Daniel und die Sehnsucht nach dem Glück
Roman
Hinter der nächsten Ecke wartet die Liebe
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Produktinformationen zu „Daniel und die Sehnsucht nach dem Glück “
Hinter der nächsten Ecke wartet die Liebe
Klappentext zu „Daniel und die Sehnsucht nach dem Glück “
Daniel ist frisch getrennt, sein Leben kommt ihm auf einmal leer vor. Da schenkt ihm eine gute Freundin die Lieder einer unbekannten Sängerin. Sie scheinen von ihm zu erzählen, von seiner Kindheit, seinen Träumen. Aufgewühlt reist er nach Paris, auf der Suche nach der Sängerin. Dort angekommen begegnet er einer rätselhaften Fremden. Mit ihr entdeckt er die poetischen Seiten der Stadt. Endlich fühlt er sich wieder lebendig, und plötzlich liegt Liebe in der Luft. Ein zauberhafter Roman über die ganz großen Gefühle und das Glück zu wissen, zu wem man gehört.
Lese-Probe zu „Daniel und die Sehnsucht nach dem Glück “
Daniel und die Sehnsucht nach dem Glück von Francesc MirallesParis lag schon in weiter Ferne. Obwohl wir erst vor wenigen Minuten über dem Flughafen Charles de Gaulle in den Himmel gestiegen waren, fühlte ich mich in der dichten Wolkendecke, die den Airbus 319 umhüllte, wie in einem Limbus, an einem Ort, an dem nur Erinnerungen und Träume Platz haben.
Nach allem, was in den vergangenen Wochen passiert war, erschien mir die Vorstellung, bald wieder zu Hause zu sein, sonderbar. Ich fürchtete, dort könnte es mir ergehen wie Charlton Heston am Ende von Der Planet der Affen, als er die halb im Sand vergrabene Freiheitsstatue entdeckt, den letzten Überrest einer Vergangenheit, in die er nicht mehr zurückkehren kann.
Denn es fragt sich, ob man wieder der sein kann, der man einmal war, wenn um einen herum alles zusammengebrochen ist.
Als ich die Augen schloss, hatte ich das Gefühl, als seien die Wolken bis in mein Innerstes gedrungen und verschleierten mir dort die letzten Funken klaren Bewusstseins. Kurz bevor mich der Schlaf übermannte, tauchte eine vor langer Zeit in Vergessenheit geratene Szene auf: meine erste Übung in der komplizierten Kunst des Liebens. Hartnäckig wehrte ich mich gegen die Müdigkeit, denn es reizte mich, mir meine eigene Lovestory anzuschauen. Schließlich heißt es, die Vergangenheit erkläre die Gegenwart und bestimme die Zukunft. Also ließ ich vor meinem inneren Auge den Film meiner gescheiterten Liebesgeschichten ablaufen, in der Hoffnung zu begreifen, was ich gerade erlebt hatte.
... mehr
Damals war ich fünfzehn Jahre alt und hatte mich noch nie verliebt. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, dass mir so etwas jemals passieren würde. Ich war ein Außenseiter, von meinen Altersgenossen verschmäht, weil ich mich sauber und brav kleidete und immer meine Hausaufgaben machte. Wenn ich an der Gruppe von Jungen vorbeikam, die rauchend beieinanderstanden und sich Geschichten ihrer neusten Eroberungen erzählten, von denen die meisten erfunden waren, verstummten die Stimmen, bis ich wieder weg war, oder es hagelte abfällige Bemerkungen.
Mädchen waren für mich eine ferne Welt voller Gefahren. Ihre bemalten Lippen, ihre unangenehme Angewohnheit, Kaugummi zu kauen, und ihre billigen Parfums, die sich in aufdringlicher Weise im Klassenzimmer vermischten, stießen mich ab. Und die Verwandlung ihrer Körper war mir ein einziges Rätsel. Von einem Jahr aufs andere hatten sie sich üppige Kurven zugelegt, mit denen sie die gesamte Männerwelt herausforderten.
Trotzdem war ich neugierig. Es reizte mich herauszufinden, ob diese Rundungen echt waren oder nur das Ergebnis geschickt platzierter Schaumstoffpolster, um Jungenphantasien anzuheizen.
Bei einer der wenigen Partys, zu denen ich damals eingeladen war, bat Ruth, die Femme fatale aus unserer Klasse, mich flüsternd, unauffällig in den Garten zu gehen. Sie selbst wolle sich auch heimlich davonschleichen, um mich draußen zu treffen.
