Das große Spektakel
Eine todernste Geschichte, von Windeiern aufgelockert. Roman. Nachw. v. Ernst-Wilhelm Händler
Ein grandioses Panorama der abendländischen Kultur, aufbereitet als funkensprühender Zeitroman
Im Anfang war das Wort. Mit dessen Fleischwerdung begann das ebenso grandiose wie lächerliche Spektakel «Menschheitsgeschichte»....
Im Anfang war das Wort. Mit dessen Fleischwerdung begann das ebenso grandiose wie lächerliche Spektakel «Menschheitsgeschichte»....
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Das große Spektakel “
Ein grandioses Panorama der abendländischen Kultur, aufbereitet als funkensprühender Zeitroman
Im Anfang war das Wort. Mit dessen Fleischwerdung begann das ebenso grandiose wie lächerliche Spektakel «Menschheitsgeschichte». Inge Merkels historisches Großpanorama zeigt den düsteren Filz aus Verblendung und Niedertracht, es spürt aber auch den paar spärlichen Goldfäden nach. Im Wien des ausgehenden 20. Jahrhunderts - wo sonst? - mündet die «»tour de force» in ein feierliches Requiem.
Alles beginnt mit dem Auftrag der texanischen Kleinstadt Paragonville an Professor Singer, zum hundertjährigen Gründungsjubiläum eine Gräuel-Chronik der Alten Welt zu verfassen, auf dass sich ein moralisch makelloses Amerika umso strahlender davon abhebe. Singer ist ratlos. Sosehr er das Geld braucht, so wenig mag er sich kaufen lassen.
Gottlob weiß die Nachbarin Rat. Kurzerhand staffiert sie sein gelehrtes Traktat mit vergnüglichen Histörchen aus, «Windeier» genannt, und lässt in einer schwindelerregenden Geisterbahnfahrt einige tausend Jahre Welttheater Revue passieren. Inge Merkel hat einen atemberaubend klugen Universalroman über Gott und die Welt geschrieben, ein anthropologisches Grundbuch über den ewigen Widerstreit zwischen Glauben und Aberglauben, Einsicht und Dämonie, humaner Kultur und der allzeit drohenden Verluderung der Welt.
Eine «Wiener Weltchronik» voll erfinderischem Übermut und der Lust am pointenreichen Erzählen.
Im Anfang war das Wort. Mit dessen Fleischwerdung begann das ebenso grandiose wie lächerliche Spektakel «Menschheitsgeschichte». Inge Merkels historisches Großpanorama zeigt den düsteren Filz aus Verblendung und Niedertracht, es spürt aber auch den paar spärlichen Goldfäden nach. Im Wien des ausgehenden 20. Jahrhunderts - wo sonst? - mündet die «»tour de force» in ein feierliches Requiem.
Alles beginnt mit dem Auftrag der texanischen Kleinstadt Paragonville an Professor Singer, zum hundertjährigen Gründungsjubiläum eine Gräuel-Chronik der Alten Welt zu verfassen, auf dass sich ein moralisch makelloses Amerika umso strahlender davon abhebe. Singer ist ratlos. Sosehr er das Geld braucht, so wenig mag er sich kaufen lassen.
Gottlob weiß die Nachbarin Rat. Kurzerhand staffiert sie sein gelehrtes Traktat mit vergnüglichen Histörchen aus, «Windeier» genannt, und lässt in einer schwindelerregenden Geisterbahnfahrt einige tausend Jahre Welttheater Revue passieren. Inge Merkel hat einen atemberaubend klugen Universalroman über Gott und die Welt geschrieben, ein anthropologisches Grundbuch über den ewigen Widerstreit zwischen Glauben und Aberglauben, Einsicht und Dämonie, humaner Kultur und der allzeit drohenden Verluderung der Welt.
Eine «Wiener Weltchronik» voll erfinderischem Übermut und der Lust am pointenreichen Erzählen.
