Das französische Mädchen
Ein Fall für Commissario Lupo. Deutsche Erstausgabe
Ein Krimi voll italienischen Flairs und französischer Lebensart. Der dritte Fall des liebenswerten Einzelgängers Commissario Lupo.
Turin ist in Aufruhr: Im Ägyptischen Museum wurde der Leichnam eines Mannes entdeckt - inszeniert als...
Turin ist in Aufruhr: Im Ägyptischen Museum wurde der Leichnam eines Mannes entdeckt - inszeniert als...
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Produktinformationen zu „Das französische Mädchen “
Ein Krimi voll italienischen Flairs und französischer Lebensart. Der dritte Fall des liebenswerten Einzelgängers Commissario Lupo.
Turin ist in Aufruhr: Im Ägyptischen Museum wurde der Leichnam eines Mannes entdeckt - inszeniert als Opfergabe an die Göttin Isis. Doch Commissario Lupo findet am Tatort weder Hinweise auf die Art des Todes noch auf den Täter. Nur die Identität des Toten, eines Franzosen mit Wohnsitz in Béziers, führt ihn schließlich nach Südfrankreich, wo ihn seine französische Kollegin Thérèze Brualla unterstützen soll. Die verwirrt Lupo aber nicht nur mit ihren Reizen, sie scheint auch mehr über den Mord zu wissen, als sie zugibt ...
Turin ist in Aufruhr: Im Ägyptischen Museum wurde der Leichnam eines Mannes entdeckt - inszeniert als Opfergabe an die Göttin Isis. Doch Commissario Lupo findet am Tatort weder Hinweise auf die Art des Todes noch auf den Täter. Nur die Identität des Toten, eines Franzosen mit Wohnsitz in Béziers, führt ihn schließlich nach Südfrankreich, wo ihn seine französische Kollegin Thérèze Brualla unterstützen soll. Die verwirrt Lupo aber nicht nur mit ihren Reizen, sie scheint auch mehr über den Mord zu wissen, als sie zugibt ...
Klappentext zu „Das französische Mädchen “
Ein Krimi voll italienischen Flairs und französischer Lebensart. Der dritte Fall des liebenswerten Einzelgängers Commissario Lupo.Turin ist in Aufruhr: Im Ägyptischen Museum wurde der Leichnam eines Mannes entdeckt inszeniert als Opfergabe an die Göttin Isis. Doch Commissario Lupo findet am Tatort weder Hinweise auf die Art des Todes noch auf den Täter. Nur die Identität des Toten, eines Franzosen mit Wohnsitz in Béziers, führt ihn schließlich nach Südfrankreich, wo ihn seine französische Kollegin Thérèze Brualla unterstützen soll. Die verwirrt Lupo aber nicht nur mit ihren Reizen, sie scheint auch mehr über den Mord zu wissen, als sie zugibt ...
Ein Krimi voll italienischen Flairs und französischer Lebensart. Der dritte Fall des liebenswerten Einzelgängers Commissario Lupo.
Turin ist in Aufruhr: Im Ägyptischen Museum wurde der Leichnam eines Mannes entdeckt - inszeniert als Opfergabe an die Göttin Isis. Doch Commissario Lupo findet am Tatort weder Hinweise auf die Art des Todes noch auf den Täter. Nur die Identität des Toten, eines Franzosen mit Wohnsitz in Béziers, führt ihn schließlich nach Südfrankreich, wo ihn seine französische Kollegin Thérèze Brualla unterstützen soll. Die verwirrt Lupo aber nicht nur mit ihren Reizen, sie scheint auch mehr über den Mord zu wissen, als sie zugibt ...
"In den letzten Jahren sind viele lesenswerte Kriminalromane erscheinen, wie etwa die von Carlo Lucarelli oder Andrea Camilleri, doch Sorias 'Tod in Turin' erinnert an die besten Werke von Fruttero & Lucentini." Letterario
"Eine starke Geschichte, messerscharf gezeichnete Charaktere und eine unglaublich dichte, spannungsgeladene Atmosphäre." Panorama (zu "Tod in Turin")
Turin ist in Aufruhr: Im Ägyptischen Museum wurde der Leichnam eines Mannes entdeckt - inszeniert als Opfergabe an die Göttin Isis. Doch Commissario Lupo findet am Tatort weder Hinweise auf die Art des Todes noch auf den Täter. Nur die Identität des Toten, eines Franzosen mit Wohnsitz in Béziers, führt ihn schließlich nach Südfrankreich, wo ihn seine französische Kollegin Thérèze Brualla unterstützen soll. Die verwirrt Lupo aber nicht nur mit ihren Reizen, sie scheint auch mehr über den Mord zu wissen, als sie zugibt ...
"In den letzten Jahren sind viele lesenswerte Kriminalromane erscheinen, wie etwa die von Carlo Lucarelli oder Andrea Camilleri, doch Sorias 'Tod in Turin' erinnert an die besten Werke von Fruttero & Lucentini." Letterario
"Eine starke Geschichte, messerscharf gezeichnete Charaktere und eine unglaublich dichte, spannungsgeladene Atmosphäre." Panorama (zu "Tod in Turin")
Lese-Probe zu „Das französische Mädchen “
Lupo wusste nicht, wohin er schauen sollte.Thérèse lächelte. Ganz offensichtlich genoss sie die Situation. Und hatte nicht die geringste Absicht, ihm aus seiner Verlegenheit herauszuhelfen. Im Gegenteil. In ihren Augen glitzerte eine ungebändigte Boshaftigkeit. Und so hielt sie sich nicht zurück, sondern schürte sein Unbehagen auch noch.
"Verwirren Sie meine Brüste? Vergessen Sie's! Reiben Sie sich die Augen. Schauen Sie sie sich genau an, überlegen Sie sich, wie schwer sie wohl sind, und dann hören Sie endlich mit diesem Augenzwinkern auf. Seien Sie doch nicht so infantil. Der Katharer erwartet uns."
Lupo seufzte.
Diese Frau irritierte ihn wirklich. Es war schwer, mit ihr umzugehen. Er wusste nicht, was er von ihr halten sollte. Sie war gewiss keine Schönheit, sondern ein harter Typ mit markanten Gesichtszügen, breiten Schultern und einem eher männlichen Gang wie ein Rowdy. Scharfe Zunge und verächtliche Miene. Doch hinter dieser Maske konnte man eine reizvolle, leidenschaftliche Weiblichkeit erahnen, die Vorgeplänkel verabscheute und nicht zögerte, sich einen Mann einfach zu nehmen, wenn sie ihn haben wollte. Volle Lippen, funkelnde Augen, ein Körper, dessen Rundungen vielleicht etwas zu ausgeprägt waren, und die - Lupo fiel kein anderes Wort ein - durchaus fulminant waren.
