Der hellste Tag
Wie Wünsche wahr werden. Voller Poesie und mit wunderschönen Farbillustrationen erzählt dieses Buch von der Reise eines ungleichen Paares. Und vom Wertvollsten, das wir von denen lernen können, die ihr Leben ausgekostet haben. Bevor seine Lebensuhr abläuft,...
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Buch
Produktdetails
Produktinformationen zu „Der hellste Tag “
Wie Wünsche wahr werden. Voller Poesie und mit wunderschönen Farbillustrationen erzählt dieses Buch von der Reise eines ungleichen Paares. Und vom Wertvollsten, das wir von denen lernen können, die ihr Leben ausgekostet haben. Bevor seine Lebensuhr abläuft, hat Joseph noch einen letzten großen Wunsch: Er, der immer viel gereist ist und die Welt entdeckt hat, möchte einmal eine totale Sonnenfinsternis erleben. Josephs Enkelin Sarah will ihm seine Bitte erfüllen. Gegen den Rat der Ärzte und den Widerstand von Sarahs Eltern brechen die beiden zu einer Tour durch Australien auf. Josephs Zustand wird täglich kritischer. Immer häufiger kommen die Erinnerungen an seine Jugend, an Hoffnungen und Verluste und das Glück der einen großen Liebe. Nie hätte Sarah gedacht, wie sehr die Reise mit ihrem sterbenskranken Großvater ihr Leben verändern könnte. Doch als er ihr schließlich sein Tagebuchanvertraut, sind beide bereit für die wichtigste Lektion...
Klappentext zu „Der hellste Tag “
Voller Poesie und mit wunderschönen Farbillustrationen erzählt dieses Buch von der Reise eines ungleichen Paares - und vom Wertvollsten, das wir von denen lernen können, die ihr Leben ausgekostet haben.Bevor seine Lebensuhr abläuft, hat Joseph noch einen letzten großen Wunsch: Er, der immer viel gereist ist und die Welt entdeckt hat, möchte einmal eine totale Sonnenfinsternis erleben. Josephs Enkelin Sarah, eigentlich eine passionierte Fotografin, die längst in der Routine ihres Büroalltags gefangen ist, will ihm seine Bitte erfüllen. Gegen den Rat der Ärzte und den Widerstand von Sarahs Eltern brechen die beiden zu einer Tour durch Australien bis an die Südküste auf. Josephs Zustand wird täglich kritischer, und immer häufiger kommen die Erinnerungen an seine Jugend, an Hoffnungen und Verluste und das Glück der einen großen Liebe. Nie hätte Sarah gedacht, wie sehr die Reise mit ihrem sterbenskranken Großvater ihr Leben verändern könnte. Doch als er ihr schließlich sein Tagebuchanvertraut, sind beide bereit für die wichtigste Lektion.
Lese-Probe zu „Der hellste Tag “
Peter O'ConnorDer hellste Tag
Wie Wünsche wahr werden
Der alte Mann lag erschöpft in seinem Bett. Er verzog das Gesicht und schirmte die Augen ab, als das Neonlicht über ihm flackerte und surrte und stechende Schmerzen durch seinen Kopf jagte. Die Nebenwirkungen der Medikamente, die seine Krankheit bekämpfen sollten, waren weitaus schmerzhafter als die Symptome der Krankheit selbst und hatten ihn an die Grenzen dessen gebracht, was er aushalten konnte. Er biß die Zähne zusammen, als die Übelkeit in ihm aufstieg.
Als sie schließlich nachließ, holte er zitternd Luft. Er beschloß, die Medikamente nicht länger einzunehmen, auch wenn sie den Fortgang seiner Krankheit verlangsamten. Inzwischen war ihm Lebensqualität viel wichtiger geworden als Lebenszeit.
