Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben
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Mit Hilfe von jahrtausendealten, bewährten meditativen Übungen lernen wir, uns unserer eigenen Vergänglichkeit zu stellen, das Sterben schon mitten im Leben zu lernen und dadurch die Furcht vor dem Tod zu verlieren.
Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben von Sogyal Rinpoche
LESEPROBE
Vorwort des Autors
Ich wurde in Tibet geboren und kamim Alter von sechs Monaten in das Kloster meines Meisters JamyangKhyentse Chökyi Lodrö in der Provinz Kham. InTibet haben wir eine einzigartige Methode, die Wiedergeburten verstorbener großerMeister zu erkennen. Sie werden bereits sehr jung ausgewählt und erhalten eineganz besondere Erziehung, die sie befähigen soll, in der Zukunft wieder alsLehrer zu wirken. Ich erhielt den Namen Sogyal, obwohlmein Meister mich erst zu einem späteren Zeitpunkt als die Reinkarnation von Tertön Sogyal erkannte, einemberühmten Mystiker, der einer seiner eigenen Lehrer und Meister des XIII. DalaiLama gewesen war.
Mein Meister JamyangKhyentse war für einen Tibeter recht groß gewachsenund in einer Menschenmenge überragte er die anderen stets um Haupteslänge. Erhatte silbergraues, sehr kurz geschnittenes Haar, gütige Augen, die humorvollleuchteten, und seine Ohren waren lang wie die des Buddha.Am auffallendsten aber war wohl seine Präsenz. SeinBlick und seine Haltung machten jedem deutlich, dass man hier einem weisen und heiligenMann begegnete. Er hatte eine tiefe, volle, wohlklingende Stimme, und wenn erlehrte, neigte er seinen Kopf leicht nach hinten, und die Lehren flossen ineinem Strom von Redegewandtheit und Poesie nur so aus ihm heraus. Trotz desRespekts, ja der Ehrfurcht, die er erweckte, war er in allem, was er tat,bescheiden.
Jamyang Khyentsewar das Fundament meines Lebens, und er ist die Inspiration für dieses Buch.Er war die Inkarnation eines Meisters, der die Praxis des Buddhismus inunserem Lande verwandelt hatte. In Tibet ist es niemals genug gewesen, nur demNamen nach eine Inkarnation zu sein; man musste sich den Respekt durch eigeneGelehrsamkeit und spirituelle Praxis erst einmal verdienen. Mein Meisterverbrachte Jahre in zurückgezogener Meditation, und es gibt vieleWundergeschichten über ihn. Er hatte ein tiefes Wissen und war spirituell hochverwirklicht. Ich entdeckte später, dass er eine Enzyklopädie der Weisheit war:Er wusste die Antwort auf praktisch jede Frage, die einem nur einfallen konnte.In Tibet gab es viele spirituelle Traditionen, und DamyangKhyentse galt in allen als Autorität. Er war für jeden,der ihm begegnete oder von ihm hörte, die Verkörperung des tibetischenBuddhismus, das lebendige Beispiel eines Menschen, der die Lehren verwirklichtund die Praxis vollendet hat.
Ich habe gehört, wie mein Meistersagte, ich würde seine Arbeit weiterführen helfen, und zweifellos behandelteer mich wie seinen eigenen Sohn. Ich weiß, dass alles, was ich in meiner Arbeitbisher erreicht habe - dass es mir gelungen ist, so viele Menschen zu erreichen-, ein Ausdruck seines Segens ist.
All meine frühesten Erinnerungenranken sich um ihn. Er war die Umgebung, in der ich aufwachsen durfte, undseine Gegenwart bestimmte meine Kindheit. Er war wie ein Vater für mich. Ergewährte mir alles, um das ich bat. Seine spirituelle Gefährtin, Khandro Tsering Chödrön, die auch gleichzeitig meine Tante ist, sagte oft:«Stör Rinpoche nicht, er ist bestimmt beschäftigt.»'Ich wollte aber immer in seiner Nähe sein, und er hatte mich gern um sich. Ichhabe ihn dauernd mit Fragen gelöchert, und er hat sie mir alle geduldigbeantwortet. Ich war ein freches Kind, das kein Lehrer bändigen konnte. Wannimmer mein Lehrer mich schlagen wollte, bin ich zu meinem Meister gerannt undhabe mich hinter ihm versteckt. Keiner hätte sich getraut, mich dorthin zuverfolgen. Wenn ich so einer Bestrafung entgehen konnte, war ich stolz undzufrieden mit mir, er aber lachte nur. Eines Tages sprach mein Lehrer mit ihm,ohne dass ich davon wusste. Er erklärte, dass es zu meinem eigenen Besten sonicht weitergehen könne. Das nächste Mal, als ich wieder mein Heil in derFlucht suchte und mich hinter meinem Meister versteckte, kam mein Lehrer mirnach, machte drei Niederwerfungen vor meinem Meister und zog mich dann ausmeinem schützenden Versteck hervor. Ich kann mich noch heute gut erinnern,dass es mir damals, als ich aus dem Raum gezerrt wurde, sehr seltsam vorkam,dass mein Lehrer gar keine Angst mehr vor meinem Meister zu haben schien.
