Der Matrose im Schrank
Irland in den 1960er-Jahren: Der halbwüchsige Hugo ist der Sohn eines national gesinnten Iren und einer deutschen Mutter. Mit allen Mitteln sucht er nach einem Freiraum außerhalb des Machtkreises seiner Eltern. Denn dort bürdet man ihm die Erinnerungen der...
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Produktinformationen zu „Der Matrose im Schrank “
Irland in den 1960er-Jahren: Der halbwüchsige Hugo ist der Sohn eines national gesinnten Iren und einer deutschen Mutter. Mit allen Mitteln sucht er nach einem Freiraum außerhalb des Machtkreises seiner Eltern. Denn dort bürdet man ihm die Erinnerungen der Vergangenheit auf: Die Mutter erinnert gebetsmühlenartig an die Gräuel der Nazis. Und der Vater leidet unter den Demütigungen der Briten. Hugo will Matrose werden. So wie sein englischer Großvater, dessen Bild der Vater im Schrank versteckt... »Ein kraftvolles, unvergessliches Buch.« (Sunday Independent)
Klappentext zu „Der Matrose im Schrank “
"Kraftvoll, komisch, hinreißend schön" der erste Band der Erinnerungen von Hugo Hamilton war eine kleine Sensation. Jetzt erzählt der Dubliner Schriftsteller den zweiten Teil eine ebenso poetische wie kompromisslos unsentimentale Geschichte von Liebe und Hass zwischen Vater und Sohn, von unbändigem Freiheitsdrang und tiefer Sehnsucht nach Heimat. Ein Sommer im Irland der sechziger Jahre. Hugo, Sohn eines Iren und einer Deutschen, versucht mit allen Kräften, seinem Zuhause zu entkommen. Zuhause, das ist der ständige Druck, sich gebetsmühlenartig der Gräuel der Nazis zu erinnern, das ist das zwanghafte Aufrechterhalten der irischen Kultur, das sind die starren Regeln und wutentbrannten Schläge des Vaters, der seinen Kindern rigoros verbietet, zu Hause englisch zu sprechen. Hugo entzieht sich dem Ganzen auf seine Art: Während der Vater weg ist, hört er heimlich Musik aus England, doch dummerweise vergisst er hinterher, die Single wieder vom Plattenteller zu nehmen. Bei Tisch führt Hugo Selbstgespräche auf Englisch, und obwohl der Vater spürt, was vor sich geht, kann er nichts dagegen tun. Später unternimmt Hugo mit einem Freund eine aufregende Reise auf die andere Seite des Landes, zu den Aran-Inseln. Dort fühlt er sich leicht und frei. Zum ersten Mal kann er die überwältigende Schönheit Irlands in vollen Zügen genießen, ohne dass ihn jemand dazu zwingt. Als die Familie Besuch aus Deutschland erhält, kommt endlich Bewegung in die festgefahrenen Verhältnisse, und Hugo stellt fest, dass Abschied und Heimkehr lediglich zwei Seiten derselben Medaille sind. Und plötzlich erhält der Begriff Familie eine neue Bedeutung für alle ...
DER ZWEITE TEIL DER HINREIßENDEN DEUTSCH-IRISCHEN ERINNERUNGEN.
Kraftvoll, komisch, hinreißend schön" - der erste Band der Erinnerungen von Hugo Hamilton war eine kleine Sensation. Jetzt erzählt der Dubliner Schriftsteller den zweiten Teil - eine ebenso poetische wie kompromisslos unsentimentale Geschichte von Liebe und Hass zwischen Vater und Sohn, von unbändigem Freiheitsdrang und tiefer Sehnsucht nach Heimat.
Ein Sommer im Irland der sechziger Jahre. Hugo, Sohn eines Iren und einer Deutschen, versucht mit allen Kräften, seinem Zuhause zu entkommen. Zuhause, das ist der ständige Druck, sich gebetsmühlenartig der Gräuel der Nazis zu erinnern, das ist das zwanghafte Aufrechterhalten der irischen Kultur, das sind die starren Regeln und wutentbrannten Schläge des Vaters, der seinen Kindern rigoros verbietet, zu Hause englisch zu sprechen. Hugo entzieht sich dem Ganzen auf seine Art: Während der Vater weg ist, hört er heimlich Musik aus England, doch dummerweise vergisst er hinterher, die Single wieder vom Plattenteller zu nehmen. Bei Tisch führt Hugo Selbstgespräche auf Englisch, und obwohl der Vater spürt, was vor sich geht, kann er nichts dagegen tun. Später unternimmt Hugo mit einem Freund eine aufregende Reise auf die andere Seite des Landes, zu den Aran-Inseln. Dort fühlt er sich leicht und frei. Zum ersten Mal kann er die überwältigende Schönheit Irlands in vollen Zügen genießen, ohne dass ihn jemand dazu zwingt.
Als die Familie Besuch aus Deutschland erhält, kommt endlich Bewegung in die festgefahrenen Verhältnisse, und Hugo stellt fest, dass Abschied und Heimkehr lediglich zwei Seiten derselben Medaille sind. Und plötzlich erhält der Begriff 'Familie' eine neue Bedeutung für alle ...
"Ein so gutes Buch wie 'Gescheckte Menschen' zu schreiben, ist schon mehr als außergewöhnlich. Aber Hamilton hat sich nun selbst übertroffen. 'Der Matrose im Schrank' ist ein unglaubliches Buch: Es ist lustig und traurig, herzzerreißend und versöhnlich zugleich. Spätestens dieser Roman macht Hugo Hamilton zu einem Spitzenschriftsteller der allerersten Riege." - Sunday Tribune
"Hamilton gelingt es meisterhaft, den Schmerz und die Verwirrung des Erwachsenwerdens in eindrücklichen Bildern festzuhalten." - Scotland on Sunday
"Ein bezauberndes Buch." - Guardian
Kraftvoll, komisch, hinreißend schön" - der erste Band der Erinnerungen von Hugo Hamilton war eine kleine Sensation. Jetzt erzählt der Dubliner Schriftsteller den zweiten Teil - eine ebenso poetische wie kompromisslos unsentimentale Geschichte von Liebe und Hass zwischen Vater und Sohn, von unbändigem Freiheitsdrang und tiefer Sehnsucht nach Heimat.
Ein Sommer im Irland der sechziger Jahre. Hugo, Sohn eines Iren und einer Deutschen, versucht mit allen Kräften, seinem Zuhause zu entkommen. Zuhause, das ist der ständige Druck, sich gebetsmühlenartig der Gräuel der Nazis zu erinnern, das ist das zwanghafte Aufrechterhalten der irischen Kultur, das sind die starren Regeln und wutentbrannten Schläge des Vaters, der seinen Kindern rigoros verbietet, zu Hause englisch zu sprechen. Hugo entzieht sich dem Ganzen auf seine Art: Während der Vater weg ist, hört er heimlich Musik aus England, doch dummerweise vergisst er hinterher, die Single wieder vom Plattenteller zu nehmen. Bei Tisch führt Hugo Selbstgespräche auf Englisch, und obwohl der Vater spürt, was vor sich geht, kann er nichts dagegen tun. Später unternimmt Hugo mit einem Freund eine aufregende Reise auf die andere Seite des Landes, zu den Aran-Inseln. Dort fühlt er sich leicht und frei. Zum ersten Mal kann er die überwältigende Schönheit Irlands in vollen Zügen genießen, ohne dass ihn jemand dazu zwingt.
