Der Brandstifter
Ein brutaler Killer hat bereits vier Frauen erschlagen und ihre Leichen verbrannt. Kann Maeve Kerrigan den "Burning Man" stoppen?
In einem kleinen Park im Süden Londons wird das fünfte Opfer gefunden. Detective Constable...
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Produktinformationen zu „Der Brandstifter “
Ein brutaler Killer hat bereits vier Frauen erschlagen und ihre Leichen verbrannt. Kann Maeve Kerrigan den "Burning Man" stoppen?
In einem kleinen Park im Süden Londons wird das fünfte Opfer gefunden. Detective Constable Maeve Kerrigan ist Teil des Teams am Tatort, und schöpft schnell Verdacht. Irgendetwas ist anders als bei den ersten vier Morden. Das Opfer, Rebecca Haworth, passt nicht ins bisherige Schema und scheint einige Schattenseiten gehabt zu haben. Maeves Recherchen lassen bald nur einen Schluss zu: Es gibt mehr als einen Täter. Doch wie fasst man Mörder, die nur eine Spur aus Asche hinter sich lassen?
Lese-Probe zu „Der Brandstifter “
Der Brandstifter von Jane Casey... mehr
Sie hätte sich doch lieber zusammen mit den anderen auf den
Heimweg machen sollen.
Kelly Staples betrachtete sich in dem gesprungenen, fleckigen
Spiegel und versuchte sich den Anblick zu erklären. Sollte das
wirklich ihr Gesicht sein? Die Wimperntusche war unter den Augen
verschmiert und hatte schwarze Schatten und Flecken hinterlassen,
die sich nicht abrubbeln ließen, so sehr sie sich auch
mühte. Die Überreste ihres Make-ups waren an Nase und Stirn
verkrustet, und die Haut sah ausgetrocknet aus. Ihr Gesicht war
gerötet, und am Kinn entdeckte sie einen Pickel, der vor dem
Ausgehen ganz sicher nicht dort gewesen war. Ihre Lippen waren
schlaff und feucht, und mit ihrem Oberteil stimmte auch etwas
nicht ... Mit großer Anstrengung beugte Kelly den Kopf nach unten
und inspizierte das Malheur. Wein, dachte sie benebelt. Sie
hatte sich Rotwein über die Sachen gekippt. Verschwommen erinnerte
sie sich, wie sie mit hysterischem Lachen und spitzen Fingern
den triefenden Stoff festgehalten und einem Unbekannten
offeriert hatte, den Wein herauszusaugen, damit er nicht verschwendet
wurde. Daraufhin hatte Faye sie von ihm weggezerrt
und ihr ärgerlich ins Ohr gezischt, sich gefälligst zu benehmen.
Aber Kelly hatte sie daran erinnert - oder es zumindest versucht
-, dass dieser Abend ja gerade den Zweck hatte, sich einmal
nicht zu benehmen. Sie war mit ihren Freundinnen in Richmond
auf Kneipentour gegangen - eine aufgebrezelte, ziemlich
beschwipste Truppe in alberner Stimmung. Das Semester war
fast um, und alle hatten eine kleine Auszeit nötig. Vor allem sie
selbst, da sie sich erst vor drei Wochen von P. J. getrennt hatte.
Oder besser gesagt, er sich von ihr. Zwei Jahre waren sie zusammen
gewesen, und er hatte sie einfach fallen lassen, um Vanessa
Cobbet hinterherzurennen, dieser fetten Schlampe. Eine Träne
lief Kelly über das Gesicht und glitt über die Reste ihres Makeups.
Sie hatten zu Hause mit Wein angefangen, um ein bisschen
vorzuglühen, wobei sich Kelly schon einige Gläser genehmigt
hatte. Sie war so fertig mit den Nerven, dass sie das einfach
brauchte. Außerdem kam der Abend damit gut in Schwung.
Der Raum hinter ihr schwankte und drehte sich. Kelly schloss
die Augen, lehnte sich schwerfällig ans Waschbecken und wartete,
dass das Schwindelgefühl nachließ. Sie hatte sich schon
übergeben und gehofft, dass es ihr danach besser gehen würde.
Hinter ihr knallte eine Klotür. Eine nicht mehr ganz junge, knochige
Frau schob sich an ihr vorbei und warf ihr einen Seitenblick
zu, der sagte: Du bist doch noch viel zu jung für einen solchen
Zustand. Kelly traute es sich nicht laut zu sagen, dachte aber: Und
du bist ja wohl viel zu alt für diesen Laden.
Im Waschraum war es eng. Die zwei Toiletten und zwei Waschbecken
hatte man in die hinterste Ecke der Kneipe gequetscht. Es
roch beißend nach Raumspray und süßsäuerlich nach erbrochenem
Wein - was Kellys Anteil war. An der Einrichtung konnte
man sehen, dass der letzte Umbau in den Achtzigern oder noch
davor stattgefunden hatte: rosafarbene Keramik und Vorhänge
mit rosa-braunem Blumenmuster, die schlaff vor dem Milchglasfenster
hingen. Der Rest des Lokals war auch nicht viel ansprechender,
obwohl man bei der spärlichen Beleuchtung nicht viel
davon sah. Das Jolly Boatman hatte eindeutig schon bessere Zeiten
erlebt - so wie die meisten Gäste. Trotzdem war es ziemlich
voll, und es wurde viel getrunken. Sämtliche Kneipen am Fluss
waren bestens besucht; schließlich war es Donnerstagabend, der
inoffizielle Start ins Wochenende. Alle waren in Feierlaune, einschließlich
Kelly. Aber irgendwann war alles aus dem Ruder gelaufen.
Die anderen waren schon gegangen, und sie erinnerte
sich verschwommen, wie sie zu ihr gesagt hatten, sie solle mit
dem Taxi heimfahren. Sie hatte mit jemandem getanzt, einem
Typen, den sie nicht kannte, und Faye hatte versucht, sie zum
Mitkommen zu überreden, aber sie wollte nicht. Sie hatte keine
Lust dazu. Jetzt war sie mal dran, Spaß zu haben. Die anderen
hatten sie gelassen und waren gegangen. Kelly konnte nicht mehr
nachvollziehen, warum sie das zugelassen hatte.
»Ich bin besoffen«, sagte sie laut und versuchte ihrem verschwommenen
Spiegelbild in die Augen zu schauen. »Ich muss
nach Hause.«
Der Inhalt ihrer Handtasche lag im Waschbecken verstreut. Es
kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sie alles wieder eingesammelt
hatte. Ihre Hände waren so ungeschickt, und da lagen so viele
Dinge - ein Stift, Schminkzeug, ihr Schlüssel, ein Busfahrschein,
Kleingeld -, drei Zigaretten waren aus der Schachtel gerutscht
und hatten nun nasse Stellen. Von einer Tube Lipgloss hatte sich
der Deckel gelöst, und während Kelly ihn mühsam aufzuheben
versuchte, verschmierte sie die klebrige rote Masse auf der rosafarbenen
Keramik. Für einen Moment sah es aus wie Blut.
Der Lärm und die Hitze trafen sie wie ein Schlag, als sie die
Tür öffnete. Sie wankte ein wenig und versuchte sich zu orientieren,
in welche Richtung sie gehen musste. Die Tür zur Außenwelt
war irgendwo links, erinnerte sie sich vage und begann sich
durch die Menge zu schieben. Sie gab sich alle Mühe, gerade zu
gehen und nüchtern zu wirken, indem sie die Schultern straffte
und den Kopf aufrecht hielt, doch außer sich selbst konnte sie damit
niemandem etwas vormachen.
Rings um die Tür war das Gedränge noch dichter, da immer
wieder Raucher hinaus auf die zum Fluss hin gelegene Terrasse
gingen oder von dort wieder hereinkamen.
»Entschuldigung«, murmelte Kelly und versuchte vergeblich,
sich an einem stämmigen Mann vorbeizudrängen, der trotz ihrer
Bemühungen keine Anstalten machte, ihr aus dem Weg zu
gehen.
»Brauchst du ein Privattaxi, Süße? Da könnte ich vielleicht helfen
«, sagte eine Stimme dicht an ihrem Ohr, während sich ein
Arm um ihre Taille schlang. »Höchste Zeit heimzufahren, junge
Dame.«
Willenlos ließ sie sich von ihm zügig und gekonnt durch die
Menge manövrieren, bis sie schließlich an die frische Luft gelangten.
Die Nacht war klar, kalt und ruhig und schon spürbar frostig.
Als sie sich umdrehte und ihrem Helfer danken wollte, stand
sie einem Fremden gegenüber, der so alt war wie ihr Vater oder
noch älter. Kelly versuchte dem Mann ins Gesicht zu sehen,
das vor ihren Augen auf und ab schwankte. Sie erkannte eine
randlose Brille, unnatürlich dunkel wirkendes Haar und einen
Schnauzbart über einem Mund, der zu ihr sagte: Wo wohnst du
denn mein Auto steht gleich um die Ecke komm doch mit und ich
bring dich nach Hause kein Problem ist gar nicht weit hab sowieso
nichts Besseres zu tun gib mir mal deine Tasche prima na siehst du
ist das dein Schlüssel ich pass auf dich auf keine Sorge. Du solltest
nicht allein unterwegs sein im Moment ist das ja wirklich nicht ratsam.
Kelly folgte dem Mann gehorsam. Eigentlich hätte sie sich lieber
ihre Tasche wiedergeholt und sich allein auf den Heimweg
gemacht, aber irgendwie erschien es ihr einfacher, sich ihm anzuschließen.
Zum einen taten ihr die Füße höllisch weh; die Plateaustiefel,
die zu Hause noch so toll ausgesehen hatten, rieben
jetzt entsetzlich an Zehen und Fersen, und der rechte drückte
schmerzhaft an der Wade. Für einen langen Fußmarsch waren
die Absätze definitiv zu hoch. Und natürlich hatte er recht, wenn
er sagte, dass es viel zu unsicher war, nachts allein unterwegs zu
sein.
Eigentlich war er doch ganz nett, dachte Kelly benommen. Er
war höflich, aufmerksam und hatte gute Manieren. So wie ältere
Herren eben sind, ganz Gentleman. P. J. hatte ihr nie die Hand
gereicht. Er hatte ihr auch nie die Autotür aufgehalten und gewartet,
bis sie diese nach dem Hinsetzen wieder zugemacht hatte
(zugegebenermaßen ein bisschen schwerfällig, aber andererseits
wusste er sich auch wieder perfekt zu benehmen, indem er statt
auf ihren hochgerutschten Rock stur geradeaus schaute).
Normalerweise stieg sie in Taxis immer hinten ein, aber da der
Mann die Beifahrertür öffnete, wollte sie ihn nicht vor den Kopf
stoßen.
Er stieg ein, ließ den Motor an und half ihr vor dem Losfahren
mit dem Sicherheitsgurt. Er ließ den Motor unnötig laut aufheulen,
sodass das Geräusch zwischen den Häuserfronten widerhallte.
»Ist es okay, wenn ich rauche?«, fragte Kelly forsch und war
überrascht, als er nickte. Im Auto roch es nach Pfefferminze und
Tannen-Duftbäumchen. Zwei intensive Gerüche, die den leichten
Benzindunst im Auto gerade so eben überdeckten. Vermutlich
hatte er sich beim letzten Tanken etwas über die Schuhe geschüttet.
Wie ein Raucher wirkte er nicht. Aber da er es gestattete,
hatte er offenbar nicht allzu viel dagegen.
Die einzige trockene Zigarette in ihrer Schachtel war die letzte,
die Glückszigarette, die Kelly beim Öffnen der Packung immer
anders herum drehte, sodass sie wie ein kleiner weißer Soldat
zwischen den hellbraunen Filtern der anderen hervorstach. Sie
nahm sie heraus, schob sie sich zwischen die Lippen und umschloss
aus Gewohnheit das Feuerzeug mit ihren Händen, obwohl
kein Lüftchen wehte. Sie hatte die Flamme zu groß eingestellt
und versengte sich beinahe den Pony daran.
»Scheiße.« Sie blinzelte ein paar Mal erschrocken und warf
dann dem Fremden einen schuldbewussten Blick zu. »Sorry, ich
sollte nicht fluchen.«
Er zuckte die Schultern. »Stört mich nicht. Wie heißt du eigentlich?«
»Kelly.« Sie klappte die Sonnenblende herunter, begutachtete
sich im Spiegel und zupfte ihren Pony zurecht. »Und wie heißen
Sie?«
Er zögert kurz und sagte dann: »Dan.«
»Woher kommen Sie denn? Aus Birmingham?« Sein Dialekt
klang nach Mittelengland, dachte sie. Doch er schüttelte den
Kopf.
»Hier aus der Gegend.«
»Ach so?«
Er nickte und blickte starr auf die Straße. Kelly sah ebenfalls
aus dem Fenster und betrachtete die Geschäfte, an denen sie vorbeikamen.
Sie runzelte die Stirn.
»Hier sind wir aber nicht richtig.«
Er antwortete nicht.
»Wir sind falsch hier«, wiederholte sie. Es war ihr unangenehm,
sich zu beklagen, wo er doch so hilfsbereit war. »Sie haben
sich verfahren. Sie hätten vorhin links fahren müssen, nicht
geradeaus.«
»Der Weg hier ist besser.«
»Ist er nicht«, entgegnete Kelly verärgert. »Ich werde doch
wohl wissen, wie man am besten zu mir nach Hause kommt.«
Statt einer Antwort wechselte er den Gang und beschleunigte.
»He«, rief sie erschrocken und stützte sich am Armaturenbrett
ab, das sich ziemlich verdreckt anfühlte. »Können Sie nicht langsamer
fahren?«
Der Wagen polterte die Straße entlang, ein ganzes Stück zu
schnell für ihren Geschmack. Er wirkte nervös, dachte sie und
versuchte ihn blinzelnd zu fixieren. Seine Lippen waren aufgesprungen,
und er fuhr immer wieder mit der Zunge darüber.
Kellys Lippen fühlten sich daraufhin ebenfalls trocken an, sodass
sie aufpassen musste, nicht dasselbe zu tun. Urplötzlich fing
sie an zu frieren, der Alkoholnebel lichtete sich, und nüchterne
Angst trat an seine Stelle. Worauf hatte sie sich da bloß eingelassen?
Ihre Mutter hatte ihr doch immer wieder eingeschärft,
keinem Fremden zu vertrauen. Und nun fuhr sie in dieser finsteren
Donnerstagnacht mit einem Mann, den sie nie zuvor gesehen
hatte, in seinem Auto wer weiß wohin. Bei ihrem Dad hatte
sie in der Zeitung eine Überschrift gelesen, dass gerade ein Frauenmörder
sein Unwesen trieb. Vier junge Frauen waren schon
ermordet und verbrannt worden. Junge Frauen wie sie. Die Polizei
hatte keine Ahnung, wer der Mörder war oder wie sie ihn
fassen konnte. Er lief frei herum und machte Jagd auf schutzlose
Frauen, die allein unterwegs waren. Selbst Kelly, die sich sonst
nie um die Nachrichten kümmerte, hatte von ihm gehört. Obwohl
es gar nicht allzu spät war und immer noch Leute auf der
Straße zu sehen waren, fühlte sich Kelly so einsam wie nie zuvor.
»Hören Sie, lassen Sie mich einfach hier aussteigen. Ich möchte
lieber zu Fuß gehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Nun bleib mal locker.«
An einer Ampel kam der Wagen surrend zum Stehen. Kelly
tastete nach dem Türgriff.
»Der ist kaputt«, sagte er, ohne sie anzuschauen. »Die Tür geht
nur von außen auf. Und jetzt mach mal halblang, ja?«
»Ich will aber aussteigen!« Ihre Stimme klang jetzt gereizt, nahezu
hysterisch, und der Fahrer verzog das Gesicht.
»Jetzt krieg dich bloß ein. Ich halte ja gleich an und lasse dich
raus, wenn du unbedingt willst.« Er bog in eine enge Anwohnerstraße
ein, die vollkommen zugeparkt war. »Hier ist keine Lücke
frei. Mal sehen, ob es weiter unten besser aussieht.«
»Weiter unten« war eine schmale Einfahrt zwischen Gartengrundstücken,
eine kaum einsehbare Sackgasse, wie Kelly mit panischem
Schrecken erkannte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals,
als das Auto schließlich zum Stehen kam.
»Was ist los? Wieso halten Sie an?«
»Ich dachte, du wolltest aussteigen? Ich kann dich hier rauslassen.