Klappentext zu „Das große Spektakel “
Ein grandioses Panorama der abendländischen Kultur, aufbereitet als funkensprühender ZeitromanIm Anfang war das Wort. Mit dessen Fleischwerdung begann das ebenso grandiose wie lächerliche Spektakel "Menschheitsgeschichte". Inge Merkels historisches Großpanorama zeigt den düsteren Filz aus Verblendung und Niedertracht, es spürt aber auch den paar spärlichen Goldfäden nach. Im Wien des ausgehenden 20. Jahrhunderts - wo sonst? - mündet die ""tour de force" in ein feierliches Requiem.
Alles beginnt mit dem Auftrag der texanischen Kleinstadt Paragonville an Professor Singer, zum hundertjährigen Gründungsjubiläum eine Gräuel-Chronik der Alten Welt zu verfassen, auf dass sich ein moralisch makelloses Amerika umso strahlender davon abhebe. Singer ist ratlos. Sosehr er das Geld braucht, so wenig mag er sich kaufen lassen.
Gottlob weiß die Nachbarin Rat. Kurzerhand staffiert sie sein gelehrtes Traktat mit vergnüglichen Histörchen aus, "Windeier" genannt, und lässt in einer schwindelerregenden Geisterbahnfahrt einige tausend Jahre Welttheater Revue passieren. Inge Merkel hat einen atemberaubend klugen Universalroman über Gott und die Welt geschrieben, ein anthropologisches Grundbuch über den ewigen Widerstreit zwischen Glauben und Aberglauben, Einsicht und Dämonie, humaner Kultur und der allzeit drohenden Verluderung der Welt.
Eine "Wiener Weltchronik" voll erfinderischem Übermut und der Lust am pointenreichen Erzählen.
"Das Opus magnum der vor knapp drei Jahren mit 83 Jahren verstorbenen Wienerin Inge Merkel liegt endlich wieder vor. Darin unterhalten sich drei Intellektuelle über Sinnlichkeit und Glaubensfreiheit und die Gefährlichkeit unaufgeklärter Massen: ein wahnwitziges und hochaktuelles Buch. Nun liegt es, nachdem es längst vergriffen war, wieder vor - aus gutem Grund: Es ist ein bitterernstes und gleichzeitig ungeheuer amüsantes Plädoyer für die Glaubensfreiheit, für eine sinnliche, pralle, barocke Lebensführung und eine Warnung vor der Gefährlichkeit unaufgeklärter und ungebildeter Massen. Das Pralle und das Freie schlägt sich beides in einer zügellosen, überbordenden Sprache nieder, die ihresgleichen sucht." -- Peter Urban-Halle, Deutschlandradio Kultur
"Es geht beharrlich und ohne Unterbrechung um die großen Menschheitsfragen. Merkels unnachahmlicher Stil: witzig, originell in der Formulierung, hinterlistig profund, voll überraschender Wendungen. Empfehlenswert." -- Ruth Klüger, Literarische Welt
"Unterbrochen von wunderbar schwulstigen Stimmungsbildern aus der Antike, liest sich das Buch wie ein Parforceritt durch zweitausend Jahre Geistesgeschichte, auch als eine große Abhandlung über das Apollinische und das Dionysische Prinzip in der abendländischen Kultur. Gespickt mit Fußnoten und verschlungenen Abschweifungen, mit geschliffenem Sprachwitz und einer unbändigen Freunde an schrulligen Worten und Redewendungen, wuchert der Roman zu einem vergnüglichen und wundersamen Lesegewächs aus ... Ein entzückendes und wirklich drolliges Buch." -- Sven Ahnert, WDR
"Es geht beharrlich und ohne Unterbrechung um die großen Menschheitsfragen. Merkels unnachahmlicher Stil: witzig, originell in der Formulierung, hinterlistig profund, voll überraschender Wendungen. Empfehlenswert." -- Ruth Klüger, Literarische Welt