Als die Familie Besuch aus Deutschland erhält, kommt endlich Bewegung in die festgefahrenen Verhältnisse, und Hugo stellt fest, dass Abschied und Heimkehr lediglich zwei Seiten derselben Medaille sind. Und plötzlich erhält der Begriff 'Familie' eine neue Bedeutung für alle ...
"Ein so gutes Buch wie 'Gescheckte Menschen' zu schreiben, ist schon mehr als außergewöhnlich. Aber Hamilton hat sich nun selbst übertroffen. 'Der Matrose im Schrank' ist ein unglaubliches Buch: Es ist lustig und traurig, herzzerreißend und versöhnlich zugleich. Spätestens dieser Roman macht Hugo Hamilton zu einem Spitzenschriftsteller der allerersten Riege." - Sunday Tribune
"Hamilton gelingt es meisterhaft, den Schmerz und die Verwirrung des Erwachsenwerdens in eindrücklichen Bildern festzuhalten." - Scotland on Sunday
"Ein bezauberndes Buch." - Guardian
Lese-Probe zu „Der Matrose im Schrank “
Angeblich kommt man unschuldig auf die Welt, aber das stimmt nicht. Man erbt unfreiwillig alles Mögliche. Man erbt seine Identität, seine Vergangenheit, es sind Geburtsmale, die man nicht abwaschen kann. Wir haben unsere irische Vergangenheit und unsere deutsche Vergangenheit, wir tragen beides in uns wie eine Erbsünde. Wir schauen von Geburt an zurück, aber meine Mutter sagt, nun müssten wir in die Zukunft schauen. Man müsse sich die eigene Unschuld erst verdienen, sagt sie. Man müsse erwachsen werden, um unschuldig zu sein.Unsere Haustür steht weit offen. Meine Mutter hat auch alle Fenster geöffnet, um frische Luft hereinzulassen. Kein Wind, nur das leise Flattern der langen Gardinen im Vorderzimmer, und im ganzen Haus das Summen des Sommers. Der Fußboden ist frisch gebohnert, und das Licht der Sonnenwende fällt in den Flur. Einmal hat mein Vater mit uns einen Autoausflug nach Newgrange gemacht, und er hat uns von der Wintersonnenwende erzählt, davon, wie die Sonnenstrahlen an Weihnachten in das Megalithgrab fallen und die Kammer im Inneren erhellen. Das sei wie ein Geistesblitz, sagt er. Nun scheint das Licht der Sommersonnenwende in unser Haus, und es erhellt die dunklen Winkel. Eine Weile spiegelt sich die Sonne in den oberen Fenstern der roten Backsteinreihenhäuser gegenüber, und ihr Licht fällt direkt in unseren Flur. Es wird von den Holzdielen und der geschnitzten Eichentruhe reflektiert und leuchtet bis in die Küche hinten im Haus. Das hält nicht lange an, aber solange es anhält, erglänzen alle Türgriffe, die Vasen, die Bilderrahmen, der Glanz ist so hell, dass man fast erblindet. Man kann nur die weißen Umrisse von Tür und Oberlicht erkennen.
Auf dem Dach des Frühstückszimmers kümmert sich mein Vater um die Bienen. Ich gehe nach draußen, um ihm zu helfen, und sehe zu, wie er vorsichtig um die Bienenkörbe herumgeht. Mit den Bienenschleiern vor dem Gesicht sehen wir aus wie zwei Astronauten auf einem fremden Planeten, wir arbeiten schweigend. Er winkt
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mir mit seinem großen Handschuh, und ich reiche ihm erst die Imkerpfeife und dann den Hebel aus rostfreiem Stahl, mit dem er die Rahmen herausnehmen kann, um zu sehen, ob die Bienen schwärmen wollen. Die Bienen mögen es nicht, wenn man sie dem Licht aussetzt. Sie hängen wie ein wimmelnder Bart an den Rahmen und lauschen den Gedanken, die meinem Vater unablässig durch den Kopf gehen. Ich kann ihre leisen Stimmen hören, die Stimmen tausender Bienen, die sich zum lauten, bedrohlichen Summen vereinen. Es klingt, als wollten sie meinen Vater töten, aber noch herrscht Waffenstillstand, und wir schließen die Bienenstöcke. Wir verstauen unsere Ausrüstung, und mein Vater bittet mich, ins Vorderzimmer zu kommen.
"Ich möchte dir etwas erzählen", sagt er.
Er macht die Tür zu. Die Stimmung ist ernst. Meine Mutter sitzt schon da und wartet darauf, dass er das Fenster schließt.
"Du bist jetzt alt genug für diese Geschichte", sagt er. Er will, dass ich erfahre, was meiner Mutter passiert ist, als sie nach dem Ende des Krieges heimzukehren versuchte. Ich bin als Empfänger dieser Botschaft aus der Vergangenheit ausersehen worden, einer Geschichte über die Briten, eine, für die wir uns setzen müssen.
Meine Mutter erzählt von den Phosphorbomben, die auf die Städte regneten, und von der bedingungslosen Kapitulation, vom allerletzten Schuss und von der Zeit der Befreiung, als sich alle auf den Heimweg machten. Sie kann sich an das Gefühl von Freiheit erinnern, das in jenem Sommer in der Luft lag wie der Duft von Gras. Sie musste sich von der Tschechoslowakei aus durchschlagen, wo alle noch auf der Flucht vor den Russen waren. Sie fuhr in einem Lastwagen der deutschen Wehrmacht mit, die russischen Panzer saßen ihnen mit einem halben Kilometer Abstand im Nacken, und um sie abzuhängen, fuhren sie quer über die Felder. Am Ende kam meine Mutter nur davon, weil alles verschlammt war und die Straßen so von Menschen wimmelten, dass die Russen sie nicht einholen konnten. An der Grenze legten die deutschen Soldaten ihre Uniformen ab und verwandelten sich in Zivilisten. Meine Mutter kann sich an den Berg von Helmen und Gewehren erinnern, der sich am Straßenrand auftürmte. Sie hatte Glück, denn sie radelte mit einem Offizier durch das Fichtelgebirge, der heimlich seine Waffe behalten hatte und ihr schließlich das Leben rettete. Auf dem Weg nach Nürnberg mussten sie bei Tage die höchstgelegenen Straßen benutzen und sich bei Nacht in den Wäldern verstecken. Es war der Beginn eines herrlichen, heißen Sommers, erzählt sie, doch der Offizier war schon verheiratet, und deshalb mussten sie Abschied voneinander nehmen. Sie setzte ihren Heimweg fort und wurde von amerikanischen Soldaten ins Rheinland mitgenommen.
Dann kommen wir zu dem Teil der Geschichte, auf den mein Vater wartet. Er hat die Stirn gerunzelt und die Lippen gespitzt, er lauscht jedem Wort. Meine Mutter erzählt, wie sie am Checkpoint der Briten in ein Lager kam, in dem man alle Menschen registrierte. Man trennte Männer und Frauen voneinander. Sie musste ihre Papiere vorzeigen und wurde gefragt, wo sie sich in den letzten Jahren aufgehalten und was sie getan hatte. Die Männer wurden fortgebracht, und der befehlshabende Offizier wies die Frauen an, sich draußen in einer Reihe aufzustellen. Es waren zwischen sechzig und achtzig Frauen, sagt meine Mutter, junge und alte, und sie standen in einer Reihe, vor der der Offizier auf und ab lief, unter dem Arm ein Klemmbrett mit der Liste aller Namen. Von der grellen Sonne geblendet, konnten sie nicht viel mehr als den schwarzen Umriss seiner Uniform erkennen. Lastwagen fuhren vorbei, und in der Luft lag ein Geruch von Diesel und Staub. Außerdem musste es irgendwo in der Nähe einen Flugplatz geben, denn sie konnten Flugzeuge landen und starten hören.
