Der Nachbar
Bassindale Estate ist ein berüchtigtes Wohnviertel: Alkoholismus, Drogenhandel und...
Bassindale Estate ist ein berüchtigtes Wohnviertel: Alkoholismus, Drogenhandel und Schlägereien gehören fast zur Tagesordnung.
Doch es gibt einen festen Zusammenhalt in dieser Gemeinschaft von Außenseitern. Als das Gerücht durchsickert, ein entlassener Sexualstraftäter sei hier einquartiert worden, sind alle entsetzt.
Kurz darauf verschwindet die kleine Amy, und die schlimmsten Befürchtungen scheinen sich zu bestätigen. Die Anwohner beschließen zu handeln und verwandeln Bassindale in einen Hexenkessel. Dr. Sophie Morrison, eine junge Ärztin, gerät mitten hinein.
"Minette Walters treibt ihre Geschichte mit gnadenloser Präzision voran - einnaufwühlendes und mutiges Buch!" (The Guardian)
Der Nachbar von Minette Walters
LESEPROBE
19.- 20. Juli 2001
Beim Nightingale HealthCentre las höchstens eine Hand voll Leute die amtliche Mitteilung über denZuzug eines Pädophilen in die BassindaleSiedlung, bevor das Blatt in der Verwaltung unter Papierbergen verschwand undschließlich von einer Schreibkraft abgelegt wurde, die glaubte, es hätteordnungsgemäß die Runde gemacht. Für die Mitarbeiter, die die Meldung zuGesicht bekamen, war sie ein alltägliches Dokument, das den Namen eines neuenPatienten und einige Angaben zu seiner Person enthielt. Für alle Übrigen war esohne Belang, da es auf ihre Einstellung gegenüber dem Patienten keinen Einflusshaben würde - oder sollte.
Eine der amtlichen Betreuerinnen des Gesundheitsdienstes wollte dieAngelegenheit bei einer Personalbesprechung zur Diskussion stellen, wurde abervon ihrer Gruppenleiterin, die für die Aufstellung der Tagesordnung zuständigwar, abgewiesen. Möglich, dass die seit langem schwelende Feindschaft zwischenden beiden Frauen - von denen eine die andere für inkompetent hielt - dieGruppenleiterin bei ihrer Entscheidung beeinflusste. Es sei Sommer, meinte sie,und da wolle jeder gern zu einer vernünftigen Zeit zu Hause sein. Außerdemkönnten sie an der Sache ohnehin nichts ändern, selbst wenn die Ärzte sichdarüber einig seien, dass es unverantwortlich und brandgefährlich sei, einen Pädophilen in einer Wohnsiedlung voller Kinderunterzubringen. Sein Umzug nach Bassindale sei vonder Polizei veranlasst worden.
Dieselbe Betreuerin wurde in dem offenkundigen Bemühen, die Entscheidung ihrerGruppenleiterin zu kippen, bei Dr. Sophie Morrison vorstellig. Zu diesemZeitpunkt allerdings ging es ihr bereits weniger um die bedenkliche Anwesenheitdes Pädophilen als um den persönlichen Triumph, undSophie Morrison, naiv und unerfahren im amtlichen Intrigenspiel, war leichtunter Druck zu setzen. So jedenfalls schätzte Fay Baldwin die umgängliche jungeFrau ein, die vor zwei Jahren zum Ärzteteam des NightingaleHealth Centre gestoßen war.
Fay wartete bis zum Ende der Abendsprechstunde, dann meldete sie sich mit demfür sie typischen Klopfzeichen - einem Rata-tat-tatspröder Fingernägel, das bei allen ihren Kollegen und Kolleginnen die gleicheReaktion hervorrief. »Haben