Der Dichter von Glen Mor
Roman
"Die Magie der Highlands wird lebendig in dieser Geschichte von verlorener Liebe und neu erwachter Leidenschaft."
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Produktinformationen zu „Der Dichter von Glen Mor “
"Die Magie der Highlands wird lebendig in dieser Geschichte von verlorener Liebe und neu erwachter Leidenschaft."
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Klappentext zu „Der Dichter von Glen Mor “
Perdita Miggs ist seit vielen Jahren mit dem netten, aber etwas langweiligen Süßwasserbiologen Perry verheiratet. Sie träumt schon lange von einer Reise nach Schottland, wo sie als junge Frau studierte.Plötzlich wird ihr Traum Wirklichkeit: Perry nimmt einen Forschungsauftrag am Loch Ness an. Dort angekommen, engagiert Perry einen ortskundigen Bootsführer - und Perdita trifft fast der Schlag: Es ist Andrew, ihre unerfüllte erste Liebe. Schicksal? Zufall? Nichts ist, wie es scheint in der wildromatischen Landschaft der schottischen Highlands, doch am Ende dieser wunderbaren Geschichte steht der größte Liebesbeweis eines Mannes an eine Frau.
Lese-Probe zu „Der Dichter von Glen Mor “
Der Dichter von Glen Mor von Brain J. Corrigan
Loch Ness
»Tauch seine Hand ins Wasser, Aidan«, sagte der Alte.
Sanft schaukelte der flache Kahn auf der seidig schwarzen Dünung, die von einem Ufer des Sees zum anderen rollte. Der Junge sah den Alten belustigt an.
»Und warum soll ich seine Hand ins Wasser tauchen?«, fragte er flüsternd, um seinen Vater nicht zu wecken.
Es war Juni, und ein junger Mond leuchtete nach Mitternacht. Unter dem sternenbesäten Himmelsgewölbe waren die umliegenden, sich langsam zum Wasser absenkenden Hügel nur zu erahnen.
»Weil er sich dann in die Hosen macht, Junge.« Der Alte nickte mehrmals, wie um zu unterstreichen, dass seine Antwort ernst gemeint war.
Im grünlich gelben Licht der Laterne, die am Bug des Kahns befestigt war, konnte Aidan die Züge des Alten erkennen. Das Licht würde die Fische anziehen, hatte der Alte gesagt. Sie würden es für das Mondlicht halten, das durchs Wasser scheint. Das sei die beste Methode, die Fische anzulocken.
Andrew Macgruer, der Vater des Jungen, schlief friedlich in dem engen Bug. Er hatte einen langen Tag hinter sich, und eigentlich hatte er gar nicht auf den See hinausfahren wollen. Doch schließlich hatte er sich einen Ruck gegeben, weil sein Junge so sehr aufs Angeln erpicht gewesen war.
... mehr
Der alte Mann, Andrews einstiger Professor für Mediävistik in St. Andrews, war im Laufe der Jahre zu einem engen Freund geworden. Als Gelehrter im Ruhestand hatte er viel Zeit. Und die Herzattacken, die ihn vor nicht allzu langer Zeit heimgesucht hatten, waren ein guter Grund, den Büchern den Rücken zu kehren und die wenigen Jahre, die man noch hatte, zu genießen.
»Nun mach schon«, spornte er den Jungen an. »Aber pass auf, dass er nicht aufwacht!«
Aidan schob sich langsam zu seinem schlafenden Vater und packte den Ärmel seines Hemds. Wie ein erfahrener Puppenspieler führte er den Arm über den Rand des Kahns und ließ ihn bis zum Ellbogen ins Wasser gleiten. Dann schlüpfte er zurück an seinen Platz im Boot.
»Na also«, sagte der alte Professor.
»Wie lang dauert es, bis es so weit ist?«, flüsterte Aidan.
»Das hängt ganz davon ab.« Die Fische hatten noch immer nicht angebissen, und der Streich schien dem Alten ein willkommener Zeitvertreib.
Aus lauter Langeweile verstieß er gegen die von ihm selbst aufgestellte Regel, dass im Boot nicht gesprochen werden durfte. »Hat dein Vater das Ungeheuer wirklich schon einmal gesehen?«
Aidan zuckte die Achseln. »Mal sagt er ja, mal sagt er nein. Mir hat er gesagt, es sei nur für die Touristen. Wenn er sie an bestimmte Stellen auf dem Wasser führt, wo sie nach dem Ungeheuer Ausschau halten können, springen für ihn ein paar Pfund heraus.«
Traurig schüttelte der Alte den Kopf. »Ist das alles, was er derzeit tut?«
»Nein, Mr Carlisle«, erwiderte der Junge mit ernster Miene. »Er schreibt auch.«
»Aber er veröffentlicht nichts.« Der alte Mann schob sich die Pfeife zwischen die Zähne und zündete sie an. »Oder veröffentlicht er etwas?«
»Er schreibt nur.«
Eine breite Welle rollte unter dem Kahn hindurch, hob ihn sanft hoch und ließ ihn anschließend lautlos in ein Wellental fallen.»Verdammt!« Andrew schreckte hoch und zog die Hand aus dem Wasser.