"Fertig!"
"Fertig womit?"
"Mit dem Reiben der Augen."
"Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?"
"Nun ja, gutes Material. Aber das gibt es auch bei uns in Turin."
Dann trank er ungerührt sein Bier aus, das in der milden Maisonne langsam warm wurde. Und er fragte sich zum hundertsten Mal, wie zum Teufel er auf einem Nudisten-Campingplatz gelandet war, wo er sich von einer unbekleideten französischen Kommissarin quälen lassen musste.
Alles hatte natürlich mit einer Leiche begonnen.
Am ersten Mai.
Im Ägyptischen Museum.
Zu Füßen der Isis-Statue.
Ein geschniegelter Herr mittleren Alters mit professoralem Aussehen, Goldrandbrille, sorgfältig getrimmtem
... mehr
Schnurrbart, grauer Weste und einer roten Rose aus Blut mitten auf der Brust. Identität unbekannt, bis zu dem Moment, als er von einem zu Tode erschrockenen Wärter entdeckt wurde, der den Kopf verlor und vor Empörung schnaufend sogleich seine Taschen durchsuchte, um zumindest irgendetwas zu finden, das ihm den Namen dieses unverschämten Barbaren verraten würde, dieses Barbaren, der es gewagt hatte, die Heiligkeit dieses Ortes mit seinem schmächtigen, ungehörigen Leichnam zu besudeln.
Er hatte sich mit einem Führerschein zufrieden geben müssen, der auf einen gewissen Manuel Hibanez, siebenundvierzig Jahre alt, wohnhaft in Béziers, 17 rue de Cambon, ausgestellt war. Danach war er zur Toilette gegangen, um sich zu übergeben. Und um nachzudenken. Die Museumsdirektorin machte sich ein schönes langes Wochenende in den Langhe. So blieb ihm keine andere Alternative als das abgegriffene Kärtchen, auf dem die Notfallnummern notiert waren.
Wenigstens handelte es sich um einen richtigen Toten. Und nicht um den üblichen vermeintlichen "Fluch der Mumie", über den sich die Zeitungen so ausführlich ausließen, sobald eine Klasse von Jugendlichen mit beeinflussbarer Psyche Schwindelanfälle vorgab, die ihn dazu zwangen, umgehend den Sanitäter zu rufen.
Lupo stand auf.
Und warf seine Pelforth-Dose in den Abfalleimer.
Thérèse ließ ihn nicht einen Moment aus den Augen.
Ein gut aussehender Mann, dachte sie für sich.
Sie verbarg ihre Bewunderung nicht. Doch dem Commissario war dieses subtile Spiel mittlerweile vertraut.
Und er lächelte nun seinerseits.
"Täusche ich mich oder werde ich jetzt einer Musterung unterzogen?"
"Ist das schlimm? Ich tue es ja nicht heimlich. Oder sind Sie einer von denen, die glauben, dass es ein ausschließlich männliches Vorrecht ist, einem schönen Hintern hinterherzupfeifen?"
"Um Himmels willen. Lassen Sie's gut sein. Inzwischen wundert mich gar nichts mehr."
Und das stimmte.
In den letzten drei Tagen hatte er alles Mögliche erlebt.
Angefangen mit dem wütenden Anruf des Museumswärters ...
"Endlich! Hören Sie, junger Mann: Seit einer halben Stunde hänge ich an diesem verfluchten Telefonhörer, und die Zentrale stellt mich andauernd zu verwaisten Büros durch. Was ist denn da los? Ist bei Ihnen eine Choleraepidemie ausgebrochen? Tanzen die Leichenträger Jubeltänze und hören das Läuten nicht?"
"Ehrlich gesagt ... es ist der erste Mai ..."
"Da ist mein Mörder aber sehr unaufmerksam gewesen! Dass er aber auch gar nicht daran gedacht hat, dass man heute niemanden um die Ecke bringen sollte, damit diese Faulpelze von Polizei und Gewerkschaften nicht gestört werden. Wirklich ein unverschämter Kerl. Also, kommen Sie jetzt oder müssen Sie auch zum Demonstrationszug auf die Piazza Rossa zu den Bolschewiken und Kolchosbauern?"
"Wer sind Sie denn überhaupt?"
"Es reicht, dass Sie wissen, dass ich Sie in einer Viertelstunde vor dem Ägyptischen Museum erwarte. Ich versichere Ihnen, Sie werden mich erkennen. Ich bin nämlich der ohne Binden und ohne Loch im Bauch. Ah, ich vergaß - das Opfer ist Franzose. Bringen Sie Maigret mit."
Lupo hatte gelächelt.
Es war ihm nicht gelungen, auch nur einen halben Satz zu sagen.
Doch trotz dieses Wortschwalls, der sich gerade über ihn ergossen hatte, atmete er erleichtert auf. Man hatte ihm soeben einen guten Grund serviert, um sein tristes Büro mit den kränklich grünen Wänden verlassen zu können, und er hatte die Erlaubnis erhalten, sich in diesen jubilierenden Tag voller Wind und Licht zu werfen. Jegliche Erinnerung an jede noch so hartnäckige Wolke war vom Himmel gefegt worden.
Es war kurz nach Mittag.
Und er war der Einzige, der in einem fast vollständig verlassenen Polizeirevier Dienst schob. Fast alle Männer waren damit beschäftigt, lustlos die von der Sonne beschienenen Demonstrationszüge in der Innenstadt zu eskortieren.
Dieser Winter mit all seinem Kohlendioxyd, Feinstaub und zähem Husten hatte es zur Bekämpfung der Luftverschmutzung erforderlich gemacht, an zwei Tagen der Woche nur jeweils der Hälfte der Autos das Fahren zu erlauben (je nachdem, ob das Autokennzeichen mit einer geraden oder ungeraden Zahl endete) und an unzähligen Wochenenden das Fahren ganz zu verbieten. Also hatte Lupo es sich angewöhnt, mit dem Fahrrad zu fahren.
Vor Monaten schon hatte er sich ein altes, quietschen des Rad der Marke Olmo angeschafft, und er schämte sich nicht, es mit seinem riesigen glänzenden Vorhängeschloss an jedem Pfosten der Stadt anzuschließen, der ihm dafür geeignet erschien. Das Fahrrad war ihm zum ständigen Begleiter geworden.
Auch bei den kompliziertesten Ermittlungen.
An diesem Tag machte er keine Ausnahme.
