Der kleine Blidfinn in großer Gefahr
Zufrieden lebt Blidfinn in seinem grünen Garten, unberührt von den tausend Gefahren, die außerhalb seiner kleinen Welt lauern. Als er zwei verletzte Zwerge findet, pflegt er sie gesund und bald sind sie die besten Freunde. Eines Morgens jedoch sind die...
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Produktinformationen zu „Der kleine Blidfinn in großer Gefahr “
Zufrieden lebt Blidfinn in seinem grünen Garten, unberührt von den tausend Gefahren, die außerhalb seiner kleinen Welt lauern. Als er zwei verletzte Zwerge findet, pflegt er sie gesund und bald sind sie die besten Freunde. Eines Morgens jedoch sind die beiden verschwunden. Statt ihrer steht ein Fremder in Blidfinns Haus und behauptet, die Zwerge hätten ihn hinterrücks überfallen!
Blidfinn ist entrüstet. Sollte er sich so in seinen zwei Freunden getäuscht haben? Zweifel fressen sich in sein kleines Herz und Blidfinn gerät in größte Gefahr: Er verfällt dem Einfluss des Fremden, der die Lichtwelt zerstören will! Schon wähnt der Bösewicht sich am Ziel, doch er unterschätzt die Kraft der Freundschaft und den Mut der Zwerge, die ihren Freund nicht im Stich lassen.
Blidfinn ist entrüstet. Sollte er sich so in seinen zwei Freunden getäuscht haben? Zweifel fressen sich in sein kleines Herz und Blidfinn gerät in größte Gefahr: Er verfällt dem Einfluss des Fremden, der die Lichtwelt zerstören will! Schon wähnt der Bösewicht sich am Ziel, doch er unterschätzt die Kraft der Freundschaft und den Mut der Zwerge, die ihren Freund nicht im Stich lassen.
Klappentext zu „Der kleine Blidfinn in großer Gefahr “
Zufrieden lebt Blidfinn in seinem grünen Garten, unberührt von den tausend Gefahren, die außerhalb seiner kleinen Welt lauern. Als er zwei verletzte Zwerge findet, pflegt er sie gesund und bald sind sie die besten Freunde. Eines Morgens jedoch sind die beiden verschwunden. Statt ihrer steht ein Fremder in Blidfinns Haus und behauptet, die Zwerge hätten ihn hinterrücks überfallen!Blidfinn ist entrüstet. Sollte er sich so in seinen zwei Freunden getäuscht haben? Zweifel fressen sich in sein kleines Herz und Blidfinn gerät in größte Gefahr: Er verfällt dem Einfluss des Fremden, der die Lichtwelt zerstören will! Schon wähnt der Bösewicht sich am Ziel, doch er unterschätzt die Kraft der Freundschaft und den Mut der Zwerge, die ihren Freund nicht im Stich lassen.
Lese-Probe zu „Der kleine Blidfinn in großer Gefahr “
1. In dem ein Torbold mitten in der Nacht eine seltsame Erfahrung macht und vollkommen neue Seiten an sich entdeckt.Ein kühler Abendhauch legte sich über den Wald, der im Schatten der Himmelsleier lag. Die Tiere des Waldes und die Lichtwesen zogen sich still zurück und die Schattenwesen krochen noch schlaftrunken aus ihren Verstecken. Nach und nach erstarben die Laute der Vögel und Vierbeiner und Dunkelheit breitete sich aus. Es war daher nicht weiter verwunderlich, dass der fiese Torbold, der es sich unter dem Mahnfelsen gemütlich gemacht hatte, erstaunt die Augen aufriss, als sich aus dem Dunkel aufgeregt flüsternde Stimmen näherten. Es raschelte dermaßen im Laub und knackte in den Zweigen, dass der Torbold zu fürchten begann, eine ganze Armee böser Riesen könnte im Anmarsch sein. Er machte sich schon bereit, Verstärkung zu rufen, fand dazu aber keine Zeit mehr, denn eine Laterne leuchtete auf, die der vorderste der Eindringlinge trug. Da er die Laterne jedoch verkehrt herum hielt, fiel ihr Licht nicht auf den Weg, sondern auf den, der sie trug, und sein Gesicht war daher deutlich zu erkennen.
Der Torbold gab einen überraschten Laut von sich. Der fürchterliche Heerführer war lediglich eine zwergenhafte Gestalt, die sich sichtlich Mühe gab, so leise wie möglich vorwärts zu kommen, es dabei aber schaffte, auf wirklich jeden trockenen Zweig zu treten, der ihr im Weg lag. Im Gänsemarsch folgten zwei weitere Zwerge, die unförmige Bündel von laut schepperndem Klabauterzeug auf dem Rücken trugen. Dabei schwatzten sie um die Wette, sofern nicht gerade einer der Länge nach hinfiel oder mit seiner Last an einem Baum hängen blieb, der erste blind vom Licht, die beiden anderen von der Dunkelheit. Die Baumwächter machten sich einen Spaß daraus, sich in das Gerümpel auf dem Rücken der Zwerge zu verhaken oder ihnen mit einem plötzlich auftauchenden Wurzelknoten ein Bein zu stellen, sodass die meuternden Kumpane meinten, sie kämen nur sehr langsam voran. Vor Müdigkeit
... mehr
waren sie so erschöpft, dass sie nicht einmal merkten, wie sich auf einmal ein Torbold breitbeinig vor ihnen aufbaute und sie mit einem bösen Auge anfunkelte.
Grob herrschte er sie an: "Was glaubt ihr, wer ihr seid? Woher gebt ihr vor zu kommen? Und wohin beabsichtigt ihr zu gehen?"
Die schneidende Kälte in seiner Stimme hätte ausgereicht, um einen Elefanten einzufrieren, aber es war klar zu sehen, dass der führende Zwerg die Gefahr nicht erkannte, denn sobald er die Laterne umgedreht hatte und damit in das potthässliche Torboldgesicht leuchtete, machte er einen Luftsprung und krähte vor Freude, dass der Torbold zusammenschrak.
