Delhi Love Story
Spannend, humorvoll und überzeugend geschildert von einer jungen Autorin, die selbst in Neu Delhi und Minneapolis aufgewachsen ist
Anisha ist seit dem Umzug von Minnesota nach Neu Delhi todunglücklich: Ihre indische Heimat ist ihr fremd, die...
Anisha ist seit dem Umzug von Minnesota nach Neu Delhi todunglücklich: Ihre indische Heimat ist ihr fremd, die...
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Delhi Love Story “
Spannend, humorvoll und überzeugend geschildert von einer jungen Autorin, die selbst in Neu Delhi und Minneapolis aufgewachsen ist
Anisha ist seit dem Umzug von Minnesota nach Neu Delhi todunglücklich: Ihre indische Heimat ist ihr fremd, die Schule fällt ihr schwer und zu allem Übel hat ihre Mutter plötzlich einen Freund. Aber zum Glück gibt es Keds, der nicht nur verdammt gut aussieht, sondern sich auch noch an ihren ersten Kuss aus Kindertagen erinnert. Durch ihn findet sie neue Freunde - und jede Menge Spaß. Doch dann verknallt sich Ani Hals über Kopf in Mädchenschwarm Kunal - und stellt damit nicht nur ihre Freundschaft mit Keds auf eine harte Probe ...
Anisha ist seit dem Umzug von Minnesota nach Neu Delhi todunglücklich: Ihre indische Heimat ist ihr fremd, die Schule fällt ihr schwer und zu allem Übel hat ihre Mutter plötzlich einen Freund. Aber zum Glück gibt es Keds, der nicht nur verdammt gut aussieht, sondern sich auch noch an ihren ersten Kuss aus Kindertagen erinnert. Durch ihn findet sie neue Freunde - und jede Menge Spaß. Doch dann verknallt sich Ani Hals über Kopf in Mädchenschwarm Kunal - und stellt damit nicht nur ihre Freundschaft mit Keds auf eine harte Probe ...
Klappentext zu „Delhi Love Story “
Spannend, humorvoll und überzeugend geschildert von einer jungen Autorin, die selbst in Neu Delhi und Minneapolis aufgewachsen istAnisha ist seit dem Umzug von Minnesota nach Neu Delhi todunglücklich: Ihre indische Heimat ist ihr fremd, die Schule fällt ihr schwer und zu allem Übel hat ihre Mutter plötzlich einen Freund. Aber zum Glück gibt es Keds, der nicht nur verdammt gut aussieht, sondern sich auch noch an ihren ersten Kuss aus Kindertagen erinnert. Durch ihn findet sie neue Freunde und jede Menge Spaß. Doch dann verknallt sich Ani Hals über Kopf in Mädchenschwarm Kunal und stellt damit nicht nur ihre Freundschaft mit Keds auf eine harte Probe
Lese-Probe zu „Delhi Love Story “
Delhi Love Story von Swati KaushalEins
Neu-Delhi. Die Stadt hat sich verändert, seit ich das letzte Mal hier war. Sie ist dichter, schwärzer, aufgeplatzt wie ein riesiger Pollensack. Ihre Konturen sind nicht mehr so klar wie früher, sondern fransig, zerschnitten von all den Wolkenkratzern, Straßenüberführungen und riesigen Anzeigetafeln. Und überall sind Menschenmassen. Die neuen Gebäude sind höher, schmaler, die Slums sind größer; die Farben der Stadt erscheinen schwärzer vom Ruß und doch greller denn je. Delhi hat an Bissigkeit gewonnen und den vertrauten Geruch behalten. Die Hitze der alten, neuen Stadt umgibt mich wie ein Fell, sie schlägt mir ins Gesicht, macht mich benommen. Ich schließe die Augen; der Vinylsitz des Taxis ist klebrig und heiß. Ich denke an das beruhigende Grau und Weiß unseres Gartens im Winter.
... mehr
Im Winter stachen die wenigen kahlen Bäume in unserem Garten stark hervor: die Birke, die Pinie, die dürre Esche und die einsame Ulme, die ihre Äste über das Dach unserer Veranda spannte. Zwischen den Zweigen glitzerte das Sonnenlicht. Wenn ein leichter Wind ging, konnte man Sterne tanzen sehen.
Im Winter deckte endloser, weicher, flaumiger Schnee den Garten zu wie eine Daunendecke, unter deren Weichheit man zarten weißen Träumen nachhängt. Überall standen dürre Sträucher, die versprachen, über den Schlaf zu wachen und mit ihren Eiszapfen die sanfte, weiße, kühle Decke fest über dem Träumenden zu halten.
