Das Mondamulett
Ein packendes Abenteuer, das von den Hügeln Afghanistans über Bombay bis ins Herz des britischen Empires des 19. Jahrhunderts führt.
Die junge Daryâ weiß, was von ihr als zukünftiger Ehefrau erwartet wird: Viele Söhne zu gebären und in Demut zu dienen....
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Produktinformationen zu „Das Mondamulett “
Ein packendes Abenteuer, das von den Hügeln Afghanistans über Bombay bis ins Herz des britischen Empires des 19. Jahrhunderts führt.
Die junge Daryâ weiß, was von ihr als zukünftiger Ehefrau erwartet wird: Viele Söhne zu gebären und in Demut zu dienen. Doch ihr Freiheitsdrang ist so stark, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzt und eines Nachts flieht. Ein glücklicher Zufall führt sie zu der Karawane, die unter dem Kommando des Engländers David Ingram nach Indien unterwegs ist. Daryâ fleht ihn an, sie mitzunehmen. Und David - fasziniert von ihrem Mut - willigt ein.
Klappentext zu „Das Mondamulett “
Von den kargen Hügeln Afghanistans über den Khyber-Pass nach Indien, von der exotischen Großstadt Bombay bis in das Herz des britischen Empire des 19. Jahrhunderts das farbenprächtige und faszinierende Panorama einer glanzvollen Epoche.Die junge, eigensinnige Daryweiß, was man von ihr als zukünftiger Ehefrau erwartet: viele Söhne zu gebären und in Demut zu dienen.
Doch Dary
liebt die Freiheit, und es fällt ihr schwer, sich den strengen archaischen Regeln ihrer Welt zu beugen. Die väterlichen Strafen für ihren Ungehorsam erduldet sie stoisch, nur der Fluch der Stiefmutter macht ihr Angst, denn dieser verheißt ihr ein Leben ohne Kinder ein Schicksal, das einem Todesurteil gleichkommen würde.
Als ihr Vater sie an den Nomaden Shaliq verkauft, glaubt Dary
dem Fluch entkommen zu können, doch Monate vergehen, ohne dass sie von ihrem Mann ein Kind erwartet, und aus Angst vor dem jähzornigen Shaliq flieht Dary
eines Nachts in das Dickicht der Wälder.
Nur ein glücklicher Zufall führtsie an das Lager einer kleinen Karawane, die unter dem Kommando des Engländers David Ingram Richtung Indien zieht. Obwohl Dary
sich vor dem weißen Mann mit den leuchtenden Augen fürchtet, fleht sie ihn an, sie mitzunehmen. Und David, fasziniert von dem Mut dieser jungen Frau, willigt ein, sie in Sicherheit zu bringen.
Während der langen, beschwerlichen Reise wächst zwischen beiden eine zarte Vertrautheit heran. Doch dann ist es Zeit, Abschied zu nehmen, so unerträglich die Trennung auch David und Dary
scheint. Beide ahnen nicht, dass sich ihre Wege am anderen Ende der Welt, in London, noch einmal auf schicksalhafte Weise kreuzen werden und dass wahre Liebe jeden Fluch zu bannen weiß ...Der dramatische Roman über eine junge Frau, die unbeirrbar und gegen alle Widerstände für ihre Freiheit und um ihr Glück kämpft.
VON DEN KARGEN HÜGELN AFGHANISTANS ÜBER DEN KHYBER-PASS NACH INDIEN, VON DER EXOTISCHEN GROßSTADT BOMBAY BIS IN DAS HERZ DES BRITISCHEN EMPIRE DES 19. JAHRHUNDERTS - DAS FARBENPRÄCHTIGE UND FASZINIERENDE PANORAMA EINER GLANZVOLLEN EPOCHE.
Die junge, eigensinnige Daryâ weiß, was man von ihr als zukünftiger Ehefrau erwartet: viele Söhne zu gebären und in Demut zu dienen.
Doch Daryâ liebt die Freiheit, und es fällt ihr schwer, sich den strengen archaischen Regeln ihrer Welt zu beugen. Die väterlichen Strafen für ihren Ungehorsam erduldet sie stoisch, nur der Fluch der Stiefmutter macht ihr Angst, denn dieser verheißt ihr ein Leben ohne Kinder - ein Schicksal, das einem Todesurteil gleichkommen würde.
Als ihr Vater sie an den Nomaden Shaliq verkauft, glaubt Daryâ dem Fluch entkommen zu können, doch Monate vergehen, ohne dass sie von ihrem Mann ein Kind erwartet, und aus Angst vor dem jähzornigen Shaliq flieht Daryâ eines Nachts in das Dickicht der Wälder.
Nur ein glücklicher Zufall führt sie an das Lager einer kleinen Karawane, die unter dem Kommando des Engländers David Ingram Richtung Indien zieht. Obwohl Daryâ sich vor dem weißen Mann mit den leuchtenden Augen fürchtet, fleht sie ihn an, sie mitzunehmen. Und David, fasziniert von dem Mut dieser jungen Frau, willigt ein, sie in Sicherheit zu bringen.
Während der langen, beschwerlichen Reise wächst zwischen beiden eine zarte Vertrautheit heran. Doch dann ist es Zeit, Abschied zu nehmen, so unerträglich die Trennung auch David und Daryâ scheint. Beide ahnen nicht, dass sich ihre Wege am anderen Ende der Welt, in London, noch einmal auf schicksalhafte Weise kreuzen werden und dass wahre Liebe jeden Fluch zu bannen weiß ...
Der dramatische Roman über eine junge Frau, die unbeirrbar und gegen alle Widerstände für ihre Freiheit und um ihr Glück kämpft.
Von der Autorin des internationalen Erfolgs "Der Smaragdvogel".
"Holemans erzählerische Gabe besticht durch eine außergewöhnliche Phantasie und einen Zauber, dem man sich nicht entziehen kann." - Globe & Mail
"Eine herzergreifende, fesselnde Saga, die man sofort all seinen Freundinnen weiterempfehlen möchte." - Woman über "Der Smaragdvogel"
Die junge, eigensinnige Daryâ weiß, was man von ihr als zukünftiger Ehefrau erwartet: viele Söhne zu gebären und in Demut zu dienen.
Doch Daryâ liebt die Freiheit, und es fällt ihr schwer, sich den strengen archaischen Regeln ihrer Welt zu beugen. Die väterlichen Strafen für ihren Ungehorsam erduldet sie stoisch, nur der Fluch der Stiefmutter macht ihr Angst, denn dieser verheißt ihr ein Leben ohne Kinder - ein Schicksal, das einem Todesurteil gleichkommen würde.