"Rumpel und Pumpel, macht euch fertig! Wir haben Publikum. Der hervorragende Ruf von Lachen und Weinen ist uns durch sämtliche Wälder vorangeeilt!"
Und zu dem sprachlosen Torbold sagte der Laternenträger: "Setz dich dort auf den Ast, mein Bester, und mach dich auf die ergreifendste Vorstellung aller Zeiten gefasst!"
Alle Müdigkeit war augenscheinlich von den Zwergen abgefallen, und der Torbold vergaß völlig seinen Auftrag; denn bevor er auch nur "dreizehn böse Geister und tausenderlei Ungeziefer" sagen konnte, hing die Laterne schon in einem Baum und beleuchtete eine Kulisse, die im Handumdrehen aus dem Gerümpel von Rumpel und Pumpel zum Vorschein gekommen war: In einem der Bündel war eine Burg aus Pappe verstaut, zwei Klappstühle waren zu prächtigen Thronsesseln geworden, und auf einem auf dem Waldboden ausgebreiteten Tuch, das wundersamerweise dem Steinboden einer Schlosshalle täuschend ähnlich sah, lagen allerlei kleine Requisiten, die man in einem großen Theaterstück immer gut gebrauchen kann. Die Schauspieler selbst waren samt ihrem Anführer verschwunden. Doch nach einem kurzen Moment andächtiger Stille betrat Letzterer im Kostüm eines fahrenden Sängers mit einer winzigen Gitarre die Bühne und nahm sich viel Zeit, das Instrument mit wahrhaft künstlerischer Geste zu stimmen. Als endlich alles so weit war, erhob er seine Stimme:
"Hochverehrtes Publikum! Es ist mir und meinen Kollegen der Schauspieltruppe Lachen und Weinen eine große Ehre, vor Ihnen das berühmteste Theaterstück aller Zeiten aufzuführen, die Tragödie um Klotz und Stümpfchen. Wir möchten Sie darauf hinweisen, möglichst ein Taschentuch in Reichweite zu haben, denn ein Ereignis in diesem Trauerspiel ist trauriger als das andere. Meine Kollegen sind keine anderen als die weithin bekannten Rumpel und Pumpel, ich selbst bin - wie sich das gebildete Publikum sicher längst denken kann - niemand anderer als der berühmte Stern am Theaterhimmel: Keinesgleichen!"
Hier machte er eine Pause, vielleicht um dem Torbold Gelegenheit zu geben, sich von dieser Sensation zu erholen, und fuhr dann fort: "Aus gegebenem Anlass machen wir darauf aufmerksam, dass Autogramme erst nach der Vorstellung gegeben werden. Viel Vergnügen!"
Etwas so Schönes war dem Torbold noch nie zu Ohren gekommen. Er spürte, wie ihm ganz unbekannte Stellen seines Herzens warm wurden, als man ihn mit "Sie", "hochverehrt", "gebildet" und anderen wohl gesetzten Worten ansprach, die er nicht alle wirklich verstand. Aber es blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn nun betraten Rumpel und Pumpel die Bühne. Der eine war zu einem richtigen kleinen Prinzen geworden, der andere zu einer wunderhübschen, kleinen Prinzessin. Im Vordergrund allerdings, wo die Beleuchtung am hellsten war, stand Keinesgleichen und besang mit großer Hingabe, was sich ereignen würde.
"Leise kommt es, nähert sich, schleicht herbei auf weichen Strümpfen ein Märchen, das zugedacht ist jungen Mädchen und kleinen Schlümpfen."
Jedes Wort unterstrich er mit einer Pantomime und legte nun einen Finger hinter ein Ohrläppchen.
"Nun lauschet wohl mit allen Ohren, hier bekommen wunderliche Töne Flügel aus Elfenpalast und Zauberburgen dringen Dings und Bums aus dem Hügel."
Keinesgleichen stockte nicht ein einziges Mal bei seinem Vortrag, denn alle Märchenvorstellungen der Schauspieltruppe Lachen und Weinen begannen auf diese Weise. Jetzt lag der Finger unter einem Auge.
"Ja, seht gut hin mit allen Augen, hier haben Wunderdinge Flügel in Märchenschloss und Zauberstädten seht Dings und Bums ihr auf dem Hügel."
Jetzt war es an der Zeit, die Hauptpersonen der Geschichte vorzustellen, Klotz und Stümpfchen, "die sich in des Lebens kurzen Stunden zu heimlichen Küssen zusammengefunden ..."
So weit war alles gut und schön, doch dann wurde die Freude durch das Auftreten der bösen Stiefmutter getrübt, die so boshaft eifersüchtig auf Stümpfchens Glück und Schönheit war, dass sie ihr ganzes Leben daran setzte, den beiden den Spaß zu verderben. Keinesgleichen setzte eine Furcht gebietende Miene auf.
"Voller Falsch spinnt die Gemeine dumpf bösen Zauber und will mit Gift nicht sparen. Dabei lächelt sie ihnen zu wie Morast und Sumpf, die in ihrer Tiefe Verrat und Unrat verwahren."
Mit offenem Mund folgte der Torbold der Geschichte von Klotz und Stümpfchen, die zu gut waren für das Leben und sich der bösen Taten anderer nicht zu erwehren wussten. In der Hitze des Gefechts vergaß er sich völlig, als die böse Stiefmutter, die wie alle übrigen Nebenfiguren durch ein Schattenspiel Keinesgleichens meisterhaft dargestellt wurde, den beiden ans Leben wollte. Er sprang auf, um die niederträchtige Tat zu verhindern, und da erst fiel ihm wieder ein, dass ja alles nur Theater war, und er ließ sich etwas beschämt auf seinen Ast sinken. Richtig froh wurde er erst wieder, als der gute Wächter beschloss, die beiden in einem kleinen Häuschen im Wald zu verstecken, wo sie fortan ein einfaches und friedliches Leben führen konnten.
"Nun ist das Stück zu Ende, doch draußen führt noch das Leben die Zügel mit Traumpulver und Zauberstab und all seinen Dings und Bums auf dem Hügel."