Der Krebs, der seinen Körper zerstörte, hatte ihn innerhalb von nur fünf Monaten von einem vitalen, tatkräftigen Mann zu einem Schatten seiner selbst werden lassen. Er wußte, daß er bald sterben würde, aber er verspürte keine Bitterkeit. Fotografien aus seinem Leben umgaben ihn, schlossen ihn in einen Kokon warmer Erinnerungen ein, wo die Melancholie und Verzweiflung angesichts seiner Erkrankung ihn nicht erreichen konnten.
Er verzog die schmalen, ausgetrockneten Lippen zu einem Lächeln, als er sich an seine vielen Abenteuer erinnerte und an die guten Freunde, die er auf seinen Reisen nah und fern gewonnen hatte. Er dachte an seine Frau, die vor einigen Jahren gestorben war, und ein Ausdruck von Zärtlichkeit glättete seine runzeligen Gesichtszüge. Er hatte ein langes Leben gehabt, und insgeheim hatte er seiner Frau versprochen, daß sie bald wieder vereint wären - für immer.
Da ihm körperliche Aktivitäten versagt waren, beschränkte sich der alte Mann darauf, einen Großteil des Tages ein abgenutztes ledergebundenes Tagebuch an seine Brust zu drücken. Gefüllt mit den Einsichten und Erfahrungen, die er während eines ganzen Lebens gesammelt hatte, war es ein untrennbarer Teil von ihm, fast wie seine Arme
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oder Beine. Mit jedem Wort innig vertraut, gebrauchte er es als Richtschnur durchs Leben, maß sich selbst stets an den Idealen und Werten, die es von ihm verlangte.
An der Wand zu seiner Linken hingen Fotos von ihm selbst als junger Mann, darauf grinste er draufgängerisch und voller Stolz in seiner flotten neuen Armeeuniform mit dem dazugehörigen breitkrempigen Hut. Er war kaum dem Knabenalter entwachsen gewesen, hatte jedoch bereits als Mann genug gegolten, um im Zweiten Weltkrieg zu kämpfen. Doch erst im scheinbar undurchdringlichen tropischen Regenwald von Neuguinea, im Hexenkessel von Furcht und Tod, war er tatsächlich zum Mann geworden. In den acht entsetzlichen Monaten, die er dort verbracht hatte, hatte er den echten Wert des Lebens kennengelernt, das er bislang immer als selbstverständlich angesehen hatte, und ihm war klargeworden, welch ein Verlust es war, das Leben an irgend etwas zu verschwenden, was uns davon abhielt, wirklich zu leben.
Er öffnete nun das Tagebuch und blickte auf das fleckige und verknitterte Stück Papier, das er in seiner Jugend auf die erste Seite geklebt hatte. Die Schrift war inzwischen fast zur Unleserlichkeit verblaßt, aber er brauchte diese Zeilen nicht zu lesen, um zu wissen, was dort stand. Behutsam und mit leicht zitternden Fingern strich er über das Erinnerungsstück, schloß die Augen und flüsterte die Worte vor sich hin. Er hatte sie in seinem Leben schon viele Male wiederholt; sie waren das letzte Vermächtnis eines Mannes, der sein Freund gewesen und seit langem tot war.
Die Augen des alten Mannes wurden feucht, und mit einem Seufzer schloß er das Buch wieder. Trotz seiner Anstrengungen, in der Gegenwart zu verweilen, passierte es jetzt immer häufiger, daß die Vergangenheit ihn überwältigte, und er spürte, wie er auf einem Meer von Erinnerungen davontrieb, zurück in eine längst vergangene Welt.
Er wußte, daß die Zeit kommen würde, in der er aus der süßen Lethargie, die ihn mit der Stimme seiner geliebten Frau lockte, nicht mehr erwachte. Er hatte keine Angst vor dem Sterben. Die hatte er vor vielen Jahren verloren, doch jetzt, wo seine Zeit nahe war, betete er um die Kraft für ein allerletztes Vorhaben.