Als ihr Vater sie an den Nomaden Shaliq verkauft, glaubt Daryâ dem Fluch entkommen zu können, doch Monate vergehen, ohne dass sie von ihrem Mann ein Kind erwartet, und aus Angst vor dem jähzornigen Shaliq flieht Daryâ eines Nachts in das Dickicht der Wälder.
Nur ein glücklicher Zufall führt sie an das Lager einer kleinen Karawane, die unter dem Kommando des Engländers David Ingram Richtung Indien zieht. Obwohl Daryâ sich vor dem weißen Mann mit den leuchtenden Augen fürchtet, fleht sie ihn an, sie mitzunehmen. Und David, fasziniert von dem Mut dieser jungen Frau, willigt ein, sie in Sicherheit zu bringen.
Während der langen, beschwerlichen Reise wächst zwischen beiden eine zarte Vertrautheit heran. Doch dann ist es Zeit, Abschied zu nehmen, so unerträglich die Trennung auch David und Daryâ scheint. Beide ahnen nicht, dass sich ihre Wege am anderen Ende der Welt, in London, noch einmal auf schicksalhafte Weise kreuzen werden und dass wahre Liebe jeden Fluch zu bannen weiß ...
Der dramatische Roman über eine junge Frau, die unbeirrbar und gegen alle Widerstände für ihre Freiheit und um ihr Glück kämpft.
Von der Autorin des internationalen Erfolgs "Der Smaragdvogel".
"Holemans erzählerische Gabe besticht durch eine außergewöhnliche Phantasie und einen Zauber, dem man sich nicht entziehen kann." - Globe & Mail
"Eine herzergreifende, fesselnde Saga, die man sofort all seinen Freundinnen weiterempfehlen möchte." - Woman über "Der Smaragdvogel"
Lese-Probe zu „Das Mondamulett “
PROLOGAtlantischer Ozean, 1856
Immer hat man mir gesagt, ich sei schlecht.
Also dann, hier ist meine Geschichte: Sie handelt von meiner Schlechtigkeit und meinen Versuchen, gut zu sein, von der Kraft, die ich in mir versp rte und wieder verlor und wieder gewann. Von ersch ttertem und wiedergefundenem Glauben, vom Glauben an mich und andere. Der Kraft, die der Poesie innewohnt, den Legenden, Tr umen und W nschen. Es ist eine Geschichte von Liebe und Hass; von den Gegens tzlichkeiten des Lebens, die du, Leser, alle kennst und selbst schon erlebt hast, von den Elementen, die unsere Welt ausmachen und unser Leben - und die kunstvoll ineinander verwoben sind wie die Adern eines Blattes, die Muster der Sterne am Firmament, das Kerngeh use eines Granatapfels.
Den Granatapfel findet man kaum in diesem Land, das ich nun hinter mir lasse, das feuchte Land mit seinen Schattierungen aus Grau und Gr n, das Land, in dem ich nicht geboren wurde. Heute hat man mir eine der purpurnen Fr chte mit der harten Schale gebracht, als besonderes Geschenk f r einen besonderen Anlass. An geeigneter Stelle wirst du, lieber Leser, mehr dar ber erfahren.
Ich habe den Granatapfel aufgeschnitten und die Kerne in eine wei e Sch ssel gegeben, die auf meinem Scho liegt. Ich picke mir einen aus dem k hlen, glatten Porzellan heraus und f hre ihn zum Mund. Voll und s f hlt er sich zwischen meinen Lippen an. Dann lasse ich seinen Geschmack auf der Zunge zergehen und mich mit Erinnerungen an mein Land durchfluten. An mein WATAN, meine Heimat.
Doch im Gegensatz zu dem Kern auf meiner Zunge schmecken sie bitters . Viele F den wurden miteinander verwoben, langsam, aber stetig, bis schlie lich dieser unebene Teppich entstand, der zu meinem Leben wurde. Im Geiste sehe ich die H nde, die die F den hielten - die meiner Gro mutter mit ihrer bewegten Vergangenheit, ihrem verborgenen Leben im ZENANA, dem Frauengemach; die meiner tadschikischen Eltern, die der KAFIR-HURE und die meines
... mehr
PASCHTUNISCHEN Ehemanns. Und manchmal, auch wenn solche Gedanken gottesl sterlich sein m gen, sehe ich die H nde Allahs, zwischen dessen Fingern sich ein Netz aus seidenen F den spannt.
Noch immer ist es schwer f r mich, derlei Gedanken auszusprechen, denn in meinem WATAN werden Frauen f r weit Geringeres bestraft als f r den Gedanken, dass Allah sich um das Leben einer Widerspenstigen und auf Abwege geratenen Tadschikin k mmern w rde.
Und auch wenn ich jetzt in Sicherheit bin und mein Geist frei ist gleich einer Motte, die sich aus einer sich ffnenden Faust befreit, sterben alte Gewohnheiten nur langsam; noch immer behalte ich viele meiner Gedanken und W nsche f r mich.
Bitte, lies meine Geschichte, und w hrend du sie liest, stell dir die Frage, ob ich wirklich schlecht bin. Doch bilde dir erst ein Urteil, wenn du am Ende angelangt bist.
IM SCHATTEN DES HINDUKUSCH
Afghanistan, 1845
Meine Gro mutter wurde MAHDOKHT genannt - Tochter des Mondes. Im ganzen Dorf gab es niemanden, der wie meine Gro mutter war. Ihr Leben lang blieb sie eine Au enseiterin, obwohl der Vater meines Vaters sie als Braut mit in sein Dorf gebracht hatte. Sie war keine Tadschikin und kam auch nicht aus einer anderen Gegend Afghanistans. Sie war eine TSCHERKESSIN, geboren in einem Bergland, dem Kaukasus, das sich zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer erhebt. Hellh utig und mit Haar, in dessen Braun sich ein gl nzender HONIGTON mischte, war sie sehr sch n gewesen. Zu einem Zopf geflochten, ma ihr Haar die Spanne ihres Arms.
Meine Gro mutter erz hlte mir zahlreiche Geschichten von ihrem Leben an anderen Orten. Ihre Beschreibungen waren so klar und lebendig, dass ich nie an der Wahrheit ihrer Worte zweifelte, auch wenn sie nicht mehr wusste, welche Jahreszeit wir gerade hatten oder was sie zuletzt gegessen hatte oder wie die Menschen in unserem Dorf hie en. Wenn sie mir ihre alten Geschichten erz hlte, wurde ihr Gesicht ruhig, ein Ausdruck, als ob sie hellwach w re und gleichzeitig tr umte.