Der Torbold klatschte, bis ihm die Pfoten wehtaten und das Ensemble verneigte sich wieder und wieder. Dann verschwanden Bühne und Kulisse in demselben Kuddelmuddel, aus dem sie gekommen waren. Rumpel und Pumpel und Keinesgleichen erschienen in ihren eigenen Kleidern und die Laterne wurde vom Baum abgehängt. Der Torbold fühlte in seinem Inneren eine eigentümliche Leere, während sich die Märchenwelt in einen stockfinsteren Wald zurückverwandelte, aber die Erinnerung an das, was sich in seinem Herzen ereignet hatte, wärmte ihn weiterhin. Er wollte so gern etwas Schönes sagen, wusste aber nicht, wie. Daher räusperte er sich nur so leise wie möglich und knurrte: "Das war ... nun ja, ordentlich. Und ihr ... so weit ganz gut. Ihr dürft weiterziehen."
"Die Ehre war ganz auf unserer Seite, verehrter Zuschauer", sagte Keinesgleichen und verbeugte sich noch einmal, ehe er die Laterne hob und auf sich richtete, sodass er geblendet wurde. Das war das Zeichen für die anderen und die ganze Truppe setzte sich mit Lärm und Getöse in Bewegung.
"Nur eins noch", brummte der verehrte Zuschauer gerührt, "möchte mich erkenntlich zeigen. Ihr solltet keinen Lärm machen ... und ... unter keinen Umständen weiter in diese Richtung ... Narren ... gefährlich, sehr gefährlich. Vertragen kein Licht. Alles Licht löschen."
Der Torbold hatte größte Mühe, diese wichtigen Informationen auszusprechen, aber es reichte auch so. Wenn es irgendetwas gab, das Zwerge fürchteten, dann waren es Narren. Diese hässlichen, heulenden Wesen, die nichts Schöneres kannten, als Zwerge zu quälen und Leben auszulöschen. All das, was andere schön nannten.
Dankbar und die Laterne etwas tiefer haltend, stolperte die Schauspieltruppe in die andere Richtung davon und versuchte vergeblich, möglichst leise zu sein.
2. In dem davon erzählt wird, wie auch ein wahrer Bilderbuchsonntag eine unliebsame Überraschung enthalten kann.
Die Sonne war kaum über die Himmelsleier gestiegen, als sie danach Ausschau zu halten begann, ob ihr bester Freund bereits aufgestanden war. Stets schien sie ein klein wenig heller, wenn sie die kleine grüne Jacke erblickte, in der er in der Morgenfrühe im Garten spazieren ging. Der Garten lag ganz am Rand des Waldes, weit ab von allen Torbolden und bösen Geistern und wurde von der Wächterfigur am Gartentor ganz besonders beschützt. In seiner Mitte stand ein weißes Haus mit braunem Dach und einem Schornstein.
Sein Bewohner sprach mit so milder Stimme mit Blumen, Büschen und Bäumen, dass man unmöglich etwas anderes als Zuversicht empfinden konnte, wenn man allein der leisen Stimme und seinem emsigen Treiben rund ums Haus folgte.
Er ist heute ungewöhnlich spät dran, sicher noch mit dem Frühstück beschäftigt, dachte die Sonne, als sie einen dünnen Rauchfaden aus dem Kamin aufsteigen sah. Doch dann ging die Haustür auf, und es sah jemand heraus, streckte einen Arm nach draußen, um sicherzugehen, dass es nicht regnete und die Sonne schien. Der Hausbewohner war ziemlich klein und hatte empfindliche Flügel, eine dicke Brille und eine winzige Nase, auf der die Morgenfliegen offenbar unheimlich gern herumtanzten. Noch etwas verschlafen, stand er in seinem weißen Nachthemd da, blinzelte und warf seiner Freundin, der Sonne, eine Kusshand zu. Er war ganz sicher, dass sie zurückzwinkerte. Besonders jetzt da eine leichte Brise die Baumwipfel bewegte, durch die die Sonnenstrahlen einfielen, meinte er, sie sei richtig zappelig.
Der Narr, der an den Büschen entlangschlich, blieb sofort stehen, als er die Bewegung wahrnahm. Er kniff die Augen zusammen und entzifferte den Namen, der sorgfältig in blauen Buchstaben auf das weiße Nachthemd gestickt war.
"B-ll-iii-d-finn, brrr", knurrte er vor sich hin und kratzte sich den verlausten Schädel. "Irgendwie widerlich ... edel und eklig!", fauchte er und pulte sich die Reste einer Fliege aus den faulen Zähnen.
Wahrscheinlich hätte Blidfinn den Narr entdeckt, als dieser aus seinem Versteck zurück in den Wald schoss, wenn er nicht zu sehr damit beschäftigt gewesen wäre, in den Himmel zu gucken.
"Sieht ganz so aus, als hätte der Große Gießer da oben noch Sommerferien", sagte er zu sich selbst. "Das bedeutet also mindestens vierzig Touren am Vormittag mit der Gießkanne, damit niemand durstig wird", murmelte er und begann, an den Fingern abzuzählen: "Zehn Minuten pro Gang ... mal vierzig ... Das macht ... sieben ... und einhalb ... Tja, die Milchreisfladen müssen heute wohl noch etwas warten."
Er reckte und streckte sich und strich behutsam über seine Flügel, um zu fühlen, ob sie auch wirklich aufgewacht waren, bespritzte sich ein bisschen mit erfrischendem Wasser aus der Tonne und verschwand wieder im Haus, um seinen Gießanzug überzuziehen.
Es dauerte bis weit nach Mittag, bis Blidfinn endlich mit dem Gießen im Garten fertig war. Danach ging er ins Haus, streifte den Gießanzug ab, wusch sich die Hände, rührte ein paar Reisfladen an und backte sie, kochte Kakao, legte die Fladen auf den Pfannkuchenteller, goss den Kakao in die Thermoskanne und packte alles zusammen mit seiner alten geblümten Tasse in den Ausreichend-gutes-Wetter-um-den-Sonntagskakao-draußen-zu-neh-men-Korb. Dann kämmte er sich, putzte die Brille und zog die grüne Jacke über. Leise ging er an der Wächterfigur am Tor vorbei und stapfte auf seinen kurzen Beinchen den steilen Hang hinauf bis auf die höchste Kuppe des Hügels. Dort stellte er den Korb ab, ließ den Blick über den Wald schweifen und grüßte ihn, indem er den Kopf neigte und etwas aufsagte, das er einmal in einem dichten Gebüsch gehört hatte: "Sei mir gegrüßt, Wald, du unbekannter Bekannter! Behalt alles Krabbelnde, Wimmelnde, verberge mir nicht das Rare und Kostbare, schicke mir, was satt macht und Spaß macht!"
