Der letzte Moment
Er hielt sich für den genialsten Künstler der Welt. Doch er war eine Bestie. Nun ist er tot und ein anderer setzt sein blutiges Werk fort....
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Er hielt sich für den genialsten Künstler der Welt. Doch er war eine Bestie. Nun ist er tot und ein anderer setzt sein blutiges Werk fort.
Eine Frauenleiche, kunstvoll drapiert in einem Hotelzimmer - die Ermittler erinnert das grausige Szenario an Marsden Hexcamp, einen Serienmörder, der glaubte, die "Kunst des letzten Moments" zu perfektionieren. Doch Hexcamp wurde erschossen. Ist einer seiner Anhänger dabei, den Wahnsinn seines "Meisters" weiterzuführen? Die Ermittler Carson Ryder und Harry Nautilus tauchen in die verstörende Welt dieser Psychopathen ein, aber sie finden keine Spur. Carson sieht nur noch einen Ausweg: Er muss mit seinem Bruder zusammenarbeiten - der als Serienmörder hinter Gittern sitzt.
Vom New York Times Bestseller-Autor Jack Kerley.
Der letzte Moment vonJack Kerley
LESEPROBE
Prolog
Bezirksgericht Mobile Mobile, Alabama, 14. Mai1972
Detective Jacob Willow wich einem Schild mit derAufschrift STIRB, DU ELENDER MÖRDER aus und lief mit eingezogenem Kopf untereinem anderen hindurch, auf dem ZEIG REUE, SÜNDER stand. Er zwängte sich aneinem Bibel wedelnden Prediger mit verkniffener Miene vorbei und quetschte sichzwischen zwei aufgebrachten dicken Frauen in verschwitzten Kleidern durch. AlsWillow die Meute, die sich vor dem Gericht tummelte, endlich hinter sichgelassen hatte, nahm er zwei Stufen auf einmal, versuchte, drei zu nehmen,stolperte und nahm wieder zwei. Seine Kippe warf er in einen Aschenbecher nebendem Portal und betrat das Gericht. Da die Verhandlung in der oberen Etagestattfand, musste er eine weitere Treppe hochsprinten. Auf dem oberenTreppenabsatz wurde ihm leicht schwindelig. Er spähte um die Ecke in den Flur,der zum Gerichtssaal führte, und hoffte inständig, heute nicht der Weinenden zubegegnen. Doch mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie Morgen für Morgendie Sonne aufging, saß sie - ganz in Schwarz gehüllt und mit undurchsichtigemSchleier zwanzig Schritte weiter vorn auf einer zierlichen Eichenbank, dieEllbogen auf die Knie gestützt, das Gesicht in die Hände gelegt. Als Willowmerkte, wie seine Schuldgefühle wieder aufkeimten und ihm ganz flau im Magenwurde, wandte er den Blick von der Weinenden ab. Auf dem oberen Treppenabsatzsaß Lindell Latham, der Gerichtsdiener, hinter einem Klapptisch. Bei wichtigenProzessen kontrollierte er jeden, der den Saal betreten wollte. Latham kippelteauf den hinteren beiden Stuhlbeinen und stutzte seine Nägel mit einemJagdmesser. Auf dem Stoff seiner Uniform, der sich über seinen Bauch spannte,lagen weiße Halbmonde. »Wie üblich wieder zu spät, Detective Willow«, sagteLatham, ohne richtig aufzuschauen. »Jetzt aber mal flott in den Gerichtssaal,wenn Sie die Urteilsverkündung noch hören wollen.« Willow deutete mit dem Kinnauf die Weinende. »Wohnt sie schon im Gericht oder geht sie auch mal heim?«
Der nächste Halbmond fiel hinunter. »Wird abmorgen wohl nicht mehr auftauchen, Willow. Dann gibt's ja auch nichts mehr zusehen.«
Auf den Zehenspitzen schlich Willow zumGerichtssaal und hoffte, dass sie den Kopf nicht hob. Er hasste die Gefühle,die die Weinende weckte, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, wer siewar. Manche behaupteten, sie sei die Mutter eines der Opfer von MarsdenHexcamp, andere hielten sie für die Schwester oder Tante. Wer Anstalten machte,ihr Fragen zu stellen oder sie zu trösten, wurde wie eine lästige Fliege miteiner Handbewegung verscheucht. Diese eigenartige Frau mit dem dicken Schleierwurde von den Menschen im Gericht gar nicht mehr wahrgenommen, denn inzwischenwar ihre Anwesenheit für alle so selbstverständlich wie die Messingspucknäpfeund die überquellenden Aschenbecher. Den Gerichtssaal hatte sie während derdreiwöchigen Verhandlung kein einziges Mal betreten. Die von Marmorsäulengesäumten Korridore hatte sie zu ihrem Ort der Trauer umfunktioniert und ineinem fort geweint, von den Eröffnungsplädoyers bis zum Schuldspruchvergangener Woche. Die Wachmänner, die Tag für Tag ihren Kummer miterlebten,nahmen Anteil und gestatteten der Weinenden, sich im Gericht frei zu bewegenund sich hin und wieder im Büro eines abwesenden Richters hinzulegen. Willowatmete tief durch, hielt auf die Tür des Gerichtssaales zu und trat so leiseauf, wie es ihm die festen Sohlen seiner Budapester erlaubten. Als er an ihrvorbeikam, hob sie den Kopf und der Schleier verrutschte. In diesem Augenblicksah Willow zum ersten Mal das Gesicht der Weinenden und die trockenen Augen undder resolute Blick überraschten ihn. Auch ihr Alter erstaunte ihn: Dem Aussehennach war sie