Der Fremde aus Athen
Roman
Als die schöne Irini tot aufgefunden wird, befürchten die Bewohner einer kleinen griechischen Insel hinter dem Unglück eine große Tragödie. Doch an ein Verbrechen will niemand glauben, bis eines Tages plötzlich ein mysteriöser Fremder vom Festland...
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Produktinformationen zu „Der Fremde aus Athen “
Als die schöne Irini tot aufgefunden wird, befürchten die Bewohner einer kleinen griechischen Insel hinter dem Unglück eine große Tragödie. Doch an ein Verbrechen will niemand glauben, bis eines Tages plötzlich ein mysteriöser Fremder vom Festland auftaucht. Angst macht sich auf Thiminos breit, denn der Fremde scheint selbst die dunkelsten Geheimnisse der eingeschworenen Inselgemeinschaft zu kennen. Und er kündigt alsbald an, den Mörder Irinis zu stellen.
Klappentext zu „Der Fremde aus Athen “
Liebe kennt kein Gesetz, und doch wird sie gerichtet - manchmal bis in den Tod hinein.Als die schöne Irini tot aufgefunden wird, befürchten die Bewohner der kleinen griechischen Insel hinter dem Unglück eine große Tragödie. Doch an ein Verbrechen glaubt niemand - einzig ein mysteriöser Fremder vom Festland spricht von Mord.
Thiminos, eine kleine, beschauliche Insel, liegt irgendwo in der südlichen Ägäis. Das Leben dort ist bestimmt von den gewaltigen Gezeiten des Meeres und den strengen Regeln der kleinen Gemeinschaft. Doch die scheinbare Ruhe wird jäh gestört, als man die junge Irini tot am Rand der Klippen findet. Niemand mag an ein Verbrechen glauben; das Unglück wird schnell als Unfall mit Todesfolge zu den Akten gelegt.
Nur Hermes Diaktoros, ein älterer, weltmännischer Herr aus Athen, spricht lautstark von einem Mord, als er plötzlich auf der Insel auftaucht. Schon bald fühlen sich die Inselbewohner von dem seltsamen Fremden bedroht, denn seine wissenden Fragen zerren dunkle, lang verborgene Geheimnisse ans Licht. Und sie alle tragen Schuld an Irinis Tod: Denn die schöne Frau musste sterben, weil ihre wahre Liebe gegen alle ungeschriebenen Gesetze von Thiminos verstieß.
Das Rätsel um den Tod einer jungen Frau, das Geheimnis eines alten Mannes und die tragische Geschichte um eine Liebe, die nicht sein darf. Ein faszinierendes Vexierspiel um Sein und Schein, in dem die Grenzen von Wirklichkeit und Phantasie verschwimmen.
Liebe kennt kein Gesetz, und doch wird sie gerichtet - manchmal bis in den Tod hinein.
Als die sch ne Irini tot aufgefunden wird, bef rchten die Bewohner der kleinen griechischen Insel hinter dem Ungl ck eine gro e Trag die. Doch an ein Verbrechen glaubt niemand - einzig ein mysteri ser Fremder vom Festland spricht von Mord ...
Thiminos, eine kleine, beschauliche Insel, liegt irgendwo in der s dlichen g is. Das Leben dort ist bestimmt von den gewaltigen Gezeiten des Meeres und den strengen Regeln der kleinen Gemeinschaft. Doch die scheinbare Ruhe wird j h gest rt, als man die junge Irini tot am Rand der Klippen findet. Niemand mag an ein Verbrechen glauben; das Ungl ck wird schnell als Unfall mit Todesfolge zu den Akten gelegt.
Nur Hermes Diaktoros, ein lterer, weltm nnischer Herr aus Athen, spricht lautstark von einem Mord, als er pl tzlich auf der Insel auftaucht. Schon bald f hlen sich die Inselbewohner von dem seltsamen Fremden bedroht, denn seine wissenden Fragen zerren dunkle, lang verborgene Geheimnisse ans Licht. Und sie alle tragen Schuld an Irinis Tod: Denn die sch ne Frau musste sterben, weil ihre wahre Liebe gegen alle ungeschriebenen Gesetze von Thiminos verstie ...
- Das R tsel um den Tod einer jungen Frau, das Geheimnis eines alten Mannes - und die tragische Geschichte um eine Liebe, die nicht sein darf.
- Ein faszinierendes Vexierspiel um Sein und Schein, in dem die Grenzen von Wirklichkeit und Phantasie verschwimmen.
Als die sch ne Irini tot aufgefunden wird, bef rchten die Bewohner der kleinen griechischen Insel hinter dem Ungl ck eine gro e Trag die. Doch an ein Verbrechen glaubt niemand - einzig ein mysteri ser Fremder vom Festland spricht von Mord ...
Thiminos, eine kleine, beschauliche Insel, liegt irgendwo in der s dlichen g is. Das Leben dort ist bestimmt von den gewaltigen Gezeiten des Meeres und den strengen Regeln der kleinen Gemeinschaft. Doch die scheinbare Ruhe wird j h gest rt, als man die junge Irini tot am Rand der Klippen findet. Niemand mag an ein Verbrechen glauben; das Ungl ck wird schnell als Unfall mit Todesfolge zu den Akten gelegt.
Nur Hermes Diaktoros, ein lterer, weltm nnischer Herr aus Athen, spricht lautstark von einem Mord, als er pl tzlich auf der Insel auftaucht. Schon bald f hlen sich die Inselbewohner von dem seltsamen Fremden bedroht, denn seine wissenden Fragen zerren dunkle, lang verborgene Geheimnisse ans Licht. Und sie alle tragen Schuld an Irinis Tod: Denn die sch ne Frau musste sterben, weil ihre wahre Liebe gegen alle ungeschriebenen Gesetze von Thiminos verstie ...