Dann setzte er sich zu Vater und Mutter auf den Hügel.
"Ich bin wieder da", flüsterte er und klopfte dreimal auf die Erde. Er nahm die Thermoskanne aus dem Korb, goss dampfenden Kakao in die Tasse und stellte sorgsam den Pfannkuchenteller neben sich ins Gras. Er hob ein wenig die Tasse, wie um all die unsichtbaren Wesen zu grüßen, die um ihn herumschwebten, und eine Krähe, die im selben Moment vorüberflog, konnte bei diesem Anblick ein Lachen nicht unterdrücken.
"Kra, kra, kra, seht euch das an! Da unten sitzt der arme Blidfinn mutterseelenallein und glaubt, dass er zahlreiche Gesellschaft hat. Der Junge sollte sich eine stärkere Brille anschaffen! Dann sieht er vielleicht, dass er der einzige Teilnehmer an diesem Picknick ist. Kra, kra."
In Wahrheit fand die Krähe das gar nicht so furchtbar lustig. Sie wusste nämlich selbst nur zu gut, was es bedeutete, allein zu sein, und das Lachen diente nur dazu, das Stechen in der Brust zu mildern, das sie empfand, als sie Blidfinn da so allein in der weiten Welt sah. Sie wusste, dass Blidfinn sehr lange sehr einsam in seinem Haus gelebt hatte. Seine Mutter und sein Vater waren vor langer Zeit in die Lichtwelt eingegangen und seine besten Freunde, Kirsa, das Kleine Viehzeug und das Kind, das einmal in seinem Garten aufgetaucht war, ebenfalls. Sogar der Weise, der einmal in der alten Eiche gewohnt hatte, war an dem Tag, an dem er das Unglück hatte, von seinem Ast zu fallen, verschwunden. Er war zu stolz, um zu versuchen, wieder hinaufzuklettern, und hatte beschlossen, sein Glück lieber anderswo zu versuchen.
Obwohl er meist mit sich allein war, verspürte Blidfinn nur selten Langeweile. Er dachte sich etwas aus, womit er sich beschäftigen oder worüber er sich den Kopf zerbrechen konnte, doch am allerschönsten fand er es, im Garten zu arbeiten. Wo immer Blidfinn auch durch den Wald streifte, fand er Schösslinge, Kräuter und Blumen, die ihm zuraunten, er solle sie mit nach Hause nehmen, und für jede von ihnen fand er ein passendes Plätzchen in der Nähe seines Heims. Abend für Abend saß er bei Kerzenschein in seinem Sessel und zeichnete Wege, Schutzwände, Springbrunnen und gluckernde Bachläufe, die er noch einrichten oder verbessern wollte, um seinen Pflanzen eine Freude zu machen. Er kannte jeden Fleck im Garten wie seine eigene Hand und hatte jeden seiner Schutzbefohlenen gleich lieb. Jeder einzelne Tag wurde in Blidfinns Garten zu einem schönen Abenteuer. Er war ein König in seinem Reich und nichts schien diese Freude trüben zu können - schon gar nicht an einem sonnigen Tag wie diesem.
Das dachte Blidfinn jedenfalls, und es gab ja auch keinen Grund, immer mit dem Schlimmsten zu rechnen. Obwohl es nicht mehr weit entfernt war.
Nachdem er sein Sonntagsreisfladenfestmahl beendet und alles wieder an Ort und Stelle verstaut hatte, unternahm er einen besonderen Sonntagsspaziergang durch seinen Garten. Er besuchte jeden Baum und jede Blume, grub hier etwas um und zupfte dort etwas ab, traf mit einigen schwärmenden Bienen eine Verabredung, dass sie ihren Stock nicht zu nah an seinem Schlafzimmerfenster einrichteten, schiente eine umgeknickte Blume und streichelte einigen welken Blättern den Rücken, bis sie in die Lichtwelt eingingen. Ehe er sichs versah, war er im hintersten Teil des Gartens angekommen, der an den Wald grenzte. Da wollte er aus alter Gewohnheit umkehren, als er unter einem hohen, alten Baum ein merkwürdiges Stöhnen hörte. Es schien, als ob ihm eine heisere Stimme etwas sagen wollte. Dann noch eine zweite, die noch dünner, aber auch noch verzweifelter klang. Für einen Moment griff die alte Angst vor dem Wald und seinen Gefahren nach Blidfinn, doch die Möglichkeit, dass da jemand seine Hilfe brauchen könnte, trieb ihn auf zitternden Beinen weiter. Was mochte das sein? Plötzlich trat er auf etwas, das unter seinem Fuß zerbrach. Er sah ins Gras und erblickte eine zerbrochene Laterne. Ihr Eigentümer war jedoch nirgends zu sehen. Blidfinn machte noch zwei Schritte und schaute hinter einen Baum. Welch ein schrecklicher Anblick! Es schnitt ihm ins Herz, als er die kleinen Wesen erblickte, die da vor ihm im trockenen Laub lagen.
"Liebe Freunde, wer hat das getan? Wer hat euch so übel mitgespielt?", flüsterte Blidfinn und kniete sich neben die blutenden und geschundenen Leiber von Rumpel, Pumpel und Keinesgleichen, die kein Lebenszeichen von sich gaben, obwohl ihnen Blidfinn über die haarigen Köpfchen strich und ihre kleinen Hände drückte.
Es sah ganz so aus, als hätte die Schauspieltruppe Lachen und Weinen ihre letzte Vorstellung gegeben.
3. Blidfinn vollbringt eine Heldentat, die später einmal sein Leben und das von mindestens drei weiteren Wesen ändern wird.
