Das Buch der verrückten Experimente
"Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Schokolad' Staniol enthält." Seit jeher wird gerne über den allzu menschlichen Drang nach wissenschaftlicher Erkenntnis geschmunzelt. Ein neues Lexikon bietet nun weiteren Anlass dazu.
Der Wissenschaftsjournalist Reto U. Schneider hat über hundert "verrückte Experimente" aus sieben Jahrhunderten gesammelt - mit mehr oder weniger großer Bedeutung für die Menschheit. Es geht um Sex auf einer Waage; Tote, die zwinkern; die Pulsfrequenz beim vierfachen Orgasmus; einen Hund mit zwei Köpfen. Getestet wird, wie schwer ein Huhn auf dem Ei sitzt, wie das Netz einer Spinne unter LSD-Einfluss aussieht oder wie lange man das Nichtstun aushält. Neben bizarren Untersuchungsobjekten oder geradezu wagemutigen Untersuchungsmethoden finden sich aber auch nützliche Erkenntnisse, auf die man lange gewartet hat. 1772 wurde wissenschaftlich festgestellt, dass auch Eunuchen Stromschläge spüren. Seit 1882 ist bewiesen, dass der Mensch zur Faulheit neigt. Dank eines mehrfach wiederholten Experiments mit zwölf frierenden Menschen in nassen Socken ist endlich bewiesen, dass Erkältung nicht von Kälte kommt.
»Das Buch der verrückten Experimente« ist ein gelungener Versuch, Wissenschaft mit Unterhaltung zu verbinden. Eine kuriose Sammlung zum Wundern, zum Schmunzeln, zum Angeben und zum Verschenken.
Das Buchder verrückten Experimente von Reto U. Schneider
LESEPROBE
Einleitung
DiesesBuch entstand aus Abfallprodukten. Wer als Wissenschaftsjournalist arbeitet,häuft zwangsläufig einen Stapel von Studien an, über die er schreiben will,wenn er einmal Zeit dazu hat. Natürlich hat er nie Zeit. Und selbst wenn Zeitwäre - das Sammelgut widerspricht allen journalistischen Kriterien: Entwederist es uralt, grotesk unwichtig oder beides zusammen. Und trotzdem hat man, ausGründen, die einem selbst schleierhaft bleiben, sein Herz daran gehängt.
MeineLeidenschaft sind ungewöhnliche Experimente, und mein Stapel sah schon seinerEntsorgung entgegen, als ich in NZZ-Folio, der Zeitschrift der NeuenZürcher Zeitung, die Gelegenheit bekam, eine Wissenschaftskolumne zuverfassen, die sich nicht an der aktuellen Nachrichtenlage orientierte. Endlichkonnte ich über den getürkten Mordversuch im Hörsaal schreiben, über dasLebenselixier aus Meerschweinchenhoden, über den Puls beim Orgasmus. Die Textein NZZ-Folio, die einen Teil dieses Buches ausmachen, hatten bald einefeste Fan-Gemeinde. Leserinnen gaben mir Hinweise auf Tramper-Tipps, Leserwollten genauere Informationen über die Stripteaseversuche in Las Vegas.
Doch dieKolumne entschärfte die Lage in meiner Abfallbewirtschaftung nur vorübergehend,denn während meiner Recherchen stieß ich auf immer neue Versuche, die auf demStapel landeten. Durch die Spinnen im Weltall entdeckte ich die Spinnen unterLSD, durch die Autohupforschung die Anhalterforschung. So entstand die Idee für»Das Buch der verrückten Experimente«. Ein Experiment ist nach Brockhaus »diekünstliche Herbeiführung und Abwandlung von Beobachtungsbedingungen zurGewinnung wissenschaftlicher Unterlagen«. Verrückt ist ein Experiment dann,wenn ich es für verrückt erkläre. Das kann auf Grund der unterschiedlichstenKriterien geschehen. Zum Beispiel wegen einer ungewöhnlichenFragestellung:Wie beeinflusst die Einnahme von Drogen das Erleben eines Gottesdienstes? Wegeneiner seltsamen Methode: die Fernsteuerung eines Stiers in der Arena. Wegen einerbizarren Erkenntnis: In einem Prozent der Fälle kommt es beimGeschlechtsverkehr zum Austausch von Schamhaaren.