Gesagt, getan. Die Nacht war ungewöhnlich kalt für das eher milde Klima Barcelonas. Meine Jacke hing im Erdgeschoss an der Garderobe, und ich konnte sie mir nicht holen, ohne dass die anderen, die tanzten, tranken und rauchten, als ob es kein Morgen gäbe, es mitbekamen. Also ging ich in den Garten, wie ich war, und wartete frierend darauf, dass Ruth kam. Ich hatte keine Ahnung, was ich dann tun würde - ich wusste nicht einmal, was man beim Küssen mit der Zunge macht -, ich wusste nur, dass etwas Wichtiges passieren würde.
Doch was geschah, war, dass die sinnliche Ruth nicht erschien. Nachdem ich in meinem dünnen Wollpullover eine Viertelstunde zitternd im Garten gestanden hatte, kehrte ich ratlos ins Wohnzimmer zurück.
Dort erwarteten mich die anderen ungeduldig und gespannt, allen voran das Mädchen, das sich im Garten mit mir verabredet hatte. Ihr schadenfrohes Lachen habe ich heute noch in den Ohren.
Nach diesem Abend wollte ich von Mädchen nichts mehr wissen. Ich ging ihnen gezielt aus dem Weg und fühlte mich stark dabei. Bis ein Jahr später ein Mädchen auftauchte, gegen das ich nicht immun war.
Ich saß in der Schulbibliothek und lernte gerade für die Prüfungen des ersten Trimesters, als eine dicke Schultasche auf die Holzplatte knallte und ich erschrocken zusammenfuhr. Obwohl der lange Tisch leer und auch sonst kaum jemand im Raum war, hatte eine der Neuen aus unserer Klasse beschlossen, sich direkt neben mich zu setzen. Verstohlen beobachtete ich sie, während ich vorgab, den Stoff aus dem Spanischunterricht zu lernen. Damals wusste ich noch nicht, dass nie der Mann die Frau auswählt, sondern stets die Frau den Mann, und Sonia - so hieß sie - hatte mich ausgesucht, um mich auf eine harte Probe zu stellen.
Bis zu diesem Augenblick war sie mir nicht weiter aufgefallen. Sie war pummelig, hatte kleine, glänzende Augen und einen kurzen, asymmetrischen Haarschnitt, der ihr etwas Extravagantes verlieh.
»Bescheuerte Wörter«, schimpfte sie, als sie mich mit dem Bleistift eine Reihe von Adjektiven unterstreichen sah.
Verschüchtert starrte ich auf das Papier vor mir und wusste nicht, was ich sagen sollte. Aber Sonia attackierte erneut:
»Es gibt Wörter, die müsste man auf eine schwarze Liste setzen.«
»Eine schwarze Liste? Wie meinst du das?«
»Man müsste sie aus dem Wörterbuch werfen, wie man es mit diesen Eseln macht, die bei den Quizsendungen im Fernsehen mitspielen.«
Das gefiel mir. Mehr noch als die Bemerkung faszinierte mich die Selbstsicherheit, mit der sie geäußert worden war.
»Und welche Wörter würdest du rauswerfen?«, wagte ich zu fragen.
»Man hat eine Umfrage unter Abiturienten gemacht: Zu den Top Five gehören Ungetüme wie >Altvorderen<, >anschicken< oder völlig verstaubte Wörter wie >dünken<, >Erker< oder >Gesindel<.«
»Setz gleich noch >Backfisch< auf die Liste«, ergänzte ich belustigt, während ich das Wort aus meinen Aufzeichnungen strich, »oder ›Kopfputz‹ und ›spornstreichs‹.«
»Ja, weg mit dem ganzen Müll«, erwiderte Sonia und schob sich eine Zigarette in den Mund. »Kommst du mit nach draußen, eine rauchen?«
So begann die erste katastrophale Romanze meines Lebens. Fasziniert von dem Gedanken, dass ein Mädchen mit Charakter, mochte sie auch nicht dem allgemeinen Schönheitsideal entsprechen, sich für einen armen Teufel wie mich interessierte, dauerte es nicht lange, bis meine Phantasie sie in den Himmel hob. Genau in diesem Augenblick hatte sie mich satt.
Plötzlich mied sie mich, und ich verstand nicht, warum. Je netter ich zu Sonia war, umso abweisender wurde sie. Was zur Folge hatte, dass meine Liebe anschwoll wie ein Ballon und in ungeahnte Schmerzenshöhen aufstieg.