- Das R tsel um den Tod einer jungen Frau, das Geheimnis eines alten Mannes - und die tragische Geschichte um eine Liebe, die nicht sein darf.
- Ein faszinierendes Vexierspiel um Sein und Schein, in dem die Grenzen von Wirklichkeit und Phantasie verschwimmen.
Lese-Probe zu „Der Fremde aus Athen “
Es war Frühling, alles wirkte licht und frisch, und die Bergblumen blühten. Ein wunderbarer Tag, um draußen zu sein.Sie war zwei Tage lang hier draußen gewesen. Endlich hatte sie jemand gefunden, aber die Männer behandelten sie weder mit Ehrfurcht noch mit dem nötigen Respekt. Wie konnten sie auch? Sie hing unter dem aufsteigenden Hubschrauber zwischen den Beinen eines Soldaten in kakifarbener Uniform, die Arme wie zum Gruß ausgebreitet und die eigenen Beine für alle sichtbar gespreizt. Der ohrenbetäubende Rotorenlärm, der von den Wänden der Schlucht noch lauter zurückgeworfen wurde, machte jede Unterhaltung unmöglich, aber die Männer des Suchtrupps waren ohnehin verstummt, als man sie hochbrachte. Die Soldaten, Polizisten und Zivilisten warteten in kleinen, ernsten Gruppen am Straßenrand, von wo aus sie auf die Geröllhaufen früherer Erdrutsche und das steinige, ausgetrocknete Flussbett hinunterblickten, in dem sie gelegen hatte.
Als der Hubschrauber sich dicht über die Schotterstraße senkte, wirbelte er eine Wolke aus Staub, Steinen und herausgerissenen Pflanzen auf. Hinter der Windschutzscheibe eines alten schwarzen Toyotas legte der Fahrer einem Mann mit geröteten Augen einen Arm um die Schultern, der zurückzuckte und das Gesicht abwandte. Ein Armeeoffizier schirmte seine Augen vor dem Staub ab und schrie einer Gruppe junger Soldaten Befehle entgegen - Reihen bilden, vier auf jeder Seite, los! -, aber seine Worte gingen im Dröhnen der Rotorblätter unter. Wütend und voller Ungeduld rannte er los, packte einen der Jungen am Arm und zog ihn auf seinen Platz, dann bugsierte er die Kameraden des Jungen in die zwei Reihen, die er sich vorgestellt hatte.
Fangt sie auf, wenn sie runterkommt, schrie er. Und baut keinen Mist!
Sie hörten ihn nicht. Sie schnitten Grimassen und machten hinter seinem Rücken obszöne Gesten. Die frisch eingezogenen Rekruten mit ihren kurzgeschorenen Haaren und noch schlaffen Muskeln stellten sich in zwei unordentlichen Reihen auf,
... mehr
mit klopfenden Herzen streckten sie steif die Arme nach ihr aus. Mit dem nötigen Respekt, hatte man ihnen gesagt. Der nötigen Ehrfurcht.
Die anderen Männer sahen weiter zu.
Sie wurde heruntergelassen. Wegen der breiten Leinenschlinge auf Höhe ihrer Unterarme hing sie schräg in der Luft, die gespreizten Beine voran. Die jungen Soldaten waren bestürzt - wie sollten sie nach oben sehen, um nach ihr greifen zu können, ohne ihr dabei unter den Rock zu schauen? Schließlich sollten sie den nötigen Respekt aufbringen. Doch je tiefer sie herabgelassen wurde, desto mehr lenkte der aufgewirbelte Staub die Rekruten ab. Sie schnaubten sich Dreck aus der Nase und spuckten Sand auf die Straße, und als die Beine der Frau in Reichweite kamen, bemerkte dies keiner von ihnen. Der Mann am Seil schrie von oben: Fangt sie auf, ihr Idioten! Sie hörten ihn nicht. Dann hingen die Beine der Frau direkt vor ihren Augen, und ihr Problem verlagerte sich - es ging nicht mehr darum, ihr nicht unter den Rock zu sehen, sondern darum, irgendwann wieder an die Beine einer Frau denken zu können, ohne dabei diese hier vor sich zu sehen, ohne die herausragenden, zersplitterten Knochen schimmern zu sehen, den Fuß, der in einem unmöglichen Winkel zum Schienbein stand, die bläulichen Blutergüsse überall auf der gelblichen Haut, die großen purpurfarbenen Stellen auf den Rückseiten der Oberschenkel und Waden, wo sich das Blut gesammelt hatte.
Sie wappneten sich für die Berührung der toten Haut, dann fingen sie sie auf. Ihre nackten Arme waren kalt, mehr nicht. Als sie darangingen, den Gurt abzustreifen, fühlten sie sich ihrer Aufgabe gewachsen und waren zuversichtlich, das Schlimmste überstanden zu haben. Dann merkten die beiden Jungen am Kopfende, dass sie sich geirrt hatten: die Augen der Frau waren nicht geschlossen, wie sie gedacht hatten, sondern sie fehlten, sie waren aufgefressen worden. Mit einem Schrei zogen sie die Hände unter ihr weg. Ihr Kopf kippte nach hinten. Der Offizier, der sich in angemessener Entfernung aufgebaut hatte, formte mit den Lippen unhörbare Flüche, dann rannte er zu den würgenden Jungen und befahl sie zurück an ihren Platz. Er legte den beiden den Kopf der Frau zurück in die Hände, während die anderen sich abmühten, um sie aus dem Gurt zu befreien.