"Unterbrochen von wunderbar schwulstigen Stimmungsbildern aus der Antike, liest sich das Buch wie ein Parforceritt durch zweitausend Jahre Geistesgeschichte, auch als eine große Abhandlung über das Apollinische und das Dionysische Prinzip in der abendländischen Kultur. Gespickt mit Fußnoten und verschlungenen Abschweifungen, mit geschliffenem Sprachwitz und einer unbändigen Freunde an schrulligen Worten und Redewendungen, wuchert der Roman zu einem vergnüglichen und wundersamen Lesegewächs aus ... Ein entzückendes und wirklich drolliges Buch." -- Sven Ahnert, WDR
Lese-Probe zu „Das große Spektakel “
Mit erwachtem Argwohn sah ich schon von weitem, daß vor meinem Haus ein Möbelwagen das halbe Trottoir verstellte. Mit offenen Flügeln klaffte das Tor. Grobschlächtige Männer hoben, schoben und schleppten unter rauhen Leitsignalen Schwergewichtiges durch Gang und Stiegenhaus. Ich konnte eine Weile nicht hinein, weil zwei Packer sich mit geblähten Halsadern abrackerten, einen überdimensionalen Schreibtisch durch die Eingangspforte zu fädeln, der sich diesem Ansinnen mit einer obstinaten Beharrlichkeit widersetzte, die etwas Menschliches hatte: ein sperriger Protest der Würde.Unbehagen schoß auf, als ich vernahm, daß das Ziel dieser Betriebsamkeit die Wohnung unter mir war, die lange leergestanden hatte. Zwar ist das Haus solid gebaut, großräumig und mit hohen Plafonds, wie man noch im vorigen Jahrhundert baute, trotzdem war mir das Bewußtsein verläßlicher Stille unter meinen Füßen zur angenehmen Selbstverständlichkeit geworden. Ich betrat den Aufzug mit nervöser Beklommenheit.
Gleichzeitig mit mir stieg die Hausmeisterin ein, eine kleinwüchsige, feiste Vierzigerin mit der Geschwätzigkeit eines Kuckucks. Sie fuhr mit Kübel und Fetzen auf und versah mich mit Faktenmaterial über den neuen Mieter.
"Ein älterer Herr, alleinstehend." Der Umstand beruhigte mich. Wenigstens kein Kindersegen und lärmende Gesellschaften.
"Fast keine Möbel hat der Herr", erfuhr ich ungefragt; "nur Kisten voller Bücher und Regale... nicht einmal eine ordentliche Schlafzimmergarnitur!" wurde angemerkt mit geschürzter Lippe ; "nur Ottomanen und kein Buffet. Dafür zwei Schreibtische! Was braucht ein alleinstehender Herr zwei Schreibtische?" fragte sich die Hausmeisterin und lachte kehligen Hohn.
Vor dem Aussteigen im vierten Stock erfuhr ich noch, daß der neue Herr sie für jeden Donnerstag zum Putzen engagiert habe; nachmittags.
"Wer putzt am Nachmittag?" fragte sich die Hausmeisterin; noch dazu wolle der Herr um keinen Preis während des Putzens zu Hause sein. Sie mißbilligte
... mehr
dieses in sie gesetzte Vertrauen, erwähnte noch einmal das Fehlen von Schlafzimmergarnitur und Buffet mit greller Lache und schwenkte prallsteißig mit Kübel und Fetzen in die offene Wohnung ein.
Trotz masochistischen Horchzwanges vernahm ich am nächsten Tag von unten her nur gedämpftes Rumoren, dann nichts mehr.
Als ich einmal mit dem Aufzug die vierte Etage passierte, sah ich durch die Glasscheibe den neuen Mieter en profil von unten emporwachsen. Bequem ausgetretene Schuhe verloren sich in legere Hosenbeine aus abgewetztem Schnürlsamt. Sodann kamen breite, knochige Hände ins Blickfeld, die zornig mit dem Schlüsselloch kämpften. Im Höherschweben registrierte ich einen ausgeprägten Hinterkopf mit grau gekräuseltem Haarkranz, scharfnasig mit Brille.
Während ich meiner Mansarde zutrieb, streifte mich das vage Gefühl, diese Erscheinung irgendwann schon einmal gesehen zu haben.