Im Winter herrschte Stille im Garten. Es war so still, dass man nach oben blicken und die Laute des Universums hören konnte: die Explosionen auf Jupiter, die Stürme auf Saturn und das Knacken im sagenumwobenen Eis auf dem Mars. Man konnte das Einschlagen der Meteore hören, das Flackern des Sonnenfeuers und die Geburtswehen viele Galaxien weit entfernter Planeten.
Jeden Winter spielte die Zeit im Garten verrückt. Nachts, wenn man alleine war und in die stille weiße Leere hinausblickte, ließ sie plötzlich die Hüllen fallen wie eine betrunkene Diva und badete nackt in der kalten Nachtluft. Sie breitete die Arme aus und schlug Räder. Sie riss einen mit in ihrem wilden Tanz und spuckte einen dann unversehens wieder in der Kälte aus.
Kalt war es im Garten. Eiskalt. Jeden Winter kroch die süße Kälte vom Nordpol herunter und fror alle Schmerzen ein. Wenn man mit kalten Wangen unter der Pelzkapuze die Auffahrt vom Schnee freischaufelte, bemerkte man das zunächst gar nicht. Erst wenn die Schneeberge langsam schmolzen, wenn die jungen Eichhörnchen und Gänse und Streifenhörnchen die Herrschaft über Garten und See zurückeroberten, wurde einem klar, dass ein wesentlicher Teil von einem fehlte. Der Frühling brachte auch die Tränen.
Ich öffne meine Augen, in denen neue Tränen brennen. Vor mir sehe ich den ausgefransten Hemdkragen des Taxifahrers. Er ist zerknittert und voller Schweißflecken. Aus ihm wächst ein brauner, faltiger Hals wie ein dicker Baumstumpf. Wie der Hals meines Vaters.
Mein Vater war unmusikalisch, sprach laut und sang gerne. Jeden Morgen nach dem Aufwachen hörte ich als Erstes seine Stimme.
Guten Morgen, Ani-Bunny ...
Annie, Papa! Ich heiße Annie!
Funny Ani, how you kill me, aha, sunny Ani!
Das sollte ein Song von Abba sein. Weder der Text noch die Melodie war auch nur ansatzweise wiederzuerkennen. Ich warf mein Kissen nach ihm und er lachte. Seine dicken Augenbrauen - ich hätte Zöpfchen hinein-flechten können - tanzten in seinem Gesicht. Die frisch rasierten Wangen und seine riesige Nase dehnten sich beim Lachen.
Ani, Liebling!
Er trug mich oft auf dem Rücken, auch dann noch, als ich eigentlich schon zu groß dafür war.
Rock-a-bye-Ani
Papa! Hör auf!
Auf dem Baum ...
Paapaa!
Letztes Halloween hörten meine Mutter und ich auf, ihn zu vermissen. Es war schon ein ganzes Jahr vergangen. Meine Mutter verkleidete sich als Wichtelfrau, ging zur Halloweenfeier ins Büro und versprach, betrunken zurückzukommen. Ich verteilte grünes Gel in meinem Haar, verpasste mir ein falsches Augenbrauenpiercing und ging mit Jessica und Jaime für eine Runde »Süßes sonst gibt's Saures« nach draußen.
Wir hatten einen Riesenspaß. Jessica fuhr ihren Ford Mustang mit offenem Verdeck und der Hexenhut saß ihr schief auf dem Kopf. Auf halbem Weg begann es zu schneien. Unsere Haare wurden weiß. Wir machten eine Pause am Seeufer und sahen zu, wie unser Atem kleine Wolken formte. Jaime nestelte an ihrem roten Haar herum und erklärte wortreich, weshalb Brad Anderson ein Idiot war. Es gab Millionen Gründe. Dann entdeckte Jessica ein Hirschkalb. Es stand am anderen Ufer des Sees, halb von Bäumen verdeckt. Sobald es uns bemerkte, wurde es ganz steif. Einen kurzen Moment leuchteten seine Augen auf wie goldene Bernsteine. Wir starrten es an und wagten nicht zu atmen. Dann rannte es fort.
Der letzte Winter war gut und hart. Einer jener Winter, in denen es bis minus 30 Grad kalt wird, die Nasenhaare zusammenfrieren, jeder in dicken Parkas mit Fellkapuzen herumläuft und es völlig in Ordnung ist, auf der Straße nie zu lächeln. Die Kälte war so angenehm. Solange sie andauerte, war alles ein bisschen erträg - licher. Doch im April schmolz der Schnee und konnte nichts mehr zudecken.
