Das unsichtbare Band
Roman. Deutsche Erstausgabe
Das bewegende, mitreißende Portrait der Freundschaft zwischen zwei Frauen.Mit fünfzehn sind Cameron und Sonia unzertrennliche Freundinnen, doch mit neunzehn zerstört ein furchtbarer Streit ihre Beziehung. Zehn Jahre später erhält Cameron einen Brief von...
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Produktinformationen zu „Das unsichtbare Band “
Klappentext zu „Das unsichtbare Band “
Das bewegende, mitreißende Portrait der Freundschaft zwischen zwei Frauen.Mit fünfzehn sind Cameron und Sonia unzertrennliche Freundinnen, doch mit neunzehn zerstört ein furchtbarer Streit ihre Beziehung. Zehn Jahre später erhält Cameron einen Brief von Sonia. Sie bittet Cameron, als Brautjungfer zu ihrer Hochzeit zu kommen. Eigentlich will Cameron Sonia nie wieder sehen. Doch dann erkennt sie, wie eng das Band der Freundschaft noch immer ist und was sie verlor, als Sonia aus ihrem Leben verschwand. Also macht sie sich auf die Reise, um Sonia zu finden, eine Fremde, die ein mal ein Teil ihrer selbst war ...
Das bewegende, mitreißende Portrait der Freundschaft zwischen zwei Frauen.
Mit fünfzehn sind Cameron und Sonia unzertrennliche Freundinnen, doch mit neunzehn zerstört ein furchtbarer Streit ihre Beziehung. Zehn Jahre später erhält Cameron einen Brief von Sonia. Sie bittet Cameron, als Brautjungfer zu ihrer Hochzeit zu kommen. Eigentlich will Cameron Sonia nie wieder sehen. Doch dann erkennt sie, wie eng das Band der Freundschaft noch immer ist und was sie verlor, als Sonia aus ihrem Leben verschwand. Also macht sie sich auf die Reise, um Sonia zu finden, eine Fremde, die ein mal ein Teil ihrer selbst war ...
'In dieser Geschichte wird sich jede Frau wiedererkennen.'
Claire Messud
"Eine schöne, außerordentlich gut geschriebene Geschichte über die Geheimnisse, die gerade den innigsten Freundschaften unter Frauen zu Grunde liegen." - People
"Diese Geschichte ist voll von wunderbaren Einfällen, Spannung und Wahrheit." - DailyCandy.com
Mit fünfzehn sind Cameron und Sonia unzertrennliche Freundinnen, doch mit neunzehn zerstört ein furchtbarer Streit ihre Beziehung. Zehn Jahre später erhält Cameron einen Brief von Sonia. Sie bittet Cameron, als Brautjungfer zu ihrer Hochzeit zu kommen. Eigentlich will Cameron Sonia nie wieder sehen. Doch dann erkennt sie, wie eng das Band der Freundschaft noch immer ist und was sie verlor, als Sonia aus ihrem Leben verschwand. Also macht sie sich auf die Reise, um Sonia zu finden, eine Fremde, die ein mal ein Teil ihrer selbst war ...
'In dieser Geschichte wird sich jede Frau wiedererkennen.'
Claire Messud
"Eine schöne, außerordentlich gut geschriebene Geschichte über die Geheimnisse, die gerade den innigsten Freundschaften unter Frauen zu Grunde liegen." - People
"Diese Geschichte ist voll von wunderbaren Einfällen, Spannung und Wahrheit." - DailyCandy.com
Lese-Probe zu „Das unsichtbare Band “
"Was, wenn du mich nie kennen gelernt h ttest?", fragt Sonia. "Wie s he dein Leben jetzt aus?"Sonia ist erst seit ein paar Monaten meine beste Freundin, und schon jetzt kann ich mir ein Leben ohne sie kaum noch vorstellen. Vor mir taucht ein Bild auf, wie ich mutterseelenallein in meinem Zimmer hocke. "Sterbenslangweilig", mutma e ich, und Sonia lacht.
Wir liegen auf ihrem Himmelbett, die F e ber dem Kopfteil gegen die Wand gestemmt, und starren zum rosafarbenen Baldachin hinauf. Wir sind vierzehn. Als ich den Kopf drehe, um Sonia anzusehen, streift meine Wange ihr Haar.
"H ttest du auf dem Parkplatz nicht an der richtigen Stelle gestanden", berlegt sie, "w ren wir nie ins Gespr ch gekommen."
"Wir haben doch drei Kurse zusammen", wende ich ein.
"W rst du an jenem Tag nicht in die Turnhalle gekommen, h tten wir uns vielleicht nie angefreundet."
"Vielleicht war es uns vorbestimmt, Freundinnen zu werden", sage ich. "Vielleicht h tten wir zusammen ein Referat halten m ssen."
Sie winkt ab. "Jede unserer Entscheidungen", doziert sie, "beeinflusst unser weiteres Leben."
"Ja, ja", st hne ich, da ich das schon millionen Male von ihr geh rt habe.
"Nur ein Beispiel", f hrt sie fort. "Was, wenn du dich entscheiden m sstest, f r immer und ewig meine beste Freundin zu bleiben oder den Jungen deiner Tr ume zu kriegen?"
"Beides geht nicht?"
"Nein."
"Warum nicht?"
"So lauten die Regeln."
"Vielleicht k nntest du seinen Bruder heiraten und im Haus nebenan wohnen."
Sie sch ttelt so heftig mit dem Kopf, dass die Matratze wackelt. "Du musst dich entscheiden", beharrt sie.