Während die Bilder und Eindrücke der Vergangenheit stärker wurden, hielt sich ein einziger besorgter Gedanke zwischen all den Traumbildern. Warum war seine Enkelin noch nicht gekommen? Ihrer beider Zukunft hing davon ab.
[...]
"Großvater, alles in Ordnung?"
Um ihre offensichtliche Besorgnis zu zerstreuen, lächelte er sie an und tätschelte ihre Hand. "Alles in Ordnung, mein Kind. Es war nur der Traum eines alten Mannes."
Fünf Monate lang hatte er das wahre Ausmaß der Krankheit vor seiner Familie verheimlicht. Nicht, weil er sie täuschen wollte. Er wußte nur einfach, daß er keine verstohlen-mitleidigen Blicke oder leeren Platitüden aus den Mündern seiner Liebsten ertragen würde. Er hatte jene Unglücklichen gesehen, deren Körper sich weigerten zu sterben oder die durch Maschinen am Leben erhalten wurden, weil trauernde Familienangehörige nicht loslassen konnten. Er hatte gesehen, wie sie ausdruckslos auf Dinge starrten, die nur sie sehen konnten, die Münder offen, kaum mehr am Leben. Unfähig zu lachen oder zu lieben, zu denken oder wenigstens sich zu erinnern.
Seit der Zeit, als er angefangen hatte, sein Leben selbst zu bestimmen, hatte er es geliebt, zu leben. Die Vorstellung, es auf eine solche Weise zu beenden, erfüllte ihn mit Furcht und Entsetzen. Der bloße Gedanke an das, was ihn möglicherweise erwartete, wenn er hierblieb, bestärkte seinen Vorsatz, so bald wie möglich von hier wegzugehen.
Als er seine Enkelin anschaute, sah er in ihr seine Hoffnung für sie beide.
Er küßte sie geräuschvoll auf die Wange, wie er es immer getan hatte, als sie klein war, um ihr ein Lächeln zu entlocken, und bedeutete ihr, den Stuhl näher zu rücken, damit er nicht die Stimme heben mußte. Sie sprachen über Nebensächlichkeiten und umgingen geschickt das Thema seines Gesundheitszustandes. Doch als er sah, wie ihr Tränen in die Augen stiegen, nahm er ihre Hand. "Wir alle sterben irgendwann, mein Kind", sagte er leise, "aber es kommt darauf an, wie gut wir leben, nicht wie lange. Und ich hatte das große Glück, sowohl lange als auch gut zu leben. Ich bedauere nichts."
Es folgte ein längeres Schweigen, während sie auf die vertrauten Fotos an den Wänden blickte. Ihr Großvater schien sämtliche Kontinente bereist und erforscht zu haben. Als sie all diese Fotos nebeneinander sah, wurde ihr zum erstenmal klar, welch ein bemerkenswerter Mann er war und wie außergewöhnlich sein Leben gewesen sein mußte. Sie hatte ihn immer mit den Augen eines Kindes betrachtet und ihn einfach als einen alten Mann wahrgenommen, ohne zu erkennen, welch reicher Schatz an Erfahrungen sich hinter den Falten verbarg, die sein Gesicht überzogen. Beim Betrachten des letzten Fotos nickte sie schließlich mit dem Gefühl, den alten Mann vor sich etwas besser zu verstehen.
"Gibt es eigentlich irgend etwas, was du nicht getan hast, Großvater?" fragte sie lächelnd.
"Aber natürlich gibt es das. Wer könnte jemals wirklich alles tun, was er gern möchte?" erwiderte er betont heiter.
Sarah blickte wieder auf die Fotos und dachte über diese Antwort nach. Sie selbst hatte nichts von all dem versucht, was ihr Großvater geschafft hatte. Ihr war noch nicht einmal der Gedanke gekommen, es zu probieren. Allein der tägliche Existenzkampf und das Schritthalten mit ihrem hektischen Leben schienen all ihre Energie zu beanspruchen. Sie wußte, daß sie für derlei Dinge keine Zeit hätte, zumindest noch eine ganze Weile nicht - nicht, wenn sie Erfolg haben wollte.