Der Offizier befahl ihnen, sich bis zur Taille freizumachen. Ein Übersetzer rief den Befehl, den die meisten Frauen schon auf Englisch verstanden hatten. Das Ganze wirkte nicht wie eine medizinische Untersuchung, und die Frauen, die keine Ahnung hatten, was als Nächstes geschähe, warfen einander ängstliche Blicke zu. Sie gehorchten und standen halb nackt da, und die Soldaten auf den vorbeikommenden Lastwagen begafften sie und pfiffen ihnen zu. Einige Soldaten riefen etwas, doch selbst wenn sie deutsche Wörter wie Fräulein benutzten, waren sie kaum zu verstehen.
Meine Mutter weigerte sich, sich freizumachen. Hitler hatte sie auch nicht immer gehorcht. Der Offizier kam zu ihr und brüllte sie an. Er war rot im Gesicht, und vielleicht war ihm zu heiß in seiner Uniform, denn er begann, mit dem Klemmbrett an sein Bein zu tippen, und schließlich sagte eine der Frauen, meine Mutter solle sich nicht so anstellen, sonst brächte sie noch alle in Teufels Küche.
Ich mag diese Geschichte nicht hören, weil ich davon eine wunde Seele bekomme. Meine Mutter machte sich bis zur Taille frei, aber sobald der Offizier sich abwandte, zog sie ihr Kleid wieder hoch. Der Offizier war wütend, weil sie nicht klein beigab wie alle anderen. Er kam zurückmarschiert und zog ihr das Kleid wieder herunter. Die Soldaten, die auf den Lastwagen die Abfahrt aus dem Lager erwarteten, johlten laut. Im Gegenlicht konnte meine Mutter sie nicht sehen, aber sie roch den Rauch ihrer Zigaretten. Als der Offizier weiterging, zog sie ihr Kleid wieder hoch, damit die Soldaten sie nicht mehr begaffen und keine dummen Sprüche über deutsche Frauen reißen konnten. Doch er machte sofort kehrt und riss ihr das Kleid erneut herunter, brüllte ihr auf Englisch etwas ins Gesicht, und die Männer auf den Lastwagen johlten noch einmal. Am Ende musste sie sich geschlagen geben, denn eine Frau neben ihr sagte, es lohne sich nicht, die Deutschen seien nun einmal die Verlierer des Krieges und die Briten die Sieger.
"Zeigen wir ihnen doch einfach, wie schön wir sind", meinte eine.
Meine Mutter muss lachen. Das sei deutscher Humor, sagt sie, denn die Frau, die dies gesagt hatte, war sehr alt, hatte faltige Haut und war nicht gerade eine Augenweide für die Männer. Sie weiß noch, dass alle lachen mussten, obwohl sie sich schämten, hungrig und schwach vom vielen Laufen waren und sich fragten, was als Nächstes geschähe. Sie waren in Sorge, nach Hause zu kommen, sie waren in Sorge, weil sie nicht wussten, was nach den Bombenangriffen noch übrig geblieben und wer noch am Leben war, und obwohl sie leise in sich hineinlachten, als hätten sie nichts mehr zu verlieren, wurden sie doch zum Gespött gemacht, denn sie standen halb nackt in der Sonne, und in ihren Ohren gellten die Pfiffe der Soldaten, die auf den Lastwagen ankamen und abfuhren.
Meine Mutter sagt, als besiegte Frauen mussten sie die Demütigung über sich ergehen lassen, eine Ewigkeit mit den Händen an den Seiten in der Gluthitze zu stehen, bis manche in Ohnmacht fielen, und außerdem hätten sie hinterher alle einen hübschen Sonnenbrand gehabt, sagt sie.
Mein Vater steht auf, geht zu ihr und legt ihr einen Arm um die Schultern. Als er spricht, zittert seine Stimme.
"Sie haben Schande über sie gebracht", sagt er.
Nun lächelt meine Mutter, sie versucht zu sagen, dass sie froh sei, noch am Leben zu sein, und dass es ihr viel schlimmer hätte ergehen können, etwa so wie den Frauen im Osten, die von den Deutschen ermordet wurden, Frauen, denen man jede Würde raubte, Frauen, die mit ihren Kindern in den Tod gingen. Frauen, die ihren Kindern bis zur letzten Minute etwas vorsangen, damit diese weniger Angst hatten, bevor man sie schließlich in den Konzentrationslagern ermordete.
"Die Deutschen haben Schande über sich gebracht", sagt sie. "Vergiss das nicht."
Doch mein Vater will die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Er ist zugleich wütend und traurig. Ich sehe, dass sein Kinn bebt. Er redet, als gehörte meine Mutter inzwischen zur irischen Geschichte. Er bewundert sie für ihre Weigerung, sich vor den Briten zu entblößen, und sagt, sie habe das Herz einer Rebellin. Er wünschte, er wäre dort gewesen, um sie zu beschützen, aber nun sei es zu spät und viel zu lange her und er könne nichts mehr tun, außer alles Britische aus seinen vier Wänden zu verbannen. Er könne nur noch dafür sorgen, dass keine englischen Wörter mehr in unser Haus kämen und alles Britische aus Irland verbannt werde. Er will meine Mutter immer noch vor der Demütigung bewahren und sagt, ich dürfe nie vergessen, dass ihre Familie von Anfang an gegen die Nazis gewesen ist. Ihr Onkel verlor sein Amt als Oberbürgermeister, weil er nicht in die Partei eintreten wollte. Ihre Schwester Marianne verwandelte ihre Salzburger Pension im Krieg in einen sicheren Hort und versteckte eine Jüdin, die sich als katholische Nonne verkleidete. Meine Mutter missachtete Befehle, damit sie Essen nach Salzburg bringen konnte, wurde als Deserteurin verhaftet und dann gemeinsam mit einem jungen Soldaten, den man an seinen Sitz gekettet hatte, in einem verriegelten Waggon nach Osten verfrachtet.
"Die Briten sind die Letzten, die sich ein Urteil über andere Menschen anmaßen dürfen", sagt er. Es gibt noch mehr, das man nicht vergessen darf, Dinge aus der irischen Geschichte, Dinge, die immer noch in Nordirland passieren. Er ergreift die Hand meiner Mutter. Er hat Tränen in den Augen und kann kaum sprechen.
"Sie sollten sich erst einmal selbst ins Gesicht sehen", sagt er.
Meine Mutter lächelt und sagt, es sei höchste Zeit, die Wunden heilen zu lassen. Höchste Zeit für Vergebung und Frieden. Höchste Zeit, die Toten in der Erinnerung wieder zum Leben zu erwecken. Höchste Zeit, erwachsen und damit unschuldig zu werden.
"Wir möchten nur, dass du ein Gewissen hast", sagt sie abschließend.
