Das Erbe des Salzhändlers
Jahre später erkennt ein Ritter im Gesicht des Jungen Züge seines Vaters Anselm wieder, und Kai macht sich auf nach Innsbruck, um sein Erbe einzufordern. Doch dort, bei seinen Verwandten, stößt er auf ein Gespinst aus Intrigen, Habgier, Fälschung und Verrat. Dennoch wird Kai Salzhändler wie sein Vater. Und als er Lisa wieder begegnet, die mit ihren seherischen Fähigkeiten kurz nach Kais Rettung in ihm bereits ihren zukünftigen Mann erkannte, kommt er hinter das dunkle Geheimnis, das Junker Gottfried so lange vor ihm verborgen hat ...
"Roland Mueller versteht es, seine Leser durchweg in den Bann zu ziehen und bis zum Schluss zu fesseln!" - Mainpresse
DasErbe des Salzhändlers von Roland Mueller
LESEPROBE
Prolog
ImNovember
desJahres 1157
1
Seitzwei Tagen folgten die vier Mönche dem Waldweg zu
Fuß.Nur der älteste von ihnen, Bruder Wernhardt ritt auf
einemMaultier. Nebelnässe durchfeuchtete ihre Wollkutten.
»Wirsind da«, sagte Bertholdus.
Esroch nach Rauch, und sie hörten Hundegebell. Wernhardt
verzogsein Gesicht vor Schmerz, und Bruder Bertholdus
wusste,warum. Der Abgesandte des Bischofs von Freisingen
hatteNierenschmerzen.
Vorihnen lag ein Jagdlager, groß genug, um einem guten
DutzendZelten Platz zu geben. Hier schien es weniger neblig
zusein, denn als sie näher kamen, erkannten sie den
dunklenWald hinter den Zeltreihen. Dort schimmerten
nochReste bunt gefärbten Laubes. Wenn die Sonne herauskam,
würdedas Farbenspiel sicher prächtig werden. Aber
daraufhoffte niemand mehr. Die Gegend war sumpfig, und
diedichten Wälder hielten den zähen Nebel fest.
»Wirsind da«, sagte Bertholdus noch einmal und hoffte,
dassWernhardt etwas darauf antworten würde.
Aberder Bruder war müde. Die tagelange Reise durch
dieKälte hatte sein Leiden nur verstärkt. Lieber wäre er im
Klostergeblieben, in seiner Kammer oder im Hospiz bei Bruder
Engelhardt.Aber diese Reise war ja wichtig und duldete
keinenAufschub.
»Herr,hab Erbarmen«, stöhnte er und schloss die Augen,
alser eine neue Schmerzwelle herannahen spürte.
»Nochnicht besser?«, fragte Bertholdus.
Wernhardtschüttelte den Kopf und stöhnte, ohne die
Augenzu öffnen.
»Manchmalglaube ich, es zerreißt mir den Leib.«
DasMaultier stand still und ließ den Kopf hängen. Bertholdus
ahnte,dass Wernhardt das Ende ihrer Reise möglichst
langehinauszögern wollte.
»Nunsind wir ja da«, sagte Bertholdus bereits zum dritten
Mal.
»Ja«,antwortete Wernhardt mühsam, »schick Bruder Markus
voraus.Er soll uns ankündigen.«
DerMönch blickte sich um. Aber Bruder Markus hatte
längstverstanden und folgte bereits mit schnellem Schritt
demWeg, der direkt in das Lager führte.
Wernhardtblieb sitzen und atmete schwer. Dann, als der
Schmerzallmählich nachließ, öffnete er die Augen. Bertholdus
standneben dem Tier und wartete darauf, dass er abstieg.
Wernhardtversuchte, dem Schmerz, der immer noch
inleisen Wellen durch seinen Leib fuhr, keine Beachtung
mehrzu schenken. Er kletterte umständlich aus dem Sattel.
Bertholdusund ein weiterer Mönch halfen ihm. Wernhardt
richtetesich vorsichtig auf und atmete tief ein. Es war kalt.
Erfror und zog seine Kutte um seine Schultern zusammen.
Sogingen sie das letzte Stück, und auf der Hälfte des Weges
kamihnen Bruder Markus entgegen. Er blieb vor der kleinen
Gruppestehen. Sein Gesicht war von der Kälte gerötet, und
erräusperte sich vernehmlich.
»Wasist los?«
»DerHerzog ist nicht da«, hauchte Markus.
»Was?Aber wir waren angekündigt«, entgegnete Wernhardt.
DerMönch vor ihm zuckte nur die Schultern.
Wernhardtknirschte mit den Zähnen. »Wenn das stimmt,
istes eine Unverschämtheit.«
Tatsächlichwar bislang kein Vertreter des Welfen gekommen,
umsie zu begrüßen. Dennoch hatte Wernhardt
dasGefühl, man beobachtete ihn und seine Begleiter. Fast
meinteer, die höhnischen Bemerkungen zu hören. Seht nur
dieMönche, Heinrich lässt sie den ganzen weiten Weg aus
Freisingenkommen, quer durch die Wälder, bis hierher in
dasJagdlager. Aber der Herzog ist gar nicht da.
»Lasstuns die Glieder aufwärmen«, befand Wernhardt
undpresste seine Hand gegen seine schmerzende Seite.
Siebetraten das Lager. Knechte tränkten die Pferde der
Herren,ein Mann schlug Holz, trotz der Kälte mit nacktem
Oberkörper.Niemand nahm besondere Notiz von ihnen.