In acht Jahren werde ich Sonia im Stich lassen. Ich werde von einer Tankstelle in West-Texas wegfahren, den Blick im R ckspiegel, wo ich sie mit entsetzter, verzweifelter Miene hinter dem Auto herrennen sehe. Hier, in Sonias M dchenzimmer, liegt das alles noch vor uns, jede einzelne Entscheidung zwischen jenem Moment und diesem.
Sonia dreht sich auf die Seite und st
... mehr
tzt sich auf den Ellenbogen, damit sie mir ins Gesicht sehen kann. "Entscheide dich", fordert sie. "Entscheide dich."
Im Februar meines drei igsten Lebensjahres flatterte ein Brief, in meiner eigenen Handschrift an mich adressiert, in das Haus, in dem ich damals wohnte. Zun chst fiel er mir gar nicht auf. Obwohl ich diejenige war, die jeden Morgen um zehn Uhr f nfunddrei ig zum Briefkasten ging, f nf Minuten nachdem der Postbote kam, hatte ich es schon vor langer Zeit aufgegeben, die Post durchzusehen, weil sowieso nie etwas f r mich dabei war. Deshalb lie ich auch an jenem Morgen den Stapel einfach auf den K chentisch fallen und trat an die Theke, um Bologna-and-American-Cheese-Sandwiches aus Wei brot zuzubereiten, die mein Arbeitgeber, der Historiker Oliver Doucet, zum Lunch am liebsten a .
Oliver verk ndete oft und gern, dass alle Zeiten gleichzeitig existierten, und dann zog ich ihn auf, er w rde das nur glauben, weil bei uns jeder Tag exakt nach dem gleichen Schema verlief. Ich wohnte nun seit fast drei Jahren bei ihm in diesem Haus, in unmittelbarer N he des Town Square von Oxford, Mississippi, und hatte mich seinem Zeitplan schon lange angepasst: Lunch gab es zwischen zehn Uhr f nfundvierzig und elf, Dinner zwischen halb f nf und f nf. Danach schauten wir uns einen Schwarzwei film an, und Oliver ging noch vor neun zu Bett. An den meisten Abenden blieb ich auf, um fernzusehen oder zu lesen, obwohl er mich zum Ausgehen anhielt. Was er nicht wusste war, dass ich mich ab und zu in sein Schlafzimmer schlich, um mich davon zu berzeugen, dass er noch atmete. Wenn ich doch einmal ausging, hatte ich Angst, sein Herz w rde stehen bleiben, als schl ge es allein durch meine Anwesenheit weiter. Morgens war ich dann stets erleichtert, ihn in dem l cherlichen Samtmorgenmantel, einem Geschenk seiner Tochter Ruth, am K chentisch sitzen zu sehen, wo er eine Tasse Kaffee nach der anderen trank, jede mit drei Klacks - so nannte er das immer - kalorienreicher Schlagsahne. Oliver war zweiundneunzig, ich neunundzwanzig. Er war es auch, der oft und gerne sagte, manchmal neckend, doch meist mit feierlichem Ernst, dass dies mein drei igstes Lebensjahr sei.
Die K che war mehrfach umgestaltet worden, seit das Haus gebaut worden war, das letzte Mal in den Achtzigern, doch Oliver hatte stets darauf bestanden, dass bestimmte Elemente der fr heren Varianten erhalten blieben. Mit der Essecke, dem defekten Speisenaufzug, dem Mikrowellenmodell aus grauer Vorzeit und dem Steinkamin mit Grillspie verlieh die K che Olivers Theorie von der Simultanit t der Zeit Glaubw rdigkeit. Ich sang "They Can't Take That Away from Me" (wir hatten uns am Abend zuvor Ich tanz mich in dein Herz hinein angesehen), w hrend ich Wei brotscheiben mit Mayonnaise bestrich. Von meinem Stehplatz an der Theke hatte ich einen wundersch nen Fensterblick auf Olivers ppigen Blumengarten. Ich genoss die Sonne im Raum, als sei meine Zufriedenheit die Quelle f r das Licht. Dabei gab es keinen speziellen Grund f r ein solches Gl cksgef hl. Ich empfand nur Dankbarkeit f r meinen Alltag. Auf der Fensterbank aufgereiht standen H hnerfig rchen, deren plumpe K rper und spindeld rre Beine aus Holz, Glas und Cloisonn waren. Sogar die sch nen Exemplare waren potth sslich. Doch jetzt unterbrach ich meine Arbeit, um sie mir genau anzusehen und die fein gearbeiteten Details zu bewundern: die aufgeplusterten Federn, die Rillen in den F en - das alles war mit so viel Hingabe gemacht.
"Cameron, meine Liebe", sagte Oliver, und ich zuckte zusammen. Als ich mich zu ihm umdrehte, stand er in der K chent r, st tzte sich mit einer Hand auf seinen Stock und hielt sich mit der anderen am T rrahmen fest. Er schien mich schon l nger beobachtet zu haben. Heute hatte er sich in Schale geworfen. Er hatte ein frisches wei es Hemd angezogen, das im Bund einer schwarzen Hose steckte. Anders als die meisten alten M nner trug er seine Hosen tief auf der H fte, wo sie von einem G rtel mit Rodeoschnalle festgehalten wurden.
"Heute ist Valentinstag." Ich l chelte ihn an. Mir war gerade erst das Datum auf dem K chenkalender aufgefallen. In Olivers Haus passierte es leicht, dass man Feiertage schlicht verga .