Als ihr Großvater wieder sprach, war sein Ton ernst geworden. "Aber es gibt noch etwas, was ich tun möchte, bevor mein Leben zu Ende ist, und ich möchte, daß du mir dabei hilfst." Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern deutete auf eine Zeitung, die auf seinem Nachtkästchen lag. "Gib mir doch bitte diese Zeitung." Neugierig geworden, reichte Sarah sie ihm.
Er blätterte sie schnell durch, bis er fand, was er suchte, und nahm eine Seite heraus. Nachdem er sie sorgfältig gefaltet hatte, reichte er sie seiner Enkelin und sah ihr erwartungsvoll beim Lesen zu.
TOTALE SONNENFINSTERNIS IN SÜDAUSTRALIEN
In drei Wochen, am 4.Dezember 2002, werden in dem ruhigen Küstenort Ceduna geschätzte 20000 Besucher erwartet. Von überall im Land und aus der ganzen Welt werden Menschen anreisen, um Zeugen der ersten totalen Sonnenfinsternis seit 26 Jahren zu sein, die in Australien zu sehen ist. Die Sonnenfinsternis wird insgesamt ca. zwei Stunden andauern, wobei die Dauer der totalen Sonnenfinsternis jedoch nur 33 Sekunden betragen wird.
Sobald die Sonne völlig bedeckt ist, werden die Betrachter in der Lage sein, ihre Korona zu sehen - die strahlenförmige Schicht der Sonnenatmosphäre, die die Sonne kranzartig umgibt. Das weiteren kann man sogenannte Protuberanzen erkennen, große Gaswolken, die am Sonnenrand als helle Erscheinung oder auf der Sonnenscheibe als dunkle Fäden sichtbar sind ...
"Wie soll ich dir denn dabei helfen?"
"Viermal in meinem Leben bin ich an Orte gereist, an denen man eine totale Sonnenfinsternis sehen konnte. Und jedesmal haben dichte Wolken die Sicht behindert." Er deutete auf den Artikel und sagte: "Das ist meine letzte Chance, etwas zu sehen, was ich mir mein ganzen Leben gewünscht habe, und diesmal will ich mir es nicht entgehen lassen."
An der Wand zu seiner Linken hingen Fotos von ihm selbst als junger Mann, darauf grinste er draufgängerisch und voller Stolz in seiner flotten neuen Armeeuniform mit dem dazugehörigen breitkrempigen Hut. Er war kaum dem Knabenalter entwachsen gewesen, hatte jedoch bereits als Mann genug gegolten, um im Zweiten Weltkrieg zu kämpfen. Doch erst im scheinbar undurchdringlichen tropischen Regenwald von Neuguinea, im Hexenkessel von Furcht und Tod, war er tatsächlich zum Mann geworden. In den acht entsetzlichen Monaten, die er dort verbracht hatte, hatte er den echten Wert des Lebens kennengelernt, das er bislang immer als selbstverständlich angesehen hatte, und ihm war klargeworden, welch ein Verlust es war, das Leben an irgend etwas zu verschwenden, was uns davon abhielt, wirklich zu leben.
Er öffnete nun das Tagebuch und blickte auf das fleckige und verknitterte Stück Papier, das er in seiner Jugend auf die erste Seite geklebt hatte. Die Schrift war inzwischen fast zur Unleserlichkeit verblaßt, aber er brauchte diese Zeilen nicht zu lesen, um zu wissen, was dort stand. Behutsam und mit leicht zitternden Fingern strich er über das Erinnerungsstück, schloß die Augen und flüsterte die Worte vor sich hin. Er hatte sie in seinem Leben schon viele Male wiederholt; sie waren das letzte Vermächtnis eines Mannes, der sein Freund gewesen und seit langem tot war.