Es war geschafft. Der Offizier gab der Hubschrauberbesatzung ein Zeichen, die ihren Mann mit der Winde nach oben zog und abdrehte, aufwärts und Richtung Süden, auf das offene Meer zu.
Die Stille nach dem Abflug des Hubschraubers schien greifbar. Die Männer waren auf die plötzliche Ruhe nicht vorbereitet; sie husteten, traten ihre Zigaretten aus oder sahen sich um. Von ihnen wurde der nächste Schritt erwartet. Die Frau
war da, und jetzt? Die Rekruten hielten sie auf Hüfthöhe vor sich, mit abgewandten, verzerrten Gesichtern.
Während er auf den Armeeoffizier zuging, wischte sich der Polizeichef Staub vom Jackenärmel und fuhr sich glättend durchs Haar. Jetzt, da sich der Staub legte, verbreitete sich der abstoßende Geruch bis zu ihnen. Aus dem nichts tauchten Fliegen auf und setzten sich auf ihr Gesicht.
"Wer bringt sie runter?", fragte der Armeeoffizier. Er wusste um den Aberglauben der Leute, um die Überzeugungen und Tabus, die im Ort herrschten.
"Ich frag mal Lakis."
Lakis, den Kreter, den Außenseiter. Der für Geld jeden Job übernahm. Der Polizeichef winkte dem groß gewachsenen Mann mit dem schütteren Haar, der neben einem weißen Lieferwagen stand. Er deutete auf die Leiche, auf den Wagen und stellte mit einer Handbewegung in der stummen Sprache der Griechen seine Frage. Lakis neigte den Kopf. Ja.
Auf ein Signal des Armeeoffiziers hin taumelten die Rekruten zur Heckklappe und legten sie mit dem Gesicht nach oben auf die dreckige Ladefläche.
Der Polizeichef rief dem jungen Priester mit dem dichten Bart, der in seinem Talar auf einem Felsbrocken saß und eine dünne, achtlos gedrehte Zigarette rauchte, etwas zu. Der Priester stand auf und schnippte Asche von seinem Talar. Er ging hinüber zum Lieferwagen, betrachtete sie und langte dann über die Wagenseite, um ihre Arme über der Brust zu verschränken. Langsam hob er die Hand und schlug das dreifache Kreuzzeichen der orthodoxen Kirche. Mit gesenkten Köpfen bekreuzigten sich auch die Männer.
Lakis setzte sich hinter das Steuer. Mit gerafftem Talar stieg erst der Priester neben ihm ein und dann der Polizeichef. Langsam fuhren sie den Berg hinunter, und nach und nach folgten ihnen die Lastwagen, Autos und Jeeps der Suchmannschaft.
Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für Späße, aber als er den Gang einlegte, konnte Lakis sich eine rüde Bemerkung über ihren Geruch nicht verkneifen, und noch bevor sie die erste Kurve erreichten, waren der Kreter, der Priester und der Polizeichef in lautes Lachen ausgebrochen.
Eins
Es war früher Morgen und der Himmel düster verhangen.
Der raue Wind hatte das Meer zu einem trüben, sandigen Schlamm aufgewühlt. Die Räder des sich langsam vorwärtsarbeitenden Müllwagens ließen das Wasser aus den Regenpfützen der letzten Nacht spritzen; es lief durch verrostete Dachrinnen auf die Stufen der Nationalbank und tropfte auf die Tische des menschenleeren Fischmarkts. Auf der Terrasse des Cafés fegte eine Frau in gebückter Haltung feuchte Platanenblätter zusammen, während vom Kirchturm eine einzelne Glocke zur Messe rief. Die schaukelnden kleinen Boote an den Ankerplätzen zerrten an ihren Tauen. Jenseits der Landspitze verlor sich das Tuten der näher kommenden Fähre in den starken Regengüssen.
Auf dem Oberdeck lehnte an der hinteren Reling ein Fremder, ein dicker Mann. Er stand dort, seit man in der Dämmerung das dunkle Meer erkennen konnte, beobachtete die schäumende Bugwelle, die anstieg und abflachte, und wartete darauf, dass sein Zielort in Sichtweite kam. Ab und zu holte er ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche seines flatternden Regenmantels und rauchte; die Zigaretten brannten in dem böigen Wind rasch herunter. Bei jedem Schiff, das er sah, hob er freundlich die Hand, als würde er es kennen.
Als die Fähre anlegte, schloss er sich nicht der kleinen Menschenmenge an, die unten ungeduldig darauf wartete, dass die Rampe heruntergelassen wurde, sondern blieb oben stehen und beobachtete, wie die Passagiere auf den Kai drängten.
Ein Besatzungsmitglied, das mit einem Schraubendreher im Innenleben einer Ankerwinde herumstocherte, rief ihm zu:
"Endstation, Kumpel."
Der dicke Mann lächelte.
"Dann auf Wiedersehen", sagte er, hob seine Reisetasche auf und ging über die Eisentreppe hinunter auf den Kai.
Ein Stückchen abseits suchte er unter dem Vordach einer Metzgerei Zuflucht vor dem Regen. Es roch nach Blut und Chlorbleiche. Die Menschenmenge löste sich auf, die Leute begrüßten und verabschiedeten sich, sie nahmen ihre zugeschnürten Koffer mit, ihre Tüten voller Lebensmittel, ihre ungezogenen Kinder und ihre Obstkörbe. Dann waren die Menschen verschwunden, und er blieb allein zurück.