Danach ist es eine ganze Weile still im Zimmer. Mein Vater setzt die Brille ab und wischt sich mit dem Handgelenk über die Augen. Es fällt schwer, die beiden anzuschauen, wie sie dort nebeneinander sitzen, unfähig, der Vergangenheit zu entkommen. Vielleicht müssen Eltern bestimmte Dinge an ihre Kinder weitergeben, um sich selbst von diesen Dingen zu befreien. Die Geschichte, die ich eben gehört habe, liegt mir schwer im Magen, denn sie erzählt von der Demütigung meiner Mutter. Es ist, als blendete mich das Licht der Sonnenwende im Kopf. Ich bin der Junge, der von Geburt an zurückschaut, und ich muss unaufhörlich daran denken, wie meine Mutter nach dem Kriegsende stumm in der grellen Sonne stand. Ich bin der Sohn einer Deutschen, die öffentlich gedemütigt wurde, und der Sohn eines Iren, der den Briten immer noch die Stirn bietet.
Bestimmte Dinge muss ich vergessen, Dinge, an die ich nicht mehr denken mag. Ich will keine Vergangenheit haben, kein Gewissen, keine Erinnerung. Ich will meinem Zuhause und meiner Familie und meiner Geschichte entkommen.
Als ich schließlich gehen darf, trete ich durch die Haustür in den Sonnenschein. Ich steige auf mein Fahrrad, und auf dem Weg zum Hafen spüre ich den vom Meer kommenden Wind. Ich radele an Männern vorbei, die das blaue Geländer der Uferpromenade streichen. Ich höre, wie sie sich unterhalten, während sie den Rost abklopfen und abschleifen. Ich rieche die Farbe und den Rauch ihrer Zigaretten, und es kommt mir vor, als wäre die Luft frisch gestrichen. Mein Freund Packer hat mir im Hafen einen Job bei einem alten Fischer besorgt. Dort interessiert sich keiner dafür, woher ich komme. Ich bin allein mit Packer und den anderen Jungs, die für Dan Turley arbeiten, wir sitzen auf dem Bootsgestell vor dem Schuppen auf dem Pier, lauschen dem fernen Radio und lachen über unsere eigenen Witze. Dan Turley liegt im Schuppen in seiner Schlafkoje, die weiße Mütze über den Augen, und wir sitzen draußen in der Sonne, im Rücken die handgemalten Schilder. Auf blauem Hintergrund verkünden große, weiße Lettern: Frische Makrelen und Hummer zu verkaufen, Boote zu vermieten, Fahrten um die Insel.
Die Leute kommen von überall her, um Fisch und Hummer zu kaufen. Manche Leute mieten sich ein Boot, um angeln zu fahren, andere nur zum Vergnügen. Bei ihrer Rückkehr müssen wir die Boote vertäuen, ausrechnen, wie viele Stunden sie unterwegs waren, das Geld kassieren und alles mit dem an einem Band befestigten Bleistiftstummel in das Buch eintragen. Jedes Boot heißt anders, etwa Sarah Jane oder Printemps. Manchmal müssen wir mit dem Fernglas auf die Felsen hinter dem Schuppen steigen, um zu schauen, ob ein Boot Probleme hat. Wenn ein Motor ausgefallen ist, müssen wir manchmal hinausfahren und das Boot bergen. Paare, die zur Insel fahren, um sich dort ins Gras zu legen. Scharen von Paaren, die sich von der Wärme täuschen lassen und erst draußen auf dem Meer merken, wie windig es ist. Dann kehren die Frauen zitternd und in Männerjacken gehüllt zurück, vielleicht sogar bleich und seekrank, weil sie es nicht gewohnt sind, auf See zu sein. Manchmal ist auch das Gegenteil der Fall, dann fahren sie in Regenjacken hinaus und kehren alle mit krebsroter Haut und einem Sonnenbrand auf der einen Gesichtshälfte zurück. Manchmal sieht man es im einen Teil der Bucht regnen, während im anderen Teil die Sonne wie eine Schreibtischlampe auf das Wasser scheint. Manchmal ist die See rau, und niemand kann hinausfahren, weil die rote Flagge gehisst wurde. Und manchmal kommen die Leute nur zum Gucken: Männer, die ihre Hunde ausführen, Frauen, die sich die Sonnenbrillen oben ins Haar gesteckt haben, Pflegerinnen aus dem Heim oberhalb des Hafens, die alte Menschen im Rollstuhl schieben, damit diese sich die Boote anschauen können.
Dies ist der Hafen des Vergessens und des Nie-mehr-Rückschau-Haltens.
In diesem Sommer werde ich entkommen und mir meine Unschuld verdienen. Dies ist mein Abschied von der Vergangenheit, mein Abschied vom Krieg und vom Groll. Mein Abschied von Radiomeldungen über Kriege und Tote, mein Abschied von Beerdigungen und mein Abschied von Tränen. Mein Abschied von Flaggen und von Ländern. Ich nehme Abschied von der Schande, und ich nehme Abschied von den Anklagen, und ich nehme Abschied von der wunden Seele.
Alles schien stillzustehen. Man konnte spüren, wie das Boot dahintrieb, und man konnte hören, wie das Wasser unter dem Kiel alle möglichen glucksenden Geräusche machte. Alles schaukelte, und doch schienen wir uns nicht von der Stelle zu rühren, denn die Sonne stand wieder hell am Himmel und blitzte wie in tausend flüssigen Spiegeln auf dem Wasser. Alles war weiß und leer, selbst die Küste war nicht mehr zu erkennen, als wäre das Land verschwunden, von dem wir aufgebrochen waren, als gäbe es kein Land mehr, in das wir zurückkehren konnten. Man wusste natürlich, dass es direkt vor einem lag. Man konnte sich den Anblick vorstellen - den Hügel, den Hafen, die Kirchtürme. Vom Ufer drangen viele vertraute Geräusche herüber - ein Motorrad, ein in die Stadt einfahrender Zug. Bei Straßenbauarbeiten rasselten Presslufthämmer, doch in unseren Ohren klang es nicht wie Gerassel, sondern eher wie das Gebimmel einer kleinen Glocke. Alles war weit fort, und es gab nur Dan und mich, wir trieben dahin und ruckten ab und zu an den Angelleinen und sprachen kaum ein Wort, als hätte uns irgendein Gesetz der Fischer dazu verdonnert, im Boot zu schweigen. Früher oder später mussten wir merken, dass wir nicht stillstanden, im Gegenteil, und dass uns die Flut schon dicht an die Insel getrieben hatte. Dan murmelte irgendetwas, und wir holten die Leinen ein. Das Boot tanzte auf den Wellen, und Gischt sprühte über den Bug auf meine nackten Arme, und als wir wieder auf einer Höhe mit dem Hafen waren, stellte Dan den Motor ab. Wir warfen die Leinen aus und trieben wieder, wir lauschten dem Wasser, das unter den Planken gluckste, bis wir auf einen Makrelenschwarm stießen und das Boot auf einmal voller zuckender Fische war.
Da hörte ich am Ufer einen Ruf.
"Turley."