Wenn du glaubst, du kennst deinen Garten, stolperst du über etwas, das vorher nicht da war, und wenn du meinst, du kennst dich selbst, tust du etwas, von dem du geglaubt hast, das würdest du nie tun können.
So in etwa dachte Blidfinn, nachdem er es geschafft hatte, die Zwerge in sein Schlafzimmer zu schleppen und vorsichtig nebeneinander unter die Decke zu betten. Er verstand nicht ganz, wie er das vollbracht hatte, denn die drei Freunde waren fast ebenso groß wie er selbst, aber eine ganze Portion schwerer. Er war fast völlig am Ende vor Erschöpfung, und trotzdem versuchte er, die Zwerge so warm wie möglich einzupacken und ihre Wunden zu versorgen, weil er hoffte, dass wenigstens einer von ihnen wieder erwachen würde. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass vorläufig alle drei noch atmeten, holte Blidfinn das große Heilpflanzenbuch, in dem seine Mutter immer geblättert hatte, wenn jemand krank war, und suchte darin nach passenden Ratschlägen. Mit der Brille auf der Nase nahm er konzentriert in seinem Sessel Platz. Die meisten Kräuter, die in dem Buch erwähnt wurden, kannte er, weil er sie selbst gefunden und im Lauf der Jahre in seinem Garten angepflanzt hatte, ohne allerdings zu wissen, zu welchem Zweck. Erst jetzt wurde ihm klar, dass jede von ihnen über spezielle Heilkräfte verfügte.
Zwei Tage und zwei Nächte hielt Blidfinn neben dem Bett Wache und verfolgte jede Regung der Zwerge, wechselte Umschläge auf geschwollenen Muskeln, schmierte heilende Salbe auf Kratzer und Wunden und trocknete den Schweiß von den kleinen, runzligen Stirnen. Er hatte den allerbesten Kräutersud aus dem Heilpflanzenbuch gekocht, weil er hoffte, seinen unbekannten Patienten wenigstens ein paar Tropfen einflößen zu können, aber vergebens. Am dritten Tag und zum dreißigsten Mal hielt er einem von ihnen den Löffel an die Lippen ...
Grob herrschte er sie an: "Was glaubt ihr, wer ihr seid? Woher gebt ihr vor zu kommen? Und wohin beabsichtigt ihr zu gehen?"
Die schneidende Kälte in seiner Stimme hätte ausgereicht, um einen Elefanten einzufrieren, aber es war klar zu sehen, dass der führende Zwerg die Gefahr nicht erkannte, denn sobald er die Laterne umgedreht hatte und damit in das potthässliche Torboldgesicht leuchtete, machte er einen Luftsprung und krähte vor Freude, dass der Torbold zusammenschrak.
"Rumpel und Pumpel, macht euch fertig! Wir haben Publikum. Der hervorragende Ruf von Lachen und Weinen ist uns durch sämtliche Wälder vorangeeilt!"
Und zu dem sprachlosen Torbold sagte der Laternenträger: "Setz dich dort auf den Ast, mein Bester, und mach dich auf die ergreifendste Vorstellung aller Zeiten gefasst!"
Alle Müdigkeit war augenscheinlich von den Zwergen abgefallen, und der Torbold vergaß völlig seinen Auftrag; denn bevor er auch nur "dreizehn böse Geister und tausenderlei Ungeziefer" sagen konnte, hing die Laterne schon in einem Baum und beleuchtete eine Kulisse, die im Handumdrehen aus dem Gerümpel von Rumpel und Pumpel zum Vorschein gekommen war: In einem der Bündel war eine Burg aus Pappe verstaut, zwei Klappstühle waren zu prächtigen Thronsesseln geworden, und auf einem auf dem Waldboden ausgebreiteten Tuch, das wundersamerweise dem Steinboden einer Schlosshalle täuschend ähnlich sah, lagen allerlei kleine Requisiten, die man in einem großen Theaterstück immer gut gebrauchen kann. Die Schauspieler selbst waren samt ihrem Anführer verschwunden. Doch nach einem kurzen Moment andächtiger Stille betrat Letzterer im Kostüm eines fahrenden Sängers mit einer winzigen Gitarre die Bühne und nahm sich viel Zeit, das Instrument mit wahrhaft künstlerischer Geste zu stimmen. Als endlich alles so weit war, erhob er seine Stimme:
"Hochverehrtes Publikum! Es ist mir und meinen Kollegen der Schauspieltruppe Lachen und Weinen eine große Ehre, vor Ihnen das berühmteste Theaterstück aller Zeiten aufzuführen, die Tragödie um Klotz und Stümpfchen. Wir möchten Sie darauf hinweisen, möglichst ein Taschentuch in Reichweite zu haben, denn ein Ereignis in diesem Trauerspiel ist trauriger als das andere. Meine Kollegen sind keine anderen als die weithin bekannten Rumpel und Pumpel, ich selbst bin - wie sich das gebildete Publikum sicher längst denken kann - niemand anderer als der berühmte Stern am Theaterhimmel: Keinesgleichen!"
Hier machte er eine Pause, vielleicht um dem Torbold Gelegenheit zu geben, sich von dieser Sensation zu erholen, und fuhr dann fort: "Aus gegebenem Anlass machen wir darauf aufmerksam, dass Autogramme erst nach der Vorstellung gegeben werden. Viel Vergnügen!"
Etwas so Schönes war dem Torbold noch nie zu Ohren gekommen. Er spürte, wie ihm ganz unbekannte Stellen seines Herzens warm wurden, als man ihn mit "Sie", "hochverehrt", "gebildet" und anderen wohl gesetzten Worten ansprach, die er nicht alle wirklich verstand. Aber es blieb keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn nun betraten Rumpel und Pumpel die Bühne. Der eine war zu einem richtigen kleinen Prinzen geworden, der andere zu einer wunderhübschen, kleinen Prinzessin. Im Vordergrund allerdings, wo die Beleuchtung am hellsten war, stand Keinesgleichen und besang mit großer Hingabe, was sich ereignen würde.