« Er stellte den Motor ab und schaltete das Licht aus. Jetzt war
es ringsherum stockdunkel. Kelly konnte nur ihn nur noch schemenhaft
neben sich erkennen. Voller Angst nahm sie den Pfef-
ferminzgeruch und den leichten Benzindunst wahr; sie dachte
an die Frauen, deren Leichen irgendwo abgeladen worden waren,
an den Mörder in den Schlagzeilen, wo er »der Brandmörder
« hieß. Sie hörte, wie er sich bewegte, und konnte in der Dunkelheit
des Autos nicht ausmachen, ob er sich ihr näherte. Ohne
nachzudenken, ohne sich überhaupt ihrer Bewegung bewusst zu
werden, langte sie nach unten und holte das Messer hervor, das
sie von ihrem kleinen Bruder bekommen hatte, das Messer, das
er in der Schule immer bei sich trug, falls er mal in eine Auseinandersetzung
geriet, das Klappmesser mit der schmalen Klinge
und der gefährlich scharfen Spitze, das ihr schon seit Stunden auf
den Knöchel drückte. Es war so finster im Auto, dass sie nicht
einmal sehen konnte, wie sie damit ausholte und auf die weiche
Stelle unter dem Brustkorb und oberhalb des Gürtels zielte. Noch
bevor er überhaupt reagieren konnte, war das Messer in seinem
Körper und wieder draußen und dann alles noch einmal, obwohl
er versuchte nach der Klinge zu greifen, als Kelly das Messer wieder
herauszog. Es war jetzt dunkel und nass, der Mann wimmerte,
sie konnte ihn und das Blut riechen - es roch süßlich wie
an einem heißen Sommertag beim Schlachter. Er hatte sich in die
Hose gepinkelt, und sie merkte, dass sie schrie, während ihr Herz
so laut hämmerte, dass sie ihre eigenen Worte nicht verstehen
konnte. Aber sie wiederholte diese Worte ununterbrochen und
kletterte über den Sitz in den Fond des Wagens, tastete panisch
nach dem Türgriff und stürzte ins Freie. Sie handelte rein instinktiv,
ihre Hände waren blutverschmiert, ihre Knie gaben nach, als
sie in den albernen Schuhen zu rennen versuchte. An die wundgeriebenen
Füße dachte sie nicht mehr. Immer wieder sagte sie
die Worte vor sich hin, als sie durch die Gasse in Richtung der
Häuser humpelte, wo sie auf Hilfe hoffte. Ihr Atem rasselte in
den Lungen, als hätte er rostige Sägezähne. Sie sagte sie auch zu
der Frau, die an die Tür kam und bei ihrem Anblick aufschrie, sie
sagte sie der Polizei, die den Notruf entgegennahm, und später
den Ärzten und Schwestern im Krankenhaus, wo sie untersucht
wurde. Es war das Einzige, dessen sie sich sicher war und was sie
am Leben erhalten hatte.
»Nicht ich. Ich will nicht die Nächste sein. Nicht ich. Nicht
ich.«
1
Maeve
Als das Telefon klingelte, wusste ich weder, wo ich war, noch,
was ich dort zu suchen hatte. Ich begriff nicht einmal, dass es
das Telefon war, was mich geweckt hatte. Ich tauchte aus tiefsten
Tiefen wieder an die Oberfläche und öffnete ein Auge, während
ein Teil meines Hirns krampfhaft versuchte herauszufinden, was
mich gestört hatte, und ein anderer fieberhaft überlegte, wie sich
der Lärm abstellen ließ. Er ging jetzt in ein leises Rütteln über
und kam von meinem Handy, das nachdrücklich auf dem Nachttisch
vibrierte, begleitet vom schrillsten und nervigsten Klingelton,
den ich hatte finden können. Ich tastete im Dunkeln nach
der Lärmquelle, stieß jedoch nur dagegen und schubste sie vom
Tisch. Das Telefon landete mit dem Display nach unten auf dem
Teppich, wo es zwar noch klingelte, aber wenigstens nicht mehr
so laut war. Streifschuss, kein Treffer. Zu allem Überfluss kam ich
jetzt noch schlechter an die Ursache des Übels heran. Ich beugte
mich gefährlich weit aus dem Bett und harkte mit den Fingern
über den Teppich, um es zu fassen zu kriegen.
»Mmpf!«
Obwohl das Gemurmel größtenteils vom Kissen geschluckt
wurde, wollte Ian damit wohl sagen: »Nun geh doch endlich ran
an das verdammte Handy.« Genau das dachte ich ja auch gerade.
Abgesehen von Wie spät ist es eigentlich? und Was will denn dieser
Idiot von mir?
Schließlich bekam ich es zu fassen und drückte wild darauf
herum, bis das blöde Klingeln endlich aufhörte. Dann versuchte
ich etwas auf dem Display zu erkennen. LANGTON. Rob. Ich
schielte auf die Uhrzeit und entzifferte 03.27. Es war morgens
halb vier, und Detective Constable Rob Langton hatte versucht
mich zu erreichen. Jetzt erst wachte ich richtig auf, mein Hirn
kam allmählich in die Gänge, doch mein Mund hatte mit dem
geänderten Plan noch seine Schwierigkeiten und kam nicht so
recht mit. Als ich mich meldete, war meine Zunge so schwer, als
hätte ich die letzten - ich musste rechnen - dreieinhalb Stunden
in der Kneipe zugebracht, statt meinen wohlverdienten Schlaf zu
genießen. Dreieinhalb Stunden. Das waren insgesamt sechs Stunden
Schlaf in den vergangenen zwei Tagen. Ich kniff die Augen
zu und wünschte, ich hätte auf diese Rechnung verzichtet. Von
Zahlen untermauert fühlte sich alles noch viel schlimmer an.
»Hab ich dich geweckt, Kollegin?« Diesen Manchester-Dialekt
würde ich immer und überall erkennen.
»Blöde Frage. Was gibt's denn?«
Eigentlich wusste ich längst, worum es ging. Es gab nur zwei
Möglichkeiten, warum mich Rob Langton um diese Zeit anrief
und sich aufgeregt anhörte. Variante eins: Es gab eine neue Leiche.
Variante zwei: Der Mörder war gefasst. In beiden Fällen
würde ich nicht so bald wieder zum Schlafen kommen.
»Wir haben ihn.«
»Ist nicht dein Ernst.« Ich setzte mich im Bett auf, machte das
Licht an und ignorierte das unwillige Schnaufen neben mir, während
ich mich blinzelnd versuchte zu konzentrieren. »Wie und
wo denn?«
»Wir hatten freundliche Unterstützung von einer netten jungen
Dame. Sie ist ein bisschen durch die Kneipen gezogen und
hat mit einem scharfen Gegenstand verhindert, dass sie das
nächste Opfer des Brandmörders wird.«
»Aber er ist doch nicht tot?« Mein Herz hämmerte. Wenn er
tot war, dann war's das. Keine Antworten. Kein Prozess.
Keine Gerechtigkeit.
»Nee, er wird's schaffen. Im Moment flicken sie ihn im Krankenhaus
wieder zusammen. Zwei Stichverletzungen im Unterleib,
sie hat ihm den Darm aufgeschlitzt.«
»Autsch.«
»Ja, hätte keinem Netteren passieren können.«
»Kennen wir ihn?« Ich rieb mir mit dem Handballen die Augen
und unterdrückte ein Gähnen.
»Nein, völlig unbekannt. Nie polizeilich aufgefallen und nicht
im Blickfeld der Ermittlungen.«
Ich seufzte. Das waren keine besonders guten Neuigkeiten.
Also waren wir nicht einmal nahe dran gewesen, ihn zu erwischen,
sondern hatten einfach nur Glück gehabt. Und das Mädchen
natürlich noch viel mehr. Normalerweise fand ich es nicht
so toll, wenn Leute mit einem Messer in der Tasche herumliefen.
Aber angesichts der vielen toten Frauen, die ich in den letzten
Wochen gesehen hatte, war das vielleicht doch keine so schlechte
Idee.
»Er heißt Vic Blackstaff. Hatte seine Ausweispapiere bei sich -
Führerschein, Firmenausweis. Er ist Mitte fünfzig, arbeitet im
Schichtbetrieb bei einem Callcenter in Epsom und wohnt in
Peckham. Fährt auf dem Heimweg durch Südwest-London, und
zwar in den ganz frühen Morgenstunden. Reichlich Gelegenheit.«
»Älter als wir dachten«, merkte ich an. »Schichtarbeit passt
aber ins Bild. Wo ist es passiert?«
»In Richmond.«
»Ziemlich weit weg von der üblichen Gegend. Bisher hat er
sich doch auf Kennington und Stockwell beschränkt und ist nie
bis Richmond gekommen.« Ich runzelte die Stirn.
»Ja, aber in seinem angestammten Gebiet wimmelt es doch inzwischen
von Polizei. Von daher ist es nachvollziehbar, dass er
sein Territorium verlässt, oder?« Rob klang so überzeugt, dass
ich nicht weiter nachhakte. Und wie sollte man sich denn bitteschön
in einen Serienmörder hineinversetzen?
»Im Moment haben sie sein Auto in der Mangel«, fügte Rob
hinzu. »Wir warten dann im Krankenhaus.«
»Wer ist wir?«
»Der Chef und ich. Und DI Judd, leider. Wir wollen die junge
Dame vernehmen, sobald die Ärzte uns zu ihr lassen. Sie wird
gerade noch untersucht.«
»Wie geht es ihr? Wird sie ...«
Es widerstrebte mir, den Satz zu beenden. Wird sie es schaffen?
Ist sie schwer verletzt? Hat sie Verbrennungen? Wie weit ist
er gekommen?
»Es geht ihr ganz gut, abgesehen von den Nerven. Mit ihr ist
alles in Ordnung, aber wir durften noch nicht mit ihr reden. Sie
sagt, dass sie noch nicht so weit ist.« Rob hörte sich ungeduldig
an, und das ärgerte mich. Warum sollte sie sich nicht erst einmal
sammeln dürfen, bevor sie mit der Polizei sprach? Bestimmt
stand sie unter Schock. Was sie jetzt vor allem brauchte, war ein
einfühlsamer Gesprächspartner. Und wer wäre dafür besser geeignet
als ich? Energie strömte in meine müden Glieder, und
Adrenalin verscheuchte die Müdigkeit, um die ich mich später
wieder kümmern würde, sobald ich Zeit dazu hatte. Drei Stunden
Schlaf waren vorerst völlig ausreichend. Inzwischen war ich
aufgestanden und stolperte auf wackeligen Beinen zur Tür. Sie
schmerzten, als hätte ich am Tag zuvor einen Marathon absolviert.
»Ich bin gleich da. Vielleicht lassen sie mich ja mit ihr reden.«
Die einzige Frau im Dunstkreis von Chief Superintendent Godley
zu sein, hatte zwar nicht unüberschaubar viele Vorteile, war
aber hin und wieder ganz praktisch.
»Warum überrascht mich das jetzt nicht? Von null auf hundert
in zehn Minuten, das bist ganz du.«
»Deswegen hast du mich doch angerufen, oder nicht?« Ich war
unterdessen im Badezimmer angekommen und überlegte, ob ich
es riskieren konnte, mit dem Hörer am Ohr zu pinkeln. Aber das
würde er sicher mitbekommen. Also besser warten.
»War mir doch klar, dass du dabei sein willst.« Das war natürlich
nur ein Teil der Wahrheit, denn allen Beteiligten kam es ausgesprochen
gelegen, wenn ich dazukam. Ich konnte Robs Grinsen
förmlich hören. Manchmal war er echt ein blasierter Idiot,
aber ich verzieh ihm das, denn schließlich wollte ich tatsächlich
dabei sein. Und ohne seinen Anruf hätte ich alles erst aus den
Nachrichten erfahren.
»Welches Krankenhaus?«
»Kingston.«
»Bin in einer halben Stunde da«, versicherte ich, ohne darüber
nachzudenken. Von Primrose Hill bis Kingston war es ziemlich
weit, und ich gehörte dringend unter die Dusche. Mein Haar
klebte schon am Kopf. Ausgeschlossen, dass ich mit ungewaschenen
Haaren aus dem Haus ging. Nicht schon wieder. »Sagen wir
lieber vierzig Minuten.«
»Wir sind auf der Intensivstation. Handys sind also aus. Ruf
die Anmeldung an, wenn du uns suchst.«
»Alles klar.«
Ich stellte vorsorglich die Dusche an, ehe ich zur Toilette ging.
Aber als ich in das mit Schieferfliesen ausgekleidete Duschbecken
stieg, war das Wasser noch nicht einmal ansatzweise warm
genug. Ich zuckte, als die kleinen Wasserspritzer auf meinen gänsehäutigen
Körper trafen. Der Duschkopf war so groß wie ein
Suppenteller und spuckte Wassermengen aus wie im tropischen
Regenwald, nur waren die einfach zu kalt für mich. Da war das
Design wohl wieder mal wichtiger gewesen als die Funktion.
Aber da es nicht meine Wohnung war, konnte ich mich auch
nicht beklagen. Offiziell wohnten wir zusammen hier, allerdings
fühlte ich mich mehr wie ein Gast. Und als solcher noch nicht
mal unbedingt immer willkommen.
Mit angezogenen Armen und unter dem Kinn zusammengepressten
Händen versuchte ich mich einigermaßen warm zu halten.
Als das Wasser gerade so eben noch lauwarm war, kostete es
mich einige Mühe, meine Finger voneinander zu lösen und nach
dem Shampoo zu greifen. Hastig öffnete ich den Deckel und sah
fluchend zu, wie er über die zum Abfluss hin leicht abschüssigen
Fliesen schlitterte. Ich ließ ihn einfach dort liegen und hatte
die Stimme meiner Mutter im Ohr, die immer sagte: Tiefer kann
es ja nicht mehr fallen... Zwei Minuten später trat ich mit dem
Fuß darauf und erstickte einen Aufschrei in der Armbeuge. Der
Schmerz an der Fußsohle war kaum auszuhalten. Fluchen half
allerdings, wovon ich auch ausgiebig Gebrauch machte.
Ich bearbeitete meine Kopfhaut, bis mir die Unterarme wehtaten
und ließ mir dann das Wasser so lange über die Haare laufen,
wie ich es aushalten konnte. Mit geschlossenen Augen spürte ich,
wie mir der Schaum über das Gesicht lief. Was für ein Gefühl,
endlich wieder sauber zu sein und zu wissen, dass der Fall kurz
vor dem Abschluss stand. Ich wollte für immer so stehen bleiben.
Und schlafen wollte ich - ganz, ganz dringend.
Aber jetzt war nicht daran zu denken. Ich musste los. Wenigstens
war ich einigermaßen wach, als ich schließlich aus der Dusche
kam - zumindest gemessen an den momentanen Umständen.
So leise ich konnte, schlich ich zurück ins Schlafzimmer, doch
als ich ein Kostüm aus dem Schrank nahm, klapperten die Bügel
auf der Kleiderstange. Ich biss mir auf die Lippe, weil sich hinter
mir im Bett etwas regte.
»Was ist denn los?«
Wenn Ian nichts gesagt hätte, hätte ich ihn nicht angesprochen.
An diese Regel hielt ich mich, wenn ich mitten in der Nacht aufstehen
musste, weil die Arbeit rief. Allerdings war ich mir nicht
sicher, ob er überhaupt etwas von dieser Regel wusste.
»Ich bin mit einem Mörder verabredet.«
Dafür schenkte er mir sogar einen anerkennenden Blick.
»Habt ihr ihn also. Gratuliere.«
»Ist nicht unbedingt mein Verdienst, aber danke.«
Er drehte sich auf den Rücken und bedeckte sein Gesicht mit
dem Arm, weil ihn das Licht blendete. Er lag jetzt - typisch für
ihn - in der Mitte des Bettes. Ich unterdrückte den Drang, ihn
zurück auf seine Seite zu schieben, und deckte ihn stattdessen
wieder richtig zu. Siehst du, wie ich mich um dich kümmere?
Merkst du, wie aufmerksam ich bin?
Die Antwort lautete »Mmm«. Er war schon fast wieder eingeschlafen.
Ich entfernte die Plastikhülle aus der Reinigung von
meinem Kostüm, knüllte sie zusammen und presste sie in den
Mülleimer. Der Stoff roch so nach Chemie, dass ich die Nase
rümpfte und mich kaum überwinden konnte, die Sachen anzuziehen.
