Der Kick
Marinus Schöberl war 16 Jahre alt, als er von drei Kumpels gefoltert und durch einen »Bordsteinkick« zu Tode getreten wurde. Nachbarn hatten die Misshandlungen mit angesehen und über Monate geschwiegen. Dieser grausame Mord und seine furchtbaren Begleiterscheinungen rückten das uckermärkische Dorf Potzlow in die Schlagzeilen der internationalen Presse. In den Medien stand er sinnbildlich für rechtsradikale Gewalt und eine verrohte Gesellschaft in den fünf neuen Bundesländern.
Der Regisseur und Psychologe Andres Veiel wollte sich mit einfachen, raschen Antworten nicht begnügen. Viele Monate hat er in Potzlow und Umgebung recherchiert, hat Interviews mit den Tätern geführt, mit ihren Angehörigen und Bekannten gesprochen. Er zeichnet ein komplexes Bild von weit zurückreichenden Traumata und Gewalt, die bis heute unter einer dünnen Schicht von Bürgerlichkeit und Zivilisation in unserem Land virulent sind.
Der Regisseur und Psychologe Andres Veiel wollte sich mit einfachen, raschen Antworten nicht begnügen. Viele Monate hat er in Potzlow und Umgebung recherchiert, hat Interviews mit den Tätern geführt, mit ihren Angehörigen und Bekannten gesprochen. Er zeichnet ein komplexes Bild von weit zurückreichenden Traumata und Gewalt, die bis heute unter einer dünnen Schicht von Bürgerlichkeit und Zivilisation in unserem Land virulent sind.
"Mein Bruder fing dann an zu schreien: - Scheiße, wir haben einen umgebracht. - Er sprach auch davon, dass wir ihn verbuddeln müssen. Am Ausgang in Richtung Jauchegrube rechts stand ein Schaufelblatt ohne Stiel."
MARCEL SCHÖNFELD, WEGEN MORDES VERURTEILT
"Bedrückt war er, aber wir wussten nicht, woran das liegt. Wir sind zur Schule hin, haben gesagt, hier stimmt irgendwas nicht, und die haben immer gesagt, es ist alles in Ordnung. Wir haben ihn gefragt, was ist denn los? Er hat sich nicht geäußert, nie. Das war wie 'ne Wand."
JUTTA SCHÖNFELD, MUTTER DES TÄTERS
"Einmal Mörder, immer Mörder. Ich habe Hass, Wut und Verachtung für diese Bestien. Die verdienen kein anderes Wort. Die haben genau gewusst, was sie taten in ihrer Kaltblütigkeit."
BIRGIT SCHÖBERL , MUTTER DES OPFERS
• Eine beklemmende Fallstudie über eine entwurzelte Jugend, Rechtsradikalismus, deutsche Traumata und Gewalttraditionen
• Das Buch geht in seiner Recherche und Analyse weit hinaus über das erfolgreiche Theaterstück und den von der Presse gefeierten Film
• Inszenierungen an Theatern u.a. in Berlin, Bochum, Dresden, Hamburg, Köln, Leipzig, Moers, München und Oberhausen
Der Kick vonAndres Veiel
LESEPROBE
In der Nacht zum 13. Juli 2002 wurdeder sechzehnjährige Marinus Schöberl von demBrüderpaar Marco (dreiundzwanzig) und Marcel Schönfeld (siebzehn) sowie ihrem KumpelSebastian Fink (siebzehn) grausam misshandelt und schließlich von MarcelSchönfeld nach dem Vorbild des Bordsteinkicks aus dem Film »American History X« umgebracht. Obwohl es Zeugen und Mitwisser gab,blieb die Tat monatelang unentdeckt.
JuttaSchönfeld: AmDienstag, da ging es los. Man kennt ja das mit der Zeitung und Fernsehen undplötzlich is man das selbst. RBB, Stern TV, RTL, allewollten was erfahren, und der Polizist hat gesagt, alles abblocken. DieNachbarschaft, wenn du raus kommst, denn wird grad noch so gegrüßt, und danngehen sie wieder los.