Er trat aus dem Schutz des Vordachs in den regen hinaus.
Zuerst wusste er nicht genau, wo er sie suchen sollte, aber sie verrieten sich. Am Ende des Hafens stand im Windschatten der hohen Ufermauer ein Dutzend unordentlich geparkter Fahrzeuge, und fast versteckt zwischen ihnen auch ein Wagen mit ihrem charakteristischen Zeichen. Als er näher kam, konnte er die weiße Schrift deutlich lesen: Astinomia. Polizei.
Die Steinfassade des Gebäudes zu seiner linken war mit blassen Windenblüten überwuchert, und inmitten ihrer ranken, verborgen unter dem Laub, fand er ihren Schriftzug - Polizei - und einen Pfeil, der nach oben wies, eine lange, schmale Steintreppe hinauf.
Der dicke Mann lief leichtfüßig die Treppe hoch bis zu einer schweren Tür ohne Beschriftung. er öffnete sie und ging hinein.
Ihr Büro war weitläufig und nüchtern. Die hohe Decke zierte kunstvoller Stuck, aber die unlackierten Holzdielen waren nackt und mit flachgehämmerten Drahtstiften gespickt, als wäre ein Bodenbelag, vielleicht ein Teppich oder Linoleum, herausgerissen und nicht ersetzt worden. Vielleicht waren sie erst gestern eingezogen oder wollten morgen gehen, oder vielleicht waren sie auch schon seit Jahren hier, und es kümmerte sie nicht oder fiel ihnen nicht auf, dass die gesprungenen Scheiben der hohen, schmalen Fenster mit Blick auf das Meer keine Fensterläden hatten, dass die nackte Glühbirne ohne Lampenschirm an einer langen Schnur im Luftzug der Tür pendelte und dass es weder Aktenschränke gab noch Verfahrenshandbücher, weder Poster noch Notizen an den farblosen Wänden und auch keine Stühle, auf die sich Besucher setzen konnten, wenn sie Beschwerden vortragen wollten.
Er stand in der Mitte des Raums und stellte seine Reisetasche vorsichtig ab, als enthielte sie etwas Zerbrechliches. Die drei Polizisten beobachteten ihn stumm, wie einen unerwünschten Eindringling, der sie im entscheidenden Moment einer privaten Unterhaltung gestört hatte. Neben der Tür saß ein kleingewachsener Mann hinter einem einfachen Schreibtisch mit Stahlplatte (in seiner übergroßen Uniform wirkte er noch winziger) und klopfte mit der Spitze eines stumpfen, angekauten Bleistifts auf die Tischplatte, wodurch er die anhaltende Stille mit einem getragenen Rhythmus unterlegte. Sein Blick wanderte von dem dicken Mann zur Tür, als hätte er vor, bei erster Gelegenheit zu verschwinden; die Gegenstände auf seinem Schreibtisch - ein Hefter, ein Stempelkissen und ein Stempel, mehr nicht - ließen nicht vermuten, dass ihn etwas an diesen Ort band. Ihm gegenüber stützte ein bulliger Mann mit massigem Schädel, breitem Kinn, dichtem weißem Haar und skurrilen dunklen Augenbrauen die Ellbogen auf einen ähnlichen Schreibtisch, der auch ähnlich leer war: Außer drei Kugelschreibern mit sorgfältig aufgesetzter Kappe und zwei geöffneten Briefumschlägen stand dort nur ein uraltes Bakelit-Telefon, dessen geflochtene Schnur zwischen seinen Füßen hinunter und durch ein Bohrloch in der Fußleiste hinter ihm verlief. Seine rot glänzenden, schlaffen Lippen ließen ein schwerfälliges und begriffsstutziges Wesen vermuten. Als der dicke Mann hereinkam, rutschte er auf dem Stuhl herum, so dass sein Jackenärmel, auf den mit Silberfaden seine Polizeimeister-Winkel gestickt waren, nach vorn zeigte, in Richtung des dicken Mannes, um seinen Rang unübersehbar zu präsentieren.
Am anderen Ende des Raums, so weit vom Fenster entfernt, dass sein Platz im Schatten lag, saß der dritte. Er hatte die schlanken Beine an den Knöcheln übereinandergeschlagen und streckte sie unter einem wuchtigen, antiken Schreibtisch hervor, dessen schmale Schubladen auf beiden Seiten mit Messinggriffen und winzigen Schlössern versehen waren. Links und rechts auf dem Schreibtisch stapelten sich Papiere - Aktenordner, Formularvordrucke, ausgefüllte Formulare in zwei- und dreifacher Ausfertigung, Genehmigungsanträge, Strafzettel, Ordnungswidrigkeitsbescheide, Vorladungen, Prozesslisten, Memos, Briefe, Visitenkarten, engzeilige Computerausdrucke -, und auf dem Boden neben seinen Füßen waren weitere Aktenordner aufgestapelt, auf deren Rücken Daten, Nummern oder Namen standen. In der Mitte des Tisches lag auf dem verschlissenen, goldgeprägten Leder eine einzelne Akte; sie war geschlossen und handschriftlich mit einem Namen in dicken schwarzen Großbuchstaben versehen worden: ASIMAKOPOULOS. Und wie eine Ratte, die aus einem Loch sieht, beobachtete der Polizist zwischen seinen Papierstapeln hindurch den dicken Mann; auf seinem Gesicht, das im Schatten unnatürlich blass wirkte, hob sich das tiefe schwarz der zusammengekniffenen Augen und des gestutzten Schnurrbarts deutlich ab, wie eine Tintenzeichnung auf weißem Papier.