Inwissenschaftlichen Publikationen erscheint die Durchführung eines Experimentsoft geradlinig: Die Forscher studieren des relevante Material, bilden eineHypothese, entwerfen ein Experiment, das sie dann ohne größere Probleme in dieTat umsetzen. In Wirklichkeit, so erklärte mir ein Forscher, ist dieDurchführung eines Experiments ein bisschen, als würde man in den Krieg ziehen:»Beim ersten Feindkontakt werden alle Pläne über den Haufen geworfen. « Fürdieses Buch interessierten mich die offiziellen Publikationen genauso wie dieinoffiziellen Schwierigkeiten bei der Durchführung der Experimente. Ich griffauf Hintergrundmaterial, unveröffentlichte Aufzeichnungen und Zeitungsartikelzurück und befragte die beteiligten Wissenschaftler persönlich, sofern dasmöglich war. Dabei bin ich auf Experimente gestoßen, die Ehen zerstörten undKarrieren beendeten, auf solche, die Schlagzeilen machten, und andere, diestandhaft weitererzählt werden, obwohl sie nie durchgeführt worden sind.
Man kanndieses Buch wie jedes andere von vorne bis hinten durchlesen. Die Experimentesind chronologisch geordnet, sie beginnen im Mittelalter und enden in der Gegenwart.Ab Seite 281 finden Sie ein thematisch geordnetes Inhaltsverzeichnis, zudemwird in vielen Texten auf verwandte Experimente im Buch verwiesen. Sie können aberauch einfach blättern und sich von den Bildern zum Lesen verführen lassen.Jeder Text steht für sich. Die Jahreszahlen in den Überschriften geben an, wannein Experiment durchgeführt worden ist. Wo sich das exakte Jahr nicht ermittelnließ, habe ich mit Hilfe anderer Quellen das Jahr geschätzt.
In derRandspalte finden Sie Hinweise auf Bücher, Filme und Internetseiten sowie dieHauptquelle des jeweiligen Experiments. Filmclips, Links und weitereInformationen zum Buch gibt es unter www.verrueckte-experimente.de.
1304 - UndDietrich ging zum Regenbogen
Irgendwannzwischen 1304 und 1310 füllte der Dominikanermönch Dietrich von Freiberg einekugelförmige Glasflasche mit Wasser und hielt sie in die Sonne. »Der größte wissenschaftlicheBeitrag der westlichen Welt im Mittelalter «, sollte später darüber geurteiltwerden. Zahllose Gelehrte vor ihm hatten schon versucht, hinter das Geheimnisdes Regenbogens zu kommen. Einige vermuteten, der Bogen am Himmel sei eineReflexion der Sonnenscheibe, andere glaubten, die Wolke aus Regen wirke als Linse.Klar war, dass der Regen irgendwie das Sonnenlicht reflektierte, denn derRegenbogen war nur mit tief stehender Sonne im Rücken zu sehen. Doch warum warer immer Teil eines gleich großen Kreises? Wie war die Anordnung der Farben zuerklären? Und woher kam der zweite Bogen, der manchmal oberhalb des erstenerschien und dessen Farben die umgekehrte Reihenfolge hatten?
Durchbloßes Beobachten war dem Regenbogen nicht beizukommen. Doch wie konnte man dasNaturschauspiel ins Labor holen? Man wusste zwar, dass sich das Sonnenlicht inFarben aufteilte, wenn es durch eine Wasserflasche schien, doch die Flasche,die man sich als verkleinerte Regenwolke dachte, erzeugte ja keinen Regenbogen.Eine neue Idee musste her, und Dietrich von Freiberg hatte sie: Er sah diekugelförmige Wasserflasche nicht als verkleinerte Wolke, sondern alsvergrößerten Tropfen. Wer verstand, was mit dem Sonnenlicht in einem einzelnen Tropfenpassiert, brauchte sich nur noch zu überlegen, was geschähe, wenn dieunzähligen Tropfen eines Regenschauers gleichzeitig diesen Effekt zeigten. Alsoverfolgte von Freiberg einen einzelnen Sonnenstrahl auf seinem Weg. Zuerst ließer den Strahl in den oberen Teil des Tropfens eindringen: Er sah an seinerKugelflasche, dass er zuerst gebrochen wurde und dann seinen Weg im Wasser ineinem etwas steileren Winkel fortsetzte. An der Rückseite der Flasche verließein Teil des Strahls die Flasche, der andere Teil wurde reflektiert,durchquerte das Wasser jetzt rückwärts und verließ es dann im unteren Teil derKugelflasche, der Sonne zugewandt, wobei er erneut gebrochen wurde.
© C. Bertelsmann
- Autor: Reto U. Schneider
- 2004, 303 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, Maße: 15,3 x 22,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: C. Bertelsmann
- ISBN-10: 3570007928
- ISBN-13: 9783570007921
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