"Leise kommt es, nähert sich, schleicht herbei auf weichen Strümpfen ein Märchen, das zugedacht ist jungen Mädchen und kleinen Schlümpfen."
Jedes Wort unterstrich er mit einer Pantomime und legte nun einen Finger hinter ein Ohrläppchen.
"Nun lauschet wohl mit allen Ohren, hier bekommen wunderliche Töne Flügel aus Elfenpalast und Zauberburgen dringen Dings und Bums aus dem Hügel."
Keinesgleichen stockte nicht ein einziges Mal bei seinem Vortrag, denn alle Märchenvorstellungen der Schauspieltruppe Lachen und Weinen begannen auf diese Weise. Jetzt lag der Finger unter einem Auge.
"Ja, seht gut hin mit allen Augen, hier haben Wunderdinge Flügel in Märchenschloss und Zauberstädten seht Dings und Bums ihr auf dem Hügel."
Jetzt war es an der Zeit, die Hauptpersonen der Geschichte vorzustellen, Klotz und Stümpfchen, "die sich in des Lebens kurzen Stunden zu heimlichen Küssen zusammengefunden ..."
So weit war alles gut und schön, doch dann wurde die Freude durch das Auftreten der bösen Stiefmutter getrübt, die so boshaft eifersüchtig auf Stümpfchens Glück und Schönheit war, dass sie ihr ganzes Leben daran setzte, den beiden den Spaß zu verderben. Keinesgleichen setzte eine Furcht gebietende Miene auf.
"Voller Falsch spinnt die Gemeine dumpf bösen Zauber und will mit Gift nicht sparen. Dabei lächelt sie ihnen zu wie Morast und Sumpf, die in ihrer Tiefe Verrat und Unrat verwahren."
Mit offenem Mund folgte der Torbold der Geschichte von Klotz und Stümpfchen, die zu gut waren für das Leben und sich der bösen Taten anderer nicht zu erwehren wussten. In der Hitze des Gefechts vergaß er sich völlig, als die böse Stiefmutter, die wie alle übrigen Nebenfiguren durch ein Schattenspiel Keinesgleichens meisterhaft dargestellt wurde, den beiden ans Leben wollte. Er sprang auf, um die niederträchtige Tat zu verhindern, und da erst fiel ihm wieder ein, dass ja alles nur Theater war, und er ließ sich etwas beschämt auf seinen Ast sinken. Richtig froh wurde er erst wieder, als der gute Wächter beschloss, die beiden in einem kleinen Häuschen im Wald zu verstecken, wo sie fortan ein einfaches und friedliches Leben führen konnten.
"Nun ist das Stück zu Ende, doch draußen führt noch das Leben die Zügel mit Traumpulver und Zauberstab und all seinen Dings und Bums auf dem Hügel."
Der Torbold klatschte, bis ihm die Pfoten wehtaten und das Ensemble verneigte sich wieder und wieder. Dann verschwanden Bühne und Kulisse in demselben Kuddelmuddel, aus dem sie gekommen waren. Rumpel und Pumpel und Keinesgleichen erschienen in ihren eigenen Kleidern und die Laterne wurde vom Baum abgehängt. Der Torbold fühlte in seinem Inneren eine eigentümliche Leere, während sich die Märchenwelt in einen stockfinsteren Wald zurückverwandelte, aber die Erinnerung an das, was sich in seinem Herzen ereignet hatte, wärmte ihn weiterhin. Er wollte so gern etwas Schönes sagen, wusste aber nicht, wie. Daher räusperte er sich nur so leise wie möglich und knurrte: "Das war ... nun ja, ordentlich. Und ihr ... so weit ganz gut. Ihr dürft weiterziehen."
"Die Ehre war ganz auf unserer Seite, verehrter Zuschauer", sagte Keinesgleichen und verbeugte sich noch einmal, ehe er die Laterne hob und auf sich richtete, sodass er geblendet wurde. Das war das Zeichen für die anderen und die ganze Truppe setzte sich mit Lärm und Getöse in Bewegung.
"Nur eins noch", brummte der verehrte Zuschauer gerührt, "möchte mich erkenntlich zeigen. Ihr solltet keinen Lärm machen ... und ... unter keinen Umständen weiter in diese Richtung ... Narren ... gefährlich, sehr gefährlich. Vertragen kein Licht. Alles Licht löschen."
Der Torbold hatte größte Mühe, diese wichtigen Informationen auszusprechen, aber es reichte auch so. Wenn es irgendetwas gab, das Zwerge fürchteten, dann waren es Narren. Diese hässlichen, heulenden Wesen, die nichts Schöneres kannten, als Zwerge zu quälen und Leben auszulöschen. All das, was andere schön nannten.
Dankbar und die Laterne etwas tiefer haltend, stolperte die Schauspieltruppe in die andere Richtung davon und versuchte vergeblich, möglichst leise zu sein.
2. In dem davon erzählt wird, wie auch ein wahrer Bilderbuchsonntag eine unliebsame Überraschung enthalten kann.
Die Sonne war kaum über die Himmelsleier gestiegen, als sie danach Ausschau zu halten begann, ob ihr bester Freund bereits aufgestanden war. Stets schien sie ein klein wenig heller, wenn sie die kleine grüne Jacke erblickte, in der er in der Morgenfrühe im Garten spazieren ging. Der Garten lag ganz am Rand des Waldes, weit ab von allen Torbolden und bösen Geistern und wurde von der Wächterfigur am Gartentor ganz besonders beschützt. In seiner Mitte stand ein weißes Haus mit braunem Dach und einem Schornstein.
Sein Bewohner sprach mit so milder Stimme mit Blumen, Büschen und Bäumen, dass man unmöglich etwas anderes als Zuversicht empfinden konnte, wenn man allein der leisen Stimme und seinem emsigen Treiben rund ums Haus folgte.