Wie viele andere M dchen aus dem Kaukasus auch, war sie aufgrund ihrer ber chtigten Sch nheit - der blassen Haut, den gro en Augen und der ppigen Haarm hne - von ihren Eltern verkauft worden. Vor allem bei den Sultanen am Bosporus, dem Land an den S en Wassern Asiens, wie es genannt wurde, waren die TSCHERKESSINNEN sehr gefragt. Erst acht Jahre alt, wurde sie auf einer langen, strapazi sen Reise dorthin gebracht. Dort kam sie ins ZENANA, den Harem des Sultans, wo sie einen anderen Namen erhielt. Sp ter erinnerte sie sich nicht mehr an den Namen, den ihre Eltern ihr gegeben hatten, denn niemand hatte sie je mehr so genannt, in den siebzig Sommern, die seither vergangen waren.
Weil sie noch so jung war - viel j nger als die anderen TSCHERKESSISCHEN M dchen auf dieser ersten Reise -, kam sie zur Tochter des Sultans. Die Prinzessin behandelte sie wie ein lebendes Spielzeug; sie badete sie, flocht ihre Haare und zog ihr sch ne Kleider an. "Eine Kindpuppe war ich", sagte meine Gro mutter. Wenn die Prinzessin gl cklich war, wurde sie freundlich behandelt, doch wann immer eine Laune sie berkam, setzte es Schl ge und Hiebe.
Nach einiger Zeit, als das M dchen MAHDOKHT gr er und reifer geworden war, wurde die Prinzessin ihres h bschen Spielzeugs berdr ssig. Also schickte man sie in das ZENANA, wo sie wie eine Sklavin zu den anderen M dchen und Frauen gesperrt wurde und gezwungen war, das Leben einer f gsamen Konkubine zu f hren. Ich kannte den Ausdruck Konkubine nicht und fragte Gro mutter danach, doch sie sch ttelte nur den Kopf.
Stattdessen erkl rte sie mir, dass sie - ihrer islamischen Erziehung gem - akzeptiert hatte, dass ihr Schicksal von Geburt an vorherbestimmt war. Ihr auf die Stirn geschrieben war, wie sie sagte, wobei sie mit dem Zeigefinger die Furchen auf ihrer Stirn nachfuhr. Gefangen in den Mauern des ZENANA, verbrachte sie ihre Zeit mit m igem Nichtstun. Tags ber badete sie ausgiebig und rieb sich die Haut mit duftenden Essenzen ein, sie lernte zu singen, zu tanzen und Gedichte aufzusagen; und sie a erlesene Speisen, zubereitet von Sklaven, die noch unterhalb ihres Standes waren. Nachts indessen rauchte sie eine Pfeife mit KEYF, das ihr magische Tr ume bescherte, w hrend sich die Frauen Geschichten erz hlten und Gedichte aufsagten, die von den jeweiligen L ndern handelten, aus denen sie verschleppt worden waren, oder erfundene Geschichten, erwachsen aus Einsamkeit und Langeweile.
"Trag dien und Liebe, DARY ", sagte sie. "Freude und Leid. Das sind die vier Ecken eines Lebens."
Gro mutter lehrte mich diese Lieder und Gedichte auf Persisch, einer Sprache, die dem Dari hnelt, das in unserem tadschikischen Dorf gesprochen wurde, doch mit all ihren Schattierungen noch sch ner anzuh ren ist.
"War es nicht wundervoll?", fragte ich. Im Geiste stellte ich mir ein Leben vor, ohne arbeiten zu m ssen, ein Leben, das nur aus Essen, Schlafen und Geschichtenerz hlen bestand. Wie konnte ein solches Leben nicht wundervoll gewesen sein?
Doch das Gesicht meiner Gro mutter verschloss sich. "Manchmal. Aber wir wurden streng bewacht von den bartlosen M nnern, die beschnitten waren - also noch immer M nner, und doch nicht mehr -, und stets lauerte eine Gefahr in den Mauern des ZENANA."
"Gefahr?"
"Es war ein t ckischer Ort", erkl rte sie. "Es gab viel Tratsch und Klatsch, boshaftes Gerede, L gen von eifers chtigen Konkurrentinnen; manchmal wurden auch M dchen vergiftet, und ihre leblosen K rper warf man in die S en Wasser. Deshalb bin ich geflohen; ich wusste, dass es eines Tages mich treffen w rde, denn ich hatte bemerkt, dass ich f r andere eine Bedrohung war."
"Aber warum warst du eine Bedrohung? Und wie bist du entkommen?", fragte ich sie, doch von ihrem Leben nach dem ZENANA erz hlte meine Gro mutter mir zu der Zeit recht wenig.
Und wenn meine Mutter oder mein Vater in der N he waren, sprach sie niemals von ihrer Vergangenheit. Es war ihr Geheimnis, und mochte ich auch ein M dchen sein, dem immer eine Frage auf der Zunge lag, so h tete ich mich doch davor, sie in Gegenwart anderer danach zu fragen. Ich liebte ihre Geschichten; der Gedanke, dass sie - und damit auch ich - Wurzeln eines anderen Volksstammes in sich trug, erf llte mich mit einem wilden, s en Verlangen nach etwas, das ich nicht benennen konnte. Manchmal sah ich sie an und versuchte, das wundersch ne M dchen aus den weit entfernten Bergen in ihr zu erkennen. Doch sie sah aus wie die anderen M DAR KAL N - Gro m tter - des Dorfs, das wei e Haar d nn geworden, mit einem leichten Damenbart auf dem Kinn und die w ssrigen Augen eingesunken in einem Bett aus Falten. Auch sah ich keine hnlichkeit zwischen uns beiden: Mein Haar hatte keine honigfarbenen Str hnen, sondern war von einem intensiven Dunkelbraun. Meine Augen waren nicht grau wie ihre, sondern gr n - obwohl sie mir sagte, dass, wenn sie in meine Augen blicke, sie ihre eigenen sehe, dieselbe Form, die gleichen dichten Wimpern, die sie hatte, als sie noch jung war.