Der Wetterbericht hatte einen kühlen und regnerischen
Tag vorhergesagt, und ich dachte sehnsüchtig an in Stiefel gestopfte
Jeans, dicke Pullover und lange Strickschals. Meine Güte,
sich erwachsen kleiden zu müssen war wirklich lästig.
Ich saß auf der Bettkante und kämpfte mit der Strumpfhose.
Die Haut an den Beinen war noch feucht, und ich hatte Angst, das
dünne Gewebe zu zerreißen. Von meinen nassen Haaren tropfte es
auf die Schultern, und kaltes Wasser lief mir den Rücken hinunter.
Aber dafür war jetzt keine Zeit. Ich hatte keine Zeit für picobello.
Langsam, unendlich langsam, streifte ich mir die Strumpfhose
über die Oberschenkel und stand auf, um sie komplett anzuziehen.
Das ist sicher nicht der eleganteste Moment beim Anziehen,
weshalb ich alles andere als begeistert war, als ich beim Umdrehen
feststellen musste, dass Ian mich mit steinerner Miene anstarrte.
»Das war's dann also jetzt?«
»Was meinst du damit?« Ich schlüpfte in ein Oberteil, stieg in
meinen Rock, schloss den Reißverschluss und strich ihn über
den Hüften glatt. Das war schon viel besser. Zivilisierter. Ich
merkte, dass der Bund sehr locker saß und der Rock mir eher
auf den Hüften hing als in der Taille. Dadurch endete der Saum
statt über dem Knie ein Stück darunter und sah nicht mehr chic,
sondern ziemlich altbacken aus. Ich musste mehr essen und mir
mehr Ruhe gönnen.
»Ich meine, ist das jetzt endlich vorbei? Bist du dann wieder
öfter zu Hause?«
»Wahrscheinlich. Noch nicht gleich - wir müssen erst noch
den Papierkrieg hinter uns bringen und den Fall für die Staatsanwaltschaft
vorbereiten. Aber danach schon.«
Falls dann nicht schon wieder ein Serienmörder in den Startlöchern
sitzt und nur darauf wartet, an das Treiben des Brandmörders
anzuknüpfen. Falls bis Weihnachten nicht noch irgendwas
schiefging. Falls alle Kriminellen in London den Rest des Jahres frei
machten.
Ich machte mich auf die Suche nach meinen Schuhen, nach
den Pumps mit den halbhohen Absätzen. Die waren zwar nicht
gerade angesagt, aber dafür konnte ich sie von frühmorgens bis
Mitternacht tragen, ohne dass meine Füße sich beschwerten.
Wenn es sein musste, konnte ich sogar damit rennen. Ein Schuh
lag in der Zimmerecke, wo ich ihn ausgezogen hatte. Den anderen
fand ich schließlich unter dem Bett und musste mich der
Länge nach hinlegen, um ihn vorzuholen.
»Ich finde es unmöglich, dass sie nur pfeifen müssen, und
schon kommst du angerannt.« Er klang jetzt sehr wach und
ziemlich sauer. Mein Mut sank.
»Das ist nun mal mein Job.«
»Ach so, ja klar, dein Job. Ich vergaß.«
»Bitte nicht jetzt«, sagte ich, rutschte entschlossen in meine
Schuhe und griff nach dem Handtuch. »Ich muss jetzt los. Es ist
wichtig, und das weißt du ganz genau.«
Er hatte sich halb aufgerichtet und auf den Ellbogen gestützt,
seine blauen Augen funkelten mich unter den buschigen Augenbrauen
feindselig an, und sein braunes Haar war ungewohnt
wirr. »Ich weiß nur, dass ich dich seit Wochen kaum noch sehe
und dass ich heute Camilla anrufen muss, um ihr zu sagen, dass
du doch nicht mit zum Abendessen kommen kannst und es mir
leid tut, wenn dadurch ihre Sitzordnung ruiniert ist. Ständig geht
dein Job vor.«
Ich ließ ihn reden, rubbelte mir die Haare mit dem Handtuch
trocken und bearbeitete sie anschließend mit dem Kamm, damit
sie wenigstens etwas gebändigt waren. Sie zu föhnen, blieb keine
Zeit mehr, sie mussten auf dem Weg zum Krankenhaus trocknen.
Ein paar hellere Strähnen kringelten sich schon ins Gesicht.
»Camilla arbeitet in einer Kunstgalerie und hat den ganzen
Tag nichts anderes zu tun, als Sitzordnungen für ihre netten Dinnerpartys
zu entwerfen. Sie kann daran nur wachsen.«
Er ließ sich wieder auf den Rücken fallen und starrte an die
Decke. »Muss das immer sein?«
»Was denn?« Ich hätte besser nicht nachfragen sollen.
»Dass du meine Freunde schlechtmachst, weil sie keinen so
aufregenden oder superwichtigen Job haben wie du.«
»Jetzt krieg dich wieder ein ...«
»Nicht alle wollen die Welt retten, Maeve.«
»Ja klar, dass sie toll aussieht, ist mindestens genauso wichtig
«, fauchte ich und bedauerte es im selben Moment. Camilla
war nett, ehrlich und derart naiv und ahnungslos, dass in jedem,
der sie kannte - mich eingeschlossen - sofort der Beschützerinstinkt
erwachte. Normalerweise. Mein spitzer Tonfall hatte
teils mit Erschöpfung und teils mit schlechtem Gewissen zu tun.
Ich hatte tatsächlich überlegt, ihre Dinnerparty zu schwänzen.
Nicht dass ich Ians Freunde nicht mochte, aber ich hatte die Fragerei
satt. Und, spannende Fälle in letzter Zeit? Wieso habt ihr
denn den Brandmörder immer noch nicht erwischt? Was war das
Schlimmste, was du je im Dienst erlebt hast? Würdest du dir die
Todesstrafe zurückwünschen? Ich bin geblitzt worden - kannst du
da was machen? Es war so vorhersehbar und nervtötend, und ich
fand es schrecklich peinlich, vor Ians Freunden als Repräsentantin
der Metropolitan Police zu gelten. Ich war doch auch nur ein
Mensch. Und Geschwindigkeitsdelikte waren nun definitiv nicht
mein Ressort.
»Ian ...«
»Ich denke, du hast es eilig?«
Ich schaute auf die Uhr. »Ja. Können wir bitte später darüber
reden?«
»Ich kann's kaum erwarten.«
Eigentlich wollte ich ihn darauf hinweisen, dass ich das Thema
gar nicht aufgeworfen hatte, beugte mich aber stattdessen über
das Bett und hauchte Ian einen Kuss aufs Kinn an die Stelle,
an die ich einigermaßen herankam. Keine Reaktion. Seufzend
ging ich in die Küche, wo ich mir eine Banane griff und dann
mit Tasche und Mantel in der Hand die Treppe hinunterhastete.
Ich schloss die Haustür leise mit eingestecktem Schlüssel, um die
Nachbarn nicht zu wecken - obwohl das wahrscheinlich überflüssig
war, denn wenn sie die Dusche und unseren Beziehungskrach
nicht gehört hatten, würde sie das Klappen der Tür wohl
auch nicht aus dem Schlaf reißen. Falls sie überhaupt zu Hause
waren und nicht zu einem vorweihnachtlichen Shopping-Urlaub
in New York weilten oder es sich auf den Bahamas gut gehen ließen.
An der Tür hielt ich einen Moment deprimiert inne - mir
schwirrte der Kopf.
»Was mache ich hier bloß? Was zum Teufel mache ich hier?«
Ich hatte das eigentlich nicht laut sagen wollen und meinte
damit auch nicht die Arbeit. Mit meinem Job war ich ziemlich
zufrieden. Was man von meiner Beziehung nicht gerade sagen
konnte. Wir waren seit acht Monaten liiert, wohnten seit einem
halben Jahr zusammen, und kurz nachdem ich bei Ian eingezogen
war, hatten die Streitereien angefangen. Ich war einem strahlenden
Lächeln, breiten Schultern und einem Job, der nichts mit Verbrechen
zu tun hatte, erlegen. Von ihm wusste ich, dass er mich als
dynamische, vielbeschäftigte Kriminalbeamtin mit langen Beinen
und ohne Hintergedanken mochte. Ich war nicht auf der Suche
nach einem Ehemann und Vater für etwaige Kinder gewesen -
zumindest noch nicht. In meinen Augen leuchteten keine Dollarzeichen
auf, als ich erfuhr, dass er Banker war. Es war alles ganz
unkompliziert. Wir trafen uns, wenn wir Zeit hatten, vertrödelten
Stunden im Bett bei ihm oder bei mir und aßen, sooft es ging, gemeinsam
zu Abend. Als mein Mietvertrag zur Verlängerung an-
stand, nutzte er die Chance und lud mich ein, in seine designermäßig
durchgestylte und sündhaft teure Wohnung in Primrose
Hill mit einzuziehen. Er ging damit wie üblich aufs Ganze - genau
das hatte ihn auch reich gemacht. Aber diesmal war es keine gute
Idee gewesen, sondern eine ziemliche Katastrophe. Wir kannten
uns ja gerade mal zwei Monate, und das vor allem körperlich. Wir
hatten uns keine Gedanken darüber gemacht, welche Interessen
wir gemeinsam hatten oder was wir an langen Winternachmittagen
anfangen sollten, wenn das Wetter zu ungemütlich war zum
Rausgehen. Also blieben wir entweder im Bett oder stritten uns.
Dazwischen gab es nichts. Ich begann länger zu arbeiten, früher
ins Polizeirevier zu fahren und auch am Wochenende mal dort
vorbeizuschauen, selbst wenn ich keinen Dienst hatte. Mein einziger
Trost war der Überstundenzuschlag.
Die Nachtluft war empfindlich kühl, und ich fror, als ich die
Straße entlangeilte und mein Haar eisig im Nacken spürte. Ich
war froh über den karamellfarbenen langen Mantel aus weicher
Wolle, den mir Ian geschenkt hatte. Er war eigentlich viel zu edel,
um damit auf Verbrecherjagd zu gehen, aber Ian hatte sich nicht
davon abbringen lassen. Dass er geizig war, konnte man ihm
wirklich nicht nachsagen. Im Gegenteil, er war beinahe übertrieben
großzügig. Selbst wenn ich mein Einkommen durch Überstunden
aufbesserte, konnte ich finanziell nicht annähernd mit
ihm mithalten. Wir waren nicht ebenbürtig, da half alle Selbsttäuschung
nicht. So konnte es einfach nicht weitergehen.
Als ich bei meinem Auto ankam, das ich am Abend zuvor
sonst wo abgestellt hatte, weil in der Nähe kein Parkplatz zu finden
war, blieb ich einen Augenblick stehen, atmete tief die kalte
Luft ein und versuchte, auf die Stille zu lauschen. Jedenfalls war
das meine Absicht. Doch irgendwo in der Nachbarschaft ließ jemand
den Motor aufheulen und raste davon - der Verkehrslärm
hatte schon begonnen. Und ich sollte längst unterwegs sein. Genug
der Zen-Meditation also. Ich stieg in den Wagen und fuhr
los.
Meine Absätze klapperten laut auf dem Fliesenboden, sodass
mich Rob schon von Weitem bemerkte. Er saß mit ausgestreckten
Beinen auf einem Stuhl vor der Intensivstation und versperrte
damit fast den ganzen Korridor.
»Moin.«
»Schon so spät?«, fragte er erstaunt und reichte mir einen
Pappbecher mit Plastikdeckel. »Ich dachte, wir hätten noch Donnerstagnacht.«
»Nee, ist schon Freitag. 27. November. Den ganzen Tag übrigens,
falls du es genau wissen willst.«
Er grinste zu mir herauf. Sein Gesicht war mit dunklen Stoppeln
bedeckt, die man schon fast als Bart bezeichnen konnte. Von
seinen walisischen Vorfahren hatte er schwarzes Haar, blaue Augen,
helle Haut und Charme ohne Ende mitbekommen, allerdings
musste er sich zweimal am Tag rasieren, um seinen Bartwuchs zu
bändigen. Obwohl Rob auch sonst nie geschniegelt und gebügelt
aussah, wirkte er heute besonders leger und trug noch das Hemd
vom Vortag, wie ich feststellte.
»Gar nicht zu Hause gewesen?«
»Nö.«
»Hockst hier schon seit Stunden, was?«
»Jo.«
»Und wie?«
»Das«, erwiderte er und drohte mir dabei scherzhaft mit dem
Zeigefinger, »muss leider geheim bleiben.«
Ich ließ mich auf den Stuhl neben ihm fallen, nahm den
Deckel vom Kaffeebecher ab und atmete den metallenen Geruch
von Automatenkaffee. »Wie viele davon hast du denn schon intus?«
Statt zu antworten, streckte er seine Hand aus und zeigte mir
wie er zitterte.
»Du liebe Güte. Koffein ist erst mal tabu für dich.«
»Ja, Mami ...«
Ich nippte an meinem Becher und grinste über den Rand, als
Rob sich mit dem Kopf nach hinten an die Wand lehnte und
herzhaft gähnte.
»Du warst ja ziemlich fix. Ich hätte gedacht, dass du mindestens
eine Stunde vom Aufstehen bis hierher brauchst.«
Eigentlich wäre wirklich mehr Zeit nötig gewesen, aber ich
hatte die Tempolimits unterwegs großzügig interpretiert und
vorm Krankenhaus eher unkonventionell eingeparkt.
»Du kennst mich doch. Immer auf dem Sprung.«
»Ja, klar. Was macht Ian?«
Ich zögerte mit der Antwort, da ich meine Kollegen eigentlich
nicht mit meinem Beziehungsstress behelligen wollte. Aber ich
konnte unmöglich so tun, als wäre nichts. Rob hatte Ian ein paar
Mal gesehen und sich sein eigenes Bild von ihm gemacht.
»Er war natürlich begeistert über die nächtliche Störung.«
»Tut mir leid. Aber bestimmt hatte er Verständnis, war ja
schließlich nicht ganz unwichtig.«
Ich hob vielsagend eine Augenbraue und nahm noch einen
Schluck Kaffee.
Rob seufzte. »Genau das, was man braucht, oder?«
»Worüber wir eigentlich reden sollten«, lenkte ich hastig ab,
»ist, wie es um den Fall steht. Wo ist denn der Chef?«
Er deutete mit dem Kopf in Richtung der Doppeltür hinter
ihm.
»Irgendwo da drin. Geht den Ärzten ein bisschen auf die Nerven.«
»Lassen sie uns immer noch nicht mit dem Opfer reden?«
»Na ja, so sehr Opfer ist sie nun auch wieder nicht. Der arme
alte Vic macht mir da erheblich mehr Sorgen. Er kommt gerade
wieder zu sich. Drei Stunden OP, offenbar stand es ziemlich auf
der Kippe.«
»Mir blutet das Herz.«
»Na ja, ein bisschen was von deinem Spenderblut könnte er
sicher gut gebrauchen. Wäre unterwegs fast gestorben. Hat ihn
ganz schön zugerichtet, die Kleine.«
»Weshalb sie noch am Leben ist und uns von dem Vorfall berichten
kann«, wandte ich ein.
Rob grinste mich an. »Du bist ja schon voll in der richtigen
Stimmung, Maeve. Fängst du gerade an, dich mit ihr zu identifizieren?
Bis zehn seid ihr wahrscheinlich die besten Freundinnen,
hm?«
»Ja und?« Mein Kaffee war inzwischen so weit abgekühlt, dass
ich ihn einigermaßen trinken konnte. Das Koffein begann zu
wirken. Ich wollte fit sein, wenn sie uns endlich zu dem Mädchen
ließen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, die Antworten
von ihr zu bekommen, die wir brauchten, und sie dann meinem
Chef Charles Godley zu präsentieren - wie eine Katze ihrem Besitzer
als Beweis ihrer Zuneigung einen toten Vogel vor die Füße
legt. Die Überstunden und der bedingungslose Einsatz, den er
von seinem Team forderte, machten mir überhaupt nichts aus.
Mir war völlig bewusst, welches Glück ich hatte, mit zum engeren
Kreis zu gehören. An der Soko mit dem Namen Mandrake
waren 60 Beamte beteiligt, von denen die wenigsten je direkt mit
Godley zu tun hatten. Er hatte ein klares System: Anweisungen
wurden über die Hierarchiestufen von oben nach unten kommuniziert,
indem die Mitarbeiter seines Vertrauens sie an ihre
Kollegen weitergaben. Diese wiederum erhielten Aufgaben und
das entsprechende Personal, um ihren Auftrag eigenverantwortlich
auszuführen. Er erwartete, dass die Betreffenden sich erst
zurückmeldeten, wenn die jeweilige Aufgabe abgearbeitet war.