Er ist heute ungewöhnlich spät dran, sicher noch mit dem Frühstück beschäftigt, dachte die Sonne, als sie einen dünnen Rauchfaden aus dem Kamin aufsteigen sah. Doch dann ging die Haustür auf, und es sah jemand heraus, streckte einen Arm nach draußen, um sicherzugehen, dass es nicht regnete und die Sonne schien. Der Hausbewohner war ziemlich klein und hatte empfindliche Flügel, eine dicke Brille und eine winzige Nase, auf der die Morgenfliegen offenbar unheimlich gern herumtanzten. Noch etwas verschlafen, stand er in seinem weißen Nachthemd da, blinzelte und warf seiner Freundin, der Sonne, eine Kusshand zu. Er war ganz sicher, dass sie zurückzwinkerte. Besonders jetzt da eine leichte Brise die Baumwipfel bewegte, durch die die Sonnenstrahlen einfielen, meinte er, sie sei richtig zappelig.
Der Narr, der an den Büschen entlangschlich, blieb sofort stehen, als er die Bewegung wahrnahm. Er kniff die Augen zusammen und entzifferte den Namen, der sorgfältig in blauen Buchstaben auf das weiße Nachthemd gestickt war.
"B-ll-iii-d-finn, brrr", knurrte er vor sich hin und kratzte sich den verlausten Schädel. "Irgendwie widerlich ... edel und eklig!", fauchte er und pulte sich die Reste einer Fliege aus den faulen Zähnen.
Wahrscheinlich hätte Blidfinn den Narr entdeckt, als dieser aus seinem Versteck zurück in den Wald schoss, wenn er nicht zu sehr damit beschäftigt gewesen wäre, in den Himmel zu gucken.
"Sieht ganz so aus, als hätte der Große Gießer da oben noch Sommerferien", sagte er zu sich selbst. "Das bedeutet also mindestens vierzig Touren am Vormittag mit der Gießkanne, damit niemand durstig wird", murmelte er und begann, an den Fingern abzuzählen: "Zehn Minuten pro Gang ... mal vierzig ... Das macht ... sieben ... und einhalb ... Tja, die Milchreisfladen müssen heute wohl noch etwas warten."
Er reckte und streckte sich und strich behutsam über seine Flügel, um zu fühlen, ob sie auch wirklich aufgewacht waren, bespritzte sich ein bisschen mit erfrischendem Wasser aus der Tonne und verschwand wieder im Haus, um seinen Gießanzug überzuziehen.
Es dauerte bis weit nach Mittag, bis Blidfinn endlich mit dem Gießen im Garten fertig war. Danach ging er ins Haus, streifte den Gießanzug ab, wusch sich die Hände, rührte ein paar Reisfladen an und backte sie, kochte Kakao, legte die Fladen auf den Pfannkuchenteller, goss den Kakao in die Thermoskanne und packte alles zusammen mit seiner alten geblümten Tasse in den Ausreichend-gutes-Wetter-um-den-Sonntagskakao-draußen-zu-neh-men-Korb. Dann kämmte er sich, putzte die Brille und zog die grüne Jacke über. Leise ging er an der Wächterfigur am Tor vorbei und stapfte auf seinen kurzen Beinchen den steilen Hang hinauf bis auf die höchste Kuppe des Hügels. Dort stellte er den Korb ab, ließ den Blick über den Wald schweifen und grüßte ihn, indem er den Kopf neigte und etwas aufsagte, das er einmal in einem dichten Gebüsch gehört hatte: "Sei mir gegrüßt, Wald, du unbekannter Bekannter! Behalt alles Krabbelnde, Wimmelnde, verberge mir nicht das Rare und Kostbare, schicke mir, was satt macht und Spaß macht!"
Dann setzte er sich zu Vater und Mutter auf den Hügel.
"Ich bin wieder da", flüsterte er und klopfte dreimal auf die Erde. Er nahm die Thermoskanne aus dem Korb, goss dampfenden Kakao in die Tasse und stellte sorgsam den Pfannkuchenteller neben sich ins Gras. Er hob ein wenig die Tasse, wie um all die unsichtbaren Wesen zu grüßen, die um ihn herumschwebten, und eine Krähe, die im selben Moment vorüberflog, konnte bei diesem Anblick ein Lachen nicht unterdrücken.
"Kra, kra, kra, seht euch das an! Da unten sitzt der arme Blidfinn mutterseelenallein und glaubt, dass er zahlreiche Gesellschaft hat. Der Junge sollte sich eine stärkere Brille anschaffen! Dann sieht er vielleicht, dass er der einzige Teilnehmer an diesem Picknick ist. Kra, kra."
In Wahrheit fand die Krähe das gar nicht so furchtbar lustig. Sie wusste nämlich selbst nur zu gut, was es bedeutete, allein zu sein, und das Lachen diente nur dazu, das Stechen in der Brust zu mildern, das sie empfand, als sie Blidfinn da so allein in der weiten Welt sah. Sie wusste, dass Blidfinn sehr lange sehr einsam in seinem Haus gelebt hatte. Seine Mutter und sein Vater waren vor langer Zeit in die Lichtwelt eingegangen und seine besten Freunde, Kirsa, das Kleine Viehzeug und das Kind, das einmal in seinem Garten aufgetaucht war, ebenfalls. Sogar der Weise, der einmal in der alten Eiche gewohnt hatte, war an dem Tag, an dem er das Unglück hatte, von seinem Ast zu fallen, verschwunden. Er war zu stolz, um zu versuchen, wieder hinaufzuklettern, und hatte beschlossen, sein Glück lieber anderswo zu versuchen.
Obwohl er meist mit sich allein war, verspürte Blidfinn nur selten Langeweile. Er dachte sich etwas aus, womit er sich beschäftigen oder worüber er sich den Kopf zerbrechen konnte, doch am allerschönsten fand er es, im Garten zu arbeiten. Wo immer Blidfinn auch durch den Wald streifte, fand er Schösslinge, Kräuter und Blumen, die ihm zuraunten, er solle sie mit nach Hause nehmen, und für jede von ihnen fand er ein passendes Plätzchen in der Nähe seines Heims. Abend für Abend saß er bei Kerzenschein in seinem Sessel und zeichnete Wege, Schutzwände, Springbrunnen und gluckernde Bachläufe, die er noch einrichten oder verbessern wollte, um seinen Pflanzen eine Freude zu machen. Er kannte jeden Fleck im Garten wie seine eigene Hand und hatte jeden seiner Schutzbefohlenen gleich lieb. Jeder einzelne Tag wurde in Blidfinns Garten zu einem schönen Abenteuer. Er war ein König in seinem Reich und nichts schien diese Freude trüben zu können - schon gar nicht an einem sonnigen Tag wie diesem.