Und abendssitzen wir dann hier, kriegen Anrufe, Mörder, Mörder. Denn hört man bloß einStöhnen im Hintergrund. Wir hatten so ne Angst gehabt, wir haben Bekannte angerufen,können wir bei Euch unterkommen? Die dann, wir rufen zurück, und dann haben siezurückgerufen. - Ja, tut uns leid, musst uns verstehen, das geht nich, geh in ein Hotel. - Ich sage: - Aber ein Hotel kost jaaber auch Geld. - Ich hab denn gesagt, man kann nich wegrennen,wir haben nischt gemacht, wir sind keine Mörder. -
Ich wusste,dass was passieren wird. Marco hat mich angerufen und gesagt, dass sie jetztlosziehen, Marcel und er, mit dem Sebastian. Am 12. Juli, in der Nacht. Ich warim Krankenhaus, da war Vollmond. Mir haben se ja Rückenmarkwasser gezogen, undda hab ich gedacht, ich muss nach Hause. Diese Unruhe, war so warm gewesen.
Birgit Schöberl: Am 12. Juli ist Marinus mal
Hat immerzu mir gesagt, wo er hingeht, weil er wusste, ich wollte es wissen. Ich kommeum die und die Zeit, oder ich schlafe im Bauwagen. Im Sommer ist das einkleines Abenteuer.
Er wurdeverhätschelt. Er wurde ja von seinen Schwestern geliebt. Er war eben das Küken.Marinus war nicht geplant, gefreut haben wir uns alle. Süßes Baby. Die Mädchen habenihn manchmal ins Bett mitgenommen. Er durfte jede Nacht bei neranderen schlafen. Man konnte ihm nicht böse sein, wenn er einen mit seinendunklen Augen angeguckt hat.
Er hattewohl Schulschwierigkeiten damals schon, aber, er hat sich Mühe gegeben, was erkonnte eben. Ich hab ihn dann runter genommen von der normalen Schule, nach derersten Klasse. Ich hab ihn nicht ausgeschimpft. Ich hab s versucht mit Reden,Marinus, du möchtest später mal die Fahrerlaubnis machen, da musst du lesen undschreiben können.
Und als erSonntag nicht kam, da habe ich Montag angerufen. Vielleicht hat er sein Handynicht geladen, oder er hat es ausgestellt. Oder er hat wieder mal die PIN vergessen.Wenn er kein Geld drauf hatte, dann hat er es mir eigentlich immer gesagt, hatein fremdes Handy genommen. Na ja, es sind Ferien, wer weiß, wo der ist. Dahabe ich mir auch direkt keine Sorgen so gemacht. In Potzlowist er aufgehoben, da kann ihm nichts passieren. Als er am Wochenende immernoch nicht da war, da war es mir mulmig. Und da bin ich Montag früh nach Templingefahren, um ihn als vermisst zu melden. Und dann passierte gar nichts.*
* AlleZitate von Birgit Schöberl stammen aus Interviews,die Gabi Probst vom Fernsehsender RBB 2003 mit ihr führte und die sie unsfreundlicherweise zur Verfügung stellte.
Verhörender:Verhör MarcelSchönfeld.
MarcelSchönfeld: Ichwurde an dieser Stelle belehrt, dass ich gegen meinen Bruder Marco das Rechtder Aussageverweigerung habe. Davon mache ich keinen Gebrauch.
Ich willdie volle Wahrheit sagen.
Verhörender:Familienname.
MarcelSchönfeld: Schönfeld.
Verhörender:Vorname.
MarcelSchönfeld: Marcel.
Verhörender:Geburtsort.
MarcelSchönfeld: Prenzlau/Uckermark.
Verhörender:Beruf.
MarcelSchönfeld: ohne,Azubi.