DasZelt des jungen Herzogs stand im Zentrum des
Lagers.Ringsum gruppierten sich die übrigen Zelte seiner
Ritter.Heinrichs Domizil war groß, fast quadratisch, aus
schwerem,dunkelgrauem Tuch. Als sein Vater gestorben
war,so erzählte man, hatte er dessen Zelt zerschneiden und
sichvom Tuchner ein neues, größeres fertigen lassen. So wie
Friedricheines besaß. Sein Freund und Vetter Friedrich Barbarossa,
derKaiser.
EinMann trat aus dem Zelt. Er war schlank, beinahe
blond,mit einem auffallend hübschen Gesicht. Eine pelzverbrämte
Westein Heinrichs Farben trug er über seinem
knielangenWams. Statt eines Schwerts hing an seinem Gürtel
einHirschfänger. Amüsiert blickte er auf die durchfrorene
Gruppeder Mönche.
»Gottschütze euch auf euren Wegen, ihr frommen Männer
«,begann er.
»Deushic!«, murmelten die Mönche.
Bertholdustrat an seinem Mitbruder vorbei auf den Mann
zu.
»Deushic! Wahrlich, Gott sei hier, Junker. Das hier ist
BruderWernhardt aus Freisingen, Gesandter des Bischofs.
Wirwollen zu Heinrich.«
»UnserHerr ist nicht da.«
»Aberes hieß, er erwarte uns. Wo ist er?«
»Aufder Jagd.«
Bertholdusvergaß, den Mund wieder zu schließen. Er
blicktesich nach seinem Mitbruder um und erkannte in dessen
Gesichtneben dem ständigen Schmerz unverhohlenen
Ärger.Wernhardt trat näher.
»Dankdir, Bertholdus«, sagte er mit einem Blick auf seinen
Begleiterund sah dann den Mann vor sich streng an.
»Wenndies stimmt, empfinde ich es als Beleidigung, dass
Heinrich «
»LieberBruder, niemand wollte euch beleidigen. Aber es
istJagd und «
»DerHerzog weiß«, unterbrach Wernhardt ungehalten,
»dasswir von weit her kommen, nur um «
»Verzeiht«,unterbrach ihn der Mann, »aber wir haben
nichtdamit gerechnet, dass ihr vor heute Abend hier seid.
Außerdemhat unser Herr immer gehofft, dass der Bischof in
jenerAngelegenheit selbst ins Winterquartier des Herzogs
reist.«
»Bisnach Braunschweig?«
»Warumnicht?«
»Aberwir haben bereits vor Wochen Heinrichs Einverständnis
zudiesem Treffen hier im Bayerischen erhalten.«
Wernhardtblickte auf Bertholdus, der eilig ein Pergamentblatt
entgegennahm,das der vierte Mönch aus einem
Sackgekramt hatte. Er hielt dem Mann das Dokument entgegen.
»Ichweiß von der Vereinbarung«, wehrte der freundlich
ab,»aber wie ich gerade sagte: Heinrich ist auf der Jagd.
Dochnun kommt, und wärmt euch erst einmal auf.«
Wernhardtschnaufte und nickte dann.
»Endlichein vernünftiges Wort«, murmelte er und trat als
Ersterin das Zeltinnere.
Dorterst stellte der Mann sich vor. Er nannte sich Gottfried
undwar Sekretär und persönlicher Diener des Herzogs.
Erbot ihnen warme Ziegenmilch und frisches Brot an und
versichertedabei, dass Heinrich bis zum Abend von seinem
Jagdausflugzurückkehren werde. Dann würde sich alles aufklären.
DieGespräche am warmen Feuer konnten beginnen,
undalles würde sich zum Guten wenden.
Damitgaben sich die Mönche zufrieden. Gottfried war höflich,
undseine Erklärungen brachte er mit ruhiger Stimme
vor.Dennoch hatten Wernhardt und auch Bertholdus des
Öfterenden Eindruck, dass er sich eines Lachens kaum erwehren
konnte.Das konnte aber doch nur an ihren völlig
durchweichtenKutten und ihrem damit verbundenen trostlosen
Anblickliegen.
ImInneren des großen Zelts war es warm und trocken.
Gottfriedließ durch einen Pagen Wein reichen. Bald saßen
siealle um das Feuer und wärmten sich. Es dauerte jedoch
nochStunden, bis man ihnen mitteilte, dass Heinrich nun
zurücksei. Gespannt warteten sie darauf, dass er sie begrüßen
würde.Doch nichts dergleichen geschah.
Wernhardtwurde allmählich ungeduldig, und mit seiner
Ungeduldsteigerte sich auch sein Groll. Zuletztbat Gottfried
siein ein weiteres Zelt, wo man ihnen Decken und
Fellefür die Nacht bereitlegte. Hier sollten sie bleiben, bis
sichHeinrich am nächsten Morgen zu einem Gespräch bereit
erklärte.
Wernhardtschäumte beinahe vor Wut. Volle vier Tage
vonFreisingen hierher unterwegs, in eisiger Novemberkälte
undständigem Nebel. Und dann hieß es, es sei bereits spät
undder Herzog wolle erst am nächsten Tag mit ihnen sprechen.
DieserWelfe war ein bornierter, eingebildeter Grobian
undschien alle Zeit der Welt zu haben, obwohl alle Beteiligten
wussten,wie sehr ihm und nicht dem Bischof die Angelegenheit
aufden Nägeln brannte.
©Limes Verlag
- Autor: Roland Mueller
- 2006, 1, 415 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Limes
- ISBN-10: 380902502X
- ISBN-13: 9783809025023
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