Nur sein Name, mehr nicht. Ich sah zu Dan, weil ich wissen wollte, ob er den Ruf auch gehört hatte. Irgendjemand stand oben auf den Felsen, er war im Vorteil, denn er hatte die Sonne im Rücken, doch wir konnten nichts sehen, und der Ruf konnte in jeder der Höhlen erschallt sein, die die Küste wie offene Münder säumten. Er konnte in der kleinen Ruine oder in jedem der dunklen Fenster des leer stehenden Hauses oben auf den Klippen erschallt sein. Es war nur ein einziger Ruf. Von jemandem, der Dan kannte. Ein feindseliger Ruf, der über dem Wasser in der Luft hängen blieb, als sollte Dan einfach nur wissen, dass man ihn im Auge behalte und nicht vergesse.
Ich weiß, dass man sich nirgendwo vor seinen Erinnerungen und vor seinem Namen verstecken kann. Er bleibt einem auf den Fersen, er folgt einem auf der Straße, er folgt einem in den Bus, er folgt einem sogar bis draußen ins Boot. Der eigene Name verfolgt einen wie ein Fluch. Packer hat mir erzählt, dass Dan Turley aus Derry stamme und Feinde habe, aber viel mehr wissen wir nicht, weil er nie von sich erzählt. Er ist der Mann, der niemals Rückschau hält, der Mann, der genau wie ich seinen Namen und seine Herkunft vergessen will.
Mein Vater und meine Mutter haben uns beigebracht, wie man vergisst und wie man sich erinnert. Mein Vater schwingt immer noch Reden am Frühstückstisch, und meine Mutter schneidet immer noch Fotos und Artikel aus den Zeitungen aus und klebt sie in ihrer Freizeit in das Tagebuch. Sie will, dass wir nicht vergessen, wie wir aufgewachsen sind, und sie will, dass wir niemals anderen antun, was ihr in Deutschland passiert ist. Sie will, dass in ihrem Tagebuch alles eingeklebt und festgehalten ist. Darin vermischt sich unser Leben mit dem Lauf der Welt. Eine Seite zeigt eine blonde Locke, die nächste ein Foto Martin Luther Kings. Schulzeugnisse stehen Fotos von Panzern in den Straßen Prags gegenüber.
Jedes Mal, wenn jemand in unserer Familie einen Albtraum hatte, stand meine Mutter mitten in der Nacht auf und holte Papier und Buntstifte. Hier, mal deinen Albtraum, sagte sie. Wenn du ihn gemalt hast, ist er für immer gebannt. Also knipsten wir das Licht an, setzten uns im Bett auf, rieben uns die Augen und malten, was uns Angst eingejagt hatte. Manchmal konnte ich mich nicht mehr an den Albtraum erinnern. Meine Finger waren so müde, dass ich den Stift weder halten noch ansetzen konnte. Doch meine Mutter wartete geduldig, einen Arm um mich gelegt, bis ich das Grauen gezeichnet und angemalt hatte. Na, siehst du, sagte sie dann, nun steckt der Albtraum im Bild, und wir können ihn weglegen. Nun haben wir ihn wegerinnert und können weiterschlafen.
Unsere Familie ist eine Fabrik des Erinnerns und Vergessens. Das Tagebuch meiner Mutter ist voller Geheimnisse und Albträume. Meine Schwester Maria hat einen Wolf mit grünen Zähnen gemalt, der sie daran hindert, die Treppe zu unserer Mutter hinabzugehen. Mein Bruder Franz hat ein Bild gemalt, auf dem er an einem Fenster des Hauses steht, und sämtliche anderen Familienmitglieder schauen aus einem jeweils anderen Fenster desselben Hauses, und alle können weder miteinander reden, noch hören sie einander rufen, weil in jedem Zimmer eine andere Sprache gesprochen wird. Auf einem Bild spült ein Fluss viele fremde Menschen durch die Haustür herein, sie segeln in Booten durch den Flur und reden alle Englisch. Es gab Albträume auf Irisch und Albträume auf Deutsch. Albträume auf Englisch, die man ohne Worte malen konnte. Albträume, die mit der Familie zu tun hatten, und Albträume, die mit der Welt zu tun hatten. Einmal malte ich das Bild eines Juden, dem man den Bart abgerissen hatte, und sein Kinn war ganz rot, denn meine Mutter hatte mir diese Geschichte erzählt, und ich musste unaufhörlich daran denken. Ein Bild zeigte die Beerdigung Roger Casements in Glasnevin. Ein anderes Bild die Berliner Mauer und Menschen, die durch die Fenster ihrer Häuser fliehen wollten und zuerst ihre Koffer und Kinder hinauswarfen.
Manchmal mussten wir den Albtraum samt Auflösung malen. Maria am Fuß der Treppe in den Armen unserer Mutter und der im Badezimmer eingesperrte Wolf. Meine Schwester Bríd, die am Fenster steht und ganz viel gute blaue Luft statt schlechter roter Luft einatmet. Albträume, in denen meine Mutter nicht in demselben Land lebt wie wir. Eine Weile malte ich immer nur Schweine, Hühner und Bauern, die alle in dieselbe Richtung schauten. Aller Rauch und alle Flaggen wehten nach links, bis meiner Mutter eines Abends auffiel, dass sie als Einzige in die andere Richtung schaute, nach rechts. Sie bat mich, sie andersherum zu drehen, und danach war alles gut, denn wir schauten alle in dieselbe Richtung und waren alle wieder in demselben Land.In unserem Haus gab es so viele Albträume, dass meine Mutter bestimmt manchmal die ganze Nacht wach war. Sobald eine furchtbare Sache gemalt war, fiel uns eine neue ein. Je mehr Albträume wir malten, desto mehr erfanden wir.
"Ich möchte dir etwas erzählen", sagt er.
Er macht die Tür zu. Die Stimmung ist ernst. Meine Mutter sitzt schon da und wartet darauf, dass er das Fenster schließt.
"Du bist jetzt alt genug für diese Geschichte", sagt er. Er will, dass ich erfahre, was meiner Mutter passiert ist, als sie nach dem Ende des Krieges heimzukehren versuchte. Ich bin als Empfänger dieser Botschaft aus der Vergangenheit ausersehen worden, einer Geschichte über die Briten, eine, für die wir uns setzen müssen.
Meine Mutter erzählt von den Phosphorbomben, die auf die Städte regneten, und von der bedingungslosen Kapitulation, vom allerletzten Schuss und von der Zeit der Befreiung, als sich alle auf den Heimweg machten. Sie kann sich an das Gefühl von Freiheit erinnern, das in jenem Sommer in der Luft lag wie der Duft von Gras. Sie musste sich von der Tschechoslowakei aus durchschlagen, wo alle noch auf der Flucht vor den Russen waren. Sie fuhr in einem Lastwagen der deutschen Wehrmacht mit, die russischen Panzer saßen ihnen mit einem halben Kilometer Abstand im Nacken, und um sie abzuhängen, fuhren sie quer über die Felder. Am Ende kam meine Mutter nur davon, weil alles verschlammt war und die Straßen so von Menschen wimmelten, dass die Russen sie nicht einholen konnten. An der Grenze legten die deutschen Soldaten ihre Uniformen ab und verwandelten sich in Zivilisten. Meine Mutter kann sich an den Berg von Helmen und Gewehren erinnern, der sich am Straßenrand auftürmte. Sie hatte Glück, denn sie radelte mit einem Offizier durch das Fichtelgebirge, der heimlich seine Waffe behalten hatte und ihr schließlich das Leben rettete. Auf dem Weg nach Nürnberg mussten sie bei Tage die höchstgelegenen Straßen benutzen und sich bei Nacht in den Wäldern verstecken. Es war der Beginn eines herrlichen, heißen Sommers, erzählt sie, doch der Offizier war schon verheiratet, und deshalb mussten sie Abschied voneinander nehmen. Sie setzte ihren Heimweg fort und wurde von amerikanischen Soldaten ins Rheinland mitgenommen.