Nie sprach sie dar ber, wie sie nach Afghanistan gekommen war; ich ahnte, dass sie sich dieses Leben in dem kleinen Bauerndorf SUSM R KHORD nicht ertr umt hatte. Sie hatte zu viel gesehen, wusste zu viel, als dass sie in dieser kleinen Welt h tte zufrieden sein k nnen. Bisweilen sprach sie von einem anderen Mann - nicht meinem Gro vater, der noch vor meiner Geburt gestorben war -, sondern einem Mann, den sie ihren wahren Mann nannte, den Einzigen, den sie je geliebt hatte. Sie erw hnte auch Kinder, die sie von jenem Mann bekommen hatte, und die lange vor meinem Onkel und meinem Vater zur Welt gekommen waren. Mein Vater indes war, so sagte sie, ein Geschenk Gottes gewesen: Der Sohn, der auf ihre alten Tage f r sie sorgen sollte, wurde geboren, als sie in einem Alter war, in dem Frauen normalerweise nicht mehr fruchtbar sind. Und manchmal weinte sie, weinte um jene Kinder - jene, die noch lebten, und jene, die schon im Paradies waren, wie ihr Erstgeborenes, das tot im ZENANA zur Welt gekommen war, oder der ltere Bruder meines Vaters, der in der Schlacht von Kabul von M nnern mit roten M nteln get tet worden war.
"Die M nner des britischen Empire", erkl rte sie. "Sie wollen uns dieses Land wegnehmen. Ihr eigenes Land - Inglestan, England - gen gt ihnen offensichtlich nicht. Sie glauben, dass ihr Blut das edelste sei - ihr blasses, d nnes Blut -, und wollen es auf der ganzen Welt verbreiten."
Dann sang sie in ihrer br chigen, zittrigen Stimme jenes fremdl ndische Lied, das ich schon als kleines Kind gelernt hatte. Sie hatte mir erkl rt, was die Worte bedeuteten: Die Menschen aus England beherrschten alles, sogar das Wasser der Ozeane, und immer w rden sie Herrscher sein und nie Sklaven. HERRSCHE, BRITANNIA, HERRSCHE BER DIE MEERE, BRITANNIA. Ich liebte es, die ungewohnten, verdrehten Worte auf der Zunge zu sp ren, und sang oft leise dieses Lied vor mich hin.
"Es gab ein Bild, ein Bild, an das ich mich jetzt wieder erinnere", sagte sie und sah mich an, nach dem wir wieder einmal das Lied zusammen gesungen hatten. "Und das Gesicht darauf ist deines."
Als ich ihre verebbende Stimme vernahm, ihren Blick sah, der allm hlich verschwamm, wusste ich, dass sie wieder einmal weit weg von unserem Dorf war, zur ck in eine andere Zeit ging, an einen anderen Ort. Geduldig wartete ich, denn ich kannte diesen Zustand, wusste, dass sie wieder zur ckkehren w rde.
"Was f r ein Bild, M DAR KAL N?", fragte ich nach einer Weile sanft.
Sie blinzelte und sah mich an. "Das Gem lde hing im Haus des Mannes, der mir mein Herz gestohlen hat. Auf einer langen Reise kam er aus jenem weit entfernten Land, aus England, nach Ankara in die T rkei, wo er mich fand, nachdem ich aus dem ZENANA geflohen war. Er war der Herr, dem ich von da an geh rte, doch hat er mich so freundlich behandelt wie kein anderer Mann, den ich kannte. Er schenkte mir einen Sohn und eine Tochter. Sch n", f gte sie hinzu, "sie waren beide sch n. Mit einer Haut wie Milch. Meine Babys." Dann wurde sie still, und Tr nen rannen aus ihren Augenwinkeln. Ich hatte von diesen verlorenen Kindern unz hlige Male geh rt, doch nie zuvor hatte sie ein Gem lde erw hnt. Ich beugte mich zu ihr hin und strich sanft mit dem Zipfel ihres Schals die Tr nen von ihren Wangen.
"Es ist gut, M DAR KAL N", sagte ich auf Persisch, der Sprache, in der wir uns immer unterhielten. "Weine nicht. Was war auf dem Bild zu sehen?"
"Eine Schlacht, wie immer", sagte sie, mit dem Gedanken noch immer in jener vergangenen Zeit. "Er rannte, je ein Kind unter dem Arm. Er drehte sich nach mir um und rief mir etwas zu, aber es war zu sp t. Dann verschwand er, und ich ..." Sie weinte. "Meine Kleinen, meine armen Kleinen. Was ist nur mit ihnen geschehen?"
Ich nahm ihre Hand in meine und streichelte sie. "Das Bild, M DAR KAL N? Was ist mit dem Bild?"
Sie sch ttelte den Kopf, so als versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. "Darauf war eine Frau mit einem Helm und einem Schild in der einen und einer Waffe mit drei Z hnen in der anderen Hand; sie trug die R stung eines Mannes."
"Wer war sie?"
"Sie war das Britische Empire." Wieder stimmte Gro mutter das Lied an.
Ich wartete, bis sie zu Ende gesungen hatte, ehe ich fragte: "Was meinst du damit?"
"Das Britische Empire ist wie eine m chtige Frau."
"Eine m chtige Frau? Welche Frau hat Macht?" Ich war mir sicher, dass Gro mutter wieder einmal verwirrt war, denn in SUSM R KHORD gab es keine m chtigen Frauen.
Doch sie antwortete nicht. Den Kopf ber ihren faltigen Hals gebeugt, d ste sie ein. Ich betrachtete sie, wie sie schlief, und w nschte mir, ich k nnte in ihren Kopf kriechen und all die Dinge sehen, die sie gesehen hatte, und all die Dinge erfahren, die sie wusste.
Doch trotz der wundervollen Geschichten, die M DAR KAL N mir in den Kopf pflanzte, musste sie jetzt bewacht werden wie ein kleines Kind. Mitten in der Nacht wanderte sie durch das Haus und suchte ihre Schlafdecken. Manchmal verga sie, zu der mit einem Vorhang verh ngten Ecke im Hof zu gehen, und beschmutzte sich. Dann schlug sie sich voller Scham gegen die Brust.
Meine Mutter hatte alle H nde voll zu tun mit dem Kochen und dem Sauberhalten unseres Hauses, und von meinem Vater wurde selbstverst ndlich nicht erwartet, dass er sich um eine alte Frau k mmerte. Ich war das einzige Kind, und so viel mir die Aufgabe zu, nach meiner Gro mutter zu sehen. Aber ich betrachtete es nicht als Pflicht; es machte mich gl cklich und zufrieden, ihr zu helfen, denn ich empfand eine tiefe, innige Liebe zu ihr und hatte das Gef hl, sie besch tzen zu m ssen. Sie war der einzige Mensch, der etwas Gro es in meine kleine, abgeschiedene Welt brachte, mir die Augen daf r ffnete, dass es jenseits der Grenzen unseres Dorfs eine andere Welt, ein anderes Leben gab, dass die Welt hinter dem Horizont aus Feldern und Bergen nicht aufh rte.