"Wirklich? Das ist mir entgangen", sagte er, stie sich vom T rrahmen ab und kam ins Zimmer. Er machte Anstalten, sich auf seinem angestammten Sessel niederzulassen, hielt jedoch inne und zog rasch einen kleinen Handspiegel aus dem hinteren Hosenbund, bevor er sich setzte. Dann holte er einen Kamm aus der Hemdtasche und hielt ihn mir hin. Sein feuchtes, zerzaustes Haar stand seitlich ab. Oliver war eitel, was diese kleinen wei en Haarb schel betraf, und bestand darauf, dass sie in Ann herung an die Pompadourfrisur, die er in seiner Jugend getragen hatte, glatt zur ckgek mmt wurden. Er h tte sich durchaus selbst frisieren k nnen, doch es gefiel ihm, wenn ich das erledigte. Jeden Morgen, nachdem er geduscht und sich angezogen hatte, kam er in die K che, um sich von mir herrichten zu lassen.
W hrend ich mich daranmachte, seine Haare mithilfe von Kamm und Fingern glatt nach hinten zu streichen, betrachtete sich Oliver eingehend im Handspiegel. Er behauptete oft und gern, er habe ein Raubvogelgesicht, und obwohl ihn das bedrohlicher klingen lie , als er tats chlich war, stimmte es: Er hatte eine Adlernase und leuchtende, wachsame Augen. Als junger Mann hatte er sehr gut ausgesehen. Seine Nase war aristokratisch, fast arrogant, die Lippen voll und weich. Auf alten Fotografien sah er stets aus, als w rde ihm etwas Am santes durch den Kopf gehen.
Als ich ihm den Spiegel hinhielt, bewunderte Oliver seine Frisur. Dann packte er meine freie Hand und dr ckte sie an seine Wange. "Ach, junge Frau", seufzte er. "Schaue ich nicht gut aus?"
"Sie sehen schrecklich gut aus", antwortete ich.
"Besser als Ihre anderen Kavaliere?"
"Klar." Ich k sste ihn auf die Stirn; seine Haut war so weich wie abgetragene Baumwolle.
"Wenn das so ist", sagte er und steckte mir einen Ring an den linken Ringfinger, "alles Gute zum Valentinstag." Er lachte ber meine berraschung.
Der Ring war wundersch n: aus Gold, eindeutig antik und mit f nf kleinen Opalen besetzt. Oliver hatte mir schon B cher geschenkt, darunter auch sehr seltene, aber noch nie so etwas. "Oliver", setzte ich an, doch er fiel mir ins Wort.
"Er geh rte meiner Tante", erkl rte er. "Jetzt sind wir verlobt. Geben Sie allen anderen Kavalieren einen Korb."
"Er ist wundersch n", stammelte ich. "Danke sch n."
"Sie waren gut zu mir." Er sah mir fest in die Augen. Er war nur selten so ernst, und mich berkam eine Welle der Dankbarkeit, in die sich Verlegenheit mischte. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, scheuchte er mich mit einer Handbewegung fort. "An die Arbeit", rief er. "Machen Sie den Lunch fertig."
Ich ging zur ck zur K chentheke, doch statt das Messer wieder in die Hand zu nehmen, stand ich da, betrachtete den Ring und bewunderte die Opale, die im Sonnenlicht funkelten.
Hinter mir war Oliver dabei, die Post zu ffnen. Ich vernahm das vertraute Ger usch zerrei enden Papiers, das Schlittern der Briefumschl ge ber den Tisch, als er sie beiseitewarf, und dann die Stille, w hrend er las. Ich vermutete, er hatte einen der vielen Briefe bekommen, in denen er ber den gr nen Klee gelobt oder um einen Klappentext oder ein Empfehlungsschreiben gebeten wurde - Briefe, die ihn zwar freuten, die er jedoch nie beantwortete. Manchmal erbarmte ich mich und schrieb zur ck: Oliver bedanke sich f r die freundlichen Worte und k me dem jeweiligen Anliegen liebend gern nach, wenn er nur nicht zu sehr mit seinen Memoiren besch ftigt w re. Oliver verdrehte die Augen, wenn er diese sorgf ltig formulierten Antworten las. "L gen, L gen, alles L gen", sagte er dann.
Jetzt bemerkte er: "Das ist interessant."
"Was?" Als ich mich zu ihm umdrehte, hielt er einen Briefumschlag gegen das Licht und blinzelte bei dem Versuch zu erkennen, was drinnen war.
"Der ist an Sie adressiert", stellte er fest. "In Ihrer Handschrift." Er zog verwundert die Augenbrauen hoch. "Anscheinend haben Sie sich selbst einen Brief geschrieben."
"Merkw rdig." Ich ging zum Tisch und griff nach dem Umschlag, den er mir leicht widerwillig reichte. Er hatte Recht - vorne drauf standen in meiner Schrift mein Name und meine Adresse. Zuerst dachte ich, ich h tte vielleicht einen Antwortbrief an einen seiner Bewunderer falsch beschriftet und Adresse und Absender verwechselt. Doch als Absender war kein Name angegeben, nur eine Stra e und eine Apartmentnummer in Cambridge, Massachusetts.
"Warum sollten Sie sich selbst einen Brief schreiben?", fragte Oliver.
"Das hab ich bestimmt nicht."
"Das ist wunderbar", frohlockte er. "Sie haben eine geheime Identit t. Sogar vor Ihnen selbst verborgen. Vielleicht sind Sie eine andere Person."
Ich verdrehte die Augen, aber es war wirklich merkw rdig, meinen Namen in meiner eigenen Schrift zu sehen, als existierte irgendwo da drau en tats chlich ein zweites Ich von mir. Oliver schob mir einen Stuhl hin. "Setzen Sie sich", befahl er, "und machen Sie ihn auf, um Himmels willen."
