Das dreizehnte Dorf
Eine Reise in die Urängste des Mittelalters.
Es ist ein eisiger Winter im Jahre 1284, und die Einwohner von Draguan leiden unter ''der Kälte des Teufels''. Die Angst geht um in ihrem Bistum, seit einige Mädchen in einem Fluss die Gebeine dreier brutal...
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Eine Reise in die Urängste des Mittelalters.
Es ist ein eisiger Winter im Jahre 1284, und die Einwohner von Draguan leiden unter ''der Kälte des Teufels''. Die Angst geht um in ihrem Bistum, seit einige Mädchen in einem Fluss die Gebeine dreier brutal ermordeter Reisender entdeckt haben.
Die Bauern und Handwerker glauben, dass diese Schreckensfunde mit den Gerüchten um Heurteloup zusammenhängen, jenem rätselhaften Dorf, dessen Existenz jahrzehntelang vergessen worden war.
Der Bischof von Draguan ist zutiefst beunruhigt und lässt zur Aufklärung des Rätsels einen jungen Priester kommen. Noch bevor Henno Gui eintrifft, ist der Bischof Opfer eines Anschlags geworden. Gui ist sich der Gefahr bewusst, bricht aber dennoch mit zwei unerschrockenen Gehilfen in das nur wenige Hütten zählende vergessene Dorf auf.
Es wird eine Reise in das Herz einer ungeheuren Verschwörung, deren Geheimnisse im Lateranpalast von Rom und in den Archiven von Paris gehütet werden, eine Reise in die Urängste des Mittelalters, einer Zeit, in der Wissen und Glauben im Krieg nebeneinander lagen.
Romain Sardou ist 30 Jahre alt und lebt in Paris. Mit seinem ersten Roman ''Das dreizehnte Dorf'' gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller.
Das dreizehnte Dorfvon Romain Sardou
LESEPROBE
Für den größten Teil des Abendlandes war der schrecklicheWinter im Jahre 1284 eine Katastrophe. Für die Einwohner von Draguan bedeuteteer einen weiteren Fluch.
Die Eisschicht, die die kleine, verwitterte Statue der heiligen Jungfrau Mariaseit mehreren Wochen einhüllte, zerbrach. Die Kälte spaltete diese armeGottesmutter aus Gips, die einsam auf dem flachen Land stand, dort, wo die Wegenach Domines und Befayt sich kreuzten.
Die Trümmer wurden nicht aufgesammelt. Man ließ sie dort wie eine Mahnungliegen, um diejenigen zu entmutigen, die sich noch in die Diözese Draguanwagten.
Niemals zuvor hatte es eine solche »Teufelskälte« gegeben. Die Familien, die inder Einsamkeit wohnten, suchten in den Gemeinden Schutz. Unzählige Feuerstellenauf den Feldern warfen einen roten Schein auf das Land. Die Menschen bedecktendie Dächer mit Ölpapier und getrockneten Binsen. Das ganze Volk schmiegte sichan Strohballen und das warme Fell der Tiere, die in die Hütten geholt wordenwaren. Der strenge Winter in jenem Jahr war schlimmer als die Hungersnöte desschwarzen Jahrhunderts.
Ein gutes Jahr nach den beunruhigenden Ereignissen am Damm von Domines dachteder Bischof von Draguan, Monseigneur Haquin, noch immer, dass sich zu vieleMächte gegen seine kleine Diözese verschworen. Wie alle Menschen hier trug ereine dicke Fellmütze und sorgte sich um die zersplitterten Jungfrauen und die»höllische« Kälte.