Und egal, wie oft sie sich auch wiederholte, mir von den Orten erz hlte, an denen sie gewesen war - von den Fl ssen und St dten, W sten und den unz hligen Wundern dieser Erde -, und die Gedichte, Lieder und Episoden aus dem ZENANA aufsagte, nie wurde ich ihrer Erinnerungen berdr ssig. Bisweilen bat sie mich, ihre Geschichten zu wiederholen, und ich fragte mich, ob sie berpr fen wollte, wie viel ich davon behalten hatte; oder sollte ich sie durch Aufsagen lebendig halten, weil sie Angst hatte, dass sie allm hlich im Nebel des Vergessens versanken, so wie ihre Erinnerung an die praktischen Dinge des Lebens verblasste?
An den warmen Abenden half ich Gro mutter zu ihrem Lager auf dem Flachdach. Sie tat sich immer schwerer damit, die h lzernen Sprossen der Leiter zu erklimmen, und ich schob sie von unten, um, oben angekommen, mich an ihr vorbeizuschieben und sie das letzte St ck an den Handgelenken haltend auf den Boden hinaufzuziehen. Schwer atmend st tzte sie sich auf mich, w hrend sie sich auf ihr Lager aus verblichenen Teppichen und Decken niederlie . Unser Haus befand sich am Rand des Dorfes, vom Dach aus konnte man die Felder berblicken, die sich ringsherum ausbreiteten, und in der Ferne die violetten Schattierungen der Berge.
W hrend die Sonne allm hlich hinter dem Horizont versank, sa en wir zusammen da und warteten, bis sich der Nachthimmel mit dem Mond und den Sternen ber uns ausbreitete. Gro mutter wusste um die Bedeutung der Sternenbahnen und kannte Geschichten zu den Sternbildern, die am Himmel zu erkennen waren. M DAR KAL N erz hlte mir, dass in unserem WATAN der Sichelmond m nnlich sei und dass von den Frauen erwartet werde, zu seinen F en zu sitzen und ihn anzubeten, so wie wir unsere M nner anbeten sollten. In anderen Gegenden sei der Mond indes weiblich.
"Ist es dann ein anderer Mond in jenen Gegenden?", wollte ich wissen.
Sie sch ttelte den Kopf. "Es ist wie mit dem Glauben an Allah. Nicht alle glauben an Ihn, sondern verehren ihre eigenen G tter."
"Ist Allah nicht allm chtig?", fragte ich, entsetzt ber ihre u erung ber Allah, den Barmherzigen.
"Nein, nur f r jene, die Ihn anbeten", sagte sie. "Es gibt so viele verschiedene G tter, zu denen die Menschen auf dieser Erde beten, ebenso wie der Mond bei den verschiedenen V lkern unterschiedliche Bedeutungen hat. Manche sagen, der Mond sei eine Frau - in ppigen Zeiten voll, d nn und blass hingegen in Zeiten der Not. Ich wei nicht viel ber Allah, mein Kind, aber etwas wei ich" - sie deutete mit dem Finger gen Himmel -, "es gibt nur eine Sonne, nur einen Mond, aber unz hlige Sterne, weit mehr, als es Menschen gibt."
W hrend ich Gro mutters Gesicht ansah - faltig und zerfurcht im Mondlicht -, f hlte ich mich an den runden, blassen Mond erinnert mit seinen Schatten und Unebenheiten. Pl tzlich meinte ich zu verstehen, warum vor vielen Jahren jemand in einem weit entfernten Land ihr ihren Namen gab. Und ich beschloss, dass der Mond tats chlich eine Frau sei. Was Gro mutters seltsame Worte ber Allah und andere G tter betraf, war ich mir hingegen nicht so sicher; vielleicht war es einfach nur ihrer zunehmenden Verwirrung zuzuschreiben.
"Denkst du, dass ich jemals einen der Orte sehen werde, an denen du gewesen bist?", fragte ich.
"Ja, das wirst du. Das wei ich, denn du bist mir hnlich. Leute, die zufrieden sind, bleiben meist an einem Ort. Doch die, die es nicht sind, ziehen weiter, auf der Suche nach Zufriedenheit." Sie sah in den Himmel. "Du hast jedoch eine St rke in dir, die dir nicht so schnell erlauben wird, Zufriedenheit im Leben zu finden."
Ich gab einen unwilligen Laut von mir, doch M DAR KAL N fuhr fort, ohne meinem Protest Beachtung zu schenken: "Dieses Dorf - dieses Land - ist nicht die einzige Welt. Das wirst du mit der Zeit erkennen. Du bist stark, DARY . Und du wirst hier nicht zufrieden sein. Also wirst du weggehen m ssen."
"Und wohin werde ich gehen?" Ich versp rte ein dumpfes Gef hl der Angst in meinem Bauch.Noch immer blickte sie in den Himmel und sch ttelte ganz langsam den Kopf, so als w rde sie mit einer unh rbaren Stimme streiten. "Und dort wirst du finden, wonach du suchst.".
Noch immer ist es schwer f r mich, derlei Gedanken auszusprechen, denn in meinem WATAN werden Frauen f r weit Geringeres bestraft als f r den Gedanken, dass Allah sich um das Leben einer Widerspenstigen und auf Abwege geratenen Tadschikin k mmern w rde.
Und auch wenn ich jetzt in Sicherheit bin und mein Geist frei ist gleich einer Motte, die sich aus einer sich ffnenden Faust befreit, sterben alte Gewohnheiten nur langsam; noch immer behalte ich viele meiner Gedanken und W nsche f r mich.
Bitte, lies meine Geschichte, und w hrend du sie liest, stell dir die Frage, ob ich wirklich schlecht bin. Doch bilde dir erst ein Urteil, wenn du am Ende angelangt bist.
IM SCHATTEN DES HINDUKUSCH
Afghanistan, 1845
Meine Gro mutter wurde MAHDOKHT genannt - Tochter des Mondes. Im ganzen Dorf gab es niemanden, der wie meine Gro mutter war. Ihr Leben lang blieb sie eine Au enseiterin, obwohl der Vater meines Vaters sie als Braut mit in sein Dorf gebracht hatte. Sie war keine Tadschikin und kam auch nicht aus einer anderen Gegend Afghanistans. Sie war eine TSCHERKESSIN, geboren in einem Bergland, dem Kaukasus, das sich zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer erhebt. Hellh utig und mit Haar, in dessen Braun sich ein gl nzender HONIGTON mischte, war sie sehr sch n gewesen. Zu einem Zopf geflochten, ma ihr Haar die Spanne ihres Arms.