»Hast du in die Hose gepinkelt, Vater?«, fragte Aidan lachend.
»Nein«, entgegnete Macgruer und sah den Professor an. »Du bist zu nah am Ufer, Carlisle.«
»Bin ich nicht.«
»Bist du doch. Meine Hand hat gerade den Grund berührt.« »Wir sind hundert Meter vom Ufer entfernt«, erwiderte der Alte und zog an seiner Pfeife.
»Und ich sage dir, ich habe gerade kalten Schlick gefühlt. Wie viel Fahrt machen wir?«
»Wir stehen still.«
»Aber nicht doch. Wir bewegen uns, und zwar schnell. Du setzt uns noch auf Grund, Mann.«
»Du hast geträumt.«
»Ich werd dir zeigen, wer hier träumt.« Andrew Macgruer senkte seinen Arm wieder bis zum Ellbogen in die Tiefe, beugte sich aus dem Boot – und tauchte bis zur Schulter ins Wasser.
»Siehst du? Hier ist es fast einen Kilometer tief. Aber mach nur weiter und reck dich noch ein bisschen.«
Macgruer richtete sich auf und streckte sich wieder im Boot aus. »Und ich sage dir, ich war unten auf dem Boden.«
»Meines Erachtens bist du da noch immer, Andrew. Der Junge sagt, du verdienst dir dein Geld nun mit Touristen. Was ist aus dem Unterrichten geworden?«
»Man hat Stellen gestrichen, und ich bin auf der Strecke geblieben.«
»Das ist eine Ewigkeit her, Andrew. Seither wurden neue Stellen an der Universität ausgeschrieben.«
»Nicht für Dichter.«
Carlisle zog ruhig an seiner Pfeife. Streiten brachte nichts. Andrew Macgruer war ein Dickschädel und machte, was er sich in den Kopf gesetzt hatte.
»Ich kann deutlich hören, wie das Wasser ans Ufer schlägt«, sagte Andrew.
»Unsinn«, erwiderte Carlisle. Doch als er jetzt lauschte, konnte auch er es hören.
Auch Aidan schloss die Augen, obwohl es bei der Dunkelheit kaum nötig war. Zuerst vernahm er nichts weiter als das leise Scheppern der Blechlampe, die an der Stange am Bug schaukelte, doch dann hörte er das ruhige Plätschern von Wasser gegen das Ufer. Es war ganz in der Nähe.
»Da drüben muss es liegen«, sagte er. Er öffnete die Augen und wies mit der Hand in die Richtung.
Das Wasser unter der Lampe schimmerte gräulich grün. Es tanzte und kräuselte sich, bewegt von Wellen, die vom Ufer zurückgeworfen wurden. Dann plötzlich verstummte das Geplätscher.
Die Bootsinsassen schauten in die Richtung, in die Aidan gedeutet hatte. Andrew nahm die Stange vom Haken und schwenkte die Laterne seitlich über den Bootsrand. Man sah nichts als Wasser. Wieder hob eine Welle das winzige Boot und ließ es sacht fallen. Die drei wurden hin und her geschaukelt.
»Wie kann das Ufer so einfach verschwinden?«, fragte Aidan. Carlisle nahm die Pfeife aus dem Mund und sah Andrew bedeutungsvoll an.
»Nein.« Andrew warf ihm einen strengen Blick zu. »So was darfst du nicht einmal denken.«
»Da ist es schon wieder«, rief Aidan. »Das Ufer ist dort drüben.« Er deutete auf die andere Seite des Bootes.
Andrew beschrieb einen Bogen mit der Lampe. In der Entfernung schimmerte etwas auf der Steuerbordseite, es mochte fünfzig Meter weit weg sein. Doch das Glänzen verschwand ebenso wie das Wellengeplätscher verstummte. Wieder wurde das Boot hochgehoben.
»Es schwimmt unter uns durch«, sagte Carlisle.
»Nun hör schon auf zu spinnen!«, entgegnete Andrew barsch, aber Carlisle blieb ihm die Antwort schuldig. Seine Augen waren starr auf eine Stelle über Andrews Kopf gerichtet.