Godley leitete die Ermittlungen in diesem Fall, der zum Medienereignis
des Jahres, wenn nicht des Jahrzehnts, geworden war.
Dabei war er viel zu sehr mit den Journalisten beschäftigt, als
dass er sich um jedes Detail des Falles selbst kümmern konnte.
Ausgerechnet mich hatte er in seinen Stab geholt, und obwohl ich
immer noch nicht so genau wusste warum, wollte ich ihn keinesfalls
enttäuschen.
»Ach, nichts weiter.« Rob hatte offensichtlich keine Lust mehr,
mich aufzuziehen. Er holte sein Handy hervor und begann gäh-
nend seine Nachrichten durchzusehen. Ich ließ ihn dabei in Ruhe
und war froh über die kurze Pause. Das lange Warten auf einen
Durchbruch in diesem Fall war lähmend und nervenaufreibend
zugleich gewesen. Nun, da er unmittelbar bevorstand, war noch
ein bisschen Geduld kein Problem.
Aber nervös war ich trotzdem.
Lange musste ich auch nicht warten, denn schon nach wenigen
Minuten öffnete sich eine Seite der großen zweiflügeligen Tür,
die zur Intensivstation führte. Rob und ich drehten uns um und
sahen eine Krankenschwester, die sich aus der Tür lehnte. Sie war
sehr jung, hatte blonde Strähnchen im Haar und Solariumbräune
auf der Haut. Ich bewunderte ihren glamourösen Auftritt zu so
früher Stunde. Nach einem kurzen, abschätzigen Blick auf mein
nasses Haar und mein ungeschminktes Gesicht lächelte sie Rob
süßlich an. Na, die hast du ja schon ordentlich angeflirtet ...
»Ihr Chef möchte Sie sprechen.«
Gleichzeitig standen wir auf. Rob war ein Stück größer als der
Durchschnitt, aber mit meinen Absätzen war ich ihm durchaus
ebenbürtig. Auge in Auge schauten wir uns an, und Rob runzelte
die Stirn.
»Er wollte mich sehen, nicht dich.«
»Er weiß ja nicht, dass ich hier bin«, säuselte ich. »Wenn er es
wüsste, würde er mich sprechen wollen.«
»Ich sage ihm, dass du draußen wartest.«
»Das sag ich ihm lieber selbst.«
Da war es wieder. Sosehr ich Rob auch mochte und so gut wir
sonst miteinander auskamen, wenn wir um die Aufmerksamkeit
des Chefs buhlten, benahmen wir uns ungefähr so erwachsen
und vernünftig wie Kleinkinder beim Streit um ihr Lieblingsspielzeug.
»Mach, wie du denkst.« Er warf sich seine Jacke über die Schulter
und ging an mir vorbei, wobei er die Schwingtüren heftig aufstieß.
Kein Gedanke daran, dass er sich noch einmal umdrehte
oder mir gar die Tür aufhielt. Nicht dass ich als Frau eine Son-
derbehandlung erwartete, aber ganz so unhöflich musste es nun
wirklich nicht sein. Ich ließ meinen Kaffeebecher auf dem Stuhl
stehen und heftete mich an seine Fersen. Es war keine Einbildung,
dass er seinen Schritt beschleunigte, um auf jeden Fall als
Erster anzukommen. Wenn ich gewusst hätte, wo wir hin müssen,
wäre ich vielleicht versucht gewesen, ihn einzuholen, aber
so begnügte ich mich damit, mir immer einen Schritt hinter ihm
den Weg durch die Intensivstation zu bahnen.
Es überraschte mich nicht, dass Chief Superintendent Godley
ein gesamtes Wartezimmer für seine Zwecke okkupiert hatte. Auf
dem Tisch lagen Akten, und ein Laptop surrte leise vor sich hin.
Vor dem Bildschirm hockte ein dürrer, brünetter Typ mit Brille
und verkniffener Miene - Detective Inspector Thomas Judd.
Auch das war wenig verwunderlich, denn egal wohin Charlie
Godley auch ging, Tom Judd war in seiner Nähe. Obwohl ich ihn
nicht sonderlich mochte, musste ich zugeben, dass er die organisatorische
Seite der Ermittlungen bislang hervorragend im Griff
hatte. Godley saß zurückgelehnt auf einem niedrigen Stuhl, die
Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Hemdsärmel hochgekrempelt.
Er wirkte müde, aber trotzdem hochkonzentriert.
Er war früh ergraut und hatte schon beinahe weißes Haar, sah
aber trotzdem nicht alt aus - ganz im Gegenteil. Die Kombination
aus silberglänzendem Haar und blauen Augen war ein echter
Hingucker, zumal Godley groß und breitschultrig war. Obendrein
war er so fotogen, dass die Medien ihm regelrecht zu Füßen
lagen. Aber er sah blass aus, seine Augen waren rot gerändert
und müde. Ich musste eine Woge des Mitgefühls unterdrücken,
denn der Chef mochte es überhaupt nicht, wenn man ihm um
den Bart ging. Er hatte keinerlei Ambitionen, einer Schar ergebener
Anhänger vorzustehen.
Rob klopfte gegen den Türrahmen. »Sie wollten mich sprechen,
Chef?«
Godley schaute auf, ohne uns direkt anzusehen. »Ja, in Ordnung.
Und Maeve, Sie sind auch da, ausgezeichnet.«
»Rob hat mich angerufen«, sagte ich hinter seiner Schulter
hervor, weil ich wusste, dass es ihn freuen würde, die Pluspunkte
dafür einzuheimsen. Das konnte vielleicht sogar der Tatsache
den Stachel nehmen, dass Godley mich angelächelt hatte. Aber
Rob hatte solcherlei Schützenhilfe eigentlich gar nicht nötig. Er
war dabei, sich recht professionell und eigenständig einen guten
Ruf zu erarbeiten.
Godley war inzwischen wieder hellwach. »Haben Sie ihr die
Lage erläutert?«
Rob nickte.
»Also sind Sie schon im Bilde, dass wir einen Verdächtigen haben
und eine Zeugin.«
Es gab nicht den Hauch einer Chance, dass ich mit dem mutmaßlichen
Täter auch nur entfernt in Kontakt kam. Ich hatte gelernt,
nicht auf Sachen zu spekulieren, die von vornherein aussichtslos
waren. Um den Verdächtigen würde sich die Chefetage
selbst kümmern, sobald er ansprechbar war. Aber die Zeugin
wollte ich mir unbedingt selbst vornehmen. Betont beiläufig
schlug ich vor: »Mit ihr würde ich mich gern unterhalten. Mit
dem Mädchen, meine ich. Ist vielleicht einfacher für mich, ihr
Vertrauen zu gewinnen.«
»Wir warten noch, bis sie bereit ist auszusagen und ein bisschen
ausnüchtert. Ich bin ganz sicher, dass Sie prächtig mit ihr
auskommen werden.« Judd saß noch immer vor dem Bildschirm
und tippte eifrig. Nie ließ er sich eine Gelegenheit entgehen, jemandem
einen Seitenhieb zu verpassen. Vor allem mir. In null
Komma nichts wich die leichte Nervosität, die ich in Gegenwart
des Chefs immer verspürte, einer Stinkwut auf den Inspektor.
Obwohl ich nicht das rote Haar meines Vaters geerbt hatte, besaß
ich zweifellos das Temperament, das gemeinhin damit assoziiert
wurde.
»Darf ich fragen, was Sie damit sagen wollen?«
»Genau das, was ich gesagt habe.« Sein Tonfall war höflich,
aber hinter seiner Brille funkelte die Abneigung. Er wusste ge-
nauso gut wie ich - und alle anderen in diesem Raum -, dass er
mich soeben mehr oder weniger als Trinkerin diffamiert hatte.
Da war es wieder, dieses dämliche Klischee: Ich war Irin, also
hatte ich ein Alkoholproblem. »Ich nehm ein großes Guinness -
ach nein, am besten gleich zwei und dazu noch 'nen doppelten
Whiskey.« Dass meine Eltern beide Abstinenzler waren, ich
bis zum Alter von 20 keinen Tropfen Alkohol angerührt habe
und heute allenfalls Rotwein trank, spielte überhaupt keine
Rolle.
»Sie machen das schon«, ermunterte mich Godley und ging gar
nicht auf die Spannung ein, die plötzlich in dem engen, stickigen
Raum herrschte. »Rob kann ruhig mitkommen, wenn Sie mit ihr
reden. Ich will wissen, was genau passiert ist, bevor sie auf ihn eingestochen
hat. Mich interessiert, wo er sie aufgegabelt hat und wie
sie in seinen Wagen gekommen ist. Was sie in Panik versetzt hat.
Ich gehe davon aus, dass er etwas gesagt oder getan hat, woraus sie
schloss, im Auto unseres Mörders zu sitzen. Aber ich weiß eben
nicht, was das war, und ich möchte erst mit ihm sprechen, wenn
ich ihre Sicht der Dinge gehört habe.«
»Alles klar.« Das klang nicht sonderlich kompliziert und sollte
kein Problem sein.
Hoffentlich.
»Sie ist eine wichtige Zeugin«, erklärte Godley. »Ich möchte
auf keinen Fall, dass ihr jemand zu nahe tritt. Behandelt sie mit
Respekt.«
Ich war mir ziemlich sicher, dass diese letzte Bemerkung nicht
an meine Adresse ging. So etwas musste man mir nicht extra sagen,
und das wusste Godley hoffentlich auch. Bei Judd sah das
schon anders aus.
»Wann kann ich zu ihr?«
»Jetzt sofort. Sie will unbedingt nach Hause. Sie hat eingewilligt,
eine Aussage zu machen, aber eigentlich ist sie schon fast
weg. Also verlieren Sie am besten keine Zeit.«
Ich wandte mich zum Gehen, blieb jedoch stehen, als Rob
noch etwas sagte. »Gibt es etwas Neues über den Wagen? Wurde
da etwas gefunden?«
Judd antwortete mit zusammengepressten Lippen: »Bislang
nicht.«
»Was?« Ich war irritiert.
»Das Auto ist sauber. Kein Indiz in unserem Sinne. Weder ein
Messer noch sonstige Waffen. Kein Brandbeschleuniger.«
»Könnte er das Zeug entsorgt haben? Alle Beweismittel vernichtet,
wie damals dieser Sutcliffe, als ihm klar war, dass er verhaftet
wird? Zeit genug hatte er ja, ehe man ihn gefunden hat.«
Es war nicht das erste Mal, dass der als Yorkshire Ripper bekannte
Serienmörder mit unserem Täter in Verbindung gebracht wurde,
aber dass Rob ihn jetzt erwähnte, verwunderte mich doch. Wenn
es eines gab, das Godley ganz besonders nervte, dann waren es
die gern gezogenen Parallelen zwischen seinen Ermittlungen
und der schwerfälligen, chaotischen und letztendlich ergebnislosen
Jagd nach Peter Sutcliffe, der der Polizei am Ende mehr
oder weniger zufällig ins Netz ging. Und jetzt gab es schon wieder
eine Parallele, denn dass Vic Blackstaff gefasst wurde, war
ganz und gar nicht das Verdienst der Polizei, was die Medien bestimmt
gehörig ausschlachten würden. Godley blähte die Nasenflügel,
überließ aber Judd die Antwort.
»Wir haben die Einfahrt und Umgebung abgesucht. Aber die
Ärzte glauben nicht, dass er in der Lage war herumzulaufen. Als
der Rettungsdienst eintraf, war er bewusstlos.«
»Also ...«, sagte ich langsam.
»Also müssen Sie herausfinden, was sich wirklich abgespielt
hat«, beendete Judd den Satz für mich. »Denn im Moment haben
wir keinen blassen Schimmer.«
Die fesche Krankenschwester zeigte uns - oder besser gesagt
dem unablässig mit ihr flirtenden Rob - das Zimmer, in dem
Kelly Staples wartete. Ich folgte ihnen, während mir der Kopf
schwirrte. Das war ein wichtiger Moment für mich. Ich musste
die richtigen Fragen stellen und die richtigen Antworten bekommen.
Ich durfte sie nicht vor den Kopf stoßen und wollte ihr Vertrauen
gewinnen. Außerdem musste ich mich hüten, voreilige
Prognosen über ihre Aussagen abzugeben, ihr stattdessen aufmerksam
zuhören und vor allem auch auf das achten, was sie
nicht sagte.
Sollte kein Problem sein.
Nachdem die Schwester uns bis an die Tür des Krankenzimmers
gebracht hatte und powackelnd entschwunden war, nahm
ich Rob noch einmal kurz beiseite. »Du machst dir nur Notizen
und mischst dich nicht ein, okay? Ich will das Gespräch leiten.«
»Sie gehört dir ganz allein, meine Liebe. Wie Judd schon sagte,
habt ihr bestimmt einiges gemeinsam.«
»So hat er das nicht gesagt.« Unwillkürlich verfiel ich in meine
Verteidigungshaltung. Nicht du auch noch, Rob ...
»Was hat er eigentlich gegen dich?«
»Er ist ein chauvinistisches Macho-Arschloch - hast du das
noch nicht gemerkt? Ständig lässt er spitze Bemerkungen über
mich fallen.«
»Ich finde ihn eigentlich ganz nett.«
Ich boxte ihn und schüttelte dann ausgiebig den Kopf, als
könnte ich damit für Klarheit in meinem Hirn sorgen und die
schwirrenden Gedanken sortieren. »Hast du dein Notizbuch?«
»Immer dabei«, antwortete er und hielt es hoch. »Und einen
Stift. Und einen Ersatzstift, falls der andere streikt.«
»Braver Junge.« Jetzt mussten wir aber hinein. Ich setzte eine,
wie ich hoffte, gelassen und harmlos wirkende Miene auf und
öffnete die Tür.
Als Erstes fiel mir an Kelly Staples auf, dass sie verweint aussah,
und als Zweites, wie jung sie wirkte. Sie saß neben dem Bett und
trug ein gemustertes Krankenhaushemd. Ihre Füße waren nackt,
blass und dicklich und zeigten rote Striemen an den Stellen, wo
ihre Stiefel an Zehen und Fersen gescheuert hatten. Sie wirkte erschöpft,
ihr blondes Haar hing schlaff und strähnig herunter, und
ihre Augen waren vor Müdigkeit ganz rot und geschwollen. Sie
war übergewichtig und fühlte sich in ihrem dünnen Nachthemd
sichtlich unwohl; immer wieder zog sie am Saum, damit es wenigstens
über die Knie reichte. Ihre Lippen waren entzündet, als
hätte sie fortwährend darauf herumgekaut.
Ich setzte mich auf die Bettkante, versuchte so wenig bedrohlich
wie möglich zu wirken und lächelte sie an.
»Kelly? Ich bin Detective Constable Kerrigan. Sie können
Maeve zu mir sagen. Und das ist mein Kollege DC Langton. Er
wird sich ein paar Notizen machen.«
Rob hatte diskret in einer Zimmerecke auf einem Holzstuhl
Platz genommen. Ausdruckslos schaute sie zu ihm hinüber und
dann wieder zu mir. »Wissen Sie, wann meine Mutti kommt?«
»Nein, tut mir leid. Aber sie ist bestimmt schon unterwegs.«
»Sie bringt mir nämlich Sachen mit. Ich hab gar nichts zum
Anziehen. Sie haben alles mitgenommen.«
»Ihre Sachen müssen kriminaltechnisch ausgewertet werden«,
erklärte ich. Abgesehen davon waren sie durch Vic Blackstaffs
Blut vermutlich ohnehin unbrauchbar.
»Ich will nach Hause.«
»Gleich.« Ich sprach mit sanfter Stimme, wie mit einem Kind.
Ach ja, apropos: »Wie alt sind Sie denn, Kelly?«
»Zwanzig.«
Gut, also mussten wir nicht auf einen Erziehungsberechtigten
warten. »Sind Sie noch in der Ausbildung? Oder arbeiten
Sie?«
»Ich mache eine Ausbildung an der Gastronomiefachschule.«
Ihr Gesicht hellte sich auf. »Im letzten Jahr.«
»Wollen Sie nach dem Abschluss Köchin werden?«
Sie zuckte die Schultern und sah mich ratlos an. »Keine Ahnung.«
Jetzt war es aber genug mit dem freundlichen Geplänkel. Wir
mussten endlich zur Sache kommen.
Die englische Originalausgabe erschien 2010
unter dem Titel The Burning bei Ebury Press.