Nur dass er sich zum Anketten seines Gefährtes den beeindruckenden Bronzegriff der Eingangstür des Museums aussuchte und die Kette so straff zog, dass das Vorderrad in der Luft hing und der Griff des Lenkers sich im Briefkasten zu verhaken schien.
Der Aufseher fing sofort an zu zetern.
"Das kannst du da nicht lassen, du Idiot. Nimm sofort diesen Schrott dort weg, wenn du nicht willst, dass ich dich bei der Polizei anzeige!"
Lupo hob die Augen zum Himmel.
Schon wieder ... und immer wieder ...
Warum kümmerten sich die Leute eigentlich nicht um ihre eigenen Angelegenheiten?
Was ging diesen alten Nörgler sein Parkplatz an?
Im Grunde hatte er seine so heiß geliebte Straßenbahn auch deswegen aufgegeben: Mit dem Fahrrad hatte er viel mehr Spaß. Er traf mehr Leute, und seine Tage waren ganz plötzlich voller unerwarteter Gespräche mit den unglaublichsten Menschen aus den verschiedensten sozialen Schichten.
Die aber stets mit den ordentlichsten savoyischen Schnörkeln versehen waren.
In der steten Bereitschaft, ihm verbal den Hintern zu versohlen, indem man ihn mit derselben kaum verhohlenen moralischen und intellektuellen Überheblichkeit, die man sonst nur einem Penner und seiner unerhörten Gleichgültigkeit allen Regeln gegenüber anwandte, mit "du" ansprach.
Als sei ein alter rostiger Drahtesel so wenig wert wie ein Paar Schuhe, aus denen die Zehen hervorschauen.
"Hast du mich verstanden, du Komiker?"
"Ja, ich habe Sie sehr gut verstanden, Signore, aber schauen Sie, es ist nämlich so, dass ich die Polizei bin. Die, nach der Sie so dringend verlangt haben, wenn ich mich nicht irre."
Dem Aufseher verschlug es die Sprache.
Ungläubig.
Und er sah sich um und hielt Ausschau nach den Streifenwagen mit ihren Sirenen und nach den blau-weißen Blinklichtern auf den Autodächern der Alfa Romeos, nach den atemlosen Ermittlern mit ihren Köfferchen für die Fingerabdrücke. Nach dem ganzen szenischen Equipment also, von dem er glaubte, dass es den epischen Rahmen für ein Verbrechen abgeben musste.
Stattdessen stand vor ihm nur ein Mann, der Klammern an den Hosenbeinen hatte, um diese davor zu bewahren, in die Fahrradkette zu geraten.
"Es ist alles sehr schön hier. Die Sonne scheint angenehm warm. Die Straßen sind leergefegt. Die Geranien bilden Knospen. Aber was hielten Sie nun davon, den Mund zu schließen und voranzugehen? War hier nicht irgendwo eine Leiche?"
Das war der Beginn dieser Ermittlung gewesen.
Vielleicht war er sie ein wenig locker angegangen.
Mit diesem vagen Gefühl der Befreiung, weil sie ihn irgendwie aus dem Gefängnis der Feiertagsschicht und vor der grauen Routine errettet hatte, von der sich jede Polizeistation nährte. Doch bald konfrontierte das schon so oft verspürte Grauen vor einem furchtbaren Tod Lupo jäh mit den Schmerzen dieser Welt.
Auch dem Aufseher schien ganz plötzlich seine ganze Empörung über die Welt und insbesondere über diesen Eindringling, der in so unangemessener Weise die unveränderlichen Gesetze seines Universums geschmäht hatte, abhanden gekommen zu sein.
Manuel Hibanez sah älter aus als seine siebenundvierzig Jahre. Er hatte schütteres stumpfes Haar, das ein bizarrer Akt des Mörders zum tragischen Detail gemacht hatte. Indem er nämlich die Perücke herumgedreht und wie ein Käppi drapiert hatte, war dem persönlichen Ausdruck des Toten endgültig jegliche Intimität genommen. Eine lange und wohl gestaltete Schmalzlocke schmiegte sich in seinen Nacken, während die Stirn bis zu den Augenbrauen von militärisch kurzen Stoppelhaaren bedeckt war.
"Haben Sie ihn so gefunden?"
"Ja, ja ..."
"Sind Sie sicher? Haben Sie nicht vielleicht die Perücke verschoben, während Sie seine Taschen nach Papieren durch sucht haben?"
Der Museumswärter fuhr bei diesen Fragen des Commissario zusammen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er diesem armen Teufel nicht einmal ins Gesicht gesehen hatte. Und dass er diese seltsame Frisur nicht bemerkt hatte. So sehr war er in seiner Abscheu gefangen gewesen.
"Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt, erinnere ich mich nicht mehr."
"Wo hatte er seine Brieftasche."
"In der Innentasche der Jacke."
"Also haben Sie ihn nicht herumgedreht, um danach zu suchen. Er lag doch nicht etwa auf dem Bauch?"
"Nein, nein. Da bin ich ganz sicher. Er lag so da, gegen die Isis-Statue gelehnt. Hinter der Absperrung."
"Und die Hand?"
"Was meinen Sie damit?"
"Schauen Sie gut hin. Sehen Sie, dass seine linke Hand unter dem Schenkel liegt, das ist nicht normal. Er wurde hierhergeschleift. Also wäre es natürlich, dass sie seitlich liegt, wie die andere auch. Daher: Entweder hat der Mörder sie dort hingeschoben. Oder ..."
"Nein, nein. Ich habe nichts dergleichen getan. Das schwöre ich Ihnen."
"Beruhigen Sie sich, ich versuche ja nur, das Ganze zu verstehen. Niemand beschuldigt Sie, irgendetwas getan zu haben."
Der Aufseher hatte das dringende Bedürfnis, noch einmal ganz von vorne anzufangen. Das Verhältnis zu diesem vielleicht etwas extravaganten, aber doch freundlichen Polizisten zu korrigieren - dieser entsprach seinem Bild vom üblichen arroganten und besserwisserischen Bullen so gar nicht. Deshalb streckte er ihm, ohne darüber nachzudenken, die rechte Hand mit einer zaghaften und zugleich stolzen Geste entgegen.
"Michele Ferrero. Wie der von Nutella."
Lupo nahm dieses unerwartete Einlenken mit einem Lächeln an. Und beeilte sich, sich seinerseits vorzustellen.
"Commissario Lupo. Lupo wie der Wolf oder wie der aus dem Fernsehen. Rex oder Rin Tin Tin, wie Sie wollen. Nur dass ich nicht belle und nicht beiße. Also, nur mit der Ruhe."
Das war nicht gerade die schlagfertigste Entgegnung.