Ich setzte mich. Ich ffnete den Brief. Nat rlich hatte ich ihn nicht selbst geschrieben, doch ich f hlte mich nicht weniger seltsam, als ich sah, wer es getan hatte. Der Brief war von Sonia Gray. An der Highschool hatten wir so lange ge bt, bis unsere Handschriften sich derart hnelten, dass selbst wir sie nicht mehr unterscheiden konnten. Das erleichterte es mir ungemein, ihre Mathehausaufgaben zu machen, und manchmal konnten wir sogar unsere Mathearbeiten ohne Namen abgeben, sodass ich Anspruch auf ihre erheben konnte und sie auf meine, da meine Mathenote im Gegensatz zu ihrer gelegentlich eine niedrige Punktzahl verkraftete. Jedes Mal, wenn wir das machten, versetzte es mich in Hochstimmung. Da ich mir nicht vorstellen konnte, warum Sonia ausgerechnet jetzt an mich schrieb, fast acht Jahre nach unserem Zerw rfnis, kam es mir in der Tat so vor, als existierten alle Zeiten gleichzeitig, als h tte sie den Brief schon vor Jahren irgendwo aufgegeben. Deshalb war unsere Schrift auch immer noch identisch, und keine von uns hatte die vielen kunstvollen, m dchenhaften Schleifen in den Ls und Ys abge ndert.
"Nun?", fragte Oliver. Ich ignorierte ihn und hielt den Brief weg von seinem neugierigen Blick.
Liebe Cameron, ich habe heute Nacht von dir getr umt, und jetzt kann ich nicht mehr schlafen. Ich wei nicht mal mehr genau, wovon der Traum handelte, irgendwas mit Eisw rfeln, obwohl du und ich, soweit ich mich erinnere, nie Eisw rfel mit Geschmack zusammen gegessen haben. Daf r haben wir viele Milchshakes bei Taco Box getrunken. Und wei t du noch, wie wir immer Sirup in die Milch ger hrt und uns Sandwiches aus Vanilleeiswaffeln mit Erdnussbutter gemacht haben? Das klingt inzwischen alles ziemlich ekelig.
Seit ich mich verlobt habe, muss ich immerzu an dich denken. Mein erster Gedanke danach war, dich anzurufen, um es dir zu sagen. Ist das nicht merkw rdig? Es war, als w re ich wieder ein Kind und wir planten unsere imagin ren Hochzeiten, damals, als ich noch sicher war, dass du meine Brautjungfer w rdest und ich deine. Ich brauchte einen Moment, bis mir wieder einfiel, dass wir nicht mehr befreundet waren. Seitdem werde ich das Gef hl nicht los, etwas vers umt zu haben. Ich sehe auf meiner Liste nach - den Partyservice hab ich schon angerufen und auch mit dem Blumenh ndler gesprochen -, aber da es nicht auf der Liste steht, brauche ich eine Weile, bis mir klar wird, dass das Einzige, was ich noch nicht erledigt habe, ist, mit dir zu sprechen.
Ich habe dieses merkw rdige Gef hl, das einen mitten in der Nacht beschleicht, dass man aus seinem normalen Leben herausgefallen ist, und vielleicht schreibe ich dir deshalb jetzt, so, als w ren wir Freundinnen wie fr her. Irgendwo h rt jemand Madonna, ihr erstes Album, glaube ich. Warum h rt man das morgens um drei? Ist das nicht normalerweise eine melancholischere Zeit? Vielleicht versucht derjenige ja, seine Melancholie zu bek mpfen. Vielleicht ist "Borderline" das Einzige, was ihn vom Selbstmord abh lt.
Du und ich haben uns fr her Choreografien zu Madonna-Songs ausgedacht. Erinnerst du dich an das Spielzimmer bei mir zu Hause? Die vielen Kisten an der Wand mit ausrangierten Kindersachen: ein altes Puppenhaus, das Ewok-Dorf, ein Karton mit zu Grunde geliebten Pl schtieren. Und dazwischen tanzten du und ich mit Bewegungen, die wir f r sexy hielten. Ist das nicht sehr symboltr chtig? Zu Grunde geliebt. Den Ausdruck hab ich gerade erfunden. Er gef llt mir. Gelegentlich kam es mir so vor, als sei das mit mir passiert.
Erinnerst du dich an den Sockenaffen ohne Mund? Den hab ich gehasst. Seine untere Gesichtsh lfte war vollkommen ausdruckslos. Ich glaub, meine Mutter hat ihn immer noch, wahrscheinlich um mich zu rgern. Wei t du noch, als wir zu einer Abschlusspr fung ber den Campus gegangen sind und uns ein toter Vogel vor die F e fiel? Es war nicht irgendein kleiner Braunfink, sondern ein Kardinalvogel. Ein roter Spritzer. Du hast ihn mit einem Stock angestupst. Er war wirklich tot. Wir waren zwar schon im vorletzten Studienjahr, aber wir hielten uns f r den Rest des Weges an den H nden, so ersch ttert waren wir. Wei t du noch, als wir nach Sewanee zu diesem Jungen gefahren sind, mit dem ich gegangen bin, ich wei nicht mal mehr seinen Namen, und wir zu dritt im Reservoir nackt gebadet haben? Alles war pechschwarz, und die Sterne waren berall, doch der Junge war albern und spritzte st ndig rum, aber du und ich lie en uns auf dem R cken treiben, und du fragtest, ob sich so treiben zu lassen und zum Himmel zu sehen nicht die sch nste Art zu leben sei. Ich schlug vor, dass wir uns ein M rchen ber zwei M dchen und das Wasser ausdenken, doch das haben wir nie getan. Ich glaube, das ist jetzt trotzdem ein M rchen.