Ich war so untröstlich, dass ich sogar bei den Großmäulern Mitleid erweckte, die mich bisher verspottet hatten.
»Vergiss doch diesen Kartoffelsack«, riet mir einer von ihnen. »Merkst du denn nicht, dass sie mit dir spielt? Bagger lieber eine von den heißen Bräuten an.«
»Das kann ich einfach nicht«, erwiderte ich liebeskrank. »Außerdem, wieso sollte sich eine heiße Braut für mich interessieren, wenn der Kartoffelsack mich verachtet?«
»Genau da irrst du dich. Da die Hässlichen zwangsläufig nur selten was mit Jungs haben, sind sie bei ihrer Auswahl eher zimperlich und konservativ. Die heißen Bräute dagegen genießen ihren Erfolg, denen macht es nichts aus, auch mal mit einem Trottel wie dir rumzuknutschen. Sie gehen den ganzen Tag auf Safari und halten Ausschau nach Beute.«
Mir war das alles zu hoch. Ich blieb weiter hartnäckig in Sonia verliebt, das ganze Schuljahr hindurch. Sie dagegen behandelte mich mit vernichtender Gleichgültigkeit, während sie sich gleichzeitig von den größten Schwachköpfen der Klasse verführen ließ. Ich begriff einfach nicht, warum.
Das dritte Mädchen war das erste, mit dem mich eine echte Freundschaft verband, auch wenn es ein Jahrzehnt dauern sollte, bis ich es merkte. Inzwischen war ich siebzehn und hatte mir einen gewissen Ruf als Helfer der Faulen und Begriffsstutzigen aufgebaut. Die Termine für die Aufnahmeprüfungen an der Universität rückten näher, und ich verbrachte meine Freizeit damit, genau denen, die sich zwei Jahre zuvor über mich lustig gemacht hatten, die Grundkonzepte der Physik und der Mathematik zu erläutern.
»Daniel ist schwer in Ordnung«, sagten sie. Nur bei den Mädchen schien ich nicht den gleichen Respekt hervorzurufen. Sie behandelten mich weiterhin wie Luft.
Doch dann kam Helena. Sie war die Schwester eines meiner »Schüler«, ein hoffnungsloser Fall, der sich abstrampelte, um durchs Abitur zu kommen, weil sein Vater ihm ein neuntausend Euro teures Motorrad versprochen hatte, wenn er die Prüfungen bestand.
Ich lernte sie kennen, als ich ihrem Bruder meine Unterrichtsnotizen vorbeibrachte, die er in seinem Zimmer lustlos in den Computer einscannte.
Als wir einander vorgestellt wurden, drückte sie mir zwei dicke Küsse auf die Wangen, so dicht neben meine Mundwinkel, dass ich dachte, mein sehnlicher Wunsch, noch vor meinem achtzehnten Geburtstag ein Mädchen zu küssen, werde in Erfüllung gehen. Dann lächelte sie.
Ich wusste sofort, dass ich in Schwierigkeiten steckte.
Helena war auf eine schlichte Weise hübsch, die mich entwaffnete. Sie schminkte sich nicht wie die anderen Mädchen, und ihr schulterlanges kastanienbraunes Haar war nicht gefärbt. Es umrahmte ein fröhlich-verträumtes Gesicht. Genau wie ihr Bruder hatte sie wenig fürs Büffeln übrig.
Obwohl sie zwei Jahre älter war als ich, dehnte ich den kostenlosen Nachhilfeunterricht bald auch auf sie aus. Sie studierte im ersten Jahr Psychologie und kam mit Statistik nicht zurecht. Um sie zu beeindrucken, paukte ich Tag für Tag den absurden Stoff, Hauptsache, ich konnte in ihrer Nähe sein.
Glücklicherweise auch in diesen Dingen schwer von Begriff, schien ihr Bruder nichts zu merken.
Am Ende unserer Privatstunden bekam ich nun keine Küsse mehr - die gab sie mir bei der Begrüßung, inzwischen aber weiter entfernt von meinen Lippen -, jetzt bedankte sich Helena für meine Bemühungen, indem sie sich eine Hand auf die Brust legte und etwas sagte wie:
»Ich danke dir von ganzem Herzen.«
Ich liebte sie und versuchte, es ihr auf jede erdenkliche Weise zu zeigen. Ich schenkte ihr Romane, brachte ihr aromatisierte Tees mit und nahm CDs und Kultfilme für sie auf.
»Du bist ein Schatz«, sagte sie.