Doch sie erfüllte ihren Zweck umgehend. Sie befreite Ferrero aus seiner Verlegenheit und ließ Lupo wie einen Freund erscheinen, der Hilfe braucht. Es war offensichtlich, dass Ferrero nichts mit der Sache zu tun hatte. Und Lupo hatte ein großes Interesse daran, dass er zugänglich und kooperativ blieb.
"Ich wollte sagen: Ich habe ein seltsames Gefühl. So als habe der Mörder uns eine Nachricht hinterlassen wollen. Als ob die Hand unter dem Schenkel etwas bedeuten müsse. Wie auch die Statue der Isis und die Position des Körpers und der Sitz der Perücke."
Ferrero nickte.
Er verfolgte plötzlich seine eigenen Gedanken.
"Oh, Commissario, Sie können sich gar nicht vorstellen ... Das ist eine Ansammlung voller Verrückter, diese Ägypten-Fanatiker. Und dann die Franzosen ... Sie halten sich alle für kleine Champollions und sind immer auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen Stein von Rosetta. Unglaublich ..."
"Sie wollen mir also sagen, dass sehr viele Menschen hierherkommen und dass es sich dabei nicht nur um einfache Touristen handelt?"
"Genau. Es gibt kein noch so verlassenes Nest in Frankreich, in dem es nicht zumindest eine Vereinigung von Sonntagspharaonen gibt. Sie haben diesen ganzen Blödsinn von Christian Jacq gelesen, und dort, in diesen Seiten, in denen es von Fehlern wimmelt, haben sie ihren Glauben gefunden. Sie treffen sich, diskutieren, verseuchen das Internet, organisieren Busse, um sich mit stundenlangen Fahrten zu martern, auf denen sie kein Auge zukriegen, nur um nach Turin zu kommen. Die allerfrömmsten Anhänger gönnen sich mindestens einmal in ihrem Leben einen Charterflug nach Kairo."
"Das ist wie Mekka für einen Moslem."
"Nun, wir hier sind zwar nur Medina, aber wir sind in Reichweite. Und so schwirren sie wie die Bienen um eine Blume. Sie sind die Arbeiterinnen, die Masse. Doch ab und zu findet sich auch mal eine Königin."
"Und dieser Hibanez könnte eine von ihnen sein?"
"Wer weiß das schon so genau? Menschen wie er gehören oft richtigen mystischen Sekten an. Mit Riten, Priestern, Geheimnissen, Symbolen, Neid und Hass. Sie wären sogar fähig, Frau und Kinder zu verkaufen - für eine Entdeckung, für den eigenen Namen über einem Aufsatz, ganz zu schweigen von einem Gedenkstein."
"Wären sie auch fähig, dafür zu töten?"
"Vielleicht ..."
Lupo seufzte.
Kaum etwas verabscheute er so sehr wie die Esoterik und ihre verschiedenen Schulen mit all ihren Adepten, bei denen die Irrationalität der Ausgangspunkt für jede ihrer Spekulationen war, die allein auf Gutgläubigkeit basierten. Menschen, die bereit waren, alles zu glauben, ohne je die Notwendigkeit für eine objektive Bestätigung, eine logische Erklärung oder für etwas Handfestes, das man anfassen konnte, zu sehen.
Er schaute sich lange um.
Er trauerte schon diesem realen nassen Fleck in seinem Büro nach, von dem es auch im Sommer heruntertropfte: Zumindest war dies eine Wunde, die dermaßen blutete, dass es fast schon beruhigend war.
Während im Gegensatz dazu in der priesterlichen und machtvollen Atmosphäre dieses Saals die ersten geheimnisvollen und fremdartigen Töne emporstiegen: der vieldeutige und faszinierende Gesang einer unerreichbaren Sirene, die mit dem Atem der Jahrhunderte eine unglaubliche Anzahl von Menschen verführen konnte, die in ihrer allzu grauen Gegenwart keine Befriedigung fanden.
"War das wirklich eine Pistole?"
Jetzt schrak Lupo zusammen.
Er war so völlig in seinen Gedanken versunken gewesen, dass er den beachtlichen roten Fleck auf der Brust einfach hingenommen und nicht weiter darüber nachgedacht hatte. Er hatte es als gegeben angesehen, dass zumindest ein Projektil in dieser Leiche steckte. Er näherte sich auf wenige Zentimeter, zog das Hemd ein wenig auseinander. Doch er fand kein Eintrittsloch.
"Verflucht noch mal, wie kann das sein?"
Er blickte dem Toten fast wütend ins Gesicht. Als fordere er von diesem eine unmögliche Erklärung. Erst dann bemerkte er ein Detail, das ihm vollkommen entgangen war, vielleicht weil ihn diese so surreale Perücke abgelenkt hatte.
Beide Nasenlöcher waren voll von getrocknetem Blut.
Und die kleine Delle auf dem Nasenrücken rührte sicher nicht von der Brille.
Sondern von einem brutalen Schlag.
Die ganze Nase war geschwollen. Das Aussehen der Leiche war nicht etwa ihren grobschlächtigen Gesichtszügen zu verdanken, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte, sondern einem mit Wucht ausgeführten Schlag mit einem stumpfen Gegenstand, der die Nasenscheidewand zermalmt und die Knorpel völlig zerschmettert hatte. Ferrero hatte sich keine seiner Bewegungen entgehen lassen.
Und auch er begriff schließlich. Lupo ließ einen Seufzer vernehmen.
"Das ändert jedoch nichts. So ein armer Teufel bleibt immer ein armer Teufel, egal auf welche Weise er getötet wird. Er ist also nicht erschossen worden. Ein ordentlicher Schlag und tschüs. Der Kopf fällt nach vorn, und das Blut tropft aus der Nase auf die Brust ..."
Aber irgendetwas stimmte trotzdem nicht.
Es gab zu wenig Blut.
Kaum mehr als ein dunkelroter Fleck war zu sehen.
Lupo schüttelte den Kopf.
Nachdenklich.
"Nein. Dieser Hibanez war schon tot, als man ihm den Schlag verpasst hat. Das Herz hat schon eine Weile kein Blut mehr gepumpt. Sonst hätten wir hier nicht nur ein paar elende Tropfen, sondern einen ganzen See."
Doch die Überraschungen nahmen kein Ende.
Lupo begriff, dass dies kein typischer Mord war, verübt aus einem der klassischen Motive - Zorn, Rache, Sex oder Geld.
Nein, dahinter steckte etwas wesentlich Ausgefeilteres.