Vielleicht geht es in diesem Brief darum. Ist es ein M rchen? Ist das alles ein M rchen, wie es damals war, als wir beste Freundinnen waren? Was ich mich jetzt frage, mitten in der Nacht, ist: Sind diese Sachen wirklich passiert? Ohne dich, die diese Erinnerungen best tigen kann, kommt es mir manchmal so vor, als h tte ich sie erfunden. Es ist ein bisschen wie Waise zu werden. Das klingt echt dramatisch, ich wei , aber da ich Halbwaise bin, glaube ich, das sagen zu d rfen. Es gibt Dinge in meinem Leben, die niemand sonst je verstanden hat.
Ich frage mich, wie du jetzt lebst. Denkst du manchmal an diese Sachen, an das M rchen von dir und mir? Fragst du dich, warum wir befreundet waren, warum wir es nicht mehr sind, warum wir uns so entschieden haben? Fragst du dich, wie es w re, wenn wir uns anders entschieden h tten? Du warst nie so begeistert von solchen Gedankenspielen wie ich, doch selbst du musst zugeben, dass unser Zerw rfnis ein Wendepunkt in unserem Leben war. Schlie lich waren wir eine Zeitlang praktisch ein und dieselbe Person, du und ich.
Ich wei nicht, was ich von dir will. Ich kann mir vorstellen, du tust diesen Brief als Unsinn ab - ich glaube, das ist dein erster Gedanke: es l cherlich zu finden, dass ich nach so langer Zeit Kontakt zu dir aufnehme, egal, aus welchem Grund, insbesondere wenn der Grund dieses seltsame Gef hl von mir ist, dass du noch immer meine Brautjungfer sein solltest, dass, wenn du es nicht wirst, ein Teil meiner Vergangenheit gel scht ist, etwas unvollendet bleibt. Ich glaube das, auch wenn ich wei , dass es schrecklich verletzend f r Suzette w re. Deshalb wei ich noch nicht, ob ich diesen Brief berhaupt abschicke, obwohl ich deine Adresse ausfindig gemacht habe.
Ich wei nicht, wie ich unterschreiben soll, deshalb schreib ich nur meinen Namen. Sonia.
Oliver wartete darauf, dass ich etwas sagte, doch ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Irgendwie erschien es mir sogar noch seltsamer, dass Sonia den Brief geschrieben hatte in der Gegenwart - als eine Frau, die kurz vor ihrer Heirat stand -, als wenn sie ihn schon vor Jahren aufgegeben h tte, als das M dchen, das ich einst gekannt hatte. Sie war lter geworden, doch meine Erinnerung hatte sie zu dem Zeitpunkt eingefroren, als sie an jener Tankstelle in West-Texas hinter meinem Wagen herrannte. Wahrscheinlich hatte ich geglaubt, sie w rde, wenn ich zur ckf hre, dort immer noch auf mich warten."Hm", sagte ich. Ich faltete den Brief zusammen, steckte ihn wieder in den Umschlag und legte ihn auf den Tisch. Dann kehrte ich zur Theke zur ck. Es waren noch Sandwiches zu machen.
Im Februar meines drei igsten Lebensjahres flatterte ein Brief, in meiner eigenen Handschrift an mich adressiert, in das Haus, in dem ich damals wohnte. Zun chst fiel er mir gar nicht auf. Obwohl ich diejenige war, die jeden Morgen um zehn Uhr f nfunddrei ig zum Briefkasten ging, f nf Minuten nachdem der Postbote kam, hatte ich es schon vor langer Zeit aufgegeben, die Post durchzusehen, weil sowieso nie etwas f r mich dabei war. Deshalb lie ich auch an jenem Morgen den Stapel einfach auf den K chentisch fallen und trat an die Theke, um Bologna-and-American-Cheese-Sandwiches aus Wei brot zuzubereiten, die mein Arbeitgeber, der Historiker Oliver Doucet, zum Lunch am liebsten a .
Oliver verk ndete oft und gern, dass alle Zeiten gleichzeitig existierten, und dann zog ich ihn auf, er w rde das nur glauben, weil bei uns jeder Tag exakt nach dem gleichen Schema verlief. Ich wohnte nun seit fast drei Jahren bei ihm in diesem Haus, in unmittelbarer N he des Town Square von Oxford, Mississippi, und hatte mich seinem Zeitplan schon lange angepasst: Lunch gab es zwischen zehn Uhr f nfundvierzig und elf, Dinner zwischen halb f nf und f nf. Danach schauten wir uns einen Schwarzwei film an, und Oliver ging noch vor neun zu Bett. An den meisten Abenden blieb ich auf, um fernzusehen oder zu lesen, obwohl er mich zum Ausgehen anhielt. Was er nicht wusste war, dass ich mich ab und zu in sein Schlafzimmer schlich, um mich davon zu berzeugen, dass er noch atmete. Wenn ich doch einmal ausging, hatte ich Angst, sein Herz w rde stehen bleiben, als schl ge es allein durch meine Anwesenheit weiter. Morgens war ich dann stets erleichtert, ihn in dem l cherlichen Samtmorgenmantel, einem Geschenk seiner Tochter Ruth, am K chentisch sitzen zu sehen, wo er eine Tasse Kaffee nach der anderen trank, jede mit drei Klacks - so nannte er das immer - kalorienreicher Schlagsahne. Oliver war zweiundneunzig, ich neunundzwanzig. Er war es auch, der oft und gerne sagte, manchmal neckend, doch meist mit feierlichem Ernst, dass dies mein drei igstes Lebensjahr sei.