Aus seinen dunklen Augen musterte er den dicken Mann von oben bis unten, betrachtete seine korpulente Gestalt und bewunderte den Anzug - sowohl den Schnitt, der seiner Figur schmeichelte, als auch den Stoff, ein feines, graues Mohair von so guter Qualität, dass es bei jeder Bewegung des dicken Manns lavendelblau schimmerte. Wohlwollend nahm er das Sportshirt zur Kenntnis, das der dicke Mann unter seinem Jackett trug - es war dunkelviolett und hatte ein kleines, grünes Krokodil auf der linken Brust. Außerdem fiel ihm auf, dass der Mann einen italienischen Ledergürtel trug. Aber die grauen Locken waren zu lang, und die auffällige Brille unmodern. Und seine Schuhe, seine Schuhe waren unerhört. Denn wer außer einem Exzentriker würde zu einem so wunderbaren Maßanzug Tennisschuhe tragen - altmodische weiße Leinenschuhe?
Der dicke Mann blickte alle der Reihe nach an und lächelte.
Der Polizeimeister setzte sich gerade hin, dann schüttelte er seinen Jackenärmel, damit die Winkel glatt auflagen.
"Kann ich ihnen helfen?", fragte er.
"Ich möchte mit dem Polizeichef sprechen." Die Sprache des dicken Manns war deutlich und kultiviert. Jedes seiner Worte war so wohlklingend wie bei einem griechischen Nachrichtensprecher, und sein reiner Akzent verriet den Männern, dass er weder von ihren Inseln noch aus einem Umkreis von dreihundert Kilometern stammen konnte.
"Ich bin der Polizeichef." Der Mann im Schatten sprach leise, aber mit einem arroganten Unterton. Er zog die Beine unter seinen Stuhl und setzte sich ebenfalls gerade hin.
Der dicke Mann stieg über seine Reisetasche und durchquerte den Raum bis zu dem überladenen Schreibtisch. Dann streckte er die Hand aus. Seine manikürten Fingernägel waren eckig gefeilt, an den Spitzen geweißt und so poliert, dass sie beinahe undurchsichtig wirkten.
Er sagte: "Ich heiße Hermes Diaktoros. Man hat mich aus Athen hergeschickt, um sie bei der Untersuchung zum Tod von Irini Asimakopoulos zu unterstützen."
Der Wachtmeister neben der Tür ließ seinen Bleistift fallen. Er fiel klappernd zu Boden und rollte ein Stückchen auf die Tür zu, als wolle er fliehen.
Der Polizeichef, der sich gerade vorbeugte, um dem dicken Mann die Hand zu geben, hielt inne. Als der kleine Wachtmeister aufsprang, um seinen Stift aufzuheben, warf der Polizeichef ihm einen bösen Blick zu. Dann schüttelte er dem dicken Mann kräftig die Hand und schürzte die Lippen, als wolle er etwas sagen. Doch er schwieg.
Deshalb sprach der dicke Mann weiter: "Wahrscheinlich überrascht sie mein Name: Hermes Bote. Ein Scherz meines Vaters. Er war ein Kenner der Antike."
Der Polizeichef schwieg noch immer. Er hatte keine Ahnung, wovon der dicke Mann redete. Der Wachtmeister saß wieder auf seinem Stuhl und klopfte mit dem Bleistift auf den Schreibtisch.
"Und das hier sind meine geflügelten Sandalen." Der dicke Mann deutete auf seine Tennisschuhe und lächelte über seinen Witz. Schweigen."Entschuldigung", sagte der dicke Mann zum Polizeichef, "ich habe ihren Namen nicht verstanden."
Die anderen Männer sahen weiter zu.
Sie wurde heruntergelassen. Wegen der breiten Leinenschlinge auf Höhe ihrer Unterarme hing sie schräg in der Luft, die gespreizten Beine voran. Die jungen Soldaten waren bestürzt - wie sollten sie nach oben sehen, um nach ihr greifen zu können, ohne ihr dabei unter den Rock zu schauen? Schließlich sollten sie den nötigen Respekt aufbringen. Doch je tiefer sie herabgelassen wurde, desto mehr lenkte der aufgewirbelte Staub die Rekruten ab. Sie schnaubten sich Dreck aus der Nase und spuckten Sand auf die Straße, und als die Beine der Frau in Reichweite kamen, bemerkte dies keiner von ihnen. Der Mann am Seil schrie von oben: Fangt sie auf, ihr Idioten! Sie hörten ihn nicht. Dann hingen die Beine der Frau direkt vor ihren Augen, und ihr Problem verlagerte sich - es ging nicht mehr darum, ihr nicht unter den Rock zu sehen, sondern darum, irgendwann wieder an die Beine einer Frau denken zu können, ohne dabei diese hier vor sich zu sehen, ohne die herausragenden, zersplitterten Knochen schimmern zu sehen, den Fuß, der in einem unmöglichen Winkel zum Schienbein stand, die bläulichen Blutergüsse überall auf der gelblichen Haut, die großen purpurfarbenen Stellen auf den Rückseiten der Oberschenkel und Waden, wo sich das Blut gesammelt hatte.