Andrew drehte sich um und sah es.
Im matten Schein der Laterne konnte er eine schlanke und seidig glänzende Form gerade noch erahnen. Zwei Meter oder vielleicht ein wenig höher ragte vor dem schwarzen Hintergrund ein helleres Schattengebilde aus dem Wasser auf.
Carlisle packte die Riemen und ruderte mit aller Kraft los. »He!« Aidan protestierte. »Die Angeln!«
»Pfeif drauf«, entgegnete Carlisle. »Pfeif drauf!«
Wieder und wieder legte er sich in die Riemen und wendete das kleine Boot, bis das Schattengebilde hinter ihnen lag. Dann zog er die Riemen mit aller Kraft durchs Wasser.
»Nicht so schnell«, sagte Andrew. »Komm, gib mir die Riemen. Denk an dein Herz!« Aber Carlisle hörte nicht auf ihn.
Neben dem Boot sah Andrew etwas Breites, Flaches vorbeigleiten, das wie ein vom Wasser umspülter Stein aussah. Der Kopf. Erneut hob sich das Boot.
»Es ist wieder vor uns.«
»Das Licht«, ächzte Carlisle, nach Luft schnappend. »Es wird vom Licht angelockt. Lösch um Himmels willen die Lampe!«
Andrew machte sich an der Stange zu schaffen und ließ dabei die Laterne ins Wasser fallen, wo sie beim Aufschlagen zischend erlosch. Die Welt um sie herum wurde schwarz.
Als der Bug die Laterne rammte, vernahm Andrew ein metallisches Klirren. Er streckte den Arm ins Wasser, um die Laterne herauszufischen. Doch dann berührte er etwas anderes – das seidige, straffe Fleisch, das er vor nur wenigen Minuten für Schlick gehalten hatte. Kühl wie das Wasser, aber glatt und seidig. Hastig riss er die Hand zurück.
»Die Laterne ist futsch«, sagte er und ließ sich auf seinen Platz zurückfallen.
Carlisle ruderte nicht mehr.
»Was ist los, Carlisle?«, fragte Andrew. »Warum halten wir?« In der Dunkelheit konnte er nichts erkennen.
»Mr Carlisle ist auf mich draufgefallen«, sagte Aidan in die pechschwarze Nacht. »Ich glaub, es geht ihm nicht gut.«
Sein Herz. Andrew wusste, dass es nur sein Herz sein konnte. Er tastete sich durch das kleine Boot voran, bis er mit der Hand die Hose des Professors berührte. Das Hosenbein war nass und warm. Carlisle hatte die Kontrolle über seine Blase verloren. Andrew zog den alten Mann hoch, legte die Arme um ihn und suchte verzweifelt nach seinem Hals, dem Handgelenk, nach irgendeiner Stelle, an der er den Puls fühlen konnte. Er legte die Finger unter das Kinn des alten Mannes. Sein Puls war schwach, kaum spürbar. Und dann fühlte Andrew nichts mehr.
»Carlisle!«, rief Andrew. »Nicht hier draußen. Nicht jetzt.« »Was ist, Vater?«, sagte Aidan. »Was ist los?«
»Hast du es nicht gesehen?«»Was?«
Andrew saß mit untergeschlagenen Beinen im Boot, den schweren Carlisle auf seinem Schoß, und spürte, wie das Schaukeln des Bootes abebbte und schließlich ganz aufhörte.
Das Ungeheuer war abgetaucht. Es war verschwunden in den schwarzen Tiefen von Loch Ness. Weinend barg Macgruer sein Gesicht an der leblosen Brust des alten Mannes.
© Lübbe Verlag
Übersetzung: Xenia Osthelder
»Nun mach schon«, spornte er den Jungen an. »Aber pass auf, dass er nicht aufwacht!«
Aidan schob sich langsam zu seinem schlafenden Vater und packte den Ärmel seines Hemds. Wie ein erfahrener Puppenspieler führte er den Arm über den Rand des Kahns und ließ ihn bis zum Ellbogen ins Wasser gleiten. Dann schlüpfte er zurück an seinen Platz im Boot.
»Na also«, sagte der alte Professor.
»Wie lang dauert es, bis es so weit ist?«, flüsterte Aidan.
»Das hängt ganz davon ab.« Die Fische hatten noch immer nicht angebissen, und der Streich schien dem Alten ein willkommener Zeitvertreib.