Als der Frost einsetzte, musste er seinen Bischofssitz verlassen und in einekleine Zelle im zweiten Stock des Domstiftes ziehen. Die enge, niedrige Kammerwar frisch gekalkt und einfacher zu wärmen als seine eigentliche Wohnstatt. Ergewöhnte sich schnell an die Bedingungen seines neuen Zufluchtsortes: EinStuhl, ein Tisch und eine Truhe, alles aus einfachem Holz, genügten für seinAmt. Sein einziger Luxus war ein breiter Chorstuhl, von dem sich der alte Mannniemals trennte. Diesen Holzstuhl, der für ihn zugleich ein Erinnerungsstückund ein geweihter Gegenstand war, nahm er überallhin mit. Besonders in diesenZeiten. Haquins Charakter hatte sich beträchtlich verändert, seitdem man diedrei Leichen im Montayou gefunden hatte. Der Mann, der bislang nicht nur alsmächtig, sondern auch als entschlusskräftig und geistesgegenwärtig gegoltenhatte, verwandelte sich plötzlich in einen alten, weißhaarigen Einsiedler, derseine Schäfchen vergaß und immerzu vor seinen heiligen Büchern hockte. SeineAugen nahmen die undurchdringliche Tönung der Kirchenfenster an. Sein Blickverhärtete sich. Niemand verstand, warum der etwa achtzigjährige Bischof sichdas Schicksal der im Montayou aufgefundenen Leichen so sehr zu Herzen nahm unddie Christenschuld so umfassend auslegte.
Im Morgengrauen des 6. Januar 1284 stand der Bischof wie jeden Morgen vorseinem Schreibpult. Die Gipfel der Pyrenäen hoben sich vage vom Horizont ab.Ein heftiger Sturm fegte durch die Straßen und durch die Hütten. Alles aufseinem Weg erfror: die schlecht geschützten Behausungen und die Dreschtennen.
Haquins Kammer, die einzige, die um diese Tageszeit erhellt war, badete imleuchtenden Schein knisternder Kerzen.
Jemand klopfte an die Tür. Der Vikar des Bischofs, Bruder Chuquet, nannteseinen Namen und trat ein. Er war ein Mann von dreißig Jahren. Wie alleMitglieder seines Ordens trug er die Tonsur und eine ungefärbte, langärmeligeKutte, um die er einen Gürtel geschlagen hatte. An seiner Schulter war zurErinnerung an den Orden von Tabor, der Draguan gegründet hatte, ein kleinesAbzeichen mit einer Nadel befestigt. Der treue, gewissenhafte Mann hatte auchdie Aufgabe eines Verwalters inne. Er begrüßte seinen Herrn ehrerbietig.
»Guten Morgen, Monseigneur.«
Der alte Mann, der sich über sein Schreibpult beugte, murmelte einen Gruß, ohneden Kopf zu heben. Chuquet brachte den Krug mit gefrorenem Wasser, den er jedenMorgen in die Aushöhlung der Feuerstelle schob.
Er schloss leise die Eichentür, damit sein Herr nicht bei der Lektüre gestörtwurde. Bruder Chuquet, der gerade erst aus dem Bett gestiegen war, machte sichsofort an die Arbeit und bemühte sich, das Feuer im Ofen zu entfachen.
»Haben wir Neuigkeiten von unserem Abenteurer?«, fragte der Bischof.
»Leider nicht, Monseigneur. Es ist bitterkalt. Der Ziegenhirt Adso ist vor fünfTagen aus Passier zurückgekehrt. Er beteuert, dass beinahe das ganze Königreichunter einer Schneedecke begraben liegt. Sogar die großen Straßen sind nichtmehr passierbar. Im Augenblick sind wir die Einzigen, die nicht eingeschneitsind.«
»Hm...«
»Bevor das Tauwetter einsetzt, können wir nicht hoffen«, fügte der Mönch hinzu.»Der Winter hat gerade erst begonnen. Er wird in den nächsten Wochen sichernoch härter werden.«
»Das ist schade. Was ist heute für ein Tag?«
»Heute ist der Tag des heiligen Emiel, Monseigneur.«
»Ach, der gute Emiel?... Dann ist noch nichts verloren«, sagte der Bischof. »Esmüsste ein schöner Tag werden. Wir werden sehen.«
Der Vikar kannte die Symbolik des heiligen Emiel nicht, aber er hatte nicht denMut, es zuzugeben. Er wollte nur warten, bis das Wasser im Kübel heiß war, unddann ins Refektorium gehen. Er beobachtete, wie die Holzscheite prasselnd Feuerfingen und die Flammen in die Höhe leckten. Dann stellte Chuquet den Wasserkrugauf den Ofen.