Die Augen des alten Mannes wurden feucht, und mit einem Seufzer schloß er das Buch wieder. Trotz seiner Anstrengungen, in der Gegenwart zu verweilen, passierte es jetzt immer häufiger, daß die Vergangenheit ihn überwältigte, und er spürte, wie er auf einem Meer von Erinnerungen davontrieb, zurück in eine längst vergangene Welt.
Er wußte, daß die Zeit kommen würde, in der er aus der süßen Lethargie, die ihn mit der Stimme seiner geliebten Frau lockte, nicht mehr erwachte. Er hatte keine Angst vor dem Sterben. Die hatte er vor vielen Jahren verloren, doch jetzt, wo seine Zeit nahe war, betete er um die Kraft für ein allerletztes Vorhaben.
Während die Bilder und Eindrücke der Vergangenheit stärker wurden, hielt sich ein einziger besorgter Gedanke zwischen all den Traumbildern. Warum war seine Enkelin noch nicht gekommen? Ihrer beider Zukunft hing davon ab.
[...]
"Großvater, alles in Ordnung?"
Um ihre offensichtliche Besorgnis zu zerstreuen, lächelte er sie an und tätschelte ihre Hand. "Alles in Ordnung, mein Kind. Es war nur der Traum eines alten Mannes."
Fünf Monate lang hatte er das wahre Ausmaß der Krankheit vor seiner Familie verheimlicht. Nicht, weil er sie täuschen wollte. Er wußte nur einfach, daß er keine verstohlen-mitleidigen Blicke oder leeren Platitüden aus den Mündern seiner Liebsten ertragen würde. Er hatte jene Unglücklichen gesehen, deren Körper sich weigerten zu sterben oder die durch Maschinen am Leben erhalten wurden, weil trauernde Familienangehörige nicht loslassen konnten. Er hatte gesehen, wie sie ausdruckslos auf Dinge starrten, die nur sie sehen konnten, die Münder offen, kaum mehr am Leben. Unfähig zu lachen oder zu lieben, zu denken oder wenigstens sich zu erinnern.
Seit der Zeit, als er angefangen hatte, sein Leben selbst zu bestimmen, hatte er es geliebt, zu leben. Die Vorstellung, es auf eine solche Weise zu beenden, erfüllte ihn mit Furcht und Entsetzen. Der bloße Gedanke an das, was ihn möglicherweise erwartete, wenn er hierblieb, bestärkte seinen Vorsatz, so bald wie möglich von hier wegzugehen.
Als er seine Enkelin anschaute, sah er in ihr seine Hoffnung für sie beide.
Er küßte sie geräuschvoll auf die Wange, wie er es immer getan hatte, als sie klein war, um ihr ein Lächeln zu entlocken, und bedeutete ihr, den Stuhl näher zu rücken, damit er nicht die Stimme heben mußte. Sie sprachen über Nebensächlichkeiten und umgingen geschickt das Thema seines Gesundheitszustandes. Doch als er sah, wie ihr Tränen in die Augen stiegen, nahm er ihre Hand. "Wir alle sterben irgendwann, mein Kind", sagte er leise, "aber es kommt darauf an, wie gut wir leben, nicht wie lange. Und ich hatte das große Glück, sowohl lange als auch gut zu leben. Ich bedauere nichts."
Es folgte ein längeres Schweigen, während sie auf die vertrauten Fotos an den Wänden blickte. Ihr Großvater schien sämtliche Kontinente bereist und erforscht zu haben. Als sie all diese Fotos nebeneinander sah, wurde ihr zum erstenmal klar, welch ein bemerkenswerter Mann er war und wie außergewöhnlich sein Leben gewesen sein mußte. Sie hatte ihn immer mit den Augen eines Kindes betrachtet und ihn einfach als einen alten Mann wahrgenommen, ohne zu erkennen, welch reicher Schatz an Erfahrungen sich hinter den Falten verbarg, die sein Gesicht überzogen. Beim Betrachten des letzten Fotos nickte sie schließlich mit dem Gefühl, den alten Mann vor sich etwas besser zu verstehen.