Aus lauter Langeweile verstieß er gegen die von ihm selbst aufgestellte Regel, dass im Boot nicht gesprochen werden durfte. »Hat dein Vater das Ungeheuer wirklich schon einmal gesehen?«
Aidan zuckte die Achseln. »Mal sagt er ja, mal sagt er nein. Mir hat er gesagt, es sei nur für die Touristen. Wenn er sie an bestimmte Stellen auf dem Wasser führt, wo sie nach dem Ungeheuer Ausschau halten können, springen für ihn ein paar Pfund heraus.«
Traurig schüttelte der Alte den Kopf. »Ist das alles, was er derzeit tut?«
»Nein, Mr Carlisle«, erwiderte der Junge mit ernster Miene. »Er schreibt auch.«
»Aber er veröffentlicht nichts.« Der alte Mann schob sich die Pfeife zwischen die Zähne und zündete sie an. »Oder veröffentlicht er etwas?«
»Er schreibt nur.«
Eine breite Welle rollte unter dem Kahn hindurch, hob ihn sanft hoch und ließ ihn anschließend lautlos in ein Wellental fallen.»Verdammt!« Andrew schreckte hoch und zog die Hand aus dem Wasser.
»Hast du in die Hose gepinkelt, Vater?«, fragte Aidan lachend.
»Nein«, entgegnete Macgruer und sah den Professor an. »Du bist zu nah am Ufer, Carlisle.«
»Bin ich nicht.«
»Bist du doch. Meine Hand hat gerade den Grund berührt.« »Wir sind hundert Meter vom Ufer entfernt«, erwiderte der Alte und zog an seiner Pfeife.
»Und ich sage dir, ich habe gerade kalten Schlick gefühlt. Wie viel Fahrt machen wir?«
»Wir stehen still.«
»Aber nicht doch. Wir bewegen uns, und zwar schnell. Du setzt uns noch auf Grund, Mann.«
»Du hast geträumt.«
»Ich werd dir zeigen, wer hier träumt.« Andrew Macgruer senkte seinen Arm wieder bis zum Ellbogen in die Tiefe, beugte sich aus dem Boot – und tauchte bis zur Schulter ins Wasser.
»Siehst du? Hier ist es fast einen Kilometer tief. Aber mach nur weiter und reck dich noch ein bisschen.«
Macgruer richtete sich auf und streckte sich wieder im Boot aus. »Und ich sage dir, ich war unten auf dem Boden.«
»Meines Erachtens bist du da noch immer, Andrew. Der Junge sagt, du verdienst dir dein Geld nun mit Touristen. Was ist aus dem Unterrichten geworden?«
»Man hat Stellen gestrichen, und ich bin auf der Strecke geblieben.«
»Das ist eine Ewigkeit her, Andrew. Seither wurden neue Stellen an der Universität ausgeschrieben.«
»Nicht für Dichter.«
Carlisle zog ruhig an seiner Pfeife. Streiten brachte nichts. Andrew Macgruer war ein Dickschädel und machte, was er sich in den Kopf gesetzt hatte.
»Ich kann deutlich hören, wie das Wasser ans Ufer schlägt«, sagte Andrew.
»Unsinn«, erwiderte Carlisle. Doch als er jetzt lauschte, konnte auch er es hören.
Auch Aidan schloss die Augen, obwohl es bei der Dunkelheit kaum nötig war. Zuerst vernahm er nichts weiter als das leise Scheppern der Blechlampe, die an der Stange am Bug schaukelte, doch dann hörte er das ruhige Plätschern von Wasser gegen das Ufer. Es war ganz in der Nähe.
»Da drüben muss es liegen«, sagte er. Er öffnete die Augen und wies mit der Hand in die Richtung.
Das Wasser unter der Lampe schimmerte gräulich grün. Es tanzte und kräuselte sich, bewegt von Wellen, die vom Ufer zurückgeworfen wurden. Dann plötzlich verstummte das Geplätscher.
Die Bootsinsassen schauten in die Richtung, in die Aidan gedeutet hatte. Andrew nahm die Stange vom Haken und schwenkte die Laterne seitlich über den Bootsrand. Man sah nichts als Wasser. Wieder hob eine Welle das winzige Boot und ließ es sacht fallen. Die drei wurden hin und her geschaukelt.
»Wie kann das Ufer so einfach verschwinden?«, fragte Aidan. Carlisle nahm die Pfeife aus dem Mund und sah Andrew bedeutungsvoll an.
»Nein.« Andrew warf ihm einen strengen Blick zu. »So was darfst du nicht einmal denken.«
»Da ist es schon wieder«, rief Aidan. »Das Ufer ist dort drüben.« Er deutete auf die andere Seite des Bootes.