Ich hätte den neuen Fußnachbarn vergessen, weil er sich so ruhig verhielt, wenn nicht an jedem Donnerstag zwischen drei und fünf Uhr die Hausmeisterin unten mit dem Staubsauger gewerkt hätte, wozu Ö3 auf voller Lautstärke erscholl. Alle musikalischen Darbietungen des Senders wurden von der Weibsperson mit durchdringendem Gesang begleitet. Ich gewöhnte es mir an, meine Besorgungen auf diese Zeit zu verlegen.
An einem solchen Donnerstag nachmittags war es auch, daß ich in der nahe gelegenen Bäckerei den stillen Herrn vor dem Ladentisch stehen und zahlen sah. Als er sich umwandte, um hinauszugehen, standen wir einander frontal gegenüber.
"Was! Sie sind das?" entfuhr es mir.
"Es scheint so", quittierte er meine etwas törichte Frage mit hochgezogenen Brauen und spöttischen Mundwinkeln. Im prompten Gegenzug ließ ich - während ich der Verkäuferin meine Wünsche bekanntgab - beiläufig fallen: "Wissen Sie eigentlich, daß wir Kopfnachbarn sind?"
Weit entfernt, sein Erstaunen einzugestehen, schlug er - ganz der alte Singer - einen boshaften Haken: "Was Sie nicht sagen! So sind also Sie die Person, die sich gegen Abend bisweilen auf dem Klavier ergeht. Mit echter Empfindung, muß ich einräumen - wofür der reichliche Pedalgebrauch spricht."
"Nur ein schwacher Ausgleich für die Reinigungsorgien Ihrer Raumpflegerin, die mir jeden Donnerstag die Ohren blessieren!"
Bei dieser Bemerkung schreckte Singer hoch, sah auf die Uhr und blickte gequält: "Erst halb fünf! Da dreht sie sich noch herum in meiner Wohnung", kam es mit gedrückter Stimme.
"Warum verbitten Sie sich nicht wenigstens Ö3?"
"Trauen werd' ich mich!"
Seite an Seite gingen wir die paar Schritte auf das Haus zu. Bereits als der Aufzug der zweiten Etage zuschwebte, quoll uns hingebender Gesang entgegen. "Die Kanaille ist noch in Aktion!" knirschte Singer.
Ich lud ihn ein, die fehlende Zeitspanne mit mir beim Kaffee abzusitzen. "Dabei kann ich Sie auch bequem darüber ausnehmen, warum und wohin Sie so plötzlich verschwunden sind. Gleichsam vom Erdboden gefegt und ohne ein Wort der Ankündigung oder des Abschieds. Acht, zehn Jahre muß das jetzt her sein?"
Singer reagierte nicht auf diese Anspielung, schloß sich mir aber in seinem Fluchtstreben vor dem hausmeisterischen Frohsinn widerspruchslos an.
"Eine Zwillingswohnung zu meiner!" stellte er nach dem Eintreten fest und sah sich um.
"Bis auf diese kleine Anrüchigkeit da", sagte ich und zeigte ihm, daß sich in meinem Vorzimmer hinter einem blauen Vorhang noch eine Türe befand, eine weißlackierte Tür mit Messingschnalle.
"Warum ist die Tür verhängt? Verstecken Sie da Ihre Leichen?"
"Nur zum geringsten Teil meine eigenen. Zumeist sind es die meiner Vorgänger, die großteils schon selbst ins Gras gebissen haben."
Natürlich wollte er das gezeigt bekommen. Ich drehte den Schlüssel im Schloß und griff nach dem Lichtschalter. Staubgeruch wölkte auf. Sperriges Gerümpel türmte sich im schwachen Licht, alles überzogen von der unaufhaltsamen Emsigkeit des Verrottens; Spinnweben und Staub, schräg durchquert von einem Lichtbalken, der von der Luke kam. Fasziniert horchte Singer in die körperhafte Stummheit hinein, die ausrangierte Möbel um sich verbreiten. "Ein Dachboden! Ein echter Dachboden mit Ziegelpflaster, Schrägbalken, Querbohlen und schwarzen Kamintürchen!"