Das dachte Blidfinn jedenfalls, und es gab ja auch keinen Grund, immer mit dem Schlimmsten zu rechnen. Obwohl es nicht mehr weit entfernt war.
Nachdem er sein Sonntagsreisfladenfestmahl beendet und alles wieder an Ort und Stelle verstaut hatte, unternahm er einen besonderen Sonntagsspaziergang durch seinen Garten. Er besuchte jeden Baum und jede Blume, grub hier etwas um und zupfte dort etwas ab, traf mit einigen schwärmenden Bienen eine Verabredung, dass sie ihren Stock nicht zu nah an seinem Schlafzimmerfenster einrichteten, schiente eine umgeknickte Blume und streichelte einigen welken Blättern den Rücken, bis sie in die Lichtwelt eingingen. Ehe er sichs versah, war er im hintersten Teil des Gartens angekommen, der an den Wald grenzte. Da wollte er aus alter Gewohnheit umkehren, als er unter einem hohen, alten Baum ein merkwürdiges Stöhnen hörte. Es schien, als ob ihm eine heisere Stimme etwas sagen wollte. Dann noch eine zweite, die noch dünner, aber auch noch verzweifelter klang. Für einen Moment griff die alte Angst vor dem Wald und seinen Gefahren nach Blidfinn, doch die Möglichkeit, dass da jemand seine Hilfe brauchen könnte, trieb ihn auf zitternden Beinen weiter. Was mochte das sein? Plötzlich trat er auf etwas, das unter seinem Fuß zerbrach. Er sah ins Gras und erblickte eine zerbrochene Laterne. Ihr Eigentümer war jedoch nirgends zu sehen. Blidfinn machte noch zwei Schritte und schaute hinter einen Baum. Welch ein schrecklicher Anblick! Es schnitt ihm ins Herz, als er die kleinen Wesen erblickte, die da vor ihm im trockenen Laub lagen.
"Liebe Freunde, wer hat das getan? Wer hat euch so übel mitgespielt?", flüsterte Blidfinn und kniete sich neben die blutenden und geschundenen Leiber von Rumpel, Pumpel und Keinesgleichen, die kein Lebenszeichen von sich gaben, obwohl ihnen Blidfinn über die haarigen Köpfchen strich und ihre kleinen Hände drückte.
Es sah ganz so aus, als hätte die Schauspieltruppe Lachen und Weinen ihre letzte Vorstellung gegeben.
3. Blidfinn vollbringt eine Heldentat, die später einmal sein Leben und das von mindestens drei weiteren Wesen ändern wird.
Wenn du glaubst, du kennst deinen Garten, stolperst du über etwas, das vorher nicht da war, und wenn du meinst, du kennst dich selbst, tust du etwas, von dem du geglaubt hast, das würdest du nie tun können.
So in etwa dachte Blidfinn, nachdem er es geschafft hatte, die Zwerge in sein Schlafzimmer zu schleppen und vorsichtig nebeneinander unter die Decke zu betten. Er verstand nicht ganz, wie er das vollbracht hatte, denn die drei Freunde waren fast ebenso groß wie er selbst, aber eine ganze Portion schwerer. Er war fast völlig am Ende vor Erschöpfung, und trotzdem versuchte er, die Zwerge so warm wie möglich einzupacken und ihre Wunden zu versorgen, weil er hoffte, dass wenigstens einer von ihnen wieder erwachen würde. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass vorläufig alle drei noch atmeten, holte Blidfinn das große Heilpflanzenbuch, in dem seine Mutter immer geblättert hatte, wenn jemand krank war, und suchte darin nach passenden Ratschlägen. Mit der Brille auf der Nase nahm er konzentriert in seinem Sessel Platz. Die meisten Kräuter, die in dem Buch erwähnt wurden, kannte er, weil er sie selbst gefunden und im Lauf der Jahre in seinem Garten angepflanzt hatte, ohne allerdings zu wissen, zu welchem Zweck. Erst jetzt wurde ihm klar, dass jede von ihnen über spezielle Heilkräfte verfügte.
Zwei Tage und zwei Nächte hielt Blidfinn neben dem Bett Wache und verfolgte jede Regung der Zwerge, wechselte Umschläge auf geschwollenen Muskeln, schmierte heilende Salbe auf Kratzer und Wunden und trocknete den Schweiß von den kleinen, runzligen Stirnen. Er hatte den allerbesten Kräutersud aus dem Heilpflanzenbuch gekocht, weil er hoffte, seinen unbekannten Patienten wenigstens ein paar Tropfen einflößen zu können, aber vergebens. Am dritten Tag und zum dreißigsten Mal hielt er einem von ihnen den Löffel an die Lippen ...
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Autoren-Porträt von Thorvaldur Thorsteinsson
Thorvaldur Thorsteinsson studierte Kunst in Reykjavik (Island) und Amsterdam (Niederlande). Er zählt zu den namhaftesten bildenden Künstlern Islands, wurde aber auch durch seine Theaterstücke und Kinderbücher bekannt. 2000 und 2001 war er Gastprofessor an der Kunstakademie Stuttgart.
Bibliographische Angaben
- Autor: Thorvaldur Thorsteinsson
- Altersempfehlung: 10 - 12 Jahre
- 2004, 1, 125 Seiten, teilweise Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzer: Karl-Ludwig Wetzig
- Verlag: cbj
- ISBN-10: 3570127516
- ISBN-13: 9783570127513
Rezension zu „Der kleine Blidfinn in großer Gefahr “
"Thorwaldsson schafft mit 'Blidfinn' ein Gesamtkunstwerk!" (SDZ)"Blidfinn - ein wunderschöner Einfall des Autors." (Die Welt)
"All das ist so schön und ergreifend erzählt, dass beim Lesen ein Sog entsteht." (Bulletin Jugend & Literatur)
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