Meine Gro mutter erz hlte mir zahlreiche Geschichten von ihrem Leben an anderen Orten. Ihre Beschreibungen waren so klar und lebendig, dass ich nie an der Wahrheit ihrer Worte zweifelte, auch wenn sie nicht mehr wusste, welche Jahreszeit wir gerade hatten oder was sie zuletzt gegessen hatte oder wie die Menschen in unserem Dorf hie en. Wenn sie mir ihre alten Geschichten erz hlte, wurde ihr Gesicht ruhig, ein Ausdruck, als ob sie hellwach w re und gleichzeitig tr umte.
Wie viele andere M dchen aus dem Kaukasus auch, war sie aufgrund ihrer ber chtigten Sch nheit - der blassen Haut, den gro en Augen und der ppigen Haarm hne - von ihren Eltern verkauft worden. Vor allem bei den Sultanen am Bosporus, dem Land an den S en Wassern Asiens, wie es genannt wurde, waren die TSCHERKESSINNEN sehr gefragt. Erst acht Jahre alt, wurde sie auf einer langen, strapazi sen Reise dorthin gebracht. Dort kam sie ins ZENANA, den Harem des Sultans, wo sie einen anderen Namen erhielt. Sp ter erinnerte sie sich nicht mehr an den Namen, den ihre Eltern ihr gegeben hatten, denn niemand hatte sie je mehr so genannt, in den siebzig Sommern, die seither vergangen waren.
Weil sie noch so jung war - viel j nger als die anderen TSCHERKESSISCHEN M dchen auf dieser ersten Reise -, kam sie zur Tochter des Sultans. Die Prinzessin behandelte sie wie ein lebendes Spielzeug; sie badete sie, flocht ihre Haare und zog ihr sch ne Kleider an. "Eine Kindpuppe war ich", sagte meine Gro mutter. Wenn die Prinzessin gl cklich war, wurde sie freundlich behandelt, doch wann immer eine Laune sie berkam, setzte es Schl ge und Hiebe.
Nach einiger Zeit, als das M dchen MAHDOKHT gr er und reifer geworden war, wurde die Prinzessin ihres h bschen Spielzeugs berdr ssig. Also schickte man sie in das ZENANA, wo sie wie eine Sklavin zu den anderen M dchen und Frauen gesperrt wurde und gezwungen war, das Leben einer f gsamen Konkubine zu f hren. Ich kannte den Ausdruck Konkubine nicht und fragte Gro mutter danach, doch sie sch ttelte nur den Kopf.
Stattdessen erkl rte sie mir, dass sie - ihrer islamischen Erziehung gem - akzeptiert hatte, dass ihr Schicksal von Geburt an vorherbestimmt war. Ihr auf die Stirn geschrieben war, wie sie sagte, wobei sie mit dem Zeigefinger die Furchen auf ihrer Stirn nachfuhr. Gefangen in den Mauern des ZENANA, verbrachte sie ihre Zeit mit m igem Nichtstun. Tags ber badete sie ausgiebig und rieb sich die Haut mit duftenden Essenzen ein, sie lernte zu singen, zu tanzen und Gedichte aufzusagen; und sie a erlesene Speisen, zubereitet von Sklaven, die noch unterhalb ihres Standes waren. Nachts indessen rauchte sie eine Pfeife mit KEYF, das ihr magische Tr ume bescherte, w hrend sich die Frauen Geschichten erz hlten und Gedichte aufsagten, die von den jeweiligen L ndern handelten, aus denen sie verschleppt worden waren, oder erfundene Geschichten, erwachsen aus Einsamkeit und Langeweile.
"Trag dien und Liebe, DARY ", sagte sie. "Freude und Leid. Das sind die vier Ecken eines Lebens."
Gro mutter lehrte mich diese Lieder und Gedichte auf Persisch, einer Sprache, die dem Dari hnelt, das in unserem tadschikischen Dorf gesprochen wurde, doch mit all ihren Schattierungen noch sch ner anzuh ren ist.
"War es nicht wundervoll?", fragte ich. Im Geiste stellte ich mir ein Leben vor, ohne arbeiten zu m ssen, ein Leben, das nur aus Essen, Schlafen und Geschichtenerz hlen bestand. Wie konnte ein solches Leben nicht wundervoll gewesen sein?
Doch das Gesicht meiner Gro mutter verschloss sich. "Manchmal. Aber wir wurden streng bewacht von den bartlosen M nnern, die beschnitten waren - also noch immer M nner, und doch nicht mehr -, und stets lauerte eine Gefahr in den Mauern des ZENANA."
"Gefahr?"
"Es war ein t ckischer Ort", erkl rte sie. "Es gab viel Tratsch und Klatsch, boshaftes Gerede, L gen von eifers chtigen Konkurrentinnen; manchmal wurden auch M dchen vergiftet, und ihre leblosen K rper warf man in die S en Wasser. Deshalb bin ich geflohen; ich wusste, dass es eines Tages mich treffen w rde, denn ich hatte bemerkt, dass ich f r andere eine Bedrohung war."
"Aber warum warst du eine Bedrohung? Und wie bist du entkommen?", fragte ich sie, doch von ihrem Leben nach dem ZENANA erz hlte meine Gro mutter mir zu der Zeit recht wenig.
Und wenn meine Mutter oder mein Vater in der N he waren, sprach sie niemals von ihrer Vergangenheit. Es war ihr Geheimnis, und mochte ich auch ein M dchen sein, dem immer eine Frage auf der Zunge lag, so h tete ich mich doch davor, sie in Gegenwart anderer danach zu fragen. Ich liebte ihre Geschichten; der Gedanke, dass sie - und damit auch ich - Wurzeln eines anderen Volksstammes in sich trug, erf llte mich mit einem wilden, s en Verlangen nach etwas, das ich nicht benennen konnte. Manchmal sah ich sie an und versuchte, das wundersch ne M dchen aus den weit entfernten Bergen in ihr zu erkennen. Doch sie sah aus wie die anderen M DAR KAL N - Gro m tter - des Dorfs, das wei e Haar d nn geworden, mit einem leichten Damenbart auf dem Kinn und die w ssrigen Augen eingesunken in einem Bett aus Falten. Auch sah ich keine hnlichkeit zwischen uns beiden: Mein Haar hatte keine honigfarbenen Str hnen, sondern war von einem intensiven Dunkelbraun. Meine Augen waren nicht grau wie ihre, sondern gr n - obwohl sie mir sagte, dass, wenn sie in meine Augen blicke, sie ihre eigenen sehe, dieselbe Form, die gleichen dichten Wimpern, die sie hatte, als sie noch jung war.