Verhörender:Geburtsdatum.
MarcelSchönfeld: 30. 3. 1985.
Verhörender:Ehrenämter.
MarcelSchönfeld: Was?
Verhörender:Schule.
MarcelSchönfeld: Abschlussder 8. Klasse der Gesamtschule in Gramzow.
Verhörender:Beschuldigtenvernehmung,18. 11. 02, 2.45 Uhr.
MarcelSchönfeld: Mit demGegenstand meiner heutigen Beschuldigtenvernehmung wurde ich vertraut gemacht. Übermeine Rechte als Beschuldigter wurde ich belehrt.
Mir wurdezu Beginn meiner Vernehmung mitgeteilt, dass ich im dringenden Verdacht stehe,an der Tötung eines Menschen beteiligt gewesen zu sein. Dazu kann ich folgendeAussage machen: Es ist richtig, dass ich dabei war, als eine Person zu Todekam.
Verhörender:Um wen handelt essich dabei?
MarcelSchönfeld: Eshandelt sich hierbei um Marinus Schöberl ausGerswalde.
Verhörender:Waren Sie an dieserHandlung allein beteiligt?
MarcelSchönfeld: Außermir waren noch mein Bruder Marco Schönfeld und Sebastian Fink beteiligt.
Verhörender:Schildern Siebitte, was passiert ist.
MarcelSchönfeld: Es warder 12. Juli 2002. Nachmittags kam mein Kumpel Sebastian mit dem Zug nachSeehausen. Mein Papa und ich haben ihn abgeholt.
Dann kammein Bruder Marco auf die Idee, nach Strehlow zu fahren, um dort Achim [Fiebranz] zu besuchen. Mein Bruder war erst neun Tagevorher aus der Haft entlassen worden. Die beiden kannten sich noch aus früherenZeiten. Wir holten einen Kasten Bier »Sternburger«.Der wurde dann durch die anwesenden Personen geleert. Nach ca. einer Stunde warder Kasten leer, und wir holten einen zweiten. Kurz zuvor kam Marinus Schöberl mit einem Fahrrad auf den Hof von Achim gefahren.
Achim Fiebranz: Geb ich ehrlich zu, ich hab die dritte Klassedrei Mal nachgemacht. Ich bin nach acht Jahren hier aus der Schule entlassenworden. Die anderen, die schlauer waren wie ich, die sind dann nach Warnitz gegangen. Und als Abschiedsgeschenk hab ich voneiner ganz lieben Lehrerin, meiner Geschichtslehrerin, nenBuch gekriegt von damals, aus der Steinzeit, Bogen bauen, Fallen stellen,Vogelfallen stellen, und wat die damals alles gemacht haben und aus Binsen:Boote bauen, immer Binse an Binse. Und dat wollt ichallen beibringen, sind wir zur Muschelstelle gefahren. Weißte, wer amschlausten gewesen ist, am schnellsten kapiert hat? Detwar Marinus, und Nancy hat gleich abgekiekt. Na und dann die anderen hinterher.Dann von unten wieder zusammen getüdelt, und dannwurde det richtig so n Indianerkahn. Mann, ich habfast zwanzig Dinger mit de Kinder gebaut in der Woche. Au, die paddeln, dieDinger gehen nich unter und die haben sich gefreut,die Kinder haben sich gefreut, det war ne richtigeKanu-Flotte gewesen bei uns da unten!