Es war, als würde der Mörder mit ihm spielen, indem er ihn in ein verästeltes Labyrinth von Illusionen schickte, um den wahren Trick, die Schlussszene, vor ihm zu verbergen. Er war eine Art Zauberer, der ein Theaterstück mit mehreren Kulissen entworfen hatte, um zu verhindern, dass Lupo wusste, wo sie sich befanden. Die Perücke, das Projektil im Herzen und die zertrümmerte Nase, das waren lediglich die ersten drei Ablenkungsmanöver. Doch würde sich hinter dem x-ten Spiegel noch die x-te falsche Fährte finden? Lupo hatte begriffen, dass dies erst der Anfang der Provokation war. Er begann, laut nachzudenken.
"Warum gerade Isis? Welche Bedeutung hat diese Statue, die die von, sagen wir, Ramses II. oder von Tutanchamun, nicht hat?"
Ferrero zuckte die Achseln. Dann kratzte er sich ausgiebig am Ohr.
Er sah Lupo von der Seite an und murmelte seltsame Sätze, wobei sich unter sein bescheidenes Italienisch mit dem kraftvollen Akzent eines Bauern aus der Gegend von Asti die hochtrabenden Formulierungen mischten, die er in all den vielen Jahren von den Leitern des Museums übernommen hatte. Vor lauter Erregung hatte er gewissermaßen seine eigene Ausdrucksweise eingebüßt.
"Ich weiß, dass Sie nicht begeistert sein werden - wenn ich Ihren Topos richtig verstanden habe."
"Wie?"
"Irre ich mich mit meiner Vermutung, dass die anfänglichen Theorien nicht gerade Ihren Begriff von Glück treffen?"
"Hören Sie, Ferrero ... kommen Sie wieder auf den Boden. Bringen Sie's auf den Punkt."
Ferrero war ein wenig gekränkt. So war es immer mit diesen Uneingeweihten.
"Nun, wenn Sie so wollen ... Na gut ... Wir alle, die wir Ägyptenfans sind, wissen, dass Isis eine ganz konkrete Beziehung zu Turin hat. Nach Eusebius von Cäsarea war es ihr Sohn Phaeton, auch Eridanus genannt (wie es der Zufall will, der alte Name des Po), der im Jahr 1529 vor Christus die Stadt gegründet hat. Und das, was heute die Basilika Gran Madre ist, ist eben auf den Überresten des alten Tempels der Göttin gebaut worden. Genügt Ihnen das?"
Lupo seufzte.
"Eine Legende wie jede andere auch. Ein bisschen wenig für den rationalen Geist eines Commissario."
"Genug jedenfalls für einen Mörder, der sich vielleicht an Mysterien ergötzt. Andererseits führt man schon ein mal die Gran Madre im Mund, dann ist der nächste Schritt schon fast zwingend: der Heilige Gral, der Kelch, in dem Joseph von Arimathäa das Blut Christi ..."
Lupo konnte nicht an sich halten und machte eine Geste, die seinen Ärger ausdrückte.
Er streckte seinen Finger aus und drohte mit strenger Miene.
"Ich will diesen ganzen Unsinn nicht hören. Das magische Turin. Turin an der Spitze des esoterischen Dreiecks mit Prag und Lyon ..."
"Wenn wir schon dabei sind, dann auch das mit London und San Francisco."
"Zwingen Sie mich nicht zu lachen. Wo soll denn da der Unterschied sein?"
"Mit dem ersten beherrschen wir das Reich der weißen Magie. Mit dem zweiten das der schwarzen Magie. Und was den Gral angeht ..."
"Verschonen Sie mich damit, ich bitte Sie."
"Nur noch eine Sache, dann wird mein Mund versiegelt sein. Ich schwöre es Ihnen."
"Dann reden Sie schon.""Es heißt, der Kelch sei irgendwo in der Nähe der Gran Madre verborgen. Auf dem Platz davor befindet sich eine Statue, La Fede, der Glaube. Neben ihr steht ein Engel.
Er hatte sich mit einem Führerschein zufrieden geben müssen, der auf einen gewissen Manuel Hibanez, siebenundvierzig Jahre alt, wohnhaft in Béziers, 17 rue de Cambon, ausgestellt war. Danach war er zur Toilette gegangen, um sich zu übergeben. Und um nachzudenken. Die Museumsdirektorin machte sich ein schönes langes Wochenende in den Langhe. So blieb ihm keine andere Alternative als das abgegriffene Kärtchen, auf dem die Notfallnummern notiert waren.
Wenigstens handelte es sich um einen richtigen Toten. Und nicht um den üblichen vermeintlichen "Fluch der Mumie", über den sich die Zeitungen so ausführlich ausließen, sobald eine Klasse von Jugendlichen mit beeinflussbarer Psyche Schwindelanfälle vorgab, die ihn dazu zwangen, umgehend den Sanitäter zu rufen.
Lupo stand auf.
Und warf seine Pelforth-Dose in den Abfalleimer.
Thérèse ließ ihn nicht einen Moment aus den Augen.
Ein gut aussehender Mann, dachte sie für sich.
Sie verbarg ihre Bewunderung nicht. Doch dem Commissario war dieses subtile Spiel mittlerweile vertraut.
Und er lächelte nun seinerseits.
"Täusche ich mich oder werde ich jetzt einer Musterung unterzogen?"
"Ist das schlimm? Ich tue es ja nicht heimlich. Oder sind Sie einer von denen, die glauben, dass es ein ausschließlich männliches Vorrecht ist, einem schönen Hintern hinterherzupfeifen?"
"Um Himmels willen. Lassen Sie's gut sein. Inzwischen wundert mich gar nichts mehr."
Und das stimmte.
In den letzten drei Tagen hatte er alles Mögliche erlebt.
Angefangen mit dem wütenden Anruf des Museumswärters ...
"Endlich! Hören Sie, junger Mann: Seit einer halben Stunde hänge ich an diesem verfluchten Telefonhörer, und die Zentrale stellt mich andauernd zu verwaisten Büros durch. Was ist denn da los? Ist bei Ihnen eine Choleraepidemie ausgebrochen? Tanzen die Leichenträger Jubeltänze und hören das Läuten nicht?"
"Ehrlich gesagt ... es ist der erste Mai ..."
"Da ist mein Mörder aber sehr unaufmerksam gewesen! Dass er aber auch gar nicht daran gedacht hat, dass man heute niemanden um die Ecke bringen sollte, damit diese Faulpelze von Polizei und Gewerkschaften nicht gestört werden. Wirklich ein unverschämter Kerl. Also, kommen Sie jetzt oder müssen Sie auch zum Demonstrationszug auf die Piazza Rossa zu den Bolschewiken und Kolchosbauern?"
"Wer sind Sie denn überhaupt?"