Andrew beschrieb einen Bogen mit der Lampe. In der Entfernung schimmerte etwas auf der Steuerbordseite, es mochte fünfzig Meter weit weg sein. Doch das Glänzen verschwand ebenso wie das Wellengeplätscher verstummte. Wieder wurde das Boot hochgehoben.
»Es schwimmt unter uns durch«, sagte Carlisle.
»Nun hör schon auf zu spinnen!«, entgegnete Andrew barsch, aber Carlisle blieb ihm die Antwort schuldig. Seine Augen waren starr auf eine Stelle über Andrews Kopf gerichtet.
Andrew drehte sich um und sah es.
Im matten Schein der Laterne konnte er eine schlanke und seidig glänzende Form gerade noch erahnen. Zwei Meter oder vielleicht ein wenig höher ragte vor dem schwarzen Hintergrund ein helleres Schattengebilde aus dem Wasser auf.
Carlisle packte die Riemen und ruderte mit aller Kraft los. »He!« Aidan protestierte. »Die Angeln!«
»Pfeif drauf«, entgegnete Carlisle. »Pfeif drauf!«
Wieder und wieder legte er sich in die Riemen und wendete das kleine Boot, bis das Schattengebilde hinter ihnen lag. Dann zog er die Riemen mit aller Kraft durchs Wasser.
»Nicht so schnell«, sagte Andrew. »Komm, gib mir die Riemen. Denk an dein Herz!« Aber Carlisle hörte nicht auf ihn.
Neben dem Boot sah Andrew etwas Breites, Flaches vorbeigleiten, das wie ein vom Wasser umspülter Stein aussah. Der Kopf. Erneut hob sich das Boot.
»Es ist wieder vor uns.«
»Das Licht«, ächzte Carlisle, nach Luft schnappend. »Es wird vom Licht angelockt. Lösch um Himmels willen die Lampe!«
Andrew machte sich an der Stange zu schaffen und ließ dabei die Laterne ins Wasser fallen, wo sie beim Aufschlagen zischend erlosch. Die Welt um sie herum wurde schwarz.
Als der Bug die Laterne rammte, vernahm Andrew ein metallisches Klirren. Er streckte den Arm ins Wasser, um die Laterne herauszufischen. Doch dann berührte er etwas anderes – das seidige, straffe Fleisch, das er vor nur wenigen Minuten für Schlick gehalten hatte. Kühl wie das Wasser, aber glatt und seidig. Hastig riss er die Hand zurück.
»Die Laterne ist futsch«, sagte er und ließ sich auf seinen Platz zurückfallen.
Carlisle ruderte nicht mehr.
»Was ist los, Carlisle?«, fragte Andrew. »Warum halten wir?« In der Dunkelheit konnte er nichts erkennen.
»Mr Carlisle ist auf mich draufgefallen«, sagte Aidan in die pechschwarze Nacht. »Ich glaub, es geht ihm nicht gut.«
Sein Herz. Andrew wusste, dass es nur sein Herz sein konnte. Er tastete sich durch das kleine Boot voran, bis er mit der Hand die Hose des Professors berührte. Das Hosenbein war nass und warm. Carlisle hatte die Kontrolle über seine Blase verloren. Andrew zog den alten Mann hoch, legte die Arme um ihn und suchte verzweifelt nach seinem Hals, dem Handgelenk, nach irgendeiner Stelle, an der er den Puls fühlen konnte. Er legte die Finger unter das Kinn des alten Mannes. Sein Puls war schwach, kaum spürbar. Und dann fühlte Andrew nichts mehr.
»Carlisle!«, rief Andrew. »Nicht hier draußen. Nicht jetzt.« »Was ist, Vater?«, sagte Aidan. »Was ist los?«
»Hast du es nicht gesehen?«»Was?«
Andrew saß mit untergeschlagenen Beinen im Boot, den schweren Carlisle auf seinem Schoß, und spürte, wie das Schaukeln des Bootes abebbte und schließlich ganz aufhörte.
Das Ungeheuer war abgetaucht. Es war verschwunden in den schwarzen Tiefen von Loch Ness. Weinend barg Macgruer sein Gesicht an der leblosen Brust des alten Mannes.
© Lübbe Verlag
Übersetzung: Xenia Osthelder
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Bibliographische Angaben
- Autor: Brian J. Corrigan
- 2009, 345 Seiten, Maße: 12,4 x 18,6 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Aus d. amerikan. Engl. v. Xenia Osthelder
- Übersetzer: Xenia Osthelder
- Verlag: Bastei Lübbe
- ISBN-10: 3404923138
- ISBN-13: 9783404923137
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