Sie wappneten sich für die Berührung der toten Haut, dann fingen sie sie auf. Ihre nackten Arme waren kalt, mehr nicht. Als sie darangingen, den Gurt abzustreifen, fühlten sie sich ihrer Aufgabe gewachsen und waren zuversichtlich, das Schlimmste überstanden zu haben. Dann merkten die beiden Jungen am Kopfende, dass sie sich geirrt hatten: die Augen der Frau waren nicht geschlossen, wie sie gedacht hatten, sondern sie fehlten, sie waren aufgefressen worden. Mit einem Schrei zogen sie die Hände unter ihr weg. Ihr Kopf kippte nach hinten. Der Offizier, der sich in angemessener Entfernung aufgebaut hatte, formte mit den Lippen unhörbare Flüche, dann rannte er zu den würgenden Jungen und befahl sie zurück an ihren Platz. Er legte den beiden den Kopf der Frau zurück in die Hände, während die anderen sich abmühten, um sie aus dem Gurt zu befreien.
Es war geschafft. Der Offizier gab der Hubschrauberbesatzung ein Zeichen, die ihren Mann mit der Winde nach oben zog und abdrehte, aufwärts und Richtung Süden, auf das offene Meer zu.
Die Stille nach dem Abflug des Hubschraubers schien greifbar. Die Männer waren auf die plötzliche Ruhe nicht vorbereitet; sie husteten, traten ihre Zigaretten aus oder sahen sich um. Von ihnen wurde der nächste Schritt erwartet. Die Frau
war da, und jetzt? Die Rekruten hielten sie auf Hüfthöhe vor sich, mit abgewandten, verzerrten Gesichtern.
Während er auf den Armeeoffizier zuging, wischte sich der Polizeichef Staub vom Jackenärmel und fuhr sich glättend durchs Haar. Jetzt, da sich der Staub legte, verbreitete sich der abstoßende Geruch bis zu ihnen. Aus dem nichts tauchten Fliegen auf und setzten sich auf ihr Gesicht.
"Wer bringt sie runter?", fragte der Armeeoffizier. Er wusste um den Aberglauben der Leute, um die Überzeugungen und Tabus, die im Ort herrschten.
"Ich frag mal Lakis."
Lakis, den Kreter, den Außenseiter. Der für Geld jeden Job übernahm. Der Polizeichef winkte dem groß gewachsenen Mann mit dem schütteren Haar, der neben einem weißen Lieferwagen stand. Er deutete auf die Leiche, auf den Wagen und stellte mit einer Handbewegung in der stummen Sprache der Griechen seine Frage. Lakis neigte den Kopf. Ja.
Auf ein Signal des Armeeoffiziers hin taumelten die Rekruten zur Heckklappe und legten sie mit dem Gesicht nach oben auf die dreckige Ladefläche.
Der Polizeichef rief dem jungen Priester mit dem dichten Bart, der in seinem Talar auf einem Felsbrocken saß und eine dünne, achtlos gedrehte Zigarette rauchte, etwas zu. Der Priester stand auf und schnippte Asche von seinem Talar. Er ging hinüber zum Lieferwagen, betrachtete sie und langte dann über die Wagenseite, um ihre Arme über der Brust zu verschränken. Langsam hob er die Hand und schlug das dreifache Kreuzzeichen der orthodoxen Kirche. Mit gesenkten Köpfen bekreuzigten sich auch die Männer.
Lakis setzte sich hinter das Steuer. Mit gerafftem Talar stieg erst der Priester neben ihm ein und dann der Polizeichef. Langsam fuhren sie den Berg hinunter, und nach und nach folgten ihnen die Lastwagen, Autos und Jeeps der Suchmannschaft.
Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für Späße, aber als er den Gang einlegte, konnte Lakis sich eine rüde Bemerkung über ihren Geruch nicht verkneifen, und noch bevor sie die erste Kurve erreichten, waren der Kreter, der Priester und der Polizeichef in lautes Lachen ausgebrochen.
Eins
Es war früher Morgen und der Himmel düster verhangen.
Der raue Wind hatte das Meer zu einem trüben, sandigen Schlamm aufgewühlt. Die Räder des sich langsam vorwärtsarbeitenden Müllwagens ließen das Wasser aus den Regenpfützen der letzten Nacht spritzen; es lief durch verrostete Dachrinnen auf die Stufen der Nationalbank und tropfte auf die Tische des menschenleeren Fischmarkts. Auf der Terrasse des Cafés fegte eine Frau in gebückter Haltung feuchte Platanenblätter zusammen, während vom Kirchturm eine einzelne Glocke zur Messe rief. Die schaukelnden kleinen Boote an den Ankerplätzen zerrten an ihren Tauen. Jenseits der Landspitze verlor sich das Tuten der näher kommenden Fähre in den starken Regengüssen.
Auf dem Oberdeck lehnte an der hinteren Reling ein Fremder, ein dicker Mann. Er stand dort, seit man in der Dämmerung das dunkle Meer erkennen konnte, beobachtete die schäumende Bugwelle, die anstieg und abflachte, und wartete darauf, dass sein Zielort in Sichtweite kam. Ab und zu holte er ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche seines flatternden Regenmantels und rauchte; die Zigaretten brannten in dem böigen Wind rasch herunter. Bei jedem Schiff, das er sah, hob er freundlich die Hand, als würde er es kennen.
Als die Fähre anlegte, schloss er sich nicht der kleinen Menschenmenge an, die unten ungeduldig darauf wartete, dass die Rampe heruntergelassen wurde, sondern blieb oben stehen und beobachtete, wie die Passagiere auf den Kai drängten.
Ein Besatzungsmitglied, das mit einem Schraubendreher im Innenleben einer Ankerwinde herumstocherte, rief ihm zu:
"Endstation, Kumpel."