"Es reicht, dass Sie wissen, dass ich Sie in einer Viertelstunde vor dem Ägyptischen Museum erwarte. Ich versichere Ihnen, Sie werden mich erkennen. Ich bin nämlich der ohne Binden und ohne Loch im Bauch. Ah, ich vergaß - das Opfer ist Franzose. Bringen Sie Maigret mit."
Lupo hatte gelächelt.
Es war ihm nicht gelungen, auch nur einen halben Satz zu sagen.
Doch trotz dieses Wortschwalls, der sich gerade über ihn ergossen hatte, atmete er erleichtert auf. Man hatte ihm soeben einen guten Grund serviert, um sein tristes Büro mit den kränklich grünen Wänden verlassen zu können, und er hatte die Erlaubnis erhalten, sich in diesen jubilierenden Tag voller Wind und Licht zu werfen. Jegliche Erinnerung an jede noch so hartnäckige Wolke war vom Himmel gefegt worden.
Es war kurz nach Mittag.
Und er war der Einzige, der in einem fast vollständig verlassenen Polizeirevier Dienst schob. Fast alle Männer waren damit beschäftigt, lustlos die von der Sonne beschienenen Demonstrationszüge in der Innenstadt zu eskortieren.
Dieser Winter mit all seinem Kohlendioxyd, Feinstaub und zähem Husten hatte es zur Bekämpfung der Luftverschmutzung erforderlich gemacht, an zwei Tagen der Woche nur jeweils der Hälfte der Autos das Fahren zu erlauben (je nachdem, ob das Autokennzeichen mit einer geraden oder ungeraden Zahl endete) und an unzähligen Wochenenden das Fahren ganz zu verbieten. Also hatte Lupo es sich angewöhnt, mit dem Fahrrad zu fahren.
Vor Monaten schon hatte er sich ein altes, quietschen des Rad der Marke Olmo angeschafft, und er schämte sich nicht, es mit seinem riesigen glänzenden Vorhängeschloss an jedem Pfosten der Stadt anzuschließen, der ihm dafür geeignet erschien. Das Fahrrad war ihm zum ständigen Begleiter geworden.
Auch bei den kompliziertesten Ermittlungen.
An diesem Tag machte er keine Ausnahme.
Nur dass er sich zum Anketten seines Gefährtes den beeindruckenden Bronzegriff der Eingangstür des Museums aussuchte und die Kette so straff zog, dass das Vorderrad in der Luft hing und der Griff des Lenkers sich im Briefkasten zu verhaken schien.
Der Aufseher fing sofort an zu zetern.
"Das kannst du da nicht lassen, du Idiot. Nimm sofort diesen Schrott dort weg, wenn du nicht willst, dass ich dich bei der Polizei anzeige!"
Lupo hob die Augen zum Himmel.
Schon wieder ... und immer wieder ...
Warum kümmerten sich die Leute eigentlich nicht um ihre eigenen Angelegenheiten?
Was ging diesen alten Nörgler sein Parkplatz an?
Im Grunde hatte er seine so heiß geliebte Straßenbahn auch deswegen aufgegeben: Mit dem Fahrrad hatte er viel mehr Spaß. Er traf mehr Leute, und seine Tage waren ganz plötzlich voller unerwarteter Gespräche mit den unglaublichsten Menschen aus den verschiedensten sozialen Schichten.
Die aber stets mit den ordentlichsten savoyischen Schnörkeln versehen waren.
In der steten Bereitschaft, ihm verbal den Hintern zu versohlen, indem man ihn mit derselben kaum verhohlenen moralischen und intellektuellen Überheblichkeit, die man sonst nur einem Penner und seiner unerhörten Gleichgültigkeit allen Regeln gegenüber anwandte, mit "du" ansprach.
Als sei ein alter rostiger Drahtesel so wenig wert wie ein Paar Schuhe, aus denen die Zehen hervorschauen.
"Hast du mich verstanden, du Komiker?"
"Ja, ich habe Sie sehr gut verstanden, Signore, aber schauen Sie, es ist nämlich so, dass ich die Polizei bin. Die, nach der Sie so dringend verlangt haben, wenn ich mich nicht irre."
Dem Aufseher verschlug es die Sprache.
Ungläubig.
Und er sah sich um und hielt Ausschau nach den Streifenwagen mit ihren Sirenen und nach den blau-weißen Blinklichtern auf den Autodächern der Alfa Romeos, nach den atemlosen Ermittlern mit ihren Köfferchen für die Fingerabdrücke. Nach dem ganzen szenischen Equipment also, von dem er glaubte, dass es den epischen Rahmen für ein Verbrechen abgeben musste.
Stattdessen stand vor ihm nur ein Mann, der Klammern an den Hosenbeinen hatte, um diese davor zu bewahren, in die Fahrradkette zu geraten.
"Es ist alles sehr schön hier. Die Sonne scheint angenehm warm. Die Straßen sind leergefegt. Die Geranien bilden Knospen. Aber was hielten Sie nun davon, den Mund zu schließen und voranzugehen? War hier nicht irgendwo eine Leiche?"
Das war der Beginn dieser Ermittlung gewesen.
Vielleicht war er sie ein wenig locker angegangen.
Mit diesem vagen Gefühl der Befreiung, weil sie ihn irgendwie aus dem Gefängnis der Feiertagsschicht und vor der grauen Routine errettet hatte, von der sich jede Polizeistation nährte. Doch bald konfrontierte das schon so oft verspürte Grauen vor einem furchtbaren Tod Lupo jäh mit den Schmerzen dieser Welt.
Auch dem Aufseher schien ganz plötzlich seine ganze Empörung über die Welt und insbesondere über diesen Eindringling, der in so unangemessener Weise die unveränderlichen Gesetze seines Universums geschmäht hatte, abhanden gekommen zu sein.
Manuel Hibanez sah älter aus als seine siebenundvierzig Jahre. Er hatte schütteres stumpfes Haar, das ein bizarrer Akt des Mörders zum tragischen Detail gemacht hatte. Indem er nämlich die Perücke herumgedreht und wie ein Käppi drapiert hatte, war dem persönlichen Ausdruck des Toten endgültig jegliche Intimität genommen. Eine lange und wohl gestaltete Schmalzlocke schmiegte sich in seinen Nacken, während die Stirn bis zu den Augenbrauen von militärisch kurzen Stoppelhaaren bedeckt war.
"Haben Sie ihn so gefunden?"
"Ja, ja ..."
"Sind Sie sicher? Haben Sie nicht vielleicht die Perücke verschoben, während Sie seine Taschen nach Papieren durch sucht haben?"
Der Museumswärter fuhr bei diesen Fragen des Commissario zusammen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er diesem armen Teufel nicht einmal ins Gesicht gesehen hatte. Und dass er diese seltsame Frisur nicht bemerkt hatte. So sehr war er in seiner Abscheu gefangen gewesen.
"Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt, erinnere ich mich nicht mehr."
"Wo hatte er seine Brieftasche."
"In der Innentasche der Jacke."
"Also haben Sie ihn nicht herumgedreht, um danach zu suchen. Er lag doch nicht etwa auf dem Bauch?"
"Nein, nein. Da bin ich ganz sicher. Er lag so da, gegen die Isis-Statue gelehnt. Hinter der Absperrung."
"Und die Hand?"
"Was meinen Sie damit?"
"Schauen Sie gut hin. Sehen Sie, dass seine linke Hand unter dem Schenkel liegt, das ist nicht normal. Er wurde hierhergeschleift. Also wäre es natürlich, dass sie seitlich liegt, wie die andere auch. Daher: Entweder hat der Mörder sie dort hingeschoben. Oder ..."
"Nein, nein. Ich habe nichts dergleichen getan. Das schwöre ich Ihnen."
"Beruhigen Sie sich, ich versuche ja nur, das Ganze zu verstehen. Niemand beschuldigt Sie, irgendetwas getan zu haben."
Der Aufseher hatte das dringende Bedürfnis, noch einmal ganz von vorne anzufangen. Das Verhältnis zu diesem vielleicht etwas extravaganten, aber doch freundlichen Polizisten zu korrigieren - dieser entsprach seinem Bild vom üblichen arroganten und besserwisserischen Bullen so gar nicht. Deshalb streckte er ihm, ohne darüber nachzudenken, die rechte Hand mit einer zaghaften und zugleich stolzen Geste entgegen.
"Michele Ferrero. Wie der von Nutella."
Lupo nahm dieses unerwartete Einlenken mit einem Lächeln an. Und beeilte sich, sich seinerseits vorzustellen.
"Commissario Lupo. Lupo wie der Wolf oder wie der aus dem Fernsehen. Rex oder Rin Tin Tin, wie Sie wollen. Nur dass ich nicht belle und nicht beiße. Also, nur mit der Ruhe."
Das war nicht gerade die schlagfertigste Entgegnung.
Doch sie erfüllte ihren Zweck umgehend. Sie befreite Ferrero aus seiner Verlegenheit und ließ Lupo wie einen Freund erscheinen, der Hilfe braucht. Es war offensichtlich, dass Ferrero nichts mit der Sache zu tun hatte. Und Lupo hatte ein großes Interesse daran, dass er zugänglich und kooperativ blieb.
"Ich wollte sagen: Ich habe ein seltsames Gefühl. So als habe der Mörder uns eine Nachricht hinterlassen wollen. Als ob die Hand unter dem Schenkel etwas bedeuten müsse. Wie auch die Statue der Isis und die Position des Körpers und der Sitz der Perücke."
Ferrero nickte.
Er verfolgte plötzlich seine eigenen Gedanken.
"Oh, Commissario, Sie können sich gar nicht vorstellen ... Das ist eine Ansammlung voller Verrückter, diese Ägypten-Fanatiker. Und dann die Franzosen ... Sie halten sich alle für kleine Champollions und sind immer auf der Suche nach ihrem ganz persönlichen Stein von Rosetta. Unglaublich ..."
"Sie wollen mir also sagen, dass sehr viele Menschen hierherkommen und dass es sich dabei nicht nur um einfache Touristen handelt?"
"Genau. Es gibt kein noch so verlassenes Nest in Frankreich, in dem es nicht zumindest eine Vereinigung von Sonntagspharaonen gibt. Sie haben diesen ganzen Blödsinn von Christian Jacq gelesen, und dort, in diesen Seiten, in denen es von Fehlern wimmelt, haben sie ihren Glauben gefunden. Sie treffen sich, diskutieren, verseuchen das Internet, organisieren Busse, um sich mit stundenlangen Fahrten zu martern, auf denen sie kein Auge zukriegen, nur um nach Turin zu kommen. Die allerfrömmsten Anhänger gönnen sich mindestens einmal in ihrem Leben einen Charterflug nach Kairo."
"Das ist wie Mekka für einen Moslem."
"Nun, wir hier sind zwar nur Medina, aber wir sind in Reichweite. Und so schwirren sie wie die Bienen um eine Blume. Sie sind die Arbeiterinnen, die Masse. Doch ab und zu findet sich auch mal eine Königin."
"Und dieser Hibanez könnte eine von ihnen sein?"
"Wer weiß das schon so genau? Menschen wie er gehören oft richtigen mystischen Sekten an. Mit Riten, Priestern, Geheimnissen, Symbolen, Neid und Hass. Sie wären sogar fähig, Frau und Kinder zu verkaufen - für eine Entdeckung, für den eigenen Namen über einem Aufsatz, ganz zu schweigen von einem Gedenkstein."
"Wären sie auch fähig, dafür zu töten?"
"Vielleicht ..."
Lupo seufzte.
Kaum etwas verabscheute er so sehr wie die Esoterik und ihre verschiedenen Schulen mit all ihren Adepten, bei denen die Irrationalität der Ausgangspunkt für jede ihrer Spekulationen war, die allein auf Gutgläubigkeit basierten. Menschen, die bereit waren, alles zu glauben, ohne je die Notwendigkeit für eine objektive Bestätigung, eine logische Erklärung oder für etwas Handfestes, das man anfassen konnte, zu sehen.
Er schaute sich lange um.
Er trauerte schon diesem realen nassen Fleck in seinem Büro nach, von dem es auch im Sommer heruntertropfte: Zumindest war dies eine Wunde, die dermaßen blutete, dass es fast schon beruhigend war.
Während im Gegensatz dazu in der priesterlichen und machtvollen Atmosphäre dieses Saals die ersten geheimnisvollen und fremdartigen Töne emporstiegen: der vieldeutige und faszinierende Gesang einer unerreichbaren Sirene, die mit dem Atem der Jahrhunderte eine unglaubliche Anzahl von Menschen verführen konnte, die in ihrer allzu grauen Gegenwart keine Befriedigung fanden.
"War das wirklich eine Pistole?"
Jetzt schrak Lupo zusammen.
Er war so völlig in seinen Gedanken versunken gewesen, dass er den beachtlichen roten Fleck auf der Brust einfach hingenommen und nicht weiter darüber nachgedacht hatte. Er hatte es als gegeben angesehen, dass zumindest ein Projektil in dieser Leiche steckte. Er näherte sich auf wenige Zentimeter, zog das Hemd ein wenig auseinander. Doch er fand kein Eintrittsloch.
"Verflucht noch mal, wie kann das sein?"