Die K che war mehrfach umgestaltet worden, seit das Haus gebaut worden war, das letzte Mal in den Achtzigern, doch Oliver hatte stets darauf bestanden, dass bestimmte Elemente der fr heren Varianten erhalten blieben. Mit der Essecke, dem defekten Speisenaufzug, dem Mikrowellenmodell aus grauer Vorzeit und dem Steinkamin mit Grillspie verlieh die K che Olivers Theorie von der Simultanit t der Zeit Glaubw rdigkeit. Ich sang "They Can't Take That Away from Me" (wir hatten uns am Abend zuvor Ich tanz mich in dein Herz hinein angesehen), w hrend ich Wei brotscheiben mit Mayonnaise bestrich. Von meinem Stehplatz an der Theke hatte ich einen wundersch nen Fensterblick auf Olivers ppigen Blumengarten. Ich genoss die Sonne im Raum, als sei meine Zufriedenheit die Quelle f r das Licht. Dabei gab es keinen speziellen Grund f r ein solches Gl cksgef hl. Ich empfand nur Dankbarkeit f r meinen Alltag. Auf der Fensterbank aufgereiht standen H hnerfig rchen, deren plumpe K rper und spindeld rre Beine aus Holz, Glas und Cloisonn waren. Sogar die sch nen Exemplare waren potth sslich. Doch jetzt unterbrach ich meine Arbeit, um sie mir genau anzusehen und die fein gearbeiteten Details zu bewundern: die aufgeplusterten Federn, die Rillen in den F en - das alles war mit so viel Hingabe gemacht.
"Cameron, meine Liebe", sagte Oliver, und ich zuckte zusammen. Als ich mich zu ihm umdrehte, stand er in der K chent r, st tzte sich mit einer Hand auf seinen Stock und hielt sich mit der anderen am T rrahmen fest. Er schien mich schon l nger beobachtet zu haben. Heute hatte er sich in Schale geworfen. Er hatte ein frisches wei es Hemd angezogen, das im Bund einer schwarzen Hose steckte. Anders als die meisten alten M nner trug er seine Hosen tief auf der H fte, wo sie von einem G rtel mit Rodeoschnalle festgehalten wurden.
"Heute ist Valentinstag." Ich l chelte ihn an. Mir war gerade erst das Datum auf dem K chenkalender aufgefallen. In Olivers Haus passierte es leicht, dass man Feiertage schlicht verga .
"Wirklich? Das ist mir entgangen", sagte er, stie sich vom T rrahmen ab und kam ins Zimmer. Er machte Anstalten, sich auf seinem angestammten Sessel niederzulassen, hielt jedoch inne und zog rasch einen kleinen Handspiegel aus dem hinteren Hosenbund, bevor er sich setzte. Dann holte er einen Kamm aus der Hemdtasche und hielt ihn mir hin. Sein feuchtes, zerzaustes Haar stand seitlich ab. Oliver war eitel, was diese kleinen wei en Haarb schel betraf, und bestand darauf, dass sie in Ann herung an die Pompadourfrisur, die er in seiner Jugend getragen hatte, glatt zur ckgek mmt wurden. Er h tte sich durchaus selbst frisieren k nnen, doch es gefiel ihm, wenn ich das erledigte. Jeden Morgen, nachdem er geduscht und sich angezogen hatte, kam er in die K che, um sich von mir herrichten zu lassen.
W hrend ich mich daranmachte, seine Haare mithilfe von Kamm und Fingern glatt nach hinten zu streichen, betrachtete sich Oliver eingehend im Handspiegel. Er behauptete oft und gern, er habe ein Raubvogelgesicht, und obwohl ihn das bedrohlicher klingen lie , als er tats chlich war, stimmte es: Er hatte eine Adlernase und leuchtende, wachsame Augen. Als junger Mann hatte er sehr gut ausgesehen. Seine Nase war aristokratisch, fast arrogant, die Lippen voll und weich. Auf alten Fotografien sah er stets aus, als w rde ihm etwas Am santes durch den Kopf gehen.
Als ich ihm den Spiegel hinhielt, bewunderte Oliver seine Frisur. Dann packte er meine freie Hand und dr ckte sie an seine Wange. "Ach, junge Frau", seufzte er. "Schaue ich nicht gut aus?"
"Sie sehen schrecklich gut aus", antwortete ich.
"Besser als Ihre anderen Kavaliere?"
"Klar." Ich k sste ihn auf die Stirn; seine Haut war so weich wie abgetragene Baumwolle.
"Wenn das so ist", sagte er und steckte mir einen Ring an den linken Ringfinger, "alles Gute zum Valentinstag." Er lachte ber meine berraschung.
Der Ring war wundersch n: aus Gold, eindeutig antik und mit f nf kleinen Opalen besetzt. Oliver hatte mir schon B cher geschenkt, darunter auch sehr seltene, aber noch nie so etwas. "Oliver", setzte ich an, doch er fiel mir ins Wort.
"Er geh rte meiner Tante", erkl rte er. "Jetzt sind wir verlobt. Geben Sie allen anderen Kavalieren einen Korb."
"Er ist wundersch n", stammelte ich. "Danke sch n."
"Sie waren gut zu mir." Er sah mir fest in die Augen. Er war nur selten so ernst, und mich berkam eine Welle der Dankbarkeit, in die sich Verlegenheit mischte. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, scheuchte er mich mit einer Handbewegung fort. "An die Arbeit", rief er. "Machen Sie den Lunch fertig."
Ich ging zur ck zur K chentheke, doch statt das Messer wieder in die Hand zu nehmen, stand ich da, betrachtete den Ring und bewunderte die Opale, die im Sonnenlicht funkelten.
