Der Besuch des Leibarztes
Der dänische König Christian VII. ist verrückt und muss nach außen dennoch seinen königlichen Pflichten nachkommen. In Wahrheit machen die Staatsgeschäfte andere und seine Ehe mit der englischen Prinzessin Caroline Mathilde ist eine Farce. Als er seinem...
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Der dänische König Christian VII. ist verrückt und muss nach außen dennoch seinen königlichen Pflichten nachkommen. In Wahrheit machen die Staatsgeschäfte andere und seine Ehe mit der englischen Prinzessin Caroline Mathilde ist eine Farce. Als er seinem Leibarzt Struensee empfiehlt, er solle sich der einsamen Königin annehmen, ahnt keiner, dass sich daraus eine tragische Leidenschaft entwickeln wird.
Ein psychologisches Drama um Politik, Macht und Liebe.
Der Besuch des Leibarztes von Per Olov Enquist
LESEPROBE
König Christian VII. hatte beiseiner Thronbesteigung Anfang des Jahres von seinem Informator Reverdil einenHund geschenkt bekommen, einen Schnauzer, an dem er schon nach kurzer Zeit sehrhing. Zu der Begegnung mit der kleinen Engländerin in Roskilde sollte er imWagen eintreffen, mit großem Gefolge, direkt aus Kopenhagen.
In der Kalesche des Königs saßen außer Christian ein ehemaliger Professor derAkademie Sorø mit Namen Guldberg, der Lehrer des Königs, Reverdil, sowie einHöfling namens Brandt, der im Verlauf der späteren Ereignisse einebedeutungsvolle Rolle spielen sollte. Guldberg, dessen Platz unter normalenUmständen nicht in der Kalesche des Königs gewesen wäre, weil seine Position amHof noch allzu unbedeutend war, begleitete den König aus Gründen, die noch zurSprache kommen werden.
Im Wagen fuhr auch der Hund mit, er saß die ganze Zeit auf Christians Schoß.
Guldberg, der in der klassischen Literatur bewandert war, hatte nämlich ausAnlaß der Begegnung eine Liebeserklärung verfaßt, die auf Passagen eines Dramasvon Racine aufbaute, und hatte im Wagen "die letzten beruhigendenInstruktionen vor der Liebesbegegnung" gegeben, wie Reverdil es in seinenMemoiren nennt.
"Beginnen Sie kraftvoll", hatte Guldberg der Majestät gesagt, diefast ganz abwesend zu sein schien und verzweifelt den kleinen Hund an sichdrückte. "Die Prinzessin muß schon vom ersten Moment an die starke PassionEurer Majestät erkennen. Der Rhythmus! Ich beuge mich dem Liebesgott ich BEUGEmich dem Liebesgott Der Rhythmus! Der Rhythmus!"
Die Stimmung im Wagen war bedrückt gewesen, und die Tics und Körperbewegungendes Königs waren zeitweise unkontrollierter denn je. Bei der Ankunft hatteGuldberg angedeutet, daß der Hund nicht an der Liebesbegegnung der Königlichenteilnehmen könne, sondern im Wagen zurückbleiben müsse. Christian hatte sichzunächst geweigert, ihn loszulassen, war aber schließlich dazu gezwungenworden.
Der Hund hatte gewinselt, und später sah man ihn heftig bellend hinter demFenster der Kalesche. Reverdil schreibt, dies sei "einer derangsterfülltesten Augenblicke seines Lebens gewesen. Der Junge schien jedoch amEnde so apathisch, als ginge er in einem Traum".
Das Wort "Schrecken" kommt oft vor. Am Schluß hatten die PrinzessinCaroline Mathilde und ihr Verlobter Christian VII. trotzdem alles fast perfektgemacht.
Ein Kammerorchester war neben dem Glaspavillon aufgestellt. Das Abendlicht warsehr schön. Auf dem Platz um den Pavillon hatten sich Tausende von Menschenversammelt; sie wurden von den Soldaten, die in doppelten Reihe die Wachebildeten, zurückgehalten.