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Genehmigte Lizenzausgabe für Verlagsgruppe Weltbild GmbH,
Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 2010 by Jane Casey
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2011 by
Blanvalet Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Übersetzung: Franka Reinhardt
Umschlaggestaltung: Jarzina kommunikations-design,
Holzkirchen
Umschlagmotiv: © Thomas Jarzina;
Hintergrund: www.istockphoto.com
Gesamtherstellung: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in the EU
ISBN 978-3-86800-907-1
2014 2013 2012 2011
Die letzte Jahreszahl gibt die aktuelle Lizenzausgabe an.
Sie hätte sich doch lieber zusammen mit den anderen auf den
Heimweg machen sollen.
Kelly Staples betrachtete sich in dem gesprungenen, fleckigen
Spiegel und versuchte sich den Anblick zu erklären. Sollte das
wirklich ihr Gesicht sein? Die Wimperntusche war unter den Augen
verschmiert und hatte schwarze Schatten und Flecken hinterlassen,
die sich nicht abrubbeln ließen, so sehr sie sich auch
mühte. Die Überreste ihres Make-ups waren an Nase und Stirn
verkrustet, und die Haut sah ausgetrocknet aus. Ihr Gesicht war
gerötet, und am Kinn entdeckte sie einen Pickel, der vor dem
Ausgehen ganz sicher nicht dort gewesen war. Ihre Lippen waren
schlaff und feucht, und mit ihrem Oberteil stimmte auch etwas
nicht ... Mit großer Anstrengung beugte Kelly den Kopf nach unten
und inspizierte das Malheur. Wein, dachte sie benebelt. Sie
hatte sich Rotwein über die Sachen gekippt. Verschwommen erinnerte
sie sich, wie sie mit hysterischem Lachen und spitzen Fingern
den triefenden Stoff festgehalten und einem Unbekannten
offeriert hatte, den Wein herauszusaugen, damit er nicht verschwendet
wurde. Daraufhin hatte Faye sie von ihm weggezerrt
und ihr ärgerlich ins Ohr gezischt, sich gefälligst zu benehmen.
Aber Kelly hatte sie daran erinnert - oder es zumindest versucht
-, dass dieser Abend ja gerade den Zweck hatte, sich einmal
nicht zu benehmen. Sie war mit ihren Freundinnen in Richmond
auf Kneipentour gegangen - eine aufgebrezelte, ziemlich
beschwipste Truppe in alberner Stimmung. Das Semester war
fast um, und alle hatten eine kleine Auszeit nötig. Vor allem sie
selbst, da sie sich erst vor drei Wochen von P. J. getrennt hatte.
Oder besser gesagt, er sich von ihr. Zwei Jahre waren sie zusammen
gewesen, und er hatte sie einfach fallen lassen, um Vanessa
Cobbet hinterherzurennen, dieser fetten Schlampe. Eine Träne
lief Kelly über das Gesicht und glitt über die Reste ihres Makeups.
Sie hatten zu Hause mit Wein angefangen, um ein bisschen
vorzuglühen, wobei sich Kelly schon einige Gläser genehmigt
hatte. Sie war so fertig mit den Nerven, dass sie das einfach
brauchte. Außerdem kam der Abend damit gut in Schwung.
Der Raum hinter ihr schwankte und drehte sich. Kelly schloss
die Augen, lehnte sich schwerfällig ans Waschbecken und wartete,
dass das Schwindelgefühl nachließ. Sie hatte sich schon
übergeben und gehofft, dass es ihr danach besser gehen würde.
Hinter ihr knallte eine Klotür. Eine nicht mehr ganz junge, knochige
Frau schob sich an ihr vorbei und warf ihr einen Seitenblick
zu, der sagte: Du bist doch noch viel zu jung für einen solchen
Zustand. Kelly traute es sich nicht laut zu sagen, dachte aber: Und
du bist ja wohl viel zu alt für diesen Laden.
Im Waschraum war es eng. Die zwei Toiletten und zwei Waschbecken
hatte man in die hinterste Ecke der Kneipe gequetscht. Es
roch beißend nach Raumspray und süßsäuerlich nach erbrochenem
Wein - was Kellys Anteil war. An der Einrichtung konnte
man sehen, dass der letzte Umbau in den Achtzigern oder noch
davor stattgefunden hatte: rosafarbene Keramik und Vorhänge
mit rosa-braunem Blumenmuster, die schlaff vor dem Milchglasfenster
hingen. Der Rest des Lokals war auch nicht viel ansprechender,
obwohl man bei der spärlichen Beleuchtung nicht viel
davon sah. Das Jolly Boatman hatte eindeutig schon bessere Zeiten
erlebt - so wie die meisten Gäste. Trotzdem war es ziemlich
voll, und es wurde viel getrunken. Sämtliche Kneipen am Fluss
waren bestens besucht; schließlich war es Donnerstagabend, der
inoffizielle Start ins Wochenende. Alle waren in Feierlaune, einschließlich
Kelly. Aber irgendwann war alles aus dem Ruder gelaufen.
Die anderen waren schon gegangen, und sie erinnerte
sich verschwommen, wie sie zu ihr gesagt hatten, sie solle mit
dem Taxi heimfahren. Sie hatte mit jemandem getanzt, einem
Typen, den sie nicht kannte, und Faye hatte versucht, sie zum
Mitkommen zu überreden, aber sie wollte nicht. Sie hatte keine
Lust dazu. Jetzt war sie mal dran, Spaß zu haben. Die anderen
hatten sie gelassen und waren gegangen. Kelly konnte nicht mehr
nachvollziehen, warum sie das zugelassen hatte.
»Ich bin besoffen«, sagte sie laut und versuchte ihrem verschwommenen
Spiegelbild in die Augen zu schauen. »Ich muss
nach Hause.«
Der Inhalt ihrer Handtasche lag im Waschbecken verstreut. Es
kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis sie alles wieder eingesammelt
hatte. Ihre Hände waren so ungeschickt, und da lagen so viele
Dinge - ein Stift, Schminkzeug, ihr Schlüssel, ein Busfahrschein,
Kleingeld -, drei Zigaretten waren aus der Schachtel gerutscht
und hatten nun nasse Stellen. Von einer Tube Lipgloss hatte sich
der Deckel gelöst, und während Kelly ihn mühsam aufzuheben
versuchte, verschmierte sie die klebrige rote Masse auf der rosafarbenen
Keramik. Für einen Moment sah es aus wie Blut.
Der Lärm und die Hitze trafen sie wie ein Schlag, als sie die
Tür öffnete. Sie wankte ein wenig und versuchte sich zu orientieren,
in welche Richtung sie gehen musste. Die Tür zur Außenwelt
war irgendwo links, erinnerte sie sich vage und begann sich
durch die Menge zu schieben. Sie gab sich alle Mühe, gerade zu
gehen und nüchtern zu wirken, indem sie die Schultern straffte
und den Kopf aufrecht hielt, doch außer sich selbst konnte sie damit
niemandem etwas vormachen.
Rings um die Tür war das Gedränge noch dichter, da immer
wieder Raucher hinaus auf die zum Fluss hin gelegene Terrasse
gingen oder von dort wieder hereinkamen.
»Entschuldigung«, murmelte Kelly und versuchte vergeblich,
sich an einem stämmigen Mann vorbeizudrängen, der trotz ihrer
Bemühungen keine Anstalten machte, ihr aus dem Weg zu
gehen.
»Brauchst du ein Privattaxi, Süße? Da könnte ich vielleicht helfen
«, sagte eine Stimme dicht an ihrem Ohr, während sich ein
Arm um ihre Taille schlang. »Höchste Zeit heimzufahren, junge
Dame.«
Willenlos ließ sie sich von ihm zügig und gekonnt durch die
Menge manövrieren, bis sie schließlich an die frische Luft gelangten.
Die Nacht war klar, kalt und ruhig und schon spürbar frostig.
Als sie sich umdrehte und ihrem Helfer danken wollte, stand
sie einem Fremden gegenüber, der so alt war wie ihr Vater oder
noch älter. Kelly versuchte dem Mann ins Gesicht zu sehen,
das vor ihren Augen auf und ab schwankte. Sie erkannte eine
randlose Brille, unnatürlich dunkel wirkendes Haar und einen
Schnauzbart über einem Mund, der zu ihr sagte: Wo wohnst du
denn mein Auto steht gleich um die Ecke komm doch mit und ich
bring dich nach Hause kein Problem ist gar nicht weit hab sowieso
nichts Besseres zu tun gib mir mal deine Tasche prima na siehst du
ist das dein Schlüssel ich pass auf dich auf keine Sorge. Du solltest
nicht allein unterwegs sein im Moment ist das ja wirklich nicht ratsam.
Kelly folgte dem Mann gehorsam. Eigentlich hätte sie sich lieber
ihre Tasche wiedergeholt und sich allein auf den Heimweg
gemacht, aber irgendwie erschien es ihr einfacher, sich ihm anzuschließen.
Zum einen taten ihr die Füße höllisch weh; die Plateaustiefel,
die zu Hause noch so toll ausgesehen hatten, rieben
jetzt entsetzlich an Zehen und Fersen, und der rechte drückte
schmerzhaft an der Wade. Für einen langen Fußmarsch waren
die Absätze definitiv zu hoch. Und natürlich hatte er recht, wenn
er sagte, dass es viel zu unsicher war, nachts allein unterwegs zu
sein.
Eigentlich war er doch ganz nett, dachte Kelly benommen. Er
war höflich, aufmerksam und hatte gute Manieren. So wie ältere
Herren eben sind, ganz Gentleman. P. J. hatte ihr nie die Hand
gereicht. Er hatte ihr auch nie die Autotür aufgehalten und gewartet,
bis sie diese nach dem Hinsetzen wieder zugemacht hatte
(zugegebenermaßen ein bisschen schwerfällig, aber andererseits
wusste er sich auch wieder perfekt zu benehmen, indem er statt
auf ihren hochgerutschten Rock stur geradeaus schaute).
Normalerweise stieg sie in Taxis immer hinten ein, aber da der
Mann die Beifahrertür öffnete, wollte sie ihn nicht vor den Kopf
stoßen.
Er stieg ein, ließ den Motor an und half ihr vor dem Losfahren
mit dem Sicherheitsgurt. Er ließ den Motor unnötig laut aufheulen,
sodass das Geräusch zwischen den Häuserfronten widerhallte.
»Ist es okay, wenn ich rauche?«, fragte Kelly forsch und war
überrascht, als er nickte. Im Auto roch es nach Pfefferminze und
Tannen-Duftbäumchen. Zwei intensive Gerüche, die den leichten
Benzindunst im Auto gerade so eben überdeckten. Vermutlich
hatte er sich beim letzten Tanken etwas über die Schuhe geschüttet.
Wie ein Raucher wirkte er nicht. Aber da er es gestattete,
hatte er offenbar nicht allzu viel dagegen.
Die einzige trockene Zigarette in ihrer Schachtel war die letzte,
die Glückszigarette, die Kelly beim Öffnen der Packung immer
anders herum drehte, sodass sie wie ein kleiner weißer Soldat
zwischen den hellbraunen Filtern der anderen hervorstach. Sie
nahm sie heraus, schob sie sich zwischen die Lippen und umschloss
aus Gewohnheit das Feuerzeug mit ihren Händen, obwohl
kein Lüftchen wehte. Sie hatte die Flamme zu groß eingestellt
und versengte sich beinahe den Pony daran.
»Scheiße.« Sie blinzelte ein paar Mal erschrocken und warf
dann dem Fremden einen schuldbewussten Blick zu. »Sorry, ich
sollte nicht fluchen.«
Er zuckte die Schultern. »Stört mich nicht. Wie heißt du eigentlich?«
»Kelly.« Sie klappte die Sonnenblende herunter, begutachtete
sich im Spiegel und zupfte ihren Pony zurecht. »Und wie heißen
Sie?«
Er zögert kurz und sagte dann: »Dan.«
»Woher kommen Sie denn? Aus Birmingham?« Sein Dialekt
klang nach Mittelengland, dachte sie. Doch er schüttelte den
Kopf.
»Hier aus der Gegend.«
»Ach so?«
Er nickte und blickte starr auf die Straße. Kelly sah ebenfalls
aus dem Fenster und betrachtete die Geschäfte, an denen sie vorbeikamen.
Sie runzelte die Stirn.
»Hier sind wir aber nicht richtig.«
Er antwortete nicht.
»Wir sind falsch hier«, wiederholte sie. Es war ihr unangenehm,
sich zu beklagen, wo er doch so hilfsbereit war. »Sie haben
sich verfahren. Sie hätten vorhin links fahren müssen, nicht
geradeaus.«
»Der Weg hier ist besser.«
»Ist er nicht«, entgegnete Kelly verärgert. »Ich werde doch
wohl wissen, wie man am besten zu mir nach Hause kommt.«
Statt einer Antwort wechselte er den Gang und beschleunigte.
»He«, rief sie erschrocken und stützte sich am Armaturenbrett
ab, das sich ziemlich verdreckt anfühlte. »Können Sie nicht langsamer
fahren?«
Der Wagen polterte die Straße entlang, ein ganzes Stück zu
schnell für ihren Geschmack. Er wirkte nervös, dachte sie und
versuchte ihn blinzelnd zu fixieren. Seine Lippen waren aufgesprungen,
und er fuhr immer wieder mit der Zunge darüber.
Kellys Lippen fühlten sich daraufhin ebenfalls trocken an, sodass
sie aufpassen musste, nicht dasselbe zu tun. Urplötzlich fing
sie an zu frieren, der Alkoholnebel lichtete sich, und nüchterne
Angst trat an seine Stelle. Worauf hatte sie sich da bloß eingelassen?
Ihre Mutter hatte ihr doch immer wieder eingeschärft,
keinem Fremden zu vertrauen. Und nun fuhr sie in dieser finsteren
Donnerstagnacht mit einem Mann, den sie nie zuvor gesehen
hatte, in seinem Auto wer weiß wohin. Bei ihrem Dad hatte
sie in der Zeitung eine Überschrift gelesen, dass gerade ein Frauenmörder
sein Unwesen trieb. Vier junge Frauen waren schon
ermordet und verbrannt worden. Junge Frauen wie sie. Die Polizei
hatte keine Ahnung, wer der Mörder war oder wie sie ihn
fassen konnte. Er lief frei herum und machte Jagd auf schutzlose
Frauen, die allein unterwegs waren. Selbst Kelly, die sich sonst
nie um die Nachrichten kümmerte, hatte von ihm gehört. Obwohl
es gar nicht allzu spät war und immer noch Leute auf der
Straße zu sehen waren, fühlte sich Kelly so einsam wie nie zuvor.
»Hören Sie, lassen Sie mich einfach hier aussteigen. Ich möchte
lieber zu Fuß gehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Nun bleib mal locker.«
An einer Ampel kam der Wagen surrend zum Stehen. Kelly
tastete nach dem Türgriff.
»Der ist kaputt«, sagte er, ohne sie anzuschauen. »Die Tür geht
nur von außen auf. Und jetzt mach mal halblang, ja?«
»Ich will aber aussteigen!« Ihre Stimme klang jetzt gereizt, nahezu
hysterisch, und der Fahrer verzog das Gesicht.
»Jetzt krieg dich bloß ein. Ich halte ja gleich an und lasse dich
raus, wenn du unbedingt willst.« Er bog in eine enge Anwohnerstraße
ein, die vollkommen zugeparkt war. »Hier ist keine Lücke
frei. Mal sehen, ob es weiter unten besser aussieht.«
»Weiter unten« war eine schmale Einfahrt zwischen Gartengrundstücken,
eine kaum einsehbare Sackgasse, wie Kelly mit panischem
Schrecken erkannte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals,
als das Auto schließlich zum Stehen kam.
»Was ist los? Wieso halten Sie an?«
»Ich dachte, du wolltest aussteigen? Ich kann dich hier rauslassen.
