Das Haus der Amseln
Ein Farmhaus in den Feldern von Cape Cod, unweit des aufgewühlten Meeres, erbaut vor über 200 Jahren. Die Menschen und insbesondere die Frauen, die hier gewohnt haben, verbindet über die Jahrhunderte hinweg ein faszinierender Reigen voller Magie und...
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Ein Farmhaus in den Feldern von Cape Cod, unweit des aufgewühlten Meeres, erbaut vor über 200 Jahren. Die Menschen und insbesondere die Frauen, die hier gewohnt haben, verbindet über die Jahrhunderte hinweg ein faszinierender Reigen voller Magie und Naturgewalt, voller Hoffnung und Verzweiflung, voller Liebe und Tod. Begleitet werden sie von einer mysteriösen weißen Amsel, die sich immer wieder als sicherer Vorbote des Schicksals erweist.
Das Haus der Amseln von AliceHoffman
LESEPROBE
Am Rand der Welt
Mitzehn Jahren solle ein Junge erstmals zur See fahren, hieß es, doch gewiss hattedies niemals eine Mutter gesagt. Hätte sich das Wasser in der Bucht stets umein Grad er wärmt, wenn eine Frau Mann oder Kind an den Ozean verlor, so hättees auch im tiefsten Winter gedampft und gebrodelt, und Blaufische und Heringe,die sich dort tummelten, wären bei lebendigem Leibe gesotten worden.Alljährlich im Mai fanden sich die Frauen aus dem Dorf an der Werft ein. Auchan schönen Tagen, wenn die Luft nach jungem Gras oder Frühlingszwiebelnduftete, sehnten sie sich nach Schnee und Eis, wünschten sich den grauenNovember herbei, den Dezember mit seinen Stürmen und zu gefrorenen Häfen,hofften, dass die Schiffe zurückkehren würden, dass keiner fehlte, dass die Jungen zu Männern herangewachsen waren. Frauen, die Massachusetts niemalsverlassen hatten, dachten so begehrlich an die Middle Banks und die Great Bankswie manche Männer an die Hölle; jenen Ort, der einem alles geben konnte, wasman ersehnte. Jenen Ort, der einem alles nehmen konnte. In diesem Jahr war dieAngst größer denn je, doch die Frauen fürchteten weniger Stürme und Unwetter,Hunger und Unfälle, Rum, Streitereien oder leere Netze. In diesem Jahr hattendie Briten ein Embargo verhängt über die Schiffe vom Cape. Den Hafen zuverlassen war wider das Recht, und doch wollten die Fischer aus der Stadt injenen mondlosen Nächten im Mai mit ein paar Schaluppen hinaussegeln, wohlwissend, dass jeder Mann, den die Briten erwischten, wegen Hochverrathingerichtet und jeder Junge nach England ins Gefängnis von Dartmoor geschafftwürde - was so schlimm war wie der Tod, meinten die Leute in der Stadt, nurviel kälter und vielleicht auch grausamer. Die meisten machten von Anfang ankeinen Hehl aus ihren Plänen, verkündeten, ob sie hinaus fahren wollten oder anLand bleiben und sich, falls nötig, nützlich machen im Fort am Long Pond, einerFestung, die kaum mehr als ein Blockhaus war, in der man sich aber wenigstensan die soliden Wände lehnen konnte, wenn man eine ruhige Hand zum Schießenbrauchte. John Hadley gehörte zu jenen, die bleiben wollten, daran ließ erkeinen Zweifel, und die an deren kannten seine Gründe. Er hatte gerade daskleine Haus in der Talsenke vollendet, an dem er seit beinahe drei Jahren mitseinem älteren Sohn Vincent gearbeitet hatte. John Hadley und Vincent warenjeden Sommer hinausgefahren, um Blaufische und Heilbutt zu fangen, großeFische, mit denen sich die Netze schnell füllen ließen. Johns Schaluppe warklein, und er hatte keine großen Wünsche; nur dieses Haus wollte er seiner Frauschenken, ein Haus, das nicht besonders prachtvoll war, aber mit Liebe undSorgfalt erbaut, und zu dem eine Wiese gehörte, auf der wilde Weintrauben undStechpalmen wuchsen. Es war schwer, an Holz zu kommen, und so hatte John Balkenaus alten Schiffen, die er an der Werft holte, für das Dach benutzt, und alsihm auch die aus gingen, nahm er Holz von den Obstbäumen auf seinem Grundstück,obwohl die anderen sagten, Apfel- und Birnbaum seien zu weich. Die Fensterbestanden aus Ölpapier, nicht aus Glas, doch das Licht im Haus war golden undschillernd; kleine Fliegen schwirrten umher, und die Zeit verrann zäh wieSirup, schwer und liebestrunken. Denn John Hadley liebte seine Frau Coralinniglich, heftiger, als jeder ahnen mochte. Er war wortkarg in ihrer Nähe,noch immer, und er hegte die törichte Vorstellung, ihr ein Geschenk machen zukönnen, das kein anderer ihr zu geben vermochte. Etwas Kostbares, Beständiges,das nur ihr gehörte. Wenn er Coral ansah, dachte er an das Haus. So war dieLiebe für ihn: Auf See tat er kaum ein Auge zu, weil Coral nicht neben ihmruhte. Sie war sein Anker, sein Zuhause; sie war die Straße, die zu all jenemführte, was John Hadley am Herzen lag. Otis West und sein Vetter Harris Maguirehatten bei den Plänen für das Haus mit geholfen - eine Wohnstube, Dachkammernfür die Jungen, ein Schlafzimmer für John und Coral. Die Männer waren guteNachbarn, und sie halfen auch aus, als es darum ging, das Dach fertig zustellen, obwohl sie nichts davon hielten, dass John die Seefahrt an den Nagelhängen wollte. Ein Mann sollte nicht sein Leben aufgeben, um sesshaft zuwerden. Ein Mann sollte nicht seine Freiheit gegen Steckrüben eintauschen.Dennoch schufteten die Nachbarn Tag für Tag gemeinsam mit John und Vincent,brachten ihre Ochsen zum Schleppen der Querbalken und jauchzten vor Freude, alsdas Gröbste geschafft war und sie zur Feier einen guten Rum trinken konnten. Sowar die Stadt: Man half sich, einerlei, was man über den anderen dachte. Sogardie alte Margaret Swift, die wahrhaftig an der Fahnenstange vor ihrem Haus diebritische Flagge gehisst hatte, wurde höflich bedient beim Kaufmann, obwohlmanche Leute in der Stadt fanden, sie sollte eigentlich Teer trinken und Federnspucken. (...)
©Verlagsgruppe Random House
Übersetzung:Sibylle Schmidt
- Autor: Alice Hoffman
- 2005, 202 Seiten, Maße: 12 x 19 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Dtsch. v. Sibylle Schmidt
- Verlag: Arkana
- ISBN-10: 3442460131
- ISBN-13: 9783442460137
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