Gleichzeitig wechselte sie von einem Jungen zum nächsten, ich aber stand nie auf ihrer Liste.
Eines Winterabends, als wir bei mir im Zimmer saßen, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Die Heizung war ausgefallen, und Helena schlang frierend die Arme um ihre Brust. Ich lieh ihr einen meiner Pullover, und als ich sie darin vor mir sitzen sah, überkam mich ein alberner Stolz. Und zugleich ein wohliges Gefühl von Vertrautheit, so als wäre sie in diesem Kleidungsstück ein wenig ich selbst.
Da gestand ich ihr meine Liebe.
Ein ganzes Jahr hatte ich gebraucht, um diesen Schritt zu wagen, doch meine mutige Beichte stieß sogleich auf Protest:
»Bitte, Daniel, sag so etwas nicht. Wir sind doch Freunde, oder?«
»Natürlich sind wir das«, entgegnete ich, »aber das genügt mir nicht. Ich will, dass wir ein Paar sind. Für immer.«
Die beiden letzten Worte machten endgültig alles zunichte.
Damals war ich fünfzehn Jahre alt und hatte mich noch nie verliebt. Ich konnte mir nicht einmal vorstellen, dass mir so etwas jemals passieren würde. Ich war ein Außenseiter, von meinen Altersgenossen verschmäht, weil ich mich sauber und brav kleidete und immer meine Hausaufgaben machte. Wenn ich an der Gruppe von Jungen vorbeikam, die rauchend beieinanderstanden und sich Geschichten ihrer neusten Eroberungen erzählten, von denen die meisten erfunden waren, verstummten die Stimmen, bis ich wieder weg war, oder es hagelte abfällige Bemerkungen.
Mädchen waren für mich eine ferne Welt voller Gefahren. Ihre bemalten Lippen, ihre unangenehme Angewohnheit, Kaugummi zu kauen, und ihre billigen Parfums, die sich in aufdringlicher Weise im Klassenzimmer vermischten, stießen mich ab. Und die Verwandlung ihrer Körper war mir ein einziges Rätsel. Von einem Jahr aufs andere hatten sie sich üppige Kurven zugelegt, mit denen sie die gesamte Männerwelt herausforderten.
Trotzdem war ich neugierig. Es reizte mich herauszufinden, ob diese Rundungen echt waren oder nur das Ergebnis geschickt platzierter Schaumstoffpolster, um Jungenphantasien anzuheizen.
Bei einer der wenigen Partys, zu denen ich damals eingeladen war, bat Ruth, die Femme fatale aus unserer Klasse, mich flüsternd, unauffällig in den Garten zu gehen. Sie selbst wolle sich auch heimlich davonschleichen, um mich draußen zu treffen.
Gesagt, getan. Die Nacht war ungewöhnlich kalt für das eher milde Klima Barcelonas. Meine Jacke hing im Erdgeschoss an der Garderobe, und ich konnte sie mir nicht holen, ohne dass die anderen, die tanzten, tranken und rauchten, als ob es kein Morgen gäbe, es mitbekamen. Also ging ich in den Garten, wie ich war, und wartete frierend darauf, dass Ruth kam. Ich hatte keine Ahnung, was ich dann tun würde - ich wusste nicht einmal, was man beim Küssen mit der Zunge macht -, ich wusste nur, dass etwas Wichtiges passieren würde.
Doch was geschah, war, dass die sinnliche Ruth nicht erschien. Nachdem ich in meinem dünnen Wollpullover eine Viertelstunde zitternd im Garten gestanden hatte, kehrte ich ratlos ins Wohnzimmer zurück.
Dort erwarteten mich die anderen ungeduldig und gespannt, allen voran das Mädchen, das sich im Garten mit mir verabredet hatte. Ihr schadenfrohes Lachen habe ich heute noch in den Ohren.
Nach diesem Abend wollte ich von Mädchen nichts mehr wissen. Ich ging ihnen gezielt aus dem Weg und fühlte mich stark dabei. Bis ein Jahr später ein Mädchen auftauchte, gegen das ich nicht immun war.
Ich saß in der Schulbibliothek und lernte gerade für die Prüfungen des ersten Trimesters, als eine dicke Schultasche auf die Holzplatte knallte und ich erschrocken zusammenfuhr. Obwohl der lange Tisch leer und auch sonst kaum jemand im Raum war, hatte eine der Neuen aus unserer Klasse beschlossen, sich direkt neben mich zu setzen. Verstohlen beobachtete ich sie, während ich vorgab, den Stoff aus dem Spanischunterricht zu lernen. Damals wusste ich noch nicht, dass nie der Mann die Frau auswählt, sondern stets die Frau den Mann, und Sonia - so hieß sie - hatte mich ausgesucht, um mich auf eine harte Probe zu stellen.