Dann kommen wir zu dem Teil der Geschichte, auf den mein Vater wartet. Er hat die Stirn gerunzelt und die Lippen gespitzt, er lauscht jedem Wort. Meine Mutter erzählt, wie sie am Checkpoint der Briten in ein Lager kam, in dem man alle Menschen registrierte. Man trennte Männer und Frauen voneinander. Sie musste ihre Papiere vorzeigen und wurde gefragt, wo sie sich in den letzten Jahren aufgehalten und was sie getan hatte. Die Männer wurden fortgebracht, und der befehlshabende Offizier wies die Frauen an, sich draußen in einer Reihe aufzustellen. Es waren zwischen sechzig und achtzig Frauen, sagt meine Mutter, junge und alte, und sie standen in einer Reihe, vor der der Offizier auf und ab lief, unter dem Arm ein Klemmbrett mit der Liste aller Namen. Von der grellen Sonne geblendet, konnten sie nicht viel mehr als den schwarzen Umriss seiner Uniform erkennen. Lastwagen fuhren vorbei, und in der Luft lag ein Geruch von Diesel und Staub. Außerdem musste es irgendwo in der Nähe einen Flugplatz geben, denn sie konnten Flugzeuge landen und starten hören.
Der Offizier befahl ihnen, sich bis zur Taille freizumachen. Ein Übersetzer rief den Befehl, den die meisten Frauen schon auf Englisch verstanden hatten. Das Ganze wirkte nicht wie eine medizinische Untersuchung, und die Frauen, die keine Ahnung hatten, was als Nächstes geschähe, warfen einander ängstliche Blicke zu. Sie gehorchten und standen halb nackt da, und die Soldaten auf den vorbeikommenden Lastwagen begafften sie und pfiffen ihnen zu. Einige Soldaten riefen etwas, doch selbst wenn sie deutsche Wörter wie Fräulein benutzten, waren sie kaum zu verstehen.
Meine Mutter weigerte sich, sich freizumachen. Hitler hatte sie auch nicht immer gehorcht. Der Offizier kam zu ihr und brüllte sie an. Er war rot im Gesicht, und vielleicht war ihm zu heiß in seiner Uniform, denn er begann, mit dem Klemmbrett an sein Bein zu tippen, und schließlich sagte eine der Frauen, meine Mutter solle sich nicht so anstellen, sonst brächte sie noch alle in Teufels Küche.
Ich mag diese Geschichte nicht hören, weil ich davon eine wunde Seele bekomme. Meine Mutter machte sich bis zur Taille frei, aber sobald der Offizier sich abwandte, zog sie ihr Kleid wieder hoch. Der Offizier war wütend, weil sie nicht klein beigab wie alle anderen. Er kam zurückmarschiert und zog ihr das Kleid wieder herunter. Die Soldaten, die auf den Lastwagen die Abfahrt aus dem Lager erwarteten, johlten laut. Im Gegenlicht konnte meine Mutter sie nicht sehen, aber sie roch den Rauch ihrer Zigaretten. Als der Offizier weiterging, zog sie ihr Kleid wieder hoch, damit die Soldaten sie nicht mehr begaffen und keine dummen Sprüche über deutsche Frauen reißen konnten. Doch er machte sofort kehrt und riss ihr das Kleid erneut herunter, brüllte ihr auf Englisch etwas ins Gesicht, und die Männer auf den Lastwagen johlten noch einmal. Am Ende musste sie sich geschlagen geben, denn eine Frau neben ihr sagte, es lohne sich nicht, die Deutschen seien nun einmal die Verlierer des Krieges und die Briten die Sieger.
"Zeigen wir ihnen doch einfach, wie schön wir sind", meinte eine.
Meine Mutter muss lachen. Das sei deutscher Humor, sagt sie, denn die Frau, die dies gesagt hatte, war sehr alt, hatte faltige Haut und war nicht gerade eine Augenweide für die Männer. Sie weiß noch, dass alle lachen mussten, obwohl sie sich schämten, hungrig und schwach vom vielen Laufen waren und sich fragten, was als Nächstes geschähe. Sie waren in Sorge, nach Hause zu kommen, sie waren in Sorge, weil sie nicht wussten, was nach den Bombenangriffen noch übrig geblieben und wer noch am Leben war, und obwohl sie leise in sich hineinlachten, als hätten sie nichts mehr zu verlieren, wurden sie doch zum Gespött gemacht, denn sie standen halb nackt in der Sonne, und in ihren Ohren gellten die Pfiffe der Soldaten, die auf den Lastwagen ankamen und abfuhren.
Meine Mutter sagt, als besiegte Frauen mussten sie die Demütigung über sich ergehen lassen, eine Ewigkeit mit den Händen an den Seiten in der Gluthitze zu stehen, bis manche in Ohnmacht fielen, und außerdem hätten sie hinterher alle einen hübschen Sonnenbrand gehabt, sagt sie.
Mein Vater steht auf, geht zu ihr und legt ihr einen Arm um die Schultern. Als er spricht, zittert seine Stimme.
"Sie haben Schande über sie gebracht", sagt er.
Nun lächelt meine Mutter, sie versucht zu sagen, dass sie froh sei, noch am Leben zu sein, und dass es ihr viel schlimmer hätte ergehen können, etwa so wie den Frauen im Osten, die von den Deutschen ermordet wurden, Frauen, denen man jede Würde raubte, Frauen, die mit ihren Kindern in den Tod gingen. Frauen, die ihren Kindern bis zur letzten Minute etwas vorsangen, damit diese weniger Angst hatten, bevor man sie schließlich in den Konzentrationslagern ermordete.
"Die Deutschen haben Schande über sich gebracht", sagt sie. "Vergiss das nicht."
Doch mein Vater will die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Er ist zugleich wütend und traurig. Ich sehe, dass sein Kinn bebt. Er redet, als gehörte meine Mutter inzwischen zur irischen Geschichte. Er bewundert sie für ihre Weigerung, sich vor den Briten zu entblößen, und sagt, sie habe das Herz einer Rebellin. Er wünschte, er wäre dort gewesen, um sie zu beschützen, aber nun sei es zu spät und viel zu lange her und er könne nichts mehr tun, außer alles Britische aus seinen vier Wänden zu verbannen. Er könne nur noch dafür sorgen, dass keine englischen Wörter mehr in unser Haus kämen und alles Britische aus Irland verbannt werde. Er will meine Mutter immer noch vor der Demütigung bewahren und sagt, ich dürfe nie vergessen, dass ihre Familie von Anfang an gegen die Nazis gewesen ist. Ihr Onkel verlor sein Amt als Oberbürgermeister, weil er nicht in die Partei eintreten wollte. Ihre Schwester Marianne verwandelte ihre Salzburger Pension im Krieg in einen sicheren Hort und versteckte eine Jüdin, die sich als katholische Nonne verkleidete. Meine Mutter missachtete Befehle, damit sie Essen nach Salzburg bringen konnte, wurde als Deserteurin verhaftet und dann gemeinsam mit einem jungen Soldaten, den man an seinen Sitz gekettet hatte, in einem verriegelten Waggon nach Osten verfrachtet.