Hinter mir war Oliver dabei, die Post zu ffnen. Ich vernahm das vertraute Ger usch zerrei enden Papiers, das Schlittern der Briefumschl ge ber den Tisch, als er sie beiseitewarf, und dann die Stille, w hrend er las. Ich vermutete, er hatte einen der vielen Briefe bekommen, in denen er ber den gr nen Klee gelobt oder um einen Klappentext oder ein Empfehlungsschreiben gebeten wurde - Briefe, die ihn zwar freuten, die er jedoch nie beantwortete. Manchmal erbarmte ich mich und schrieb zur ck: Oliver bedanke sich f r die freundlichen Worte und k me dem jeweiligen Anliegen liebend gern nach, wenn er nur nicht zu sehr mit seinen Memoiren besch ftigt w re. Oliver verdrehte die Augen, wenn er diese sorgf ltig formulierten Antworten las. "L gen, L gen, alles L gen", sagte er dann.
Jetzt bemerkte er: "Das ist interessant."
"Was?" Als ich mich zu ihm umdrehte, hielt er einen Briefumschlag gegen das Licht und blinzelte bei dem Versuch zu erkennen, was drinnen war.
"Der ist an Sie adressiert", stellte er fest. "In Ihrer Handschrift." Er zog verwundert die Augenbrauen hoch. "Anscheinend haben Sie sich selbst einen Brief geschrieben."
"Merkw rdig." Ich ging zum Tisch und griff nach dem Umschlag, den er mir leicht widerwillig reichte. Er hatte Recht - vorne drauf standen in meiner Schrift mein Name und meine Adresse. Zuerst dachte ich, ich h tte vielleicht einen Antwortbrief an einen seiner Bewunderer falsch beschriftet und Adresse und Absender verwechselt. Doch als Absender war kein Name angegeben, nur eine Stra e und eine Apartmentnummer in Cambridge, Massachusetts.
"Warum sollten Sie sich selbst einen Brief schreiben?", fragte Oliver.
"Das hab ich bestimmt nicht."
"Das ist wunderbar", frohlockte er. "Sie haben eine geheime Identit t. Sogar vor Ihnen selbst verborgen. Vielleicht sind Sie eine andere Person."
Ich verdrehte die Augen, aber es war wirklich merkw rdig, meinen Namen in meiner eigenen Schrift zu sehen, als existierte irgendwo da drau en tats chlich ein zweites Ich von mir. Oliver schob mir einen Stuhl hin. "Setzen Sie sich", befahl er, "und machen Sie ihn auf, um Himmels willen."
Ich setzte mich. Ich ffnete den Brief. Nat rlich hatte ich ihn nicht selbst geschrieben, doch ich f hlte mich nicht weniger seltsam, als ich sah, wer es getan hatte. Der Brief war von Sonia Gray. An der Highschool hatten wir so lange ge bt, bis unsere Handschriften sich derart hnelten, dass selbst wir sie nicht mehr unterscheiden konnten. Das erleichterte es mir ungemein, ihre Mathehausaufgaben zu machen, und manchmal konnten wir sogar unsere Mathearbeiten ohne Namen abgeben, sodass ich Anspruch auf ihre erheben konnte und sie auf meine, da meine Mathenote im Gegensatz zu ihrer gelegentlich eine niedrige Punktzahl verkraftete. Jedes Mal, wenn wir das machten, versetzte es mich in Hochstimmung. Da ich mir nicht vorstellen konnte, warum Sonia ausgerechnet jetzt an mich schrieb, fast acht Jahre nach unserem Zerw rfnis, kam es mir in der Tat so vor, als existierten alle Zeiten gleichzeitig, als h tte sie den Brief schon vor Jahren irgendwo aufgegeben. Deshalb war unsere Schrift auch immer noch identisch, und keine von uns hatte die vielen kunstvollen, m dchenhaften Schleifen in den Ls und Ys abge ndert.
"Nun?", fragte Oliver. Ich ignorierte ihn und hielt den Brief weg von seinem neugierigen Blick.
Liebe Cameron, ich habe heute Nacht von dir getr umt, und jetzt kann ich nicht mehr schlafen. Ich wei nicht mal mehr genau, wovon der Traum handelte, irgendwas mit Eisw rfeln, obwohl du und ich, soweit ich mich erinnere, nie Eisw rfel mit Geschmack zusammen gegessen haben. Daf r haben wir viele Milchshakes bei Taco Box getrunken. Und wei t du noch, wie wir immer Sirup in die Milch ger hrt und uns Sandwiches aus Vanilleeiswaffeln mit Erdnussbutter gemacht haben? Das klingt inzwischen alles ziemlich ekelig.
Seit ich mich verlobt habe, muss ich immerzu an dich denken. Mein erster Gedanke danach war, dich anzurufen, um es dir zu sagen. Ist das nicht merkw rdig? Es war, als w re ich wieder ein Kind und wir planten unsere imagin ren Hochzeiten, damals, als ich noch sicher war, dass du meine Brautjungfer w rdest und ich deine. Ich brauchte einen Moment, bis mir wieder einfiel, dass wir nicht mehr befreundet waren. Seitdem werde ich das Gef hl nicht los, etwas vers umt zu haben. Ich sehe auf meiner Liste nach - den Partyservice hab ich schon angerufen und auch mit dem Blumenh ndler gesprochen -, aber da es nicht auf der Liste steht, brauche ich eine Weile, bis mir klar wird, dass das Einzige, was ich noch nicht erledigt habe, ist, mit dir zu sprechen.
Ich habe dieses merkw rdige Gef hl, das einen mitten in der Nacht beschleicht, dass man aus seinem normalen Leben herausgefallen ist, und vielleicht schreibe ich dir deshalb jetzt, so, als w ren wir Freundinnen wie fr her. Irgendwo h rt jemand Madonna, ihr erstes Album, glaube ich. Warum h rt man das morgens um drei? Ist das nicht normalerweise eine melancholischere Zeit? Vielleicht versucht derjenige ja, seine Melancholie zu bek mpfen. Vielleicht ist "Borderline" das Einzige, was ihn vom Selbstmord abh lt.