Ich vermisste ihn. Ich vermisste seine Hände. Die Hände des neuen pakistanischen Kassierers im Supermarkt waren wie seine: dunkel, breit, kantig, mit markanten Knöcheln. Auf seinen Fingern wuchs dunkles, drahtiges Haar in Büscheln. Noch zu Hause musste ich an diese Hände denken. Im Spiegel sah ich die dichten Augenbrauen meines Vaters. Mit der Pinzette meiner Mutter zupfte ich so lange an ihnen herum, bis auf der geröteten Haut nur noch dünne Linien zu sehen waren.
Seine Augen waren so dunkel gewesen. Schwarz und glänzend wie Lackleder. Sie blickten mich immer voll grenzenloser Liebe an und ich erkannte mein funkelndes Spiegelbild in ihnen. Selbst durch seine Brille hindurch, sofern er sie trug. Einmal fand ich sie in der Gefriertruhe, festgefroren an den Enchiladas. Er liebte diese labbrigen Dinger. Ich weiß noch, wie er sie eines Tages zu lange in der Mikrowelle erwärmt hatte und ein Spritzer Sauce sich wie ein Wurm seinen Unterarm entlangschlängelte -- vorbei an dem Streifen heller Haut, der vom Armband seiner Uhr stammte, das er immer viel zu fest zog. Ich nannte ihn sein »Livestrong-Armband«.
Im letzten Jahr wurde er immer dünner. Das Kinn schmaler, die Wangen hohl, das Gesicht faltiger. Das Lachen wurde zu einem Husten, die Falten wurden tiefer, aber die Mimik blieb lebhaft. Er lebte.
Dann hatte sich unser Leben mit einem Schlag geändert. Und jetzt ziehen wir um.
»Ist es nicht aufregend, Ann?«
Ich öffne die Augen. Ma sitzt auf der schattigen Seite der Rücksitzbank, sie trägt ihre Sonnenbrille, das Haar zum Knoten geschlungen. Wäre ihr Handgelenk näher an meinem Gesicht, dann könnte ich bestimmt ihr Parfum riechen, das nach Orange und Ingwer duftet. »Diese Geschäftigkeit«, sagt sie und deutet mit ihrer duftenden Hand auf das Chaos draußen, »diese Zielstrebigkeit, all die neuen Möglichkeiten?«
Ich antworte, das sei sehr aufregend.
»Schau dir mal diese Straßenüberführung an! Und all die Geschäfte! Und hier, Ann, noch ein Wohnhaus!«
Ich blicke durch das Fenster hinauf zu einem weiteren Wolkenkratzer. Wie ein Leuchtturm ragt er zwischen engen Reihen winziger Häuser hervor. Er besteht aus dunklem Glas und Metall und sieht aus wie ein Hollywoodstar. Auf einem metallenen Schild ist eingraviert: Garden Villa.
»Ist es nicht unglaublich, wie schnell Delhi größer wird? Wie ein Teenager!«
Ich schaue mir die brütend heiße Stadt an. Laut Ma begann sie 2000 Jahre nach ihrer Gründung plötzlich, rasant zu wachsen.
»Weißt du, Ann, du wirst dich hier wohlfühlen. Heute gibt es in Delhi viele westliche Annehmlichkeiten. Und alle sind sportverrückt, es ist kaum zu glauben. Tennis, Schwimmen - und dann ist da noch dieser neue Golfplatz, über den alle sprechen!«
Ich erinnere sie daran, dass Golf die einzige Sportart ist, die mich nicht interessiert.
»Jetzt vielleicht noch nicht. Ach, es wird einfach wunderbar werden. Nächste Woche um diese Zeit könnten wir schon in unserer neuen Wohnung sein. Stell dir das mal vor!«
Ich gebe mir alle Mühe, genau das nicht zu tun.
Übersetzung: Stephanie Singh
Deutschsprachige Ausgabe © 2011 cbj Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Im Winter stachen die wenigen kahlen Bäume in unserem Garten stark hervor: die Birke, die Pinie, die dürre Esche und die einsame Ulme, die ihre Äste über das Dach unserer Veranda spannte. Zwischen den Zweigen glitzerte das Sonnenlicht. Wenn ein leichter Wind ging, konnte man Sterne tanzen sehen.
Im Winter deckte endloser, weicher, flaumiger Schnee den Garten zu wie eine Daunendecke, unter deren Weichheit man zarten weißen Träumen nachhängt. Überall standen dürre Sträucher, die versprachen, über den Schlaf zu wachen und mit ihren Eiszapfen die sanfte, weiße, kühle Decke fest über dem Träumenden zu halten.