Durch ein einziges Fenster, das aus gewachstem Leinen bestand, drang Tageslichtin diesen Raum. Der Mönch blickte auf den großen Platz von Draguan, auf dem dieKirche und das Domstift standen. Obwohl seit Jahren kein Domherr mehr im Bistumdie Messe las, trug das Haus diesen Namen früherer Zeiten. Ein alter Bischof,drei Mönche und fünf Pfarrer für zwölf Gemeinden waren alles, was Draguan - einkleines Bistum auf dem Lande - zu bieten hatte.
Die Straßen des Marktfleckens waren menschenleer. Die Wolken hingen tief undberührten fast die Spitze des Kirchturms. Normalerweise wagte sich bei diesemWetter niemand hinaus. Chuquet entdeckte an einer Straßenbiegung ein mattesLicht, das an diesem frühen Morgen auf und nieder wippte und verschwand.
Wieder ein Ehebruch, sagte sich der Vikar im Stillen.
Als der Vikar am Schreibtisch des Bischofs vorbeiging, sah er die farbigeMiniatur eines Codex, in die sein Herr vertieft war. Die Neugier gehörte nichtzu seinen Lastern, aber die große Konzentration des Bischofs und die Bewegungenseiner Lippen machten ihn stutzig.
Die Original-Buchmalerei, deren grelle Farben ins Auge stachen, bestand ausSymbolen und kleinen Figuren: Ein großes, kunstvolles Gemälde mit zahlreichenIkonen und bunt schillerndem Arkanum. Als Chuquet den Sinn des Werkes erkannte,erblasste er wie ein Klostermönch, der auf frischer Tat bei einem Diebstahlertappt worden war. In der Mitte des großen Bildes sah man eine scheußlicheGruppe nackter Frauen, die sich paarten, hundsköpfige Ungeheuer, fliegendeHippogryphen, Krähen mit abgeschnittenen Hälsen, dunkle Wälder, die vonFeuerfunken gehetzte Menschen ausspien, Scheiterhaufen aus Menschenfleisch,umgedrehte Kruzifixe, die die Wänste der Pfarrer mit den geilen Mienendurchbohrten. Das Bild war zweifellos eine der schändlichsten Darstellungen desBösen, die je ein Mensch hervorgebracht hatte. Wie konnte der Stilus einesMeisters diese teuflischen Kurven und Kanten ziehen, ohne dass das Pergament inFlammen aufging?
Chuquet wandte sich ab und bemühte sich, keinen einzigen Blick mehr auf dieungeheuerlichen Eingebungen dieses Frevlers zu werfen. Leider waren die anderenArbeiten auf dem Lesepult des Bischofs ebenso schändlich. Der Vikar sahteuflische Federzeichnungen auf Pergament, Abhandlungen der Apokalypse,johanneische Miniaturen, Kalender der Kalabrier, niederträchtige Abbildungenvon Sukkuben und Formeln aus dem Nekronomikon ... Chuquet wusste nicht mehr,wohin er seinen Blick wenden sollte. Lief er nicht Gefahr, den klösterlichenAnstand und die strengen Ordensgelübde zu verletzen?
Der Bischof bemerkte die Verlegenheit des Vikars nicht, griff nach einemanderen Buch und legte seinen Lesestein auf den Text.
Gott steh mir bei, dachte Chuquet. In der Abtei in Gall hätte mir mein Vorwitzzwei Wochen Nachtwache oder sieben Schläge mit der Rute der decani iunioreseingebracht. Der Mönch beschloss, sich davonzustehlen. Nachdem er sich davonüberzeugt hatte, dass das Wasser im Krug kochte, verabschiedete er sich vomBischof. Er lief ins Refektorium und gesellte sich zu den beiden anderenMönchen des Bistums. (...)
© Verlagsgruppe Random House
Übersetzung: Karin Meddekis
- Autor: Romain Sardou
- 2005, 415 Seiten, Maße: 12 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Französ. v. Karin Meddekis
- Übersetzer: Karin Meddekis
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453470176
- ISBN-13: 9783453470170
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