Nie sprach sie dar ber, wie sie nach Afghanistan gekommen war; ich ahnte, dass sie sich dieses Leben in dem kleinen Bauerndorf SUSM R KHORD nicht ertr umt hatte. Sie hatte zu viel gesehen, wusste zu viel, als dass sie in dieser kleinen Welt h tte zufrieden sein k nnen. Bisweilen sprach sie von einem anderen Mann - nicht meinem Gro vater, der noch vor meiner Geburt gestorben war -, sondern einem Mann, den sie ihren wahren Mann nannte, den Einzigen, den sie je geliebt hatte. Sie erw hnte auch Kinder, die sie von jenem Mann bekommen hatte, und die lange vor meinem Onkel und meinem Vater zur Welt gekommen waren. Mein Vater indes war, so sagte sie, ein Geschenk Gottes gewesen: Der Sohn, der auf ihre alten Tage f r sie sorgen sollte, wurde geboren, als sie in einem Alter war, in dem Frauen normalerweise nicht mehr fruchtbar sind. Und manchmal weinte sie, weinte um jene Kinder - jene, die noch lebten, und jene, die schon im Paradies waren, wie ihr Erstgeborenes, das tot im ZENANA zur Welt gekommen war, oder der ltere Bruder meines Vaters, der in der Schlacht von Kabul von M nnern mit roten M nteln get tet worden war.
"Die M nner des britischen Empire", erkl rte sie. "Sie wollen uns dieses Land wegnehmen. Ihr eigenes Land - Inglestan, England - gen gt ihnen offensichtlich nicht. Sie glauben, dass ihr Blut das edelste sei - ihr blasses, d nnes Blut -, und wollen es auf der ganzen Welt verbreiten."
Dann sang sie in ihrer br chigen, zittrigen Stimme jenes fremdl ndische Lied, das ich schon als kleines Kind gelernt hatte. Sie hatte mir erkl rt, was die Worte bedeuteten: Die Menschen aus England beherrschten alles, sogar das Wasser der Ozeane, und immer w rden sie Herrscher sein und nie Sklaven. HERRSCHE, BRITANNIA, HERRSCHE BER DIE MEERE, BRITANNIA. Ich liebte es, die ungewohnten, verdrehten Worte auf der Zunge zu sp ren, und sang oft leise dieses Lied vor mich hin.
"Es gab ein Bild, ein Bild, an das ich mich jetzt wieder erinnere", sagte sie und sah mich an, nach dem wir wieder einmal das Lied zusammen gesungen hatten. "Und das Gesicht darauf ist deines."
Als ich ihre verebbende Stimme vernahm, ihren Blick sah, der allm hlich verschwamm, wusste ich, dass sie wieder einmal weit weg von unserem Dorf war, zur ck in eine andere Zeit ging, an einen anderen Ort. Geduldig wartete ich, denn ich kannte diesen Zustand, wusste, dass sie wieder zur ckkehren w rde.
"Was f r ein Bild, M DAR KAL N?", fragte ich nach einer Weile sanft.
Sie blinzelte und sah mich an. "Das Gem lde hing im Haus des Mannes, der mir mein Herz gestohlen hat. Auf einer langen Reise kam er aus jenem weit entfernten Land, aus England, nach Ankara in die T rkei, wo er mich fand, nachdem ich aus dem ZENANA geflohen war. Er war der Herr, dem ich von da an geh rte, doch hat er mich so freundlich behandelt wie kein anderer Mann, den ich kannte. Er schenkte mir einen Sohn und eine Tochter. Sch n", f gte sie hinzu, "sie waren beide sch n. Mit einer Haut wie Milch. Meine Babys." Dann wurde sie still, und Tr nen rannen aus ihren Augenwinkeln. Ich hatte von diesen verlorenen Kindern unz hlige Male geh rt, doch nie zuvor hatte sie ein Gem lde erw hnt. Ich beugte mich zu ihr hin und strich sanft mit dem Zipfel ihres Schals die Tr nen von ihren Wangen.
"Es ist gut, M DAR KAL N", sagte ich auf Persisch, der Sprache, in der wir uns immer unterhielten. "Weine nicht. Was war auf dem Bild zu sehen?"
"Eine Schlacht, wie immer", sagte sie, mit dem Gedanken noch immer in jener vergangenen Zeit. "Er rannte, je ein Kind unter dem Arm. Er drehte sich nach mir um und rief mir etwas zu, aber es war zu sp t. Dann verschwand er, und ich ..." Sie weinte. "Meine Kleinen, meine armen Kleinen. Was ist nur mit ihnen geschehen?"
Ich nahm ihre Hand in meine und streichelte sie. "Das Bild, M DAR KAL N? Was ist mit dem Bild?"
Sie sch ttelte den Kopf, so als versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. "Darauf war eine Frau mit einem Helm und einem Schild in der einen und einer Waffe mit drei Z hnen in der anderen Hand; sie trug die R stung eines Mannes."
"Wer war sie?"
"Sie war das Britische Empire." Wieder stimmte Gro mutter das Lied an.
Ich wartete, bis sie zu Ende gesungen hatte, ehe ich fragte: "Was meinst du damit?"
"Das Britische Empire ist wie eine m chtige Frau."
"Eine m chtige Frau? Welche Frau hat Macht?" Ich war mir sicher, dass Gro mutter wieder einmal verwirrt war, denn in SUSM R KHORD gab es keine m chtigen Frauen.
Doch sie antwortete nicht. Den Kopf ber ihren faltigen Hals gebeugt, d ste sie ein. Ich betrachtete sie, wie sie schlief, und w nschte mir, ich k nnte in ihren Kopf kriechen und all die Dinge sehen, die sie gesehen hatte, und all die Dinge erfahren, die sie wusste.
Doch trotz der wundervollen Geschichten, die M DAR KAL N mir in den Kopf pflanzte, musste sie jetzt bewacht werden wie ein kleines Kind. Mitten in der Nacht wanderte sie durch das Haus und suchte ihre Schlafdecken. Manchmal verga sie, zu der mit einem Vorhang verh ngten Ecke im Hof zu gehen, und beschmutzte sich. Dann schlug sie sich voller Scham gegen die Brust.