Nancy undMarinus, die haben allet zusammen gemacht. Und dannsind sie bei mir öfters gewesen. Da warn se schon so fünfzehn, sechzehn. Wennich wusste, die kommen, hab ich mein Ehebett bloß an die Wand geschoben, Deckerüber geschmissen und dann konnten se da drinnemachen, was se wollten und ich hab mit Sieglinde meine Wohnstube gehabt, konnt ich Fernseh kieken und was willste denn machen als Arbeitsloser? Den Marinus hat dieNancy noch nicht überlebt, die waren fast sechs Jahre zusammen als Freunde unddann waren se fast en Jahr verlobt. Und dann aufeinmal det. Da möchte ich mal sehen, det steckt kener weg. Sie hat zwar en Freund von Berlin jetze, aber die hört sich jeden Abend die Gespräche an, watse aufm Handy gekriegt hat von Marinus, hat sie alles gespeichert. Ihr Bruder,der Patrick, hat oft genug gesagt - der hat detZimmer neben ihr -, Papa, ich halt det nich aus, darf ich bei Oliver im Zimmer schlafen, Nancyheult schon wieder wie ne Sau, sind ja bloß so ne dünnen Wände.
Ich könnt,wenn die Brüder mir jetzt in die Pfoten lofen würden,ich könnt mit nem Kopp den Balken einreißen, um diezu erwischen, wenn sie da vorne stehen würden jetzt, kannste glauben.
An demAbend, als die den Marinus da tot gemacht ham, dahaben wir unten gesessen, in der alten Brennerei, haben gequatscht unter demSchleppdach da. Det waren Nachbarn, waren bei mirgewesen, haben wir enen gezwitschert. Da kamen dannMarco, Marcel und Sebastian an. Den kannte ich nicht. Und später dann derMarinus. An dem Abend, wir haben Karten gespielt, und mit einem Mal fing Marcoan zu stänkern. Bei mir in der Wohnung wird Karten gespielt, »Mensch ärgeredich nicht« gespielt, und mein Hund bellt da draußen auch, ist ja mein Baby, undgestänkert und geschlagen wird bei mir nicht. Na ja, ich hab auch schon leichteinen weg gehabt. Hab ich gesagt, ich will noch en bisschen Fernsehkieken, ich sag, nu is Ritze! Wir haben noch das Bierausgesoffen. Marinus, er hat zu mir gesagt, Achim, hast du eine Zigarette fürmich. Und da habe ich zu Marinus gesagt, du, das ist meine letzte. Da habe ichgesagt, ich stecke sie mir an, tun wir uns beide teilen. Und dann bin ich mitihm auf die Treppe gegangen. Haben wir uns die Kippe geteilt, ein paar Züge. Det war denn so seine Henkerszigarette, kann man sagen.
Staatsanwalt:Wenn man sichanhört, was die Jugendlichen da für ein Umfeld haben. Die sitzen mit diesen alkoholkrankenMenschen unter dem sogenannten Schleppdach undsaufen. Was die da reden, weiß ich nicht. Es wird darum gestritten, wer vonwelchem Schnaps was abgebissen hat, und wer wie viel abgekriegt hat. Also, dawird einem ganz anders. Da kann man natürlich fragen, wo waren die Eltern,warum lassen die ihre Kinder da sitzen? Und wenn man dann diese traurigenGestalten da gesehen hat vor Gericht. Ein Zeuge nach dem anderen, frühere Rinder-oder Schweinezüchter und dann arbeitslos, alle dem Alkohol verfallen. Die dannda sitzen, allen Ernstes erklären, sie können sich nicht erinnern, weil sie so alkoholgeschädigtsind. Dann irgendwas erzählen, noch lügen oder mauern: Haste nix gesehen,musste auch nix sagen - obwohl manche bei den Quälereien von Marinus dabeiwaren. Und nichts unternommen haben. Die haben nicht sagen können, wir habenein schlechtes Gewissen, oder es tut uns leid. Da kam nichts.
Dem Dorffehlt der zivilisatorische Standard. Man kümmert sich nicht umeinander. Es hatkeinen belastet, den Rucksack, das Handy und das Fahrrad von Marinus zu finden.Keiner hat etwas getan.
MatthiasMuchow: Ich frag mich immer noch: Warum isMarinus nicht abgehauen?
Ich denkmal, den haben se wirklich so lange abgefüllt, bis sie den schleifen mussten.Denn ansonsten, ich weiß es nicht.