« Er stellte den Motor ab und schaltete das Licht aus. Jetzt war
es ringsherum stockdunkel. Kelly konnte nur ihn nur noch schemenhaft
neben sich erkennen. Voller Angst nahm sie den Pfef-
ferminzgeruch und den leichten Benzindunst wahr; sie dachte
an die Frauen, deren Leichen irgendwo abgeladen worden waren,
an den Mörder in den Schlagzeilen, wo er »der Brandmörder
« hieß. Sie hörte, wie er sich bewegte, und konnte in der Dunkelheit
des Autos nicht ausmachen, ob er sich ihr näherte. Ohne
nachzudenken, ohne sich überhaupt ihrer Bewegung bewusst zu
werden, langte sie nach unten und holte das Messer hervor, das
sie von ihrem kleinen Bruder bekommen hatte, das Messer, das
er in der Schule immer bei sich trug, falls er mal in eine Auseinandersetzung
geriet, das Klappmesser mit der schmalen Klinge
und der gefährlich scharfen Spitze, das ihr schon seit Stunden auf
den Knöchel drückte. Es war so finster im Auto, dass sie nicht
einmal sehen konnte, wie sie damit ausholte und auf die weiche
Stelle unter dem Brustkorb und oberhalb des Gürtels zielte. Noch
bevor er überhaupt reagieren konnte, war das Messer in seinem
Körper und wieder draußen und dann alles noch einmal, obwohl
er versuchte nach der Klinge zu greifen, als Kelly das Messer wieder
herauszog. Es war jetzt dunkel und nass, der Mann wimmerte,
sie konnte ihn und das Blut riechen - es roch süßlich wie
an einem heißen Sommertag beim Schlachter. Er hatte sich in die
Hose gepinkelt, und sie merkte, dass sie schrie, während ihr Herz
so laut hämmerte, dass sie ihre eigenen Worte nicht verstehen
konnte. Aber sie wiederholte diese Worte ununterbrochen und
kletterte über den Sitz in den Fond des Wagens, tastete panisch
nach dem Türgriff und stürzte ins Freie. Sie handelte rein instinktiv,
ihre Hände waren blutverschmiert, ihre Knie gaben nach, als
sie in den albernen Schuhen zu rennen versuchte. An die wundgeriebenen
Füße dachte sie nicht mehr. Immer wieder sagte sie
die Worte vor sich hin, als sie durch die Gasse in Richtung der
Häuser humpelte, wo sie auf Hilfe hoffte. Ihr Atem rasselte in
den Lungen, als hätte er rostige Sägezähne. Sie sagte sie auch zu
der Frau, die an die Tür kam und bei ihrem Anblick aufschrie, sie
sagte sie der Polizei, die den Notruf entgegennahm, und später
den Ärzten und Schwestern im Krankenhaus, wo sie untersucht
wurde. Es war das Einzige, dessen sie sich sicher war und was sie
am Leben erhalten hatte.
»Nicht ich. Ich will nicht die Nächste sein. Nicht ich. Nicht
ich.«
1
Maeve
Als das Telefon klingelte, wusste ich weder, wo ich war, noch,
was ich dort zu suchen hatte. Ich begriff nicht einmal, dass es
das Telefon war, was mich geweckt hatte. Ich tauchte aus tiefsten
Tiefen wieder an die Oberfläche und öffnete ein Auge, während
ein Teil meines Hirns krampfhaft versuchte herauszufinden, was
mich gestört hatte, und ein anderer fieberhaft überlegte, wie sich
der Lärm abstellen ließ. Er ging jetzt in ein leises Rütteln über
und kam von meinem Handy, das nachdrücklich auf dem Nachttisch
vibrierte, begleitet vom schrillsten und nervigsten Klingelton,
den ich hatte finden können. Ich tastete im Dunkeln nach
der Lärmquelle, stieß jedoch nur dagegen und schubste sie vom
Tisch. Das Telefon landete mit dem Display nach unten auf dem
Teppich, wo es zwar noch klingelte, aber wenigstens nicht mehr
so laut war. Streifschuss, kein Treffer. Zu allem Überfluss kam ich
jetzt noch schlechter an die Ursache des Übels heran. Ich beugte
mich gefährlich weit aus dem Bett und harkte mit den Fingern
über den Teppich, um es zu fassen zu kriegen.
»Mmpf!«
Obwohl das Gemurmel größtenteils vom Kissen geschluckt
wurde, wollte Ian damit wohl sagen: »Nun geh doch endlich ran
an das verdammte Handy.« Genau das dachte ich ja auch gerade.
Abgesehen von Wie spät ist es eigentlich? und Was will denn dieser
Idiot von mir?
Schließlich bekam ich es zu fassen und drückte wild darauf
herum, bis das blöde Klingeln endlich aufhörte. Dann versuchte
ich etwas auf dem Display zu erkennen. LANGTON. Rob. Ich
schielte auf die Uhrzeit und entzifferte 03.27. Es war morgens
halb vier, und Detective Constable Rob Langton hatte versucht
mich zu erreichen. Jetzt erst wachte ich richtig auf, mein Hirn
kam allmählich in die Gänge, doch mein Mund hatte mit dem
geänderten Plan noch seine Schwierigkeiten und kam nicht so
recht mit. Als ich mich meldete, war meine Zunge so schwer, als
hätte ich die letzten - ich musste rechnen - dreieinhalb Stunden
in der Kneipe zugebracht, statt meinen wohlverdienten Schlaf zu
genießen. Dreieinhalb Stunden. Das waren insgesamt sechs Stunden
Schlaf in den vergangenen zwei Tagen. Ich kniff die Augen
zu und wünschte, ich hätte auf diese Rechnung verzichtet. Von
Zahlen untermauert fühlte sich alles noch viel schlimmer an.
»Hab ich dich geweckt, Kollegin?« Diesen Manchester-Dialekt
würde ich immer und überall erkennen.
»Blöde Frage. Was gibt's denn?«
Eigentlich wusste ich längst, worum es ging. Es gab nur zwei
Möglichkeiten, warum mich Rob Langton um diese Zeit anrief
und sich aufgeregt anhörte. Variante eins: Es gab eine neue Leiche.
Variante zwei: Der Mörder war gefasst. In beiden Fällen
würde ich nicht so bald wieder zum Schlafen kommen.
»Wir haben ihn.«
»Ist nicht dein Ernst.« Ich setzte mich im Bett auf, machte das
Licht an und ignorierte das unwillige Schnaufen neben mir, während
ich mich blinzelnd versuchte zu konzentrieren. »Wie und
wo denn?«
»Wir hatten freundliche Unterstützung von einer netten jungen
Dame. Sie ist ein bisschen durch die Kneipen gezogen und
hat mit einem scharfen Gegenstand verhindert, dass sie das
nächste Opfer des Brandmörders wird.«
»Aber er ist doch nicht tot?« Mein Herz hämmerte. Wenn er
tot war, dann war's das. Keine Antworten. Kein Prozess.
Keine Gerechtigkeit.
»Nee, er wird's schaffen. Im Moment flicken sie ihn im Krankenhaus
wieder zusammen. Zwei Stichverletzungen im Unterleib,
sie hat ihm den Darm aufgeschlitzt.«
»Autsch.«
»Ja, hätte keinem Netteren passieren können.«
»Kennen wir ihn?« Ich rieb mir mit dem Handballen die Augen
und unterdrückte ein Gähnen.
»Nein, völlig unbekannt. Nie polizeilich aufgefallen und nicht
im Blickfeld der Ermittlungen.«
Ich seufzte. Das waren keine besonders guten Neuigkeiten.
Also waren wir nicht einmal nahe dran gewesen, ihn zu erwischen,
sondern hatten einfach nur Glück gehabt. Und das Mädchen
natürlich noch viel mehr. Normalerweise fand ich es nicht
so toll, wenn Leute mit einem Messer in der Tasche herumliefen.
Aber angesichts der vielen toten Frauen, die ich in den letzten
Wochen gesehen hatte, war das vielleicht doch keine so schlechte
Idee.
»Er heißt Vic Blackstaff. Hatte seine Ausweispapiere bei sich -
Führerschein, Firmenausweis. Er ist Mitte fünfzig, arbeitet im
Schichtbetrieb bei einem Callcenter in Epsom und wohnt in
Peckham. Fährt auf dem Heimweg durch Südwest-London, und
zwar in den ganz frühen Morgenstunden. Reichlich Gelegenheit.«
»Älter als wir dachten«, merkte ich an. »Schichtarbeit passt
aber ins Bild. Wo ist es passiert?«
»In Richmond.«
»Ziemlich weit weg von der üblichen Gegend. Bisher hat er
sich doch auf Kennington und Stockwell beschränkt und ist nie
bis Richmond gekommen.« Ich runzelte die Stirn.
»Ja, aber in seinem angestammten Gebiet wimmelt es doch inzwischen
von Polizei. Von daher ist es nachvollziehbar, dass er
sein Territorium verlässt, oder?« Rob klang so überzeugt, dass
ich nicht weiter nachhakte. Und wie sollte man sich denn bitteschön
in einen Serienmörder hineinversetzen?
»Im Moment haben sie sein Auto in der Mangel«, fügte Rob
hinzu. »Wir warten dann im Krankenhaus.«
»Wer ist wir?«
»Der Chef und ich. Und DI Judd, leider. Wir wollen die junge
Dame vernehmen, sobald die Ärzte uns zu ihr lassen. Sie wird
gerade noch untersucht.«
»Wie geht es ihr? Wird sie ...«
Es widerstrebte mir, den Satz zu beenden. Wird sie es schaffen?
Ist sie schwer verletzt? Hat sie Verbrennungen? Wie weit ist
er gekommen?
»Es geht ihr ganz gut, abgesehen von den Nerven. Mit ihr ist
alles in Ordnung, aber wir durften noch nicht mit ihr reden. Sie
sagt, dass sie noch nicht so weit ist.« Rob hörte sich ungeduldig
an, und das ärgerte mich. Warum sollte sie sich nicht erst einmal
sammeln dürfen, bevor sie mit der Polizei sprach? Bestimmt
stand sie unter Schock. Was sie jetzt vor allem brauchte, war ein
einfühlsamer Gesprächspartner. Und wer wäre dafür besser geeignet
als ich? Energie strömte in meine müden Glieder, und
Adrenalin verscheuchte die Müdigkeit, um die ich mich später
wieder kümmern würde, sobald ich Zeit dazu hatte. Drei Stunden
Schlaf waren vorerst völlig ausreichend. Inzwischen war ich
aufgestanden und stolperte auf wackeligen Beinen zur Tür. Sie
schmerzten, als hätte ich am Tag zuvor einen Marathon absolviert.
»Ich bin gleich da. Vielleicht lassen sie mich ja mit ihr reden.«
Die einzige Frau im Dunstkreis von Chief Superintendent Godley
zu sein, hatte zwar nicht unüberschaubar viele Vorteile, war
aber hin und wieder ganz praktisch.
»Warum überrascht mich das jetzt nicht? Von null auf hundert
in zehn Minuten, das bist ganz du.«
»Deswegen hast du mich doch angerufen, oder nicht?« Ich war
unterdessen im Badezimmer angekommen und überlegte, ob ich
es riskieren konnte, mit dem Hörer am Ohr zu pinkeln. Aber das
würde er sicher mitbekommen. Also besser warten.
»War mir doch klar, dass du dabei sein willst.« Das war natürlich
nur ein Teil der Wahrheit, denn allen Beteiligten kam es ausgesprochen
gelegen, wenn ich dazukam. Ich konnte Robs Grinsen
förmlich hören. Manchmal war er echt ein blasierter Idiot,
aber ich verzieh ihm das, denn schließlich wollte ich tatsächlich
dabei sein. Und ohne seinen Anruf hätte ich alles erst aus den
Nachrichten erfahren.
»Welches Krankenhaus?«
»Kingston.«
»Bin in einer halben Stunde da«, versicherte ich, ohne darüber
nachzudenken. Von Primrose Hill bis Kingston war es ziemlich
weit, und ich gehörte dringend unter die Dusche. Mein Haar
klebte schon am Kopf. Ausgeschlossen, dass ich mit ungewaschenen
Haaren aus dem Haus ging. Nicht schon wieder. »Sagen wir
lieber vierzig Minuten.«
»Wir sind auf der Intensivstation. Handys sind also aus. Ruf
die Anmeldung an, wenn du uns suchst.«
»Alles klar.«
Ich stellte vorsorglich die Dusche an, ehe ich zur Toilette ging.
Aber als ich in das mit Schieferfliesen ausgekleidete Duschbecken
stieg, war das Wasser noch nicht einmal ansatzweise warm
genug. Ich zuckte, als die kleinen Wasserspritzer auf meinen gänsehäutigen
Körper trafen. Der Duschkopf war so groß wie ein
Suppenteller und spuckte Wassermengen aus wie im tropischen
Regenwald, nur waren die einfach zu kalt für mich. Da war das
Design wohl wieder mal wichtiger gewesen als die Funktion.
Aber da es nicht meine Wohnung war, konnte ich mich auch
nicht beklagen. Offiziell wohnten wir zusammen hier, allerdings
fühlte ich mich mehr wie ein Gast. Und als solcher noch nicht
mal unbedingt immer willkommen.
Mit angezogenen Armen und unter dem Kinn zusammengepressten
Händen versuchte ich mich einigermaßen warm zu halten.
Als das Wasser gerade so eben noch lauwarm war, kostete es
mich einige Mühe, meine Finger voneinander zu lösen und nach
dem Shampoo zu greifen. Hastig öffnete ich den Deckel und sah
fluchend zu, wie er über die zum Abfluss hin leicht abschüssigen
Fliesen schlitterte. Ich ließ ihn einfach dort liegen und hatte
die Stimme meiner Mutter im Ohr, die immer sagte: Tiefer kann
es ja nicht mehr fallen... Zwei Minuten später trat ich mit dem
Fuß darauf und erstickte einen Aufschrei in der Armbeuge. Der
Schmerz an der Fußsohle war kaum auszuhalten. Fluchen half
allerdings, wovon ich auch ausgiebig Gebrauch machte.
Ich bearbeitete meine Kopfhaut, bis mir die Unterarme wehtaten
und ließ mir dann das Wasser so lange über die Haare laufen,
wie ich es aushalten konnte. Mit geschlossenen Augen spürte ich,
wie mir der Schaum über das Gesicht lief. Was für ein Gefühl,
endlich wieder sauber zu sein und zu wissen, dass der Fall kurz
vor dem Abschluss stand. Ich wollte für immer so stehen bleiben.
Und schlafen wollte ich - ganz, ganz dringend.
Aber jetzt war nicht daran zu denken. Ich musste los. Wenigstens
war ich einigermaßen wach, als ich schließlich aus der Dusche
kam - zumindest gemessen an den momentanen Umständen.
So leise ich konnte, schlich ich zurück ins Schlafzimmer, doch
als ich ein Kostüm aus dem Schrank nahm, klapperten die Bügel
auf der Kleiderstange. Ich biss mir auf die Lippe, weil sich hinter
mir im Bett etwas regte.
»Was ist denn los?«
Wenn Ian nichts gesagt hätte, hätte ich ihn nicht angesprochen.
An diese Regel hielt ich mich, wenn ich mitten in der Nacht aufstehen
musste, weil die Arbeit rief. Allerdings war ich mir nicht
sicher, ob er überhaupt etwas von dieser Regel wusste.
»Ich bin mit einem Mörder verabredet.«
Dafür schenkte er mir sogar einen anerkennenden Blick.
»Habt ihr ihn also. Gratuliere.«
»Ist nicht unbedingt mein Verdienst, aber danke.«
Er drehte sich auf den Rücken und bedeckte sein Gesicht mit
dem Arm, weil ihn das Licht blendete. Er lag jetzt - typisch für
ihn - in der Mitte des Bettes. Ich unterdrückte den Drang, ihn
zurück auf seine Seite zu schieben, und deckte ihn stattdessen
wieder richtig zu. Siehst du, wie ich mich um dich kümmere?
Merkst du, wie aufmerksam ich bin?
Die Antwort lautete »Mmm«. Er war schon fast wieder eingeschlafen.
Ich entfernte die Plastikhülle aus der Reinigung von
meinem Kostüm, knüllte sie zusammen und presste sie in den
Mülleimer. Der Stoff roch so nach Chemie, dass ich die Nase
rümpfte und mich kaum überwinden konnte, die Sachen anzuziehen.
Der Wetterbericht hatte einen kühlen und regnerischen
Tag vorhergesagt, und ich dachte sehnsüchtig an in Stiefel gestopfte
Jeans, dicke Pullover und lange Strickschals. Meine Güte,
sich erwachsen kleiden zu müssen war wirklich lästig.
Ich saß auf der Bettkante und kämpfte mit der Strumpfhose.
Die Haut an den Beinen war noch feucht, und ich hatte Angst, das
dünne Gewebe zu zerreißen. Von meinen nassen Haaren tropfte es
auf die Schultern, und kaltes Wasser lief mir den Rücken hinunter.
Aber dafür war jetzt keine Zeit. Ich hatte keine Zeit für picobello.
Langsam, unendlich langsam, streifte ich mir die Strumpfhose
über die Oberschenkel und stand auf, um sie komplett anzuziehen.