Meine Mutter hatte alle H nde voll zu tun mit dem Kochen und dem Sauberhalten unseres Hauses, und von meinem Vater wurde selbstverst ndlich nicht erwartet, dass er sich um eine alte Frau k mmerte. Ich war das einzige Kind, und so viel mir die Aufgabe zu, nach meiner Gro mutter zu sehen. Aber ich betrachtete es nicht als Pflicht; es machte mich gl cklich und zufrieden, ihr zu helfen, denn ich empfand eine tiefe, innige Liebe zu ihr und hatte das Gef hl, sie besch tzen zu m ssen. Sie war der einzige Mensch, der etwas Gro es in meine kleine, abgeschiedene Welt brachte, mir die Augen daf r ffnete, dass es jenseits der Grenzen unseres Dorfs eine andere Welt, ein anderes Leben gab, dass die Welt hinter dem Horizont aus Feldern und Bergen nicht aufh rte.
Und egal, wie oft sie sich auch wiederholte, mir von den Orten erz hlte, an denen sie gewesen war - von den Fl ssen und St dten, W sten und den unz hligen Wundern dieser Erde -, und die Gedichte, Lieder und Episoden aus dem ZENANA aufsagte, nie wurde ich ihrer Erinnerungen berdr ssig. Bisweilen bat sie mich, ihre Geschichten zu wiederholen, und ich fragte mich, ob sie berpr fen wollte, wie viel ich davon behalten hatte; oder sollte ich sie durch Aufsagen lebendig halten, weil sie Angst hatte, dass sie allm hlich im Nebel des Vergessens versanken, so wie ihre Erinnerung an die praktischen Dinge des Lebens verblasste?
An den warmen Abenden half ich Gro mutter zu ihrem Lager auf dem Flachdach. Sie tat sich immer schwerer damit, die h lzernen Sprossen der Leiter zu erklimmen, und ich schob sie von unten, um, oben angekommen, mich an ihr vorbeizuschieben und sie das letzte St ck an den Handgelenken haltend auf den Boden hinaufzuziehen. Schwer atmend st tzte sie sich auf mich, w hrend sie sich auf ihr Lager aus verblichenen Teppichen und Decken niederlie . Unser Haus befand sich am Rand des Dorfes, vom Dach aus konnte man die Felder berblicken, die sich ringsherum ausbreiteten, und in der Ferne die violetten Schattierungen der Berge.
W hrend die Sonne allm hlich hinter dem Horizont versank, sa en wir zusammen da und warteten, bis sich der Nachthimmel mit dem Mond und den Sternen ber uns ausbreitete. Gro mutter wusste um die Bedeutung der Sternenbahnen und kannte Geschichten zu den Sternbildern, die am Himmel zu erkennen waren. M DAR KAL N erz hlte mir, dass in unserem WATAN der Sichelmond m nnlich sei und dass von den Frauen erwartet werde, zu seinen F en zu sitzen und ihn anzubeten, so wie wir unsere M nner anbeten sollten. In anderen Gegenden sei der Mond indes weiblich.
"Ist es dann ein anderer Mond in jenen Gegenden?", wollte ich wissen.
Sie sch ttelte den Kopf. "Es ist wie mit dem Glauben an Allah. Nicht alle glauben an Ihn, sondern verehren ihre eigenen G tter."
"Ist Allah nicht allm chtig?", fragte ich, entsetzt ber ihre u erung ber Allah, den Barmherzigen.
"Nein, nur f r jene, die Ihn anbeten", sagte sie. "Es gibt so viele verschiedene G tter, zu denen die Menschen auf dieser Erde beten, ebenso wie der Mond bei den verschiedenen V lkern unterschiedliche Bedeutungen hat. Manche sagen, der Mond sei eine Frau - in ppigen Zeiten voll, d nn und blass hingegen in Zeiten der Not. Ich wei nicht viel ber Allah, mein Kind, aber etwas wei ich" - sie deutete mit dem Finger gen Himmel -, "es gibt nur eine Sonne, nur einen Mond, aber unz hlige Sterne, weit mehr, als es Menschen gibt."
W hrend ich Gro mutters Gesicht ansah - faltig und zerfurcht im Mondlicht -, f hlte ich mich an den runden, blassen Mond erinnert mit seinen Schatten und Unebenheiten. Pl tzlich meinte ich zu verstehen, warum vor vielen Jahren jemand in einem weit entfernten Land ihr ihren Namen gab. Und ich beschloss, dass der Mond tats chlich eine Frau sei. Was Gro mutters seltsame Worte ber Allah und andere G tter betraf, war ich mir hingegen nicht so sicher; vielleicht war es einfach nur ihrer zunehmenden Verwirrung zuzuschreiben.
"Denkst du, dass ich jemals einen der Orte sehen werde, an denen du gewesen bist?", fragte ich.
"Ja, das wirst du. Das wei ich, denn du bist mir hnlich. Leute, die zufrieden sind, bleiben meist an einem Ort. Doch die, die es nicht sind, ziehen weiter, auf der Suche nach Zufriedenheit." Sie sah in den Himmel. "Du hast jedoch eine St rke in dir, die dir nicht so schnell erlauben wird, Zufriedenheit im Leben zu finden."
Ich gab einen unwilligen Laut von mir, doch M DAR KAL N fuhr fort, ohne meinem Protest Beachtung zu schenken: "Dieses Dorf - dieses Land - ist nicht die einzige Welt. Das wirst du mit der Zeit erkennen. Du bist stark, DARY . Und du wirst hier nicht zufrieden sein. Also wirst du weggehen m ssen."
"Und wohin werde ich gehen?" Ich versp rte ein dumpfes Gef hl der Angst in meinem Bauch.Noch immer blickte sie in den Himmel und sch ttelte ganz langsam den Kopf, so als w rde sie mit einer unh rbaren Stimme streiten. "Und dort wirst du finden, wonach du suchst.".
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Autoren-Porträt von Linda Holeman
Linda Holeman, geboren im kanadischen Winnipeg, arbeitete nach ihrem Studium der Soziologie und Psychologie zunächst zehn Jahre als Lehrerin, bevor sie mehrere preisgekrönte Kurzgeschichten sowie zahlreiche Bücher für Kinder und Jugendliche veröffentlichte. Die Autorin lebt in Toronto.
Bibliographische Angaben
- Autor: Linda Holeman
- 2006, 1, 635 Seiten, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Page & Turner
- ISBN-10: 3442203112
- ISBN-13: 9783442203116
Rezension zu „Das Mondamulett “
"Holemans erzählerische Gabe besticht durch eine außergewöhnliche Phantasie und einen Zauber, dem man sich nicht entziehen kann." (Globe & Mail)
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