Ich hab denMarinus und die Schönfeldbrüder mit dem Sebastian kurz vorher getroffen. Bevorsie zu dem Fiebranz da hingegangen sind. Zwei Minutenvorher, da wo der Club is, da isne Kastanie. Da sind die uns gerade entgegengekommen. Na ja, da denkt man sich nichtsbei.
Nachdem derMarinus weg war, da wurde sein Rucksack und seinLadegerät vom Handy gefunden. Ich hab die Hoffnung nie aufgegeben. Ich habimmer gedacht, ich seh den wieder, weil - ich hab dengern gehabt, den Bengel. Der war zwar auf die eine Art und Weise mal n Arschloch,genauso wie ich, ich bin auch mal n Arschloch, aber man kommt immer wieder zusich, und ich hätt auch zu Marinus wieder gefunden.
Marinus is genauso wie ich. Also der isgenauso wie ich, echt, das nimmt sich nicht viel. Der hat genauso viel gekifftwie ich. Der hat gern mal einen getrunken wie ich. Der hat gerne mal Scheißegebaut wie ich. Der is so nJugendlicher wie ich. Der ging zur Schule wie ich. Also war das genauso einerwie ich, sag ich jetzt.
Ich habauch Träume gehabt, so. Marinus kommt an mein Fenster, ich geh ran, hey Junge, komm rein, geh mal erst mal duschen, Du stinkst,ess mal, ess mal, ess mal, werd mal groß und stark wieder, dann fahrn wir dich übermorgen, wann du willst, wieder nachHause.
Im Novemberwar dann eben das Fest im Club, und da hat Marcel gesagt, ich weiß, wo Marinusist. Und das war wohl der Suff. Dann hab ich das gepeilt.
NächstenTag drauf dann, hab ich gesagt, Du, Andy, weißte was, ich glaub Marinuswar wirklich nicht weg gewesen. - Wie jetze hier? -Na ja, der war immer bei uns, der war immer in Potzlow.- Na wo? - Na beim Schweinestall. - Na wo denn da? - Na der war da bei derJauchegrube. Kommste mit hoch kucken, ob das stimmt?- Denn sind wir hochgegangen, zu dritt, dann hab ich angefangen zu buddeln. -Marinus hatte immer ne ähnliche Hose gehabt, wie ich jetzt anhab, nur in grün.Ja und die hat der auch noch angehabt, da im Grab, in der Grube. Und dannbeim T-Shirt hab ich - weil, der Kopf war als erstes frei schon - ich hab dieArme rausgebuddelt, Brustkorb dann, da hab ich das irgendwie mit der Schippegemerkt, da is was sehr elastisch, kann keine Hautsein, gekiekt, das is n Shirt,und Knochen. Haste nicht gesehen. Und dann dacht ich mir: Das kann er sein.
Torsten Muchow: Wenn Matthias eine Leiche findet, die recht übel zugerichtetwurde, gibt es einen Schock. Dann hat er da ein Problem. Die Lehrer haben esnicht verstanden. Und dann brauchen wir einen sachlichen Bericht von einemTherapeuten. Hab ich in Berlin anfertigen lassen. Wie es dem Jungen ergeht, undwas er in sich hineinfrisst. Und das haben wir der Schule übergeben, womit diedann endlich mal gesehen haben, dass er erstmal wieder zu sich finden muss. AlsVater kann ich sagen: Er will weiterkommen, er will nicht auf der Strecke, auf derStraße bleiben.
Erstmal warja ein Haufen Leute hier, Presse und so weiter. Die wollten alle was von ihm.Und das ist ja auch ne Sache, wo man sagen muss, halt stopp, lasst mal denJungen in Ruhe. Immer wieder neu aufreufeln, das gibtimmer wieder neue Rückfälle. Und dann haben wir darüber nicht mehr gesprochen.Wir sind in die Pilze, Baden gefahren. HabenVolleyball gespielt und so getan, als wenn das erstmal abgehakt ist, fertig,halt vergessen die Sache.