Das ist sicher nicht der eleganteste Moment beim Anziehen,
weshalb ich alles andere als begeistert war, als ich beim Umdrehen
feststellen musste, dass Ian mich mit steinerner Miene anstarrte.
»Das war's dann also jetzt?«
»Was meinst du damit?« Ich schlüpfte in ein Oberteil, stieg in
meinen Rock, schloss den Reißverschluss und strich ihn über
den Hüften glatt. Das war schon viel besser. Zivilisierter. Ich
merkte, dass der Bund sehr locker saß und der Rock mir eher
auf den Hüften hing als in der Taille. Dadurch endete der Saum
statt über dem Knie ein Stück darunter und sah nicht mehr chic,
sondern ziemlich altbacken aus. Ich musste mehr essen und mir
mehr Ruhe gönnen.
»Ich meine, ist das jetzt endlich vorbei? Bist du dann wieder
öfter zu Hause?«
»Wahrscheinlich. Noch nicht gleich - wir müssen erst noch
den Papierkrieg hinter uns bringen und den Fall für die Staatsanwaltschaft
vorbereiten. Aber danach schon.«
Falls dann nicht schon wieder ein Serienmörder in den Startlöchern
sitzt und nur darauf wartet, an das Treiben des Brandmörders
anzuknüpfen. Falls bis Weihnachten nicht noch irgendwas
schiefging. Falls alle Kriminellen in London den Rest des Jahres frei
machten.
Ich machte mich auf die Suche nach meinen Schuhen, nach
den Pumps mit den halbhohen Absätzen. Die waren zwar nicht
gerade angesagt, aber dafür konnte ich sie von frühmorgens bis
Mitternacht tragen, ohne dass meine Füße sich beschwerten.
Wenn es sein musste, konnte ich sogar damit rennen. Ein Schuh
lag in der Zimmerecke, wo ich ihn ausgezogen hatte. Den anderen
fand ich schließlich unter dem Bett und musste mich der
Länge nach hinlegen, um ihn vorzuholen.
»Ich finde es unmöglich, dass sie nur pfeifen müssen, und
schon kommst du angerannt.« Er klang jetzt sehr wach und
ziemlich sauer. Mein Mut sank.
»Das ist nun mal mein Job.«
»Ach so, ja klar, dein Job. Ich vergaß.«
»Bitte nicht jetzt«, sagte ich, rutschte entschlossen in meine
Schuhe und griff nach dem Handtuch. »Ich muss jetzt los. Es ist
wichtig, und das weißt du ganz genau.«
Er hatte sich halb aufgerichtet und auf den Ellbogen gestützt,
seine blauen Augen funkelten mich unter den buschigen Augenbrauen
feindselig an, und sein braunes Haar war ungewohnt
wirr. »Ich weiß nur, dass ich dich seit Wochen kaum noch sehe
und dass ich heute Camilla anrufen muss, um ihr zu sagen, dass
du doch nicht mit zum Abendessen kommen kannst und es mir
leid tut, wenn dadurch ihre Sitzordnung ruiniert ist. Ständig geht
dein Job vor.«
Ich ließ ihn reden, rubbelte mir die Haare mit dem Handtuch
trocken und bearbeitete sie anschließend mit dem Kamm, damit
sie wenigstens etwas gebändigt waren. Sie zu föhnen, blieb keine
Zeit mehr, sie mussten auf dem Weg zum Krankenhaus trocknen.
Ein paar hellere Strähnen kringelten sich schon ins Gesicht.
»Camilla arbeitet in einer Kunstgalerie und hat den ganzen
Tag nichts anderes zu tun, als Sitzordnungen für ihre netten Dinnerpartys
zu entwerfen. Sie kann daran nur wachsen.«
Er ließ sich wieder auf den Rücken fallen und starrte an die
Decke. »Muss das immer sein?«
»Was denn?« Ich hätte besser nicht nachfragen sollen.
»Dass du meine Freunde schlechtmachst, weil sie keinen so
aufregenden oder superwichtigen Job haben wie du.«
»Jetzt krieg dich wieder ein ...«
»Nicht alle wollen die Welt retten, Maeve.«
»Ja klar, dass sie toll aussieht, ist mindestens genauso wichtig
«, fauchte ich und bedauerte es im selben Moment. Camilla
war nett, ehrlich und derart naiv und ahnungslos, dass in jedem,
der sie kannte - mich eingeschlossen - sofort der Beschützerinstinkt
erwachte. Normalerweise. Mein spitzer Tonfall hatte
teils mit Erschöpfung und teils mit schlechtem Gewissen zu tun.
Ich hatte tatsächlich überlegt, ihre Dinnerparty zu schwänzen.
Nicht dass ich Ians Freunde nicht mochte, aber ich hatte die Fragerei
satt. Und, spannende Fälle in letzter Zeit? Wieso habt ihr
denn den Brandmörder immer noch nicht erwischt? Was war das
Schlimmste, was du je im Dienst erlebt hast? Würdest du dir die
Todesstrafe zurückwünschen? Ich bin geblitzt worden - kannst du
da was machen? Es war so vorhersehbar und nervtötend, und ich
fand es schrecklich peinlich, vor Ians Freunden als Repräsentantin
der Metropolitan Police zu gelten. Ich war doch auch nur ein
Mensch. Und Geschwindigkeitsdelikte waren nun definitiv nicht
mein Ressort.
»Ian ...«
»Ich denke, du hast es eilig?«
Ich schaute auf die Uhr. »Ja. Können wir bitte später darüber
reden?«
»Ich kann's kaum erwarten.«
Eigentlich wollte ich ihn darauf hinweisen, dass ich das Thema
gar nicht aufgeworfen hatte, beugte mich aber stattdessen über
das Bett und hauchte Ian einen Kuss aufs Kinn an die Stelle,
an die ich einigermaßen herankam. Keine Reaktion. Seufzend
ging ich in die Küche, wo ich mir eine Banane griff und dann
mit Tasche und Mantel in der Hand die Treppe hinunterhastete.
Ich schloss die Haustür leise mit eingestecktem Schlüssel, um die
Nachbarn nicht zu wecken - obwohl das wahrscheinlich überflüssig
war, denn wenn sie die Dusche und unseren Beziehungskrach
nicht gehört hatten, würde sie das Klappen der Tür wohl
auch nicht aus dem Schlaf reißen. Falls sie überhaupt zu Hause
waren und nicht zu einem vorweihnachtlichen Shopping-Urlaub
in New York weilten oder es sich auf den Bahamas gut gehen ließen.
An der Tür hielt ich einen Moment deprimiert inne - mir
schwirrte der Kopf.
»Was mache ich hier bloß? Was zum Teufel mache ich hier?«
Ich hatte das eigentlich nicht laut sagen wollen und meinte
damit auch nicht die Arbeit. Mit meinem Job war ich ziemlich
zufrieden. Was man von meiner Beziehung nicht gerade sagen
konnte. Wir waren seit acht Monaten liiert, wohnten seit einem
halben Jahr zusammen, und kurz nachdem ich bei Ian eingezogen
war, hatten die Streitereien angefangen. Ich war einem strahlenden
Lächeln, breiten Schultern und einem Job, der nichts mit Verbrechen
zu tun hatte, erlegen. Von ihm wusste ich, dass er mich als
dynamische, vielbeschäftigte Kriminalbeamtin mit langen Beinen
und ohne Hintergedanken mochte. Ich war nicht auf der Suche
nach einem Ehemann und Vater für etwaige Kinder gewesen -
zumindest noch nicht. In meinen Augen leuchteten keine Dollarzeichen
auf, als ich erfuhr, dass er Banker war. Es war alles ganz
unkompliziert. Wir trafen uns, wenn wir Zeit hatten, vertrödelten
Stunden im Bett bei ihm oder bei mir und aßen, sooft es ging, gemeinsam
zu Abend. Als mein Mietvertrag zur Verlängerung an-
stand, nutzte er die Chance und lud mich ein, in seine designermäßig
durchgestylte und sündhaft teure Wohnung in Primrose
Hill mit einzuziehen. Er ging damit wie üblich aufs Ganze - genau
das hatte ihn auch reich gemacht. Aber diesmal war es keine gute
Idee gewesen, sondern eine ziemliche Katastrophe. Wir kannten
uns ja gerade mal zwei Monate, und das vor allem körperlich. Wir
hatten uns keine Gedanken darüber gemacht, welche Interessen
wir gemeinsam hatten oder was wir an langen Winternachmittagen
anfangen sollten, wenn das Wetter zu ungemütlich war zum
Rausgehen. Also blieben wir entweder im Bett oder stritten uns.
Dazwischen gab es nichts. Ich begann länger zu arbeiten, früher
ins Polizeirevier zu fahren und auch am Wochenende mal dort
vorbeizuschauen, selbst wenn ich keinen Dienst hatte. Mein einziger
Trost war der Überstundenzuschlag.
Die Nachtluft war empfindlich kühl, und ich fror, als ich die
Straße entlangeilte und mein Haar eisig im Nacken spürte. Ich
war froh über den karamellfarbenen langen Mantel aus weicher
Wolle, den mir Ian geschenkt hatte. Er war eigentlich viel zu edel,
um damit auf Verbrecherjagd zu gehen, aber Ian hatte sich nicht
davon abbringen lassen. Dass er geizig war, konnte man ihm
wirklich nicht nachsagen. Im Gegenteil, er war beinahe übertrieben
großzügig. Selbst wenn ich mein Einkommen durch Überstunden
aufbesserte, konnte ich finanziell nicht annähernd mit
ihm mithalten. Wir waren nicht ebenbürtig, da half alle Selbsttäuschung
nicht. So konnte es einfach nicht weitergehen.
Als ich bei meinem Auto ankam, das ich am Abend zuvor
sonst wo abgestellt hatte, weil in der Nähe kein Parkplatz zu finden
war, blieb ich einen Augenblick stehen, atmete tief die kalte
Luft ein und versuchte, auf die Stille zu lauschen. Jedenfalls war
das meine Absicht. Doch irgendwo in der Nachbarschaft ließ jemand
den Motor aufheulen und raste davon - der Verkehrslärm
hatte schon begonnen. Und ich sollte längst unterwegs sein. Genug
der Zen-Meditation also. Ich stieg in den Wagen und fuhr
los.
Meine Absätze klapperten laut auf dem Fliesenboden, sodass
mich Rob schon von Weitem bemerkte. Er saß mit ausgestreckten
Beinen auf einem Stuhl vor der Intensivstation und versperrte
damit fast den ganzen Korridor.
»Moin.«
»Schon so spät?«, fragte er erstaunt und reichte mir einen
Pappbecher mit Plastikdeckel. »Ich dachte, wir hätten noch Donnerstagnacht.«
»Nee, ist schon Freitag. 27. November. Den ganzen Tag übrigens,
falls du es genau wissen willst.«
Er grinste zu mir herauf. Sein Gesicht war mit dunklen Stoppeln
bedeckt, die man schon fast als Bart bezeichnen konnte. Von
seinen walisischen Vorfahren hatte er schwarzes Haar, blaue Augen,
helle Haut und Charme ohne Ende mitbekommen, allerdings
musste er sich zweimal am Tag rasieren, um seinen Bartwuchs zu
bändigen. Obwohl Rob auch sonst nie geschniegelt und gebügelt
aussah, wirkte er heute besonders leger und trug noch das Hemd
vom Vortag, wie ich feststellte.
»Gar nicht zu Hause gewesen?«
»Nö.«
»Hockst hier schon seit Stunden, was?«
»Jo.«
»Und wie?«
»Das«, erwiderte er und drohte mir dabei scherzhaft mit dem
Zeigefinger, »muss leider geheim bleiben.«
Ich ließ mich auf den Stuhl neben ihm fallen, nahm den
Deckel vom Kaffeebecher ab und atmete den metallenen Geruch
von Automatenkaffee. »Wie viele davon hast du denn schon intus?«
Statt zu antworten, streckte er seine Hand aus und zeigte mir
wie er zitterte.
»Du liebe Güte. Koffein ist erst mal tabu für dich.«
»Ja, Mami ...«
Ich nippte an meinem Becher und grinste über den Rand, als
Rob sich mit dem Kopf nach hinten an die Wand lehnte und
herzhaft gähnte.
»Du warst ja ziemlich fix. Ich hätte gedacht, dass du mindestens
eine Stunde vom Aufstehen bis hierher brauchst.«
Eigentlich wäre wirklich mehr Zeit nötig gewesen, aber ich
hatte die Tempolimits unterwegs großzügig interpretiert und
vorm Krankenhaus eher unkonventionell eingeparkt.
»Du kennst mich doch. Immer auf dem Sprung.«
»Ja, klar. Was macht Ian?«
Ich zögerte mit der Antwort, da ich meine Kollegen eigentlich
nicht mit meinem Beziehungsstress behelligen wollte. Aber ich
konnte unmöglich so tun, als wäre nichts. Rob hatte Ian ein paar
Mal gesehen und sich sein eigenes Bild von ihm gemacht.
»Er war natürlich begeistert über die nächtliche Störung.«
»Tut mir leid. Aber bestimmt hatte er Verständnis, war ja
schließlich nicht ganz unwichtig.«
Ich hob vielsagend eine Augenbraue und nahm noch einen
Schluck Kaffee.
Rob seufzte. »Genau das, was man braucht, oder?«
»Worüber wir eigentlich reden sollten«, lenkte ich hastig ab,
»ist, wie es um den Fall steht. Wo ist denn der Chef?«
Er deutete mit dem Kopf in Richtung der Doppeltür hinter
ihm.
»Irgendwo da drin. Geht den Ärzten ein bisschen auf die Nerven.«
»Lassen sie uns immer noch nicht mit dem Opfer reden?«
»Na ja, so sehr Opfer ist sie nun auch wieder nicht. Der arme
alte Vic macht mir da erheblich mehr Sorgen. Er kommt gerade
wieder zu sich. Drei Stunden OP, offenbar stand es ziemlich auf
der Kippe.«
»Mir blutet das Herz.«
»Na ja, ein bisschen was von deinem Spenderblut könnte er
sicher gut gebrauchen. Wäre unterwegs fast gestorben. Hat ihn
ganz schön zugerichtet, die Kleine.«
»Weshalb sie noch am Leben ist und uns von dem Vorfall berichten
kann«, wandte ich ein.
Rob grinste mich an. »Du bist ja schon voll in der richtigen
Stimmung, Maeve. Fängst du gerade an, dich mit ihr zu identifizieren?
Bis zehn seid ihr wahrscheinlich die besten Freundinnen,
hm?«
»Ja und?« Mein Kaffee war inzwischen so weit abgekühlt, dass
ich ihn einigermaßen trinken konnte. Das Koffein begann zu
wirken. Ich wollte fit sein, wenn sie uns endlich zu dem Mädchen
ließen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, die Antworten
von ihr zu bekommen, die wir brauchten, und sie dann meinem
Chef Charles Godley zu präsentieren - wie eine Katze ihrem Besitzer
als Beweis ihrer Zuneigung einen toten Vogel vor die Füße
legt. Die Überstunden und der bedingungslose Einsatz, den er
von seinem Team forderte, machten mir überhaupt nichts aus.
Mir war völlig bewusst, welches Glück ich hatte, mit zum engeren
Kreis zu gehören. An der Soko mit dem Namen Mandrake
waren 60 Beamte beteiligt, von denen die wenigsten je direkt mit
Godley zu tun hatten. Er hatte ein klares System: Anweisungen
wurden über die Hierarchiestufen von oben nach unten kommuniziert,
indem die Mitarbeiter seines Vertrauens sie an ihre
Kollegen weitergaben. Diese wiederum erhielten Aufgaben und
das entsprechende Personal, um ihren Auftrag eigenverantwortlich
auszuführen. Er erwartete, dass die Betreffenden sich erst
zurückmeldeten, wenn die jeweilige Aufgabe abgearbeitet war.
Godley leitete die Ermittlungen in diesem Fall, der zum Medienereignis
des Jahres, wenn nicht des Jahrzehnts, geworden war.
Dabei war er viel zu sehr mit den Journalisten beschäftigt, als
dass er sich um jedes Detail des Falles selbst kümmern konnte.
Ausgerechnet mich hatte er in seinen Stab geholt, und obwohl ich
immer noch nicht so genau wusste warum, wollte ich ihn keinesfalls
enttäuschen.