Im Winter herrschte Stille im Garten. Es war so still, dass man nach oben blicken und die Laute des Universums hören konnte: die Explosionen auf Jupiter, die Stürme auf Saturn und das Knacken im sagenumwobenen Eis auf dem Mars. Man konnte das Einschlagen der Meteore hören, das Flackern des Sonnenfeuers und die Geburtswehen viele Galaxien weit entfernter Planeten.
Jeden Winter spielte die Zeit im Garten verrückt. Nachts, wenn man alleine war und in die stille weiße Leere hinausblickte, ließ sie plötzlich die Hüllen fallen wie eine betrunkene Diva und badete nackt in der kalten Nachtluft. Sie breitete die Arme aus und schlug Räder. Sie riss einen mit in ihrem wilden Tanz und spuckte einen dann unversehens wieder in der Kälte aus.
Kalt war es im Garten. Eiskalt. Jeden Winter kroch die süße Kälte vom Nordpol herunter und fror alle Schmerzen ein. Wenn man mit kalten Wangen unter der Pelzkapuze die Auffahrt vom Schnee freischaufelte, bemerkte man das zunächst gar nicht. Erst wenn die Schneeberge langsam schmolzen, wenn die jungen Eichhörnchen und Gänse und Streifenhörnchen die Herrschaft über Garten und See zurückeroberten, wurde einem klar, dass ein wesentlicher Teil von einem fehlte. Der Frühling brachte auch die Tränen.
Ich öffne meine Augen, in denen neue Tränen brennen. Vor mir sehe ich den ausgefransten Hemdkragen des Taxifahrers. Er ist zerknittert und voller Schweißflecken. Aus ihm wächst ein brauner, faltiger Hals wie ein dicker Baumstumpf. Wie der Hals meines Vaters.
Mein Vater war unmusikalisch, sprach laut und sang gerne. Jeden Morgen nach dem Aufwachen hörte ich als Erstes seine Stimme.
Guten Morgen, Ani-Bunny ...
Annie, Papa! Ich heiße Annie!
Funny Ani, how you kill me, aha, sunny Ani!
Das sollte ein Song von Abba sein. Weder der Text noch die Melodie war auch nur ansatzweise wiederzuerkennen. Ich warf mein Kissen nach ihm und er lachte. Seine dicken Augenbrauen - ich hätte Zöpfchen hinein-flechten können - tanzten in seinem Gesicht. Die frisch rasierten Wangen und seine riesige Nase dehnten sich beim Lachen.
Ani, Liebling!
Er trug mich oft auf dem Rücken, auch dann noch, als ich eigentlich schon zu groß dafür war.
Rock-a-bye-Ani
Papa! Hör auf!
Auf dem Baum ...
Paapaa!
Letztes Halloween hörten meine Mutter und ich auf, ihn zu vermissen. Es war schon ein ganzes Jahr vergangen. Meine Mutter verkleidete sich als Wichtelfrau, ging zur Halloweenfeier ins Büro und versprach, betrunken zurückzukommen. Ich verteilte grünes Gel in meinem Haar, verpasste mir ein falsches Augenbrauenpiercing und ging mit Jessica und Jaime für eine Runde »Süßes sonst gibt's Saures« nach draußen.
Wir hatten einen Riesenspaß. Jessica fuhr ihren Ford Mustang mit offenem Verdeck und der Hexenhut saß ihr schief auf dem Kopf. Auf halbem Weg begann es zu schneien. Unsere Haare wurden weiß. Wir machten eine Pause am Seeufer und sahen zu, wie unser Atem kleine Wolken formte. Jaime nestelte an ihrem roten Haar herum und erklärte wortreich, weshalb Brad Anderson ein Idiot war. Es gab Millionen Gründe. Dann entdeckte Jessica ein Hirschkalb. Es stand am anderen Ufer des Sees, halb von Bäumen verdeckt. Sobald es uns bemerkte, wurde es ganz steif. Einen kurzen Moment leuchteten seine Augen auf wie goldene Bernsteine. Wir starrten es an und wagten nicht zu atmen. Dann rannte es fort.
Der letzte Winter war gut und hart. Einer jener Winter, in denen es bis minus 30 Grad kalt wird, die Nasenhaare zusammenfrieren, jeder in dicken Parkas mit Fellkapuzen herumläuft und es völlig in Ordnung ist, auf der Straße nie zu lächeln. Die Kälte war so angenehm. Solange sie andauerte, war alles ein bisschen erträg - licher. Doch im April schmolz der Schnee und konnte nichts mehr zudecken.