Wenn manein Problem hat, versuch es zu lösen, der nächste Tag ist wieder ein Tag. Esgibt so viele Probleme, man kann den Marinus nicht wieder lebendig machen. Manhat noch genug andere Probleme, mit die man auch fertigwerden muss.
Und es istja nicht so, dass wir die Schuldigen sind, sondern die Schuldigen sind jabestraft worden: Marco und Marcel Schönfeld und der Kumpel da von die.
JürgenSchönfeld: Als wirdas gehört haben, was die gemacht haben, oben im Stall da
Die warenabends um elfe hier, haben geklingelt. Ich zur Türe hin, da standen mehrerePolizisten vor der Tür. - Wo ist Marcel, haben se gefragt, - Der is nich da, sag ich. - Den habich nach Buckow ins Internat gefahren. Wat wollen se denn? - Det können wa Ihnen nich sagen. - Puff, weg und los.
JuttaSchönfeld: Marcelwusste, dass se ihn abholen. Marcel hat da in Buckow sein Bett noch nich bezogen gehabt, nichts. Er hat auf seinem Bettgesessen und gewartet.
JürgenSchönfeld: Als wirabends losgefahren warn von Potzlow, Marcel und ich,sind wa am Stall vorbei. Isdie normale Route nach Buckow. Die Polizei war da, Scheinwerfer, war allesbeleuchtet. Hab mich schon gewundert, was da oben los ist. Marcel saß nebenmir, ham wa Musik gehört.War ganz ruhig. Schon am Nachmittag war der ganz anders. Hab ich gefragt,Marcel, wollen wir los nach Buckow? Wann wollen wir los? - Isegal Papa, wir können jetzt losfahren, wir können auch später losfahren. Marcelwar richtig so, wie er früher war. Ganz entspannt war er. Wir konnten uns det erst gar nich erklären.
JuttaSchönfeld: DerDruck war raus. Der Druck war weg, diesen Druck, den er in sich hatte.
JürgenSchönfeld: Als wirin Buckow ankamen, hab ich gesagt, bis Freitag, hab ich mich verabschiedet. Erwusste det. Die Jugendlichen, mit denen er da gebuddelt hat nach der Leiche, erwusste, die sind nach die Polizei gegangen.
JuttaSchönfeld: Marcelhat gesagt, er wollte uns damit nich belasten. Damithätte ich sowieso nicht leben können, und anzeigen hätte ich ihn auch nichtkönnen.
Bis zumheutigen Tag, ich kann das nich glauben, das sag ichIhnen ganz ehrlich, ich wollt das nich glauben. Ichweiß überhaupt nich, was ich noch glauben soll. Erst habich immer gedacht, dass ich so was dem Marco Aber Marco hat von Anfang angesagt, ich hab damit nischt zu tun, ich hab nischt gemacht.
Ich hab mirgedacht, dass ich verrückt werd. Als der Marcel plötzlich weg war. Wenn ichallein war im Haus, hab ich Stimmen gehört. Von meinem Vater, der lange totist, von Marcel. Ich kämpfe, ich will, dass sie beide nach Hause kommen können,irgendwann. Marco und Marcel. An Marcel klammer ich mich. Das ist jetzt, wie wennman einem nach der Entbindung das Kind wegnimmt. Den Marco hab ich ja schonvorher verloren. Der hat sich seine eigene Welt gebaut, die gibt s nich. Das fing mit 13 an.
JürgenSchönfeld: Wirhaben alles getan, was man tun kann. Wir haben unsere Kinder gut erzogen.
© DeutscheVerlags-Anstalt
- Autor: Andres Veiel
- 2007, 285 Seiten, Maße: 12,5 x 20 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: DVA
- ISBN-10: 3421042136
- ISBN-13: 9783421042132
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Der Kick".
Kommentar verfassen