»Ach, nichts weiter.« Rob hatte offensichtlich keine Lust mehr,
mich aufzuziehen. Er holte sein Handy hervor und begann gäh-
nend seine Nachrichten durchzusehen. Ich ließ ihn dabei in Ruhe
und war froh über die kurze Pause. Das lange Warten auf einen
Durchbruch in diesem Fall war lähmend und nervenaufreibend
zugleich gewesen. Nun, da er unmittelbar bevorstand, war noch
ein bisschen Geduld kein Problem.
Aber nervös war ich trotzdem.
Lange musste ich auch nicht warten, denn schon nach wenigen
Minuten öffnete sich eine Seite der großen zweiflügeligen Tür,
die zur Intensivstation führte. Rob und ich drehten uns um und
sahen eine Krankenschwester, die sich aus der Tür lehnte. Sie war
sehr jung, hatte blonde Strähnchen im Haar und Solariumbräune
auf der Haut. Ich bewunderte ihren glamourösen Auftritt zu so
früher Stunde. Nach einem kurzen, abschätzigen Blick auf mein
nasses Haar und mein ungeschminktes Gesicht lächelte sie Rob
süßlich an. Na, die hast du ja schon ordentlich angeflirtet ...
»Ihr Chef möchte Sie sprechen.«
Gleichzeitig standen wir auf. Rob war ein Stück größer als der
Durchschnitt, aber mit meinen Absätzen war ich ihm durchaus
ebenbürtig. Auge in Auge schauten wir uns an, und Rob runzelte
die Stirn.
»Er wollte mich sehen, nicht dich.«
»Er weiß ja nicht, dass ich hier bin«, säuselte ich. »Wenn er es
wüsste, würde er mich sprechen wollen.«
»Ich sage ihm, dass du draußen wartest.«
»Das sag ich ihm lieber selbst.«
Da war es wieder. Sosehr ich Rob auch mochte und so gut wir
sonst miteinander auskamen, wenn wir um die Aufmerksamkeit
des Chefs buhlten, benahmen wir uns ungefähr so erwachsen
und vernünftig wie Kleinkinder beim Streit um ihr Lieblingsspielzeug.
»Mach, wie du denkst.« Er warf sich seine Jacke über die Schulter
und ging an mir vorbei, wobei er die Schwingtüren heftig aufstieß.
Kein Gedanke daran, dass er sich noch einmal umdrehte
oder mir gar die Tür aufhielt. Nicht dass ich als Frau eine Son-
derbehandlung erwartete, aber ganz so unhöflich musste es nun
wirklich nicht sein. Ich ließ meinen Kaffeebecher auf dem Stuhl
stehen und heftete mich an seine Fersen. Es war keine Einbildung,
dass er seinen Schritt beschleunigte, um auf jeden Fall als
Erster anzukommen. Wenn ich gewusst hätte, wo wir hin müssen,
wäre ich vielleicht versucht gewesen, ihn einzuholen, aber
so begnügte ich mich damit, mir immer einen Schritt hinter ihm
den Weg durch die Intensivstation zu bahnen.
Es überraschte mich nicht, dass Chief Superintendent Godley
ein gesamtes Wartezimmer für seine Zwecke okkupiert hatte. Auf
dem Tisch lagen Akten, und ein Laptop surrte leise vor sich hin.
Vor dem Bildschirm hockte ein dürrer, brünetter Typ mit Brille
und verkniffener Miene - Detective Inspector Thomas Judd.
Auch das war wenig verwunderlich, denn egal wohin Charlie
Godley auch ging, Tom Judd war in seiner Nähe. Obwohl ich ihn
nicht sonderlich mochte, musste ich zugeben, dass er die organisatorische
Seite der Ermittlungen bislang hervorragend im Griff
hatte. Godley saß zurückgelehnt auf einem niedrigen Stuhl, die
Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Hemdsärmel hochgekrempelt.
Er wirkte müde, aber trotzdem hochkonzentriert.
Er war früh ergraut und hatte schon beinahe weißes Haar, sah
aber trotzdem nicht alt aus - ganz im Gegenteil. Die Kombination
aus silberglänzendem Haar und blauen Augen war ein echter
Hingucker, zumal Godley groß und breitschultrig war. Obendrein
war er so fotogen, dass die Medien ihm regelrecht zu Füßen
lagen. Aber er sah blass aus, seine Augen waren rot gerändert
und müde. Ich musste eine Woge des Mitgefühls unterdrücken,
denn der Chef mochte es überhaupt nicht, wenn man ihm um
den Bart ging. Er hatte keinerlei Ambitionen, einer Schar ergebener
Anhänger vorzustehen.
Rob klopfte gegen den Türrahmen. »Sie wollten mich sprechen,
Chef?«
Godley schaute auf, ohne uns direkt anzusehen. »Ja, in Ordnung.
Und Maeve, Sie sind auch da, ausgezeichnet.«
»Rob hat mich angerufen«, sagte ich hinter seiner Schulter
hervor, weil ich wusste, dass es ihn freuen würde, die Pluspunkte
dafür einzuheimsen. Das konnte vielleicht sogar der Tatsache
den Stachel nehmen, dass Godley mich angelächelt hatte. Aber
Rob hatte solcherlei Schützenhilfe eigentlich gar nicht nötig. Er
war dabei, sich recht professionell und eigenständig einen guten
Ruf zu erarbeiten.
Godley war inzwischen wieder hellwach. »Haben Sie ihr die
Lage erläutert?«
Rob nickte.
»Also sind Sie schon im Bilde, dass wir einen Verdächtigen haben
und eine Zeugin.«
Es gab nicht den Hauch einer Chance, dass ich mit dem mutmaßlichen
Täter auch nur entfernt in Kontakt kam. Ich hatte gelernt,
nicht auf Sachen zu spekulieren, die von vornherein aussichtslos
waren. Um den Verdächtigen würde sich die Chefetage
selbst kümmern, sobald er ansprechbar war. Aber die Zeugin
wollte ich mir unbedingt selbst vornehmen. Betont beiläufig
schlug ich vor: »Mit ihr würde ich mich gern unterhalten. Mit
dem Mädchen, meine ich. Ist vielleicht einfacher für mich, ihr
Vertrauen zu gewinnen.«
»Wir warten noch, bis sie bereit ist auszusagen und ein bisschen
ausnüchtert. Ich bin ganz sicher, dass Sie prächtig mit ihr
auskommen werden.« Judd saß noch immer vor dem Bildschirm
und tippte eifrig. Nie ließ er sich eine Gelegenheit entgehen, jemandem
einen Seitenhieb zu verpassen. Vor allem mir. In null
Komma nichts wich die leichte Nervosität, die ich in Gegenwart
des Chefs immer verspürte, einer Stinkwut auf den Inspektor.
Obwohl ich nicht das rote Haar meines Vaters geerbt hatte, besaß
ich zweifellos das Temperament, das gemeinhin damit assoziiert
wurde.
»Darf ich fragen, was Sie damit sagen wollen?«
»Genau das, was ich gesagt habe.« Sein Tonfall war höflich,
aber hinter seiner Brille funkelte die Abneigung. Er wusste ge-
nauso gut wie ich - und alle anderen in diesem Raum -, dass er
mich soeben mehr oder weniger als Trinkerin diffamiert hatte.
Da war es wieder, dieses dämliche Klischee: Ich war Irin, also
hatte ich ein Alkoholproblem. »Ich nehm ein großes Guinness -
ach nein, am besten gleich zwei und dazu noch 'nen doppelten
Whiskey.« Dass meine Eltern beide Abstinenzler waren, ich
bis zum Alter von 20 keinen Tropfen Alkohol angerührt habe
und heute allenfalls Rotwein trank, spielte überhaupt keine
Rolle.
»Sie machen das schon«, ermunterte mich Godley und ging gar
nicht auf die Spannung ein, die plötzlich in dem engen, stickigen
Raum herrschte. »Rob kann ruhig mitkommen, wenn Sie mit ihr
reden. Ich will wissen, was genau passiert ist, bevor sie auf ihn eingestochen
hat. Mich interessiert, wo er sie aufgegabelt hat und wie
sie in seinen Wagen gekommen ist. Was sie in Panik versetzt hat.
Ich gehe davon aus, dass er etwas gesagt oder getan hat, woraus sie
schloss, im Auto unseres Mörders zu sitzen. Aber ich weiß eben
nicht, was das war, und ich möchte erst mit ihm sprechen, wenn
ich ihre Sicht der Dinge gehört habe.«
»Alles klar.« Das klang nicht sonderlich kompliziert und sollte
kein Problem sein.
Hoffentlich.
»Sie ist eine wichtige Zeugin«, erklärte Godley. »Ich möchte
auf keinen Fall, dass ihr jemand zu nahe tritt. Behandelt sie mit
Respekt.«
Ich war mir ziemlich sicher, dass diese letzte Bemerkung nicht
an meine Adresse ging. So etwas musste man mir nicht extra sagen,
und das wusste Godley hoffentlich auch. Bei Judd sah das
schon anders aus.
»Wann kann ich zu ihr?«
»Jetzt sofort. Sie will unbedingt nach Hause. Sie hat eingewilligt,
eine Aussage zu machen, aber eigentlich ist sie schon fast
weg. Also verlieren Sie am besten keine Zeit.«
Ich wandte mich zum Gehen, blieb jedoch stehen, als Rob
noch etwas sagte. »Gibt es etwas Neues über den Wagen? Wurde
da etwas gefunden?«
Judd antwortete mit zusammengepressten Lippen: »Bislang
nicht.«
»Was?« Ich war irritiert.
»Das Auto ist sauber. Kein Indiz in unserem Sinne. Weder ein
Messer noch sonstige Waffen. Kein Brandbeschleuniger.«
»Könnte er das Zeug entsorgt haben? Alle Beweismittel vernichtet,
wie damals dieser Sutcliffe, als ihm klar war, dass er verhaftet
wird? Zeit genug hatte er ja, ehe man ihn gefunden hat.«
Es war nicht das erste Mal, dass der als Yorkshire Ripper bekannte
Serienmörder mit unserem Täter in Verbindung gebracht wurde,
aber dass Rob ihn jetzt erwähnte, verwunderte mich doch. Wenn
es eines gab, das Godley ganz besonders nervte, dann waren es
die gern gezogenen Parallelen zwischen seinen Ermittlungen
und der schwerfälligen, chaotischen und letztendlich ergebnislosen
Jagd nach Peter Sutcliffe, der der Polizei am Ende mehr
oder weniger zufällig ins Netz ging. Und jetzt gab es schon wieder
eine Parallele, denn dass Vic Blackstaff gefasst wurde, war
ganz und gar nicht das Verdienst der Polizei, was die Medien bestimmt
gehörig ausschlachten würden. Godley blähte die Nasenflügel,
überließ aber Judd die Antwort.
»Wir haben die Einfahrt und Umgebung abgesucht. Aber die
Ärzte glauben nicht, dass er in der Lage war herumzulaufen. Als
der Rettungsdienst eintraf, war er bewusstlos.«
»Also ...«, sagte ich langsam.
»Also müssen Sie herausfinden, was sich wirklich abgespielt
hat«, beendete Judd den Satz für mich. »Denn im Moment haben
wir keinen blassen Schimmer.«
Die fesche Krankenschwester zeigte uns - oder besser gesagt
dem unablässig mit ihr flirtenden Rob - das Zimmer, in dem
Kelly Staples wartete. Ich folgte ihnen, während mir der Kopf
schwirrte. Das war ein wichtiger Moment für mich. Ich musste
die richtigen Fragen stellen und die richtigen Antworten bekommen.
Ich durfte sie nicht vor den Kopf stoßen und wollte ihr Vertrauen
gewinnen. Außerdem musste ich mich hüten, voreilige
Prognosen über ihre Aussagen abzugeben, ihr stattdessen aufmerksam
zuhören und vor allem auch auf das achten, was sie
nicht sagte.
Sollte kein Problem sein.
Nachdem die Schwester uns bis an die Tür des Krankenzimmers
gebracht hatte und powackelnd entschwunden war, nahm
ich Rob noch einmal kurz beiseite. »Du machst dir nur Notizen
und mischst dich nicht ein, okay? Ich will das Gespräch leiten.«
»Sie gehört dir ganz allein, meine Liebe. Wie Judd schon sagte,
habt ihr bestimmt einiges gemeinsam.«
»So hat er das nicht gesagt.« Unwillkürlich verfiel ich in meine
Verteidigungshaltung. Nicht du auch noch, Rob ...
»Was hat er eigentlich gegen dich?«
»Er ist ein chauvinistisches Macho-Arschloch - hast du das
noch nicht gemerkt? Ständig lässt er spitze Bemerkungen über
mich fallen.«
»Ich finde ihn eigentlich ganz nett.«
Ich boxte ihn und schüttelte dann ausgiebig den Kopf, als
könnte ich damit für Klarheit in meinem Hirn sorgen und die
schwirrenden Gedanken sortieren. »Hast du dein Notizbuch?«
»Immer dabei«, antwortete er und hielt es hoch. »Und einen
Stift. Und einen Ersatzstift, falls der andere streikt.«
»Braver Junge.« Jetzt mussten wir aber hinein. Ich setzte eine,
wie ich hoffte, gelassen und harmlos wirkende Miene auf und
öffnete die Tür.
Als Erstes fiel mir an Kelly Staples auf, dass sie verweint aussah,
und als Zweites, wie jung sie wirkte. Sie saß neben dem Bett und
trug ein gemustertes Krankenhaushemd. Ihre Füße waren nackt,
blass und dicklich und zeigten rote Striemen an den Stellen, wo
ihre Stiefel an Zehen und Fersen gescheuert hatten. Sie wirkte erschöpft,
ihr blondes Haar hing schlaff und strähnig herunter, und
ihre Augen waren vor Müdigkeit ganz rot und geschwollen. Sie
war übergewichtig und fühlte sich in ihrem dünnen Nachthemd
sichtlich unwohl; immer wieder zog sie am Saum, damit es wenigstens
über die Knie reichte. Ihre Lippen waren entzündet, als
hätte sie fortwährend darauf herumgekaut.
Ich setzte mich auf die Bettkante, versuchte so wenig bedrohlich
wie möglich zu wirken und lächelte sie an.
»Kelly? Ich bin Detective Constable Kerrigan. Sie können
Maeve zu mir sagen. Und das ist mein Kollege DC Langton. Er
wird sich ein paar Notizen machen.«
Rob hatte diskret in einer Zimmerecke auf einem Holzstuhl
Platz genommen. Ausdruckslos schaute sie zu ihm hinüber und
dann wieder zu mir. »Wissen Sie, wann meine Mutti kommt?«
»Nein, tut mir leid. Aber sie ist bestimmt schon unterwegs.«
»Sie bringt mir nämlich Sachen mit. Ich hab gar nichts zum
Anziehen. Sie haben alles mitgenommen.«
»Ihre Sachen müssen kriminaltechnisch ausgewertet werden«,
erklärte ich. Abgesehen davon waren sie durch Vic Blackstaffs
Blut vermutlich ohnehin unbrauchbar.
»Ich will nach Hause.«
»Gleich.« Ich sprach mit sanfter Stimme, wie mit einem Kind.
Ach ja, apropos: »Wie alt sind Sie denn, Kelly?«
»Zwanzig.«
Gut, also mussten wir nicht auf einen Erziehungsberechtigten
warten. »Sind Sie noch in der Ausbildung? Oder arbeiten
Sie?«
»Ich mache eine Ausbildung an der Gastronomiefachschule.«
Ihr Gesicht hellte sich auf. »Im letzten Jahr.«
»Wollen Sie nach dem Abschluss Köchin werden?«
Sie zuckte die Schultern und sah mich ratlos an. »Keine Ahnung.«
Jetzt war es aber genug mit dem freundlichen Geplänkel. Wir
mussten endlich zur Sache kommen.
Die englische Originalausgabe erschien 2010
unter dem Titel The Burning bei Ebury Press.
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Steinerne Furt, 86167 Augsburg
Copyright der Originalausgabe © 2010 by Jane Casey
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2011 by
Blanvalet Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Übersetzung: Franka Reinhardt
Umschlaggestaltung: Jarzina kommunikations-design,
Holzkirchen
Umschlagmotiv: © Thomas Jarzina;
Hintergrund: www.istockphoto.com
Gesamtherstellung: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in the EU
ISBN 978-3-86800-907-1
2014 2013 2012 2011
Die letzte Jahreszahl gibt die aktuelle Lizenzausgabe an.
... weniger
Bibliographische Angaben
- Autor: Jane Casey
- 2011, 1, 511 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3868009078
- ISBN-13: 9783868009071
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