Der dicke Mann lächelte.
"Dann auf Wiedersehen", sagte er, hob seine Reisetasche auf und ging über die Eisentreppe hinunter auf den Kai.
Ein Stückchen abseits suchte er unter dem Vordach einer Metzgerei Zuflucht vor dem Regen. Es roch nach Blut und Chlorbleiche. Die Menschenmenge löste sich auf, die Leute begrüßten und verabschiedeten sich, sie nahmen ihre zugeschnürten Koffer mit, ihre Tüten voller Lebensmittel, ihre ungezogenen Kinder und ihre Obstkörbe. Dann waren die Menschen verschwunden, und er blieb allein zurück.
Er trat aus dem Schutz des Vordachs in den regen hinaus.
Zuerst wusste er nicht genau, wo er sie suchen sollte, aber sie verrieten sich. Am Ende des Hafens stand im Windschatten der hohen Ufermauer ein Dutzend unordentlich geparkter Fahrzeuge, und fast versteckt zwischen ihnen auch ein Wagen mit ihrem charakteristischen Zeichen. Als er näher kam, konnte er die weiße Schrift deutlich lesen: Astinomia. Polizei.
Die Steinfassade des Gebäudes zu seiner linken war mit blassen Windenblüten überwuchert, und inmitten ihrer ranken, verborgen unter dem Laub, fand er ihren Schriftzug - Polizei - und einen Pfeil, der nach oben wies, eine lange, schmale Steintreppe hinauf.
Der dicke Mann lief leichtfüßig die Treppe hoch bis zu einer schweren Tür ohne Beschriftung. er öffnete sie und ging hinein.
Ihr Büro war weitläufig und nüchtern. Die hohe Decke zierte kunstvoller Stuck, aber die unlackierten Holzdielen waren nackt und mit flachgehämmerten Drahtstiften gespickt, als wäre ein Bodenbelag, vielleicht ein Teppich oder Linoleum, herausgerissen und nicht ersetzt worden. Vielleicht waren sie erst gestern eingezogen oder wollten morgen gehen, oder vielleicht waren sie auch schon seit Jahren hier, und es kümmerte sie nicht oder fiel ihnen nicht auf, dass die gesprungenen Scheiben der hohen, schmalen Fenster mit Blick auf das Meer keine Fensterläden hatten, dass die nackte Glühbirne ohne Lampenschirm an einer langen Schnur im Luftzug der Tür pendelte und dass es weder Aktenschränke gab noch Verfahrenshandbücher, weder Poster noch Notizen an den farblosen Wänden und auch keine Stühle, auf die sich Besucher setzen konnten, wenn sie Beschwerden vortragen wollten.
Er stand in der Mitte des Raums und stellte seine Reisetasche vorsichtig ab, als enthielte sie etwas Zerbrechliches. Die drei Polizisten beobachteten ihn stumm, wie einen unerwünschten Eindringling, der sie im entscheidenden Moment einer privaten Unterhaltung gestört hatte. Neben der Tür saß ein kleingewachsener Mann hinter einem einfachen Schreibtisch mit Stahlplatte (in seiner übergroßen Uniform wirkte er noch winziger) und klopfte mit der Spitze eines stumpfen, angekauten Bleistifts auf die Tischplatte, wodurch er die anhaltende Stille mit einem getragenen Rhythmus unterlegte. Sein Blick wanderte von dem dicken Mann zur Tür, als hätte er vor, bei erster Gelegenheit zu verschwinden; die Gegenstände auf seinem Schreibtisch - ein Hefter, ein Stempelkissen und ein Stempel, mehr nicht - ließen nicht vermuten, dass ihn etwas an diesen Ort band. Ihm gegenüber stützte ein bulliger Mann mit massigem Schädel, breitem Kinn, dichtem weißem Haar und skurrilen dunklen Augenbrauen die Ellbogen auf einen ähnlichen Schreibtisch, der auch ähnlich leer war: Außer drei Kugelschreibern mit sorgfältig aufgesetzter Kappe und zwei geöffneten Briefumschlägen stand dort nur ein uraltes Bakelit-Telefon, dessen geflochtene Schnur zwischen seinen Füßen hinunter und durch ein Bohrloch in der Fußleiste hinter ihm verlief. Seine rot glänzenden, schlaffen Lippen ließen ein schwerfälliges und begriffsstutziges Wesen vermuten. Als der dicke Mann hereinkam, rutschte er auf dem Stuhl herum, so dass sein Jackenärmel, auf den mit Silberfaden seine Polizeimeister-Winkel gestickt waren, nach vorn zeigte, in Richtung des dicken Mannes, um seinen Rang unübersehbar zu präsentieren.
Am anderen Ende des Raums, so weit vom Fenster entfernt, dass sein Platz im Schatten lag, saß der dritte. Er hatte die schlanken Beine an den Knöcheln übereinandergeschlagen und streckte sie unter einem wuchtigen, antiken Schreibtisch hervor, dessen schmale Schubladen auf beiden Seiten mit Messinggriffen und winzigen Schlössern versehen waren. Links und rechts auf dem Schreibtisch stapelten sich Papiere - Aktenordner, Formularvordrucke, ausgefüllte Formulare in zwei- und dreifacher Ausfertigung, Genehmigungsanträge, Strafzettel, Ordnungswidrigkeitsbescheide, Vorladungen, Prozesslisten, Memos, Briefe, Visitenkarten, engzeilige Computerausdrucke -, und auf dem Boden neben seinen Füßen waren weitere Aktenordner aufgestapelt, auf deren Rücken Daten, Nummern oder Namen standen. In der Mitte des Tisches lag auf dem verschlissenen, goldgeprägten Leder eine einzelne Akte; sie war geschlossen und handschriftlich mit einem Namen in dicken schwarzen Großbuchstaben versehen worden: ASIMAKOPOULOS. Und wie eine Ratte, die aus einem Loch sieht, beobachtete der Polizist zwischen seinen Papierstapeln hindurch den dicken Mann; auf seinem Gesicht, das im Schatten unnatürlich blass wirkte, hob sich das tiefe schwarz der zusammengekniffenen Augen und des gestutzten Schnurrbarts deutlich ab, wie eine Tintenzeichnung auf weißem Papier.