"Gibt es eigentlich irgend etwas, was du nicht getan hast, Großvater?" fragte sie lächelnd.
"Aber natürlich gibt es das. Wer könnte jemals wirklich alles tun, was er gern möchte?" erwiderte er betont heiter.
Sarah blickte wieder auf die Fotos und dachte über diese Antwort nach. Sie selbst hatte nichts von all dem versucht, was ihr Großvater geschafft hatte. Ihr war noch nicht einmal der Gedanke gekommen, es zu probieren. Allein der tägliche Existenzkampf und das Schritthalten mit ihrem hektischen Leben schienen all ihre Energie zu beanspruchen. Sie wußte, daß sie für derlei Dinge keine Zeit hätte, zumindest noch eine ganze Weile nicht - nicht, wenn sie Erfolg haben wollte.
Als ihr Großvater wieder sprach, war sein Ton ernst geworden. "Aber es gibt noch etwas, was ich tun möchte, bevor mein Leben zu Ende ist, und ich möchte, daß du mir dabei hilfst." Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern deutete auf eine Zeitung, die auf seinem Nachtkästchen lag. "Gib mir doch bitte diese Zeitung." Neugierig geworden, reichte Sarah sie ihm.
Er blätterte sie schnell durch, bis er fand, was er suchte, und nahm eine Seite heraus. Nachdem er sie sorgfältig gefaltet hatte, reichte er sie seiner Enkelin und sah ihr erwartungsvoll beim Lesen zu.
TOTALE SONNENFINSTERNIS IN SÜDAUSTRALIEN
In drei Wochen, am 4.Dezember 2002, werden in dem ruhigen Küstenort Ceduna geschätzte 20000 Besucher erwartet. Von überall im Land und aus der ganzen Welt werden Menschen anreisen, um Zeugen der ersten totalen Sonnenfinsternis seit 26 Jahren zu sein, die in Australien zu sehen ist. Die Sonnenfinsternis wird insgesamt ca. zwei Stunden andauern, wobei die Dauer der totalen Sonnenfinsternis jedoch nur 33 Sekunden betragen wird.
Sobald die Sonne völlig bedeckt ist, werden die Betrachter in der Lage sein, ihre Korona zu sehen - die strahlenförmige Schicht der Sonnenatmosphäre, die die Sonne kranzartig umgibt. Das weiteren kann man sogenannte Protuberanzen erkennen, große Gaswolken, die am Sonnenrand als helle Erscheinung oder auf der Sonnenscheibe als dunkle Fäden sichtbar sind ...
"Wie soll ich dir denn dabei helfen?"
"Viermal in meinem Leben bin ich an Orte gereist, an denen man eine totale Sonnenfinsternis sehen konnte. Und jedesmal haben dichte Wolken die Sicht behindert." Er deutete auf den Artikel und sagte: "Das ist meine letzte Chance, etwas zu sehen, was ich mir mein ganzen Leben gewünscht habe, und diesmal will ich mir es nicht entgehen lassen."
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Autoren-Porträt von Peter O'Connor
Peter O'Connor, geboren 1973 in Queensland/Australien, wurde nach dem Studium in Perth Pilot. Neben dem Fliegen snd Tauchen und Astronomie seine beiden großen Leidenschaften. Peter O'Connor lebt heute an der Südwestküste Australiens. "Der freie Flug des Adlers" ist sein erstes Buch.
Bibliographische Angaben
- Autor: Peter O'Connor
- 2004, 90 Seiten, teilweise farbige Abbildungen, Maße: 14,4 x 18,4 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Piper Taschenbuch
- ISBN-10: 349204591X
- ISBN-13: 9783492045919
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