"Die allerdings ins Unbekannte führen. Was sie jedoch nicht hindert, bisweilen puffende Rußstöße von sich zu geben."
Singer bekam gierige Augen: "Eine plötzliche Auskröpfung mitten in einer bürgerlichen Wohnung, vollgestopft mit Lebenströdel und hinter einer weißlackierten Tür mit Messingschnalle als Tarnschürzchen!" Er konnte sich von diesem Anblick lange nicht lösen.
Als wir dann beim Kaffee saßen, wiederholte ich meine Frage nach seinem abrupten Verschwinden: "Meine Briefe kamen zurück mit der Aufschrift: Adressat verzogen mit unbekanntem Aufenthalt! Ich wußte nicht, ob ich mich sorgen oder beleidigt sein sollte. - Sie fehlten mir auch. Die geistige Erfrischung unserer brieflichen Gefechte ging mir ab.
Trotz masochistischen Horchzwanges vernahm ich am nächsten Tag von unten her nur gedämpftes Rumoren, dann nichts mehr.
Als ich einmal mit dem Aufzug die vierte Etage passierte, sah ich durch die Glasscheibe den neuen Mieter en profil von unten emporwachsen. Bequem ausgetretene Schuhe verloren sich in legere Hosenbeine aus abgewetztem Schnürlsamt. Sodann kamen breite, knochige Hände ins Blickfeld, die zornig mit dem Schlüsselloch kämpften. Im Höherschweben registrierte ich einen ausgeprägten Hinterkopf mit grau gekräuseltem Haarkranz, scharfnasig mit Brille.
Während ich meiner Mansarde zutrieb, streifte mich das vage Gefühl, diese Erscheinung irgendwann schon einmal gesehen zu haben.
Ich hätte den neuen Fußnachbarn vergessen, weil er sich so ruhig verhielt, wenn nicht an jedem Donnerstag zwischen drei und fünf Uhr die Hausmeisterin unten mit dem Staubsauger gewerkt hätte, wozu Ö3 auf voller Lautstärke erscholl. Alle musikalischen Darbietungen des Senders wurden von der Weibsperson mit durchdringendem Gesang begleitet. Ich gewöhnte es mir an, meine Besorgungen auf diese Zeit zu verlegen.
An einem solchen Donnerstag nachmittags war es auch, daß ich in der nahe gelegenen Bäckerei den stillen Herrn vor dem Ladentisch stehen und zahlen sah. Als er sich umwandte, um hinauszugehen, standen wir einander frontal gegenüber.
"Was! Sie sind das?" entfuhr es mir.
"Es scheint so", quittierte er meine etwas törichte Frage mit hochgezogenen Brauen und spöttischen Mundwinkeln. Im prompten Gegenzug ließ ich - während ich der Verkäuferin meine Wünsche bekanntgab - beiläufig fallen: "Wissen Sie eigentlich, daß wir Kopfnachbarn sind?"
Weit entfernt, sein Erstaunen einzugestehen, schlug er - ganz der alte Singer - einen boshaften Haken: "Was Sie nicht sagen! So sind also Sie die Person, die sich gegen Abend bisweilen auf dem Klavier ergeht. Mit echter Empfindung, muß ich einräumen - wofür der reichliche Pedalgebrauch spricht."
"Nur ein schwacher Ausgleich für die Reinigungsorgien Ihrer Raumpflegerin, die mir jeden Donnerstag die Ohren blessieren!"
Bei dieser Bemerkung schreckte Singer hoch, sah auf die Uhr und blickte gequält: "Erst halb fünf! Da dreht sie sich noch herum in meiner Wohnung", kam es mit gedrückter Stimme.
"Warum verbitten Sie sich nicht wenigstens Ö3?"
"Trauen werd' ich mich!"