Aus seinen dunklen Augen musterte er den dicken Mann von oben bis unten, betrachtete seine korpulente Gestalt und bewunderte den Anzug - sowohl den Schnitt, der seiner Figur schmeichelte, als auch den Stoff, ein feines, graues Mohair von so guter Qualität, dass es bei jeder Bewegung des dicken Manns lavendelblau schimmerte. Wohlwollend nahm er das Sportshirt zur Kenntnis, das der dicke Mann unter seinem Jackett trug - es war dunkelviolett und hatte ein kleines, grünes Krokodil auf der linken Brust. Außerdem fiel ihm auf, dass der Mann einen italienischen Ledergürtel trug. Aber die grauen Locken waren zu lang, und die auffällige Brille unmodern. Und seine Schuhe, seine Schuhe waren unerhört. Denn wer außer einem Exzentriker würde zu einem so wunderbaren Maßanzug Tennisschuhe tragen - altmodische weiße Leinenschuhe?
Der dicke Mann blickte alle der Reihe nach an und lächelte.
Der Polizeimeister setzte sich gerade hin, dann schüttelte er seinen Jackenärmel, damit die Winkel glatt auflagen.
"Kann ich ihnen helfen?", fragte er.
"Ich möchte mit dem Polizeichef sprechen." Die Sprache des dicken Manns war deutlich und kultiviert. Jedes seiner Worte war so wohlklingend wie bei einem griechischen Nachrichtensprecher, und sein reiner Akzent verriet den Männern, dass er weder von ihren Inseln noch aus einem Umkreis von dreihundert Kilometern stammen konnte.
"Ich bin der Polizeichef." Der Mann im Schatten sprach leise, aber mit einem arroganten Unterton. Er zog die Beine unter seinen Stuhl und setzte sich ebenfalls gerade hin.
Der dicke Mann stieg über seine Reisetasche und durchquerte den Raum bis zu dem überladenen Schreibtisch. Dann streckte er die Hand aus. Seine manikürten Fingernägel waren eckig gefeilt, an den Spitzen geweißt und so poliert, dass sie beinahe undurchsichtig wirkten.
Er sagte: "Ich heiße Hermes Diaktoros. Man hat mich aus Athen hergeschickt, um sie bei der Untersuchung zum Tod von Irini Asimakopoulos zu unterstützen."
Der Wachtmeister neben der Tür ließ seinen Bleistift fallen. Er fiel klappernd zu Boden und rollte ein Stückchen auf die Tür zu, als wolle er fliehen.
Der Polizeichef, der sich gerade vorbeugte, um dem dicken Mann die Hand zu geben, hielt inne. Als der kleine Wachtmeister aufsprang, um seinen Stift aufzuheben, warf der Polizeichef ihm einen bösen Blick zu. Dann schüttelte er dem dicken Mann kräftig die Hand und schürzte die Lippen, als wolle er etwas sagen. Doch er schwieg.
Deshalb sprach der dicke Mann weiter: "Wahrscheinlich überrascht sie mein Name: Hermes Bote. Ein Scherz meines Vaters. Er war ein Kenner der Antike."
Der Polizeichef schwieg noch immer. Er hatte keine Ahnung, wovon der dicke Mann redete. Der Wachtmeister saß wieder auf seinem Stuhl und klopfte mit dem Bleistift auf den Schreibtisch.
"Und das hier sind meine geflügelten Sandalen." Der dicke Mann deutete auf seine Tennisschuhe und lächelte über seinen Witz. Schweigen."Entschuldigung", sagte der dicke Mann zum Polizeichef, "ich habe ihren Namen nicht verstanden."
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Autoren-Porträt von Anne Zouroudi
Anne Zouroudi, im rauen Nordengland geboren und aufgewachsen, hat sich schon immer gewünscht, auf einer sonnenbeschienenen griechischen Insel zu leben. Doch erst nach Jahren der Arbeit an der Wall Street erfüllte sie sich ihren Lebenstraum und ging nach Griechenland. Die Liebe zum mediterranen Süden inspiriert sie noch heute zu ihren Romanen, obwohl sie inzwischen mit ihrem Sohn wieder in England, im Derbyshire s Peak District, lebt.Eva Kemper studierte in Düsseldorf Literaturübersetzen und wohnt und arbeitet in Hattingen/Ruhr. Zu ihren Übersetzungen aus dem Englischen gehören u. a. Werke von Peter Carey, Sara Gruen und Junot Díaz.
Bibliographische Angaben
- Autor: Anne Zouroudi
- 2007, 1, 347 Seiten, Maße: 14,4 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Pociao; Kemper, Eva
- Übersetzer: Pociao, Eva Kemper
- Verlag: Page & Turner
- ISBN-10: 3442203244
- ISBN-13: 9783442203246
Rezension zu „Der Fremde aus Athen “
¿Ein Krimi als wunderbares Märchen¿
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