Jamyang Khyentselebte in dem Raum, in dem seine frühere Inkarnation ihre Visionen gehabt unddie Renaissance von Kultur und Spiritualität ins Leben gerufen hatte, die imvergangenen Jahrhundert ganz Osttibet beeinflusst hatte. Es war einwunderbarer Raum, nicht besonders groß, aber mit einer magischen Atmosphäre,voll mit sakralen Objekten, Bildern und Büchern. Die anderen nannten ihn«Himmel der Buddhas» oder «Raum der Ermächtigung», und wenn es einen Ort inTibet gibt, an den ich mich genau erinnere, dann ist es dieses Zimmer. MeinMeister saß auf einem niedrigen Sitz aus Holz und Leder, und ich saß nebenihm. Ich aß nur aus seiner Schale oder gar nicht. In dem kleinen Schlafgemachnebenan gab es eine Veranda, aber es war immer recht dunkel, und stets standein Kessel mit heißem Tee auf einem kleinen Ofen in der Ecke. Gewöhnlichschlief ich in einem kleinen Bett, das am Fußende seines Bettes stand. EinGeräusch, das ich stets in Erinnerung behalten werde, ist das Klicken derPerlen seiner Mālā, des buddhistischenRosenkranzes, wenn er leise seine Gebete rezitierte. Wenn ich einschlief, saßer da und praktizierte, und wenn ich morgens aufwachte, saß er schon wieder daund praktizierte, floss über von Segen und Kraft. Wenn ich meine Augenaufschlug und ihn so sitzen sah, erfüllte mich ein warmes, behagliches Glück,eine solche Atmosphäre des Friedens umgab ihn stets.
Als ich dann älter wurde, ließ Jamyang Khyentse mich Zeremonienleiten, während er als Vorsänger agierte. Ich wohnte allen Unterweisungen undEinweihungen bei, die er anderen gab; aber es sind nicht so sehr die Einzelheiten,an die ich mich heute noch erinnere, eher die Atmosphäre. Für mich war er derBuddha - da gab es für mich überhaupt keinen Zweifel. Und alle anderen sahenihn genauso. Wenn er Einweihungen gab, waren seine Schüler so von Ehrfurcht erfüllt,dass sie ihm kaum ins Gesicht zu sehen wagten. Einigen erschien er tatsächlichin der Form seines Vorgängers oder in verschiedenen Buddha- oderBodhisattva-Formen.2 Jeder nannte ihn Rinpoche,«Kostbarer», ein Titel, mit dem man einen Meister anspricht; und wenn erzugegen war, wurde kein anderer Lehrer so angesprochen. Seine Präsenz war sobeeindruckend, dass viele ihn ehrfürchtig den «Ur-Buddha» 3 nannten.
Wäre ich meinem Meister Damyang Khyentse nicht begegnet,wäre ich ein völlig anderer Mensch geworden. Seine Warmherzigkeit, seine Weisheitund sein Mitgefühl machten ihn zur Verkörperung der heiligen Wahrheit derLehren, und er hat sie praktisch anwendbar und lebendig werden lassen. Wenn ichdiese Atmosphäre meines Meisters mit anderen teile, können auch sie die tiefeEmpfindung spüren, die er in mir geweckt hat. Was JamvangKhyentse in mir erweckt hat? - Ein unerschütterlichesVertrauen in die Lehren und eine Überzeugung von der zentralen und dramatischenBedeutung des Meisters. Was immer ich an Verständnis habe, verdanke ich nurihm. Das ist etwas, das ich niemals vergelten kann; aber ich kann es an andereweitergeben.
Während meiner ganzen Kindheit sahich die Liebe, die Jamyang Khyentsein der Gemeinschaft ausstrahlte, ganz besonders in seiner Fürsorge für dieSterbenden und die Verstorbenen. In Tibet war ein Lama nicht nur einspiritueller Lehrer, sondern gleichzeitig auch ein weiser Mann, ein Therapeut,ein Pfarrer, ein Arzt und spiritueller Heiler, der den Kranken und Sterbendenbeistand. Später lernte ich selbst die besonderen Techniken der FührungSterbender und bereits Verstorbener, die mit dem «Tibetischen Totenbuch» in Verbindung stehen. Aber die eindrucksvollstenLektionen über den Tod und das Leben erhielt ich durch das, was ich beobachtete,wenn mein Meister Sterbende mit unendlichem Mitgefühl, Weisheit und Verständnisleitete.
Ich bete darum, dass dieses Buch derWelt etwas von seiner großen Weisheit und seinem Mitgefühl vermittelt und dassdadurch Sie, wo immer Sie sich befinden, die Präsenz seiner Weisheit spüren undeine lebendige Verbindung zu ihm finden können.
© Scherz Verlag, Bern
Übersetzung: Thomas Geist und KarinBehrendt
- Autor: Sogyal Rinpoche
- 2003, Völlig überarb. Neuausgabe, 512 Seiten, Maße: 14,8 x 22,3 cm, Leinen, Deutsch
- Übersetzer: Thomas Geist, Karin Behrendt
- Verlag: O. W. Barth
- ISBN-10: 3502611130
- ISBN-13: 9783502611134
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