhimmel. DieZeitschrift machte Furore, und Camilla Jameson Porter besaß, im Augenblickzumindest, Narrenfreiheit.
Der kometenhafte Aufstieg des Magazins war, obwohlzweifellos von den kosmetischen Korrekturen im äußeren Erscheinungsbild unterstützt,dennoch vor allem auf einen besonders tragfähigen Stützpfeiler des Erfolgszurückzuführen: auf die Philosophie seiner neuen Herausgeberin.
Diese hatte auf sonderbare Weise Gestalt angenommen. Zu Beginnihrer beruflichen Laufbahn als ehrgeizige, aber unbekannte Journalistin,zuständig für die K&T Seite (Klatsch und Tratsch) einer LondonerBoulevardzeitung mit sozialem Anspruch, war es ihr gelungen, sich einengutbetuchten Ehemann aus der Oberschicht zu angeln - den hochgewachsenen,dunkelhaarigen und ansonsten völlig belanglosen Jeremy Jameson Porter. Camillahatte sich sowohl seinen Namen (der um einiges besser klang als Camilla Boot,der Name, der ihr in die Wiege gelegt wurde) als auch seine Freunde angeeignet,die über nützliche Beziehungen verfügten. Bedauerlicherweise hatte sie auseiner dieser Beziehungen nach Dafürhalten ihres Göttergatten zu großen Nutzengezogen und war dabei in flagranti erwischt worden. (...)
© der deutschsprachigen Ausgabe 1998 by Karl BlessingVerlag, München
Übersetzung: Ursula Bischoff
- Autor: Peter Mayle
- 2005, Maße: 11,5 x 18,3 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Bischoff, Ursula
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442460107
- ISBN-13: 9783442460106
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