Anfang zwanzig. Er spürte, wie ihr Blick ihm zur Tür folgte, alswollte sie ihn und seine Schuldgefühle in den Gerichtssaal scheuchen. Erversuchte, seinen Schuldgefühlen, die ihn vor allem vor Sonnenaufgang quälten,mit Vernunft beizukommen. Er sagte sich, dass er erst vor zwei Jahren bei der AlabamaState Police als Detective angefangen hatte, dass es ihm an Erfahrung mangelte,diesen infamen, vom Intellekt entfachten Wahnsinn zu begreifen. Er erinnertesich an die höhnischen Kommentare der altgedienten Polizisten in der Abteilung,wenn er versuchte, sie davon zu überzeugen, dass es da eine Verbindung gebezwischen den anscheinend zufälligen Gräueltaten, die im Süden von Alabamaverübt wurden, und dass eine breit angelegte Untersuchung nötig sei, bei derdie Staats-, die Bundespolizei und die Polizei von Mobile zusammenarbeiteten.Doch so wie sich seine eindringlichen Bitten an seine Vorgesetzten alsunfruchtbar erwiesen hatten, versagten auch seine Rationalisierungsversuche:Und solange vor Gericht tagaus, tagein sexuelle Perversionen und entsetzlicheMorde geschildert wurden, litt Willow an frühmorgendlichen Schweißausbrüchen.Willow nickte der Wache an der Tür zu, schlich sich in den vollen Saal undentschuldigte sich immer wieder, während er sich zu dem für ihn reserviertenPlatz auf der Galerie gleich hinter der Verteidigung vorkämpfte. Ihm bliebkeine Zeit, sich zu setzen. »Erheben Sie sich«, rief der Gerichtsdiener undzweihundert Menschen im Gerichtssaal standen gleichzeitig auf. Nur eine Personblieb sitzen, ein schmächtiger, blonder Mann am Tisch der Verteidigung. Diegestreiften Sträflingsklamotten trug er mit dem Impetus eines Mannes in einemSavile-Row-Anzug. Marsden Hexcamp hatte ein Bein über das andere geschlagen undbewegte es im Takt zu einem trägen Rhythmus, den nur er hörte. Eine Haarsträhnefiel ihm in die Stirn und lenkte die Aufmerksamkeit auf die wässrig-blauenAugen. Er drehte den Kopf in Richtung Galerie und grinste, als erzähle ihmjemand gerade einen besonders guten Witz. Der Verteidiger tippte Hexcamp aufdie Schulter und bat seinen Mandanten mit einer Handbewegung, sich zu erheben,während der Richter den Saal betrat. Blitzschnell drehte Marsden Hexcamp denKopf und spuckte dem Rechtsanwalt in die Hand.
Willow bekam mit, wie der Anwalt angewiderterschauerte und die Hand an der Hose abwischte. Kein anderer beobachtete diesenunappetitlichen kleinen Zwischenfall, denn alle Augen waren auf Ambrose T.Penfield gerichtet, der zur Richterbank schritt. Seine schmächtige Staturkompensierte Richter Penfield mit einer Stimme wie ein gurgelnder Dorfbrunnenund wachsamen Adleraugen, die bei dem geringsten Anzeichen von schlechtemBetragen aufblitzten. Penfields zorniger Blick ruhte auf Marsden Hexcamp, derden Richter im Gegenzug mit einem Lächeln und einem lahmen Nicken bedachte. Penfieldsetzte seine Gleitsichtbrille auf und faltete ein Blatt Papier auseinander, aufdem das Strafmaß stand. Wie hoch dieses ausfallen würde, hatte er schon nachder ersten Verhandlungswoche entschieden. »Wir haben uns hier und heute zurUrteilsverkündung von Marsden Hexcamp versammelt«, ließ Penfield verlauten.»Und damit gehen Wochen der Abscheu und des Grauens zu Ende, Wochen, die soentsetzlich waren, dass zwei Juroren nicht weitermachen konnten und einer einenNervenzusammenbruch erlitt und noch immer im Krankenhaus liegt Marsden HexcampsAnwalt erhob sich. »Euer Ehren, ich glaube nicht, dass das hierher
»Setzen Sie sich«, befahl Penfield. Der Anwaltleistete der richterlichen Aufforderung Folge und es hatte beinah den Anschein,als wäre er erleichtert, dass dieser Fall nun zu Ende ging. »Diese Verhandlungist nicht nur für die Juroren eine Qual gewesen«, fuhr Penfield in seinemgurgelnden Bass fort, »sondern auch für all jene, denen der Modergeruch in dieNase steigt, den Mr Hexcamp verbreitet.
Marsden Hexcamp tat so, als würde er einWeinglas heben und mit dieser Geste einen wohlgemeinten Trinkspruch annehmen,wobei die Ketten an seinen schmalen Handgelenken wie Glocken klingelten.Penfield hielt inne und musterte den Angeklagten. »Ihre Mätzchen werden diesemGericht nicht länger den letzten Nerv rauben, Mr Hexcamp. Kraft des Amtes, dasmir von dem großartigen Staat Alabama verliehen wurde, verkünde ich folgendesUrteil: Sie werden in das Holman Prison überstellt, wo Sie - hoffentlich inRekordzeit - auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet werden. Und möge Gott demScheusal, das in Ihrer Brust schlummert, Gnade erweisen.«
© Ullstein Buchverlage GmbH
Übersetzung:Bettina Zeller
- Autor: Jack Kerley
- 2006, 1, 410 Seiten, Maße: 13 x 19 cm, Geb. mit Su.
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3828986501
- ISBN-13: 9783828986503
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