Er blickte dem Toten fast wütend ins Gesicht. Als fordere er von diesem eine unmögliche Erklärung. Erst dann bemerkte er ein Detail, das ihm vollkommen entgangen war, vielleicht weil ihn diese so surreale Perücke abgelenkt hatte.
Beide Nasenlöcher waren voll von getrocknetem Blut.
Und die kleine Delle auf dem Nasenrücken rührte sicher nicht von der Brille.
Sondern von einem brutalen Schlag.
Die ganze Nase war geschwollen. Das Aussehen der Leiche war nicht etwa ihren grobschlächtigen Gesichtszügen zu verdanken, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte, sondern einem mit Wucht ausgeführten Schlag mit einem stumpfen Gegenstand, der die Nasenscheidewand zermalmt und die Knorpel völlig zerschmettert hatte. Ferrero hatte sich keine seiner Bewegungen entgehen lassen.
Und auch er begriff schließlich. Lupo ließ einen Seufzer vernehmen.
"Das ändert jedoch nichts. So ein armer Teufel bleibt immer ein armer Teufel, egal auf welche Weise er getötet wird. Er ist also nicht erschossen worden. Ein ordentlicher Schlag und tschüs. Der Kopf fällt nach vorn, und das Blut tropft aus der Nase auf die Brust ..."
Aber irgendetwas stimmte trotzdem nicht.
Es gab zu wenig Blut.
Kaum mehr als ein dunkelroter Fleck war zu sehen.
Lupo schüttelte den Kopf.
Nachdenklich.
"Nein. Dieser Hibanez war schon tot, als man ihm den Schlag verpasst hat. Das Herz hat schon eine Weile kein Blut mehr gepumpt. Sonst hätten wir hier nicht nur ein paar elende Tropfen, sondern einen ganzen See."
Doch die Überraschungen nahmen kein Ende.
Lupo begriff, dass dies kein typischer Mord war, verübt aus einem der klassischen Motive - Zorn, Rache, Sex oder Geld.
Nein, dahinter steckte etwas wesentlich Ausgefeilteres.
Es war, als würde der Mörder mit ihm spielen, indem er ihn in ein verästeltes Labyrinth von Illusionen schickte, um den wahren Trick, die Schlussszene, vor ihm zu verbergen. Er war eine Art Zauberer, der ein Theaterstück mit mehreren Kulissen entworfen hatte, um zu verhindern, dass Lupo wusste, wo sie sich befanden. Die Perücke, das Projektil im Herzen und die zertrümmerte Nase, das waren lediglich die ersten drei Ablenkungsmanöver. Doch würde sich hinter dem x-ten Spiegel noch die x-te falsche Fährte finden? Lupo hatte begriffen, dass dies erst der Anfang der Provokation war. Er begann, laut nachzudenken.
"Warum gerade Isis? Welche Bedeutung hat diese Statue, die die von, sagen wir, Ramses II. oder von Tutanchamun, nicht hat?"
Ferrero zuckte die Achseln. Dann kratzte er sich ausgiebig am Ohr.
Er sah Lupo von der Seite an und murmelte seltsame Sätze, wobei sich unter sein bescheidenes Italienisch mit dem kraftvollen Akzent eines Bauern aus der Gegend von Asti die hochtrabenden Formulierungen mischten, die er in all den vielen Jahren von den Leitern des Museums übernommen hatte. Vor lauter Erregung hatte er gewissermaßen seine eigene Ausdrucksweise eingebüßt.
"Ich weiß, dass Sie nicht begeistert sein werden - wenn ich Ihren Topos richtig verstanden habe."
"Wie?"
"Irre ich mich mit meiner Vermutung, dass die anfänglichen Theorien nicht gerade Ihren Begriff von Glück treffen?"
"Hören Sie, Ferrero ... kommen Sie wieder auf den Boden. Bringen Sie's auf den Punkt."
Ferrero war ein wenig gekränkt. So war es immer mit diesen Uneingeweihten.
"Nun, wenn Sie so wollen ... Na gut ... Wir alle, die wir Ägyptenfans sind, wissen, dass Isis eine ganz konkrete Beziehung zu Turin hat. Nach Eusebius von Cäsarea war es ihr Sohn Phaeton, auch Eridanus genannt (wie es der Zufall will, der alte Name des Po), der im Jahr 1529 vor Christus die Stadt gegründet hat. Und das, was heute die Basilika Gran Madre ist, ist eben auf den Überresten des alten Tempels der Göttin gebaut worden. Genügt Ihnen das?"
Lupo seufzte.
"Eine Legende wie jede andere auch. Ein bisschen wenig für den rationalen Geist eines Commissario."
"Genug jedenfalls für einen Mörder, der sich vielleicht an Mysterien ergötzt. Andererseits führt man schon ein mal die Gran Madre im Mund, dann ist der nächste Schritt schon fast zwingend: der Heilige Gral, der Kelch, in dem Joseph von Arimathäa das Blut Christi ..."
Lupo konnte nicht an sich halten und machte eine Geste, die seinen Ärger ausdrückte.
Er streckte seinen Finger aus und drohte mit strenger Miene.
"Ich will diesen ganzen Unsinn nicht hören. Das magische Turin. Turin an der Spitze des esoterischen Dreiecks mit Prag und Lyon ..."
"Wenn wir schon dabei sind, dann auch das mit London und San Francisco."
"Zwingen Sie mich nicht zu lachen. Wo soll denn da der Unterschied sein?"
"Mit dem ersten beherrschen wir das Reich der weißen Magie. Mit dem zweiten das der schwarzen Magie. Und was den Gral angeht ..."
"Verschonen Sie mich damit, ich bitte Sie."
"Nur noch eine Sache, dann wird mein Mund versiegelt sein. Ich schwöre es Ihnen."
"Dann reden Sie schon.""Es heißt, der Kelch sei irgendwo in der Nähe der Gran Madre verborgen. Auf dem Platz davor befindet sich eine Statue, La Fede, der Glaube. Neben ihr steht ein Engel.
... weniger
Autoren-Porträt von Piero Soria
Piero Soria wurde 1944 in Turin geboren und arbeitet seit mehr als dreißig Jahren als Journalist bei der Tageszeitung "La Stampa".
Bibliographische Angaben
- Autor: Piero Soria
- 2007, 412 Seiten, Maße: 12,1 x 18,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Italien. v. Birgitta Höpken
- Übersetzer: Birgitta Höpken
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442462797
- ISBN-13: 9783442462797
Rezension zu „Das französische Mädchen “
"Eine starke Geschichte, messerscharf gezeichnete Charaktere und eine unglaublich dichte, spannungsgeladene Atmosphäre."
Kommentar zu "Das französische Mädchen"
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