Ich vermisste ihn. Ich vermisste seine Hände. Die Hände des neuen pakistanischen Kassierers im Supermarkt waren wie seine: dunkel, breit, kantig, mit markanten Knöcheln. Auf seinen Fingern wuchs dunkles, drahtiges Haar in Büscheln. Noch zu Hause musste ich an diese Hände denken. Im Spiegel sah ich die dichten Augenbrauen meines Vaters. Mit der Pinzette meiner Mutter zupfte ich so lange an ihnen herum, bis auf der geröteten Haut nur noch dünne Linien zu sehen waren.
Seine Augen waren so dunkel gewesen. Schwarz und glänzend wie Lackleder. Sie blickten mich immer voll grenzenloser Liebe an und ich erkannte mein funkelndes Spiegelbild in ihnen. Selbst durch seine Brille hindurch, sofern er sie trug. Einmal fand ich sie in der Gefriertruhe, festgefroren an den Enchiladas. Er liebte diese labbrigen Dinger. Ich weiß noch, wie er sie eines Tages zu lange in der Mikrowelle erwärmt hatte und ein Spritzer Sauce sich wie ein Wurm seinen Unterarm entlangschlängelte -- vorbei an dem Streifen heller Haut, der vom Armband seiner Uhr stammte, das er immer viel zu fest zog. Ich nannte ihn sein »Livestrong-Armband«.
Im letzten Jahr wurde er immer dünner. Das Kinn schmaler, die Wangen hohl, das Gesicht faltiger. Das Lachen wurde zu einem Husten, die Falten wurden tiefer, aber die Mimik blieb lebhaft. Er lebte.
Dann hatte sich unser Leben mit einem Schlag geändert. Und jetzt ziehen wir um.
»Ist es nicht aufregend, Ann?«
Ich öffne die Augen. Ma sitzt auf der schattigen Seite der Rücksitzbank, sie trägt ihre Sonnenbrille, das Haar zum Knoten geschlungen. Wäre ihr Handgelenk näher an meinem Gesicht, dann könnte ich bestimmt ihr Parfum riechen, das nach Orange und Ingwer duftet. »Diese Geschäftigkeit«, sagt sie und deutet mit ihrer duftenden Hand auf das Chaos draußen, »diese Zielstrebigkeit, all die neuen Möglichkeiten?«
Ich antworte, das sei sehr aufregend.
»Schau dir mal diese Straßenüberführung an! Und all die Geschäfte! Und hier, Ann, noch ein Wohnhaus!«
Ich blicke durch das Fenster hinauf zu einem weiteren Wolkenkratzer. Wie ein Leuchtturm ragt er zwischen engen Reihen winziger Häuser hervor. Er besteht aus dunklem Glas und Metall und sieht aus wie ein Hollywoodstar. Auf einem metallenen Schild ist eingraviert: Garden Villa.
»Ist es nicht unglaublich, wie schnell Delhi größer wird? Wie ein Teenager!«
Ich schaue mir die brütend heiße Stadt an. Laut Ma begann sie 2000 Jahre nach ihrer Gründung plötzlich, rasant zu wachsen.
»Weißt du, Ann, du wirst dich hier wohlfühlen. Heute gibt es in Delhi viele westliche Annehmlichkeiten. Und alle sind sportverrückt, es ist kaum zu glauben. Tennis, Schwimmen - und dann ist da noch dieser neue Golfplatz, über den alle sprechen!«
Ich erinnere sie daran, dass Golf die einzige Sportart ist, die mich nicht interessiert.
»Jetzt vielleicht noch nicht. Ach, es wird einfach wunderbar werden. Nächste Woche um diese Zeit könnten wir schon in unserer neuen Wohnung sein. Stell dir das mal vor!«
Ich gebe mir alle Mühe, genau das nicht zu tun.
Übersetzung: Stephanie Singh
Deutschsprachige Ausgabe © 2011 cbj Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
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Autoren-Porträt von Swati Kaushal
Stephanie Singh studierte Literaturwissenschaften in Tübingen, Aix-en-Provence und Strasbourg und schloss ihre Dissertation 2006 an der LMU München ab. Sie ist ausgebildete Redakteurin und arbeitet als freie Übersetzerin für Französisch und Englisch.
Bibliographische Angaben
- Autor: Swati Kaushal
- Altersempfehlung: 12 - 15 Jahre
- 2011, 381 Seiten, Maße: 12,6 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Singh, Stephanie
- Übersetzer: Stephanie Singh
- Verlag: cbj
- ISBN-10: 3570400336
- ISBN-13: 9783570400333
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