Du und ich haben uns fr her Choreografien zu Madonna-Songs ausgedacht. Erinnerst du dich an das Spielzimmer bei mir zu Hause? Die vielen Kisten an der Wand mit ausrangierten Kindersachen: ein altes Puppenhaus, das Ewok-Dorf, ein Karton mit zu Grunde geliebten Pl schtieren. Und dazwischen tanzten du und ich mit Bewegungen, die wir f r sexy hielten. Ist das nicht sehr symboltr chtig? Zu Grunde geliebt. Den Ausdruck hab ich gerade erfunden. Er gef llt mir. Gelegentlich kam es mir so vor, als sei das mit mir passiert.
Erinnerst du dich an den Sockenaffen ohne Mund? Den hab ich gehasst. Seine untere Gesichtsh lfte war vollkommen ausdruckslos. Ich glaub, meine Mutter hat ihn immer noch, wahrscheinlich um mich zu rgern. Wei t du noch, als wir zu einer Abschlusspr fung ber den Campus gegangen sind und uns ein toter Vogel vor die F e fiel? Es war nicht irgendein kleiner Braunfink, sondern ein Kardinalvogel. Ein roter Spritzer. Du hast ihn mit einem Stock angestupst. Er war wirklich tot. Wir waren zwar schon im vorletzten Studienjahr, aber wir hielten uns f r den Rest des Weges an den H nden, so ersch ttert waren wir. Wei t du noch, als wir nach Sewanee zu diesem Jungen gefahren sind, mit dem ich gegangen bin, ich wei nicht mal mehr seinen Namen, und wir zu dritt im Reservoir nackt gebadet haben? Alles war pechschwarz, und die Sterne waren berall, doch der Junge war albern und spritzte st ndig rum, aber du und ich lie en uns auf dem R cken treiben, und du fragtest, ob sich so treiben zu lassen und zum Himmel zu sehen nicht die sch nste Art zu leben sei. Ich schlug vor, dass wir uns ein M rchen ber zwei M dchen und das Wasser ausdenken, doch das haben wir nie getan. Ich glaube, das ist jetzt trotzdem ein M rchen.
Vielleicht geht es in diesem Brief darum. Ist es ein M rchen? Ist das alles ein M rchen, wie es damals war, als wir beste Freundinnen waren? Was ich mich jetzt frage, mitten in der Nacht, ist: Sind diese Sachen wirklich passiert? Ohne dich, die diese Erinnerungen best tigen kann, kommt es mir manchmal so vor, als h tte ich sie erfunden. Es ist ein bisschen wie Waise zu werden. Das klingt echt dramatisch, ich wei , aber da ich Halbwaise bin, glaube ich, das sagen zu d rfen. Es gibt Dinge in meinem Leben, die niemand sonst je verstanden hat.
Ich frage mich, wie du jetzt lebst. Denkst du manchmal an diese Sachen, an das M rchen von dir und mir? Fragst du dich, warum wir befreundet waren, warum wir es nicht mehr sind, warum wir uns so entschieden haben? Fragst du dich, wie es w re, wenn wir uns anders entschieden h tten? Du warst nie so begeistert von solchen Gedankenspielen wie ich, doch selbst du musst zugeben, dass unser Zerw rfnis ein Wendepunkt in unserem Leben war. Schlie lich waren wir eine Zeitlang praktisch ein und dieselbe Person, du und ich.
Ich wei nicht, was ich von dir will. Ich kann mir vorstellen, du tust diesen Brief als Unsinn ab - ich glaube, das ist dein erster Gedanke: es l cherlich zu finden, dass ich nach so langer Zeit Kontakt zu dir aufnehme, egal, aus welchem Grund, insbesondere wenn der Grund dieses seltsame Gef hl von mir ist, dass du noch immer meine Brautjungfer sein solltest, dass, wenn du es nicht wirst, ein Teil meiner Vergangenheit gel scht ist, etwas unvollendet bleibt. Ich glaube das, auch wenn ich wei , dass es schrecklich verletzend f r Suzette w re. Deshalb wei ich noch nicht, ob ich diesen Brief berhaupt abschicke, obwohl ich deine Adresse ausfindig gemacht habe.
Ich wei nicht, wie ich unterschreiben soll, deshalb schreib ich nur meinen Namen. Sonia.
Oliver wartete darauf, dass ich etwas sagte, doch ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Irgendwie erschien es mir sogar noch seltsamer, dass Sonia den Brief geschrieben hatte in der Gegenwart - als eine Frau, die kurz vor ihrer Heirat stand -, als wenn sie ihn schon vor Jahren aufgegeben h tte, als das M dchen, das ich einst gekannt hatte. Sie war lter geworden, doch meine Erinnerung hatte sie zu dem Zeitpunkt eingefroren, als sie an jener Tankstelle in West-Texas hinter meinem Wagen herrannte. Wahrscheinlich hatte ich geglaubt, sie w rde, wenn ich zur ckf hre, dort immer noch auf mich warten."Hm", sagte ich. Ich faltete den Brief zusammen, steckte ihn wieder in den Umschlag und legte ihn auf den Tisch. Dann kehrte ich zur Theke zur ck. Es waren noch Sandwiches zu machen.
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Autoren-Porträt von Leah Stewart
Leah Stewart, geboren 1975, lebt in North Carolina und hat bereits etliche Kurzgeschichten veröffentlicht und mit "Und Frieden ihrer Seele" ihren ersten Roman.
Bibliographische Angaben
- Autor: Leah Stewart
- 2007, 313 Seiten, Maße: 19 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. Amerikan. v. Antje Althans
- Verlag: Arkana
- ISBN-10: 3442462894
- ISBN-13: 9783442462896
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