Im exakt gleichen Augenblick, und begleitet von der Musik, waren die beidenjungen königlichen Personen durch die Türen eingetreten. Sie hatten sich einanderexakt so genähert, wie das Zeremoniell es vorschrieb. Die Musik war, als siedrei Ellen voneinander entfernt standen, verstummt. Die Prinzessin hatteChristian die ganze Zeit angesehen, doch mit einem Blick, der leblos zu seinschien, als ginge sie - auch sie - in einem Traum.
Christian hatte das Gedicht in der Hand gehalten, auf einem Bogen Papier. Alssie schließlich still voreinander standen, hatte er gesagt: "Ich willjetzt meine Liebe erklären, teure Prinzessin."
Er hatte auf ein Wort von ihr gewartet, doch sie hatte ihn nur angesehen undgeschwiegen. Seine Hände hatten gezittert, aber schließlich war es ihmgelungen, sich zu ermannen, und er hatte Guldbergs Liebeserklärung gelesen, diewie ihr literarisches Vorbild auf französisch abgefaßt war.
Ich beug' der Liebesgöttin mich, wo ich auch geh,
ich hilflos unter ihrem mächt'gen Willen steh.
Vor Eurer Schönheit kann ich nur verblassen,
Eu'r schönes Bild bleibt stets bei mir, nachdem Sie mich verlassen.
Weit in des Waldes Tiefe folgt Euer Bild mir sacht.
Am lichten Tag wie in kohlschwarzer Nacht
Ist meine Lieb' zu Euch ein Licht, das nie wird schwinden.
Seht hier den Grund für neues zärtliches Empfinden.
Sie hatte an diesem Punkt eine Handbewegung gemacht, vielleicht versehentlich;aber er hatte sie als ein Zeichen aufgefaßt, daß er schließen solle. Er hörtedeswegen auf zu lesen und sah sie fragend an. Sie hatte nach einer Weilegesagt:
"Danke."
"Das reicht vielleicht", hatte er geflüstert.
"Ja, das reicht."
"Ich wollte Euch mit diesen Worten meine Leidenschaft bezeugen",hatte er gesagt.
"Ich empfinde die gleiche Leidenschaft für Sie, Majestät", hatte siemit fast unmerklichen Lippenbewegungen geflüstert. Ihr Gesicht war überausblaß, ihre Tränen waren überpudert, und das Gesicht wirkte wie weiß gekalkt."Danke."
"Können wir dann die Zeremonie beenden", hatte sie gefragt.
Er hatte sich verbeugt. Die Musik hatte, auf ein Zeichen desZeremonienmeisters, wieder eingesetzt, und die beiden Verlobten hattendaraufhin, vor Schrecken starr und doch mit vollendeten Bewegungen, begonnen,sich der größeren Zeremonie entgegen zu bewegen: den Huldigungen, der Ankunftin Kopenhagen, der Hochzeit, ihrer kurzen Ehe und der dänischen Revolution.
Am 8. November um sieben Uhrdreißig betrat das junge Paar die Schloßkirche in Kopenhagen, wo die feierlicheEheschließung stattfand. Die Festlichkeiten dauerten sechs Tage.
"Unendliche Hoffnungen knüpfen sich an die einnehmende englischeKönigin", schreibt der englische Gesandte in seinem Bericht nach London.Man fand ihr Auftreten vollendet.
An Christian nichts auszusetzen. Keine Ausbrüche, keine Fehltritte. Der Hundwährend der Trauungszeremonie nicht anwesend.
© Carl Hanser Verlag / BRIGITTE Buch-Edition
Übersetzung: Aus dem Schwedischen vonWolfgang Butt
- Autor: Per Olov Enquist
- 2005, 439 Seiten, Maße: 12 x 20 cm, Deutsch
- Aus d. Schwed. v. Wolfgang Butt
- Verlag: Gruner + Jahr
- ISBN-10:
- ISBN-13: 2000000023243
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