"Die Briten sind die Letzten, die sich ein Urteil über andere Menschen anmaßen dürfen", sagt er. Es gibt noch mehr, das man nicht vergessen darf, Dinge aus der irischen Geschichte, Dinge, die immer noch in Nordirland passieren. Er ergreift die Hand meiner Mutter. Er hat Tränen in den Augen und kann kaum sprechen.
"Sie sollten sich erst einmal selbst ins Gesicht sehen", sagt er.
Meine Mutter lächelt und sagt, es sei höchste Zeit, die Wunden heilen zu lassen. Höchste Zeit für Vergebung und Frieden. Höchste Zeit, die Toten in der Erinnerung wieder zum Leben zu erwecken. Höchste Zeit, erwachsen und damit unschuldig zu werden.
"Wir möchten nur, dass du ein Gewissen hast", sagt sie abschließend.
Danach ist es eine ganze Weile still im Zimmer. Mein Vater setzt die Brille ab und wischt sich mit dem Handgelenk über die Augen. Es fällt schwer, die beiden anzuschauen, wie sie dort nebeneinander sitzen, unfähig, der Vergangenheit zu entkommen. Vielleicht müssen Eltern bestimmte Dinge an ihre Kinder weitergeben, um sich selbst von diesen Dingen zu befreien. Die Geschichte, die ich eben gehört habe, liegt mir schwer im Magen, denn sie erzählt von der Demütigung meiner Mutter. Es ist, als blendete mich das Licht der Sonnenwende im Kopf. Ich bin der Junge, der von Geburt an zurückschaut, und ich muss unaufhörlich daran denken, wie meine Mutter nach dem Kriegsende stumm in der grellen Sonne stand. Ich bin der Sohn einer Deutschen, die öffentlich gedemütigt wurde, und der Sohn eines Iren, der den Briten immer noch die Stirn bietet.
Bestimmte Dinge muss ich vergessen, Dinge, an die ich nicht mehr denken mag. Ich will keine Vergangenheit haben, kein Gewissen, keine Erinnerung. Ich will meinem Zuhause und meiner Familie und meiner Geschichte entkommen.
Als ich schließlich gehen darf, trete ich durch die Haustür in den Sonnenschein. Ich steige auf mein Fahrrad, und auf dem Weg zum Hafen spüre ich den vom Meer kommenden Wind. Ich radele an Männern vorbei, die das blaue Geländer der Uferpromenade streichen. Ich höre, wie sie sich unterhalten, während sie den Rost abklopfen und abschleifen. Ich rieche die Farbe und den Rauch ihrer Zigaretten, und es kommt mir vor, als wäre die Luft frisch gestrichen. Mein Freund Packer hat mir im Hafen einen Job bei einem alten Fischer besorgt. Dort interessiert sich keiner dafür, woher ich komme. Ich bin allein mit Packer und den anderen Jungs, die für Dan Turley arbeiten, wir sitzen auf dem Bootsgestell vor dem Schuppen auf dem Pier, lauschen dem fernen Radio und lachen über unsere eigenen Witze. Dan Turley liegt im Schuppen in seiner Schlafkoje, die weiße Mütze über den Augen, und wir sitzen draußen in der Sonne, im Rücken die handgemalten Schilder. Auf blauem Hintergrund verkünden große, weiße Lettern: Frische Makrelen und Hummer zu verkaufen, Boote zu vermieten, Fahrten um die Insel.
Die Leute kommen von überall her, um Fisch und Hummer zu kaufen. Manche Leute mieten sich ein Boot, um angeln zu fahren, andere nur zum Vergnügen. Bei ihrer Rückkehr müssen wir die Boote vertäuen, ausrechnen, wie viele Stunden sie unterwegs waren, das Geld kassieren und alles mit dem an einem Band befestigten Bleistiftstummel in das Buch eintragen. Jedes Boot heißt anders, etwa Sarah Jane oder Printemps. Manchmal müssen wir mit dem Fernglas auf die Felsen hinter dem Schuppen steigen, um zu schauen, ob ein Boot Probleme hat. Wenn ein Motor ausgefallen ist, müssen wir manchmal hinausfahren und das Boot bergen. Paare, die zur Insel fahren, um sich dort ins Gras zu legen. Scharen von Paaren, die sich von der Wärme täuschen lassen und erst draußen auf dem Meer merken, wie windig es ist. Dann kehren die Frauen zitternd und in Männerjacken gehüllt zurück, vielleicht sogar bleich und seekrank, weil sie es nicht gewohnt sind, auf See zu sein. Manchmal ist auch das Gegenteil der Fall, dann fahren sie in Regenjacken hinaus und kehren alle mit krebsroter Haut und einem Sonnenbrand auf der einen Gesichtshälfte zurück. Manchmal sieht man es im einen Teil der Bucht regnen, während im anderen Teil die Sonne wie eine Schreibtischlampe auf das Wasser scheint. Manchmal ist die See rau, und niemand kann hinausfahren, weil die rote Flagge gehisst wurde. Und manchmal kommen die Leute nur zum Gucken: Männer, die ihre Hunde ausführen, Frauen, die sich die Sonnenbrillen oben ins Haar gesteckt haben, Pflegerinnen aus dem Heim oberhalb des Hafens, die alte Menschen im Rollstuhl schieben, damit diese sich die Boote anschauen können.
Dies ist der Hafen des Vergessens und des Nie-mehr-Rückschau-Haltens.
In diesem Sommer werde ich entkommen und mir meine Unschuld verdienen. Dies ist mein Abschied von der Vergangenheit, mein Abschied vom Krieg und vom Groll. Mein Abschied von Radiomeldungen über Kriege und Tote, mein Abschied von Beerdigungen und mein Abschied von Tränen. Mein Abschied von Flaggen und von Ländern. Ich nehme Abschied von der Schande, und ich nehme Abschied von den Anklagen, und ich nehme Abschied von der wunden Seele.
Alles schien stillzustehen. Man konnte spüren, wie das Boot dahintrieb, und man konnte hören, wie das Wasser unter dem Kiel alle möglichen glucksenden Geräusche machte. Alles schaukelte, und doch schienen wir uns nicht von der Stelle zu rühren, denn die Sonne stand wieder hell am Himmel und blitzte wie in tausend flüssigen Spiegeln auf dem Wasser. Alles war weiß und leer, selbst die Küste war nicht mehr zu erkennen, als wäre das Land verschwunden, von dem wir aufgebrochen waren, als gäbe es kein Land mehr, in das wir zurückkehren konnten. Man wusste natürlich, dass es direkt vor einem lag. Man konnte sich den Anblick vorstellen - den Hügel, den Hafen, die Kirchtürme. Vom Ufer drangen viele vertraute Geräusche herüber - ein Motorrad, ein in die Stadt einfahrender Zug. Bei Straßenbauarbeiten rasselten Presslufthämmer, doch in unseren Ohren klang es nicht wie Gerassel, sondern eher wie das Gebimmel einer kleinen Glocke. Alles war weit fort, und es gab nur Dan und mich, wir trieben dahin und ruckten ab und zu an den Angelleinen und sprachen kaum ein Wort, als hätte uns irgendein Gesetz der Fischer dazu verdonnert, im Boot zu schweigen. Früher oder später mussten wir merken, dass wir nicht stillstanden, im Gegenteil, und dass uns die Flut schon dicht an die Insel getrieben hatte. Dan murmelte irgendetwas, und wir holten die Leinen ein. Das Boot tanzte auf den Wellen, und Gischt sprühte über den Bug auf meine nackten Arme, und als wir wieder auf einer Höhe mit dem Hafen waren, stellte Dan den Motor ab. Wir warfen die Leinen aus und trieben wieder, wir lauschten dem Wasser, das unter den Planken gluckste, bis wir auf einen Makrelenschwarm stießen und das Boot auf einmal voller zuckender Fische war.