Seite an Seite gingen wir die paar Schritte auf das Haus zu. Bereits als der Aufzug der zweiten Etage zuschwebte, quoll uns hingebender Gesang entgegen. "Die Kanaille ist noch in Aktion!" knirschte Singer.
Ich lud ihn ein, die fehlende Zeitspanne mit mir beim Kaffee abzusitzen. "Dabei kann ich Sie auch bequem darüber ausnehmen, warum und wohin Sie so plötzlich verschwunden sind. Gleichsam vom Erdboden gefegt und ohne ein Wort der Ankündigung oder des Abschieds. Acht, zehn Jahre muß das jetzt her sein?"
Singer reagierte nicht auf diese Anspielung, schloß sich mir aber in seinem Fluchtstreben vor dem hausmeisterischen Frohsinn widerspruchslos an.
"Eine Zwillingswohnung zu meiner!" stellte er nach dem Eintreten fest und sah sich um.
"Bis auf diese kleine Anrüchigkeit da", sagte ich und zeigte ihm, daß sich in meinem Vorzimmer hinter einem blauen Vorhang noch eine Türe befand, eine weißlackierte Tür mit Messingschnalle.
"Warum ist die Tür verhängt? Verstecken Sie da Ihre Leichen?"
"Nur zum geringsten Teil meine eigenen. Zumeist sind es die meiner Vorgänger, die großteils schon selbst ins Gras gebissen haben."
Natürlich wollte er das gezeigt bekommen. Ich drehte den Schlüssel im Schloß und griff nach dem Lichtschalter. Staubgeruch wölkte auf. Sperriges Gerümpel türmte sich im schwachen Licht, alles überzogen von der unaufhaltsamen Emsigkeit des Verrottens; Spinnweben und Staub, schräg durchquert von einem Lichtbalken, der von der Luke kam. Fasziniert horchte Singer in die körperhafte Stummheit hinein, die ausrangierte Möbel um sich verbreiten. "Ein Dachboden! Ein echter Dachboden mit Ziegelpflaster, Schrägbalken, Querbohlen und schwarzen Kamintürchen!"
"Die allerdings ins Unbekannte führen. Was sie jedoch nicht hindert, bisweilen puffende Rußstöße von sich zu geben."
Singer bekam gierige Augen: "Eine plötzliche Auskröpfung mitten in einer bürgerlichen Wohnung, vollgestopft mit Lebenströdel und hinter einer weißlackierten Tür mit Messingschnalle als Tarnschürzchen!" Er konnte sich von diesem Anblick lange nicht lösen.
Als wir dann beim Kaffee saßen, wiederholte ich meine Frage nach seinem abrupten Verschwinden: "Meine Briefe kamen zurück mit der Aufschrift: Adressat verzogen mit unbekanntem Aufenthalt! Ich wußte nicht, ob ich mich sorgen oder beleidigt sein sollte. - Sie fehlten mir auch. Die geistige Erfrischung unserer brieflichen Gefechte ging mir ab.
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Autoren-Porträt von Inge Merkel
Inge Merkel (1922-2006), promovierte Altphilo login, war als Latein- und Deutschlehrerin im Schuldienst tätig, ehe sie als Spätberufene mit sechzig zu schreiben begann. Innerhalb weniger Jahre entstanden sechs Romane. Von scheuer Wesensart und dem Literaturbetrieb gegenüber eher skeptisch, blieb ihr die Anerkennung als eine der originellsten Stimmen in der deutschsprachigen Literatur des späten 20. Jahrhunderts versagt.
Bibliographische Angaben
- Autor: Inge Merkel
- 2008, 768 Seiten, Maße: 10,3 x 15,3 cm, Leinen, Deutsch
- Verlag: Manesse
- ISBN-10: 3717521683
- ISBN-13: 9783717521686
Rezension zu „Das große Spektakel “
»Esprit, lebengkluge Aussagen, Anekdoten aus dem Wiener Milieu, Episoden einer amerikanischen Kleinstadt sowie die Fabulierkunst der Autorin Inge Merkel (...) machen die Lektüre zu einer Besonderheit auf hohem intellektuellem Niveau.«
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