Bis zu diesem Augenblick war sie mir nicht weiter aufgefallen. Sie war pummelig, hatte kleine, glänzende Augen und einen kurzen, asymmetrischen Haarschnitt, der ihr etwas Extravagantes verlieh.
»Bescheuerte Wörter«, schimpfte sie, als sie mich mit dem Bleistift eine Reihe von Adjektiven unterstreichen sah.
Verschüchtert starrte ich auf das Papier vor mir und wusste nicht, was ich sagen sollte. Aber Sonia attackierte erneut:
»Es gibt Wörter, die müsste man auf eine schwarze Liste setzen.«
»Eine schwarze Liste? Wie meinst du das?«
»Man müsste sie aus dem Wörterbuch werfen, wie man es mit diesen Eseln macht, die bei den Quizsendungen im Fernsehen mitspielen.«
Das gefiel mir. Mehr noch als die Bemerkung faszinierte mich die Selbstsicherheit, mit der sie geäußert worden war.
»Und welche Wörter würdest du rauswerfen?«, wagte ich zu fragen.
»Man hat eine Umfrage unter Abiturienten gemacht: Zu den Top Five gehören Ungetüme wie >Altvorderen<, >anschicken< oder völlig verstaubte Wörter wie >dünken<, >Erker< oder >Gesindel<.«
»Setz gleich noch >Backfisch< auf die Liste«, ergänzte ich belustigt, während ich das Wort aus meinen Aufzeichnungen strich, »oder ›Kopfputz‹ und ›spornstreichs‹.«
»Ja, weg mit dem ganzen Müll«, erwiderte Sonia und schob sich eine Zigarette in den Mund. »Kommst du mit nach draußen, eine rauchen?«
So begann die erste katastrophale Romanze meines Lebens. Fasziniert von dem Gedanken, dass ein Mädchen mit Charakter, mochte sie auch nicht dem allgemeinen Schönheitsideal entsprechen, sich für einen armen Teufel wie mich interessierte, dauerte es nicht lange, bis meine Phantasie sie in den Himmel hob. Genau in diesem Augenblick hatte sie mich satt.
Plötzlich mied sie mich, und ich verstand nicht, warum. Je netter ich zu Sonia war, umso abweisender wurde sie. Was zur Folge hatte, dass meine Liebe anschwoll wie ein Ballon und in ungeahnte Schmerzenshöhen aufstieg.
Ich war so untröstlich, dass ich sogar bei den Großmäulern Mitleid erweckte, die mich bisher verspottet hatten.
»Vergiss doch diesen Kartoffelsack«, riet mir einer von ihnen. »Merkst du denn nicht, dass sie mit dir spielt? Bagger lieber eine von den heißen Bräuten an.«
»Das kann ich einfach nicht«, erwiderte ich liebeskrank. »Außerdem, wieso sollte sich eine heiße Braut für mich interessieren, wenn der Kartoffelsack mich verachtet?«
»Genau da irrst du dich. Da die Hässlichen zwangsläufig nur selten was mit Jungs haben, sind sie bei ihrer Auswahl eher zimperlich und konservativ. Die heißen Bräute dagegen genießen ihren Erfolg, denen macht es nichts aus, auch mal mit einem Trottel wie dir rumzuknutschen. Sie gehen den ganzen Tag auf Safari und halten Ausschau nach Beute.«
Mir war das alles zu hoch. Ich blieb weiter hartnäckig in Sonia verliebt, das ganze Schuljahr hindurch. Sie dagegen behandelte mich mit vernichtender Gleichgültigkeit, während sie sich gleichzeitig von den größten Schwachköpfen der Klasse verführen ließ. Ich begriff einfach nicht, warum.
Das dritte Mädchen war das erste, mit dem mich eine echte Freundschaft verband, auch wenn es ein Jahrzehnt dauern sollte, bis ich es merkte. Inzwischen war ich siebzehn und hatte mir einen gewissen Ruf als Helfer der Faulen und Begriffsstutzigen aufgebaut. Die Termine für die Aufnahmeprüfungen an der Universität rückten näher, und ich verbrachte meine Freizeit damit, genau denen, die sich zwei Jahre zuvor über mich lustig gemacht hatten, die Grundkonzepte der Physik und der Mathematik zu erläutern.
»Daniel ist schwer in Ordnung«, sagten sie. Nur bei den Mädchen schien ich nicht den gleichen Respekt hervorzurufen. Sie behandelten mich weiterhin wie Luft.
Doch dann kam Helena. Sie war die Schwester eines meiner »Schüler«, ein hoffnungsloser Fall, der sich abstrampelte, um durchs Abitur zu kommen, weil sein Vater ihm ein neuntausend Euro teures Motorrad versprochen hatte, wenn er die Prüfungen bestand.
Ich lernte sie kennen, als ich ihrem Bruder meine Unterrichtsnotizen vorbeibrachte, die er in seinem Zimmer lustlos in den Computer einscannte.
Als wir einander vorgestellt wurden, drückte sie mir zwei dicke Küsse auf die Wangen, so dicht neben meine Mundwinkel, dass ich dachte, mein sehnlicher Wunsch, noch vor meinem achtzehnten Geburtstag ein Mädchen zu küssen, werde in Erfüllung gehen. Dann lächelte sie.
Ich wusste sofort, dass ich in Schwierigkeiten steckte.
Helena war auf eine schlichte Weise hübsch, die mich entwaffnete. Sie schminkte sich nicht wie die anderen Mädchen, und ihr schulterlanges kastanienbraunes Haar war nicht gefärbt. Es umrahmte ein fröhlich-verträumtes Gesicht. Genau wie ihr Bruder hatte sie wenig fürs Büffeln übrig.
Obwohl sie zwei Jahre älter war als ich, dehnte ich den kostenlosen Nachhilfeunterricht bald auch auf sie aus. Sie studierte im ersten Jahr Psychologie und kam mit Statistik nicht zurecht. Um sie zu beeindrucken, paukte ich Tag für Tag den absurden Stoff, Hauptsache, ich konnte in ihrer Nähe sein.
Glücklicherweise auch in diesen Dingen schwer von Begriff, schien ihr Bruder nichts zu merken.
Am Ende unserer Privatstunden bekam ich nun keine Küsse mehr - die gab sie mir bei der Begrüßung, inzwischen aber weiter entfernt von meinen Lippen -, jetzt bedankte sich Helena für meine Bemühungen, indem sie sich eine Hand auf die Brust legte und etwas sagte wie:
»Ich danke dir von ganzem Herzen.«
Ich liebte sie und versuchte, es ihr auf jede erdenkliche Weise zu zeigen. Ich schenkte ihr Romane, brachte ihr aromatisierte Tees mit und nahm CDs und Kultfilme für sie auf.
»Du bist ein Schatz«, sagte sie.
Gleichzeitig wechselte sie von einem Jungen zum nächsten, ich aber stand nie auf ihrer Liste.
Eines Winterabends, als wir bei mir im Zimmer saßen, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Die Heizung war ausgefallen, und Helena schlang frierend die Arme um ihre Brust. Ich lieh ihr einen meiner Pullover, und als ich sie darin vor mir sitzen sah, überkam mich ein alberner Stolz. Und zugleich ein wohliges Gefühl von Vertrautheit, so als wäre sie in diesem Kleidungsstück ein wenig ich selbst.
Da gestand ich ihr meine Liebe.
Ein ganzes Jahr hatte ich gebraucht, um diesen Schritt zu wagen, doch meine mutige Beichte stieß sogleich auf Protest:
»Bitte, Daniel, sag so etwas nicht. Wir sind doch Freunde, oder?«
»Natürlich sind wir das«, entgegnete ich, »aber das genügt mir nicht. Ich will, dass wir ein Paar sind. Für immer.«
Die beiden letzten Worte machten endgültig alles zunichte.
... weniger
Autoren-Porträt von Francesc Miralles
Miralles, FrancescFrancesc Miralles ist ein Multitalent. Er macht Musik, schreibt, wurde vielfach ausgezeichnet, und arbeitete einige Jahre als Indie-Verleger. Heute ist er in seiner Lieblingsstadt Barcelona zuhause.
Bibliographische Angaben
- Autor: Francesc Miralles
- 2012, 320 Seiten, Maße: 12,6 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Hoffmann-Dartevelle, Maria
- Übersetzer: Maria Hoffmann-Dartevelle
- Verlag: List TB.
- ISBN-10: 3548610811
- ISBN-13: 9783548610818
Rezension zu „Daniel und die Sehnsucht nach dem Glück “
»Ein wunderbares, empfehlenswertes Buch.« Frankfurter Rundschau, 01.12.10
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