Da hörte ich am Ufer einen Ruf.
"Turley."
Nur sein Name, mehr nicht. Ich sah zu Dan, weil ich wissen wollte, ob er den Ruf auch gehört hatte. Irgendjemand stand oben auf den Felsen, er war im Vorteil, denn er hatte die Sonne im Rücken, doch wir konnten nichts sehen, und der Ruf konnte in jeder der Höhlen erschallt sein, die die Küste wie offene Münder säumten. Er konnte in der kleinen Ruine oder in jedem der dunklen Fenster des leer stehenden Hauses oben auf den Klippen erschallt sein. Es war nur ein einziger Ruf. Von jemandem, der Dan kannte. Ein feindseliger Ruf, der über dem Wasser in der Luft hängen blieb, als sollte Dan einfach nur wissen, dass man ihn im Auge behalte und nicht vergesse.
Ich weiß, dass man sich nirgendwo vor seinen Erinnerungen und vor seinem Namen verstecken kann. Er bleibt einem auf den Fersen, er folgt einem auf der Straße, er folgt einem in den Bus, er folgt einem sogar bis draußen ins Boot. Der eigene Name verfolgt einen wie ein Fluch. Packer hat mir erzählt, dass Dan Turley aus Derry stamme und Feinde habe, aber viel mehr wissen wir nicht, weil er nie von sich erzählt. Er ist der Mann, der niemals Rückschau hält, der Mann, der genau wie ich seinen Namen und seine Herkunft vergessen will.
Mein Vater und meine Mutter haben uns beigebracht, wie man vergisst und wie man sich erinnert. Mein Vater schwingt immer noch Reden am Frühstückstisch, und meine Mutter schneidet immer noch Fotos und Artikel aus den Zeitungen aus und klebt sie in ihrer Freizeit in das Tagebuch. Sie will, dass wir nicht vergessen, wie wir aufgewachsen sind, und sie will, dass wir niemals anderen antun, was ihr in Deutschland passiert ist. Sie will, dass in ihrem Tagebuch alles eingeklebt und festgehalten ist. Darin vermischt sich unser Leben mit dem Lauf der Welt. Eine Seite zeigt eine blonde Locke, die nächste ein Foto Martin Luther Kings. Schulzeugnisse stehen Fotos von Panzern in den Straßen Prags gegenüber.
Jedes Mal, wenn jemand in unserer Familie einen Albtraum hatte, stand meine Mutter mitten in der Nacht auf und holte Papier und Buntstifte. Hier, mal deinen Albtraum, sagte sie. Wenn du ihn gemalt hast, ist er für immer gebannt. Also knipsten wir das Licht an, setzten uns im Bett auf, rieben uns die Augen und malten, was uns Angst eingejagt hatte. Manchmal konnte ich mich nicht mehr an den Albtraum erinnern. Meine Finger waren so müde, dass ich den Stift weder halten noch ansetzen konnte. Doch meine Mutter wartete geduldig, einen Arm um mich gelegt, bis ich das Grauen gezeichnet und angemalt hatte. Na, siehst du, sagte sie dann, nun steckt der Albtraum im Bild, und wir können ihn weglegen. Nun haben wir ihn wegerinnert und können weiterschlafen.
Unsere Familie ist eine Fabrik des Erinnerns und Vergessens. Das Tagebuch meiner Mutter ist voller Geheimnisse und Albträume. Meine Schwester Maria hat einen Wolf mit grünen Zähnen gemalt, der sie daran hindert, die Treppe zu unserer Mutter hinabzugehen. Mein Bruder Franz hat ein Bild gemalt, auf dem er an einem Fenster des Hauses steht, und sämtliche anderen Familienmitglieder schauen aus einem jeweils anderen Fenster desselben Hauses, und alle können weder miteinander reden, noch hören sie einander rufen, weil in jedem Zimmer eine andere Sprache gesprochen wird. Auf einem Bild spült ein Fluss viele fremde Menschen durch die Haustür herein, sie segeln in Booten durch den Flur und reden alle Englisch. Es gab Albträume auf Irisch und Albträume auf Deutsch. Albträume auf Englisch, die man ohne Worte malen konnte. Albträume, die mit der Familie zu tun hatten, und Albträume, die mit der Welt zu tun hatten. Einmal malte ich das Bild eines Juden, dem man den Bart abgerissen hatte, und sein Kinn war ganz rot, denn meine Mutter hatte mir diese Geschichte erzählt, und ich musste unaufhörlich daran denken. Ein Bild zeigte die Beerdigung Roger Casements in Glasnevin. Ein anderes Bild die Berliner Mauer und Menschen, die durch die Fenster ihrer Häuser fliehen wollten und zuerst ihre Koffer und Kinder hinauswarfen.
Manchmal mussten wir den Albtraum samt Auflösung malen. Maria am Fuß der Treppe in den Armen unserer Mutter und der im Badezimmer eingesperrte Wolf. Meine Schwester Bríd, die am Fenster steht und ganz viel gute blaue Luft statt schlechter roter Luft einatmet. Albträume, in denen meine Mutter nicht in demselben Land lebt wie wir. Eine Weile malte ich immer nur Schweine, Hühner und Bauern, die alle in dieselbe Richtung schauten. Aller Rauch und alle Flaggen wehten nach links, bis meiner Mutter eines Abends auffiel, dass sie als Einzige in die andere Richtung schaute, nach rechts. Sie bat mich, sie andersherum zu drehen, und danach war alles gut, denn wir schauten alle in dieselbe Richtung und waren alle wieder in demselben Land.In unserem Haus gab es so viele Albträume, dass meine Mutter bestimmt manchmal die ganze Nacht wach war. Sobald eine furchtbare Sache gemalt war, fiel uns eine neue ein. Je mehr Albträume wir malten, desto mehr erfanden wir.
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Autoren-Porträt von Hugo Hamilton
Hugo Hamilton wurde 1953 als Sohn eines irischen Vaters und einer deutschen Mutter in Dublin geboren. Er arbeitete zunächst als Journalist, bevor er Kurzgeschichten und Romane veröffentlichte. Als DAAD-Stipendiat lebte und arbeitete er 2001/2002 ein Jahr lang in Berlin. Hugo Hamilton lebt mit seiner Familie in Dublin. 2004 erhält er in Paris den "Femina-Preis" für ausländische Literatur.Henning Ahrens, geboren 1964, lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Handorf, Niedersachsen. 2016 wurde er mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet.
Bibliographische Angaben
- Autor: Hugo Hamilton
- 2006, 1, 286 Seiten, Maße: 14 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Übersetzung: Ahrens, Henning
- Verlag: Knaus
- ISBN-10: 3813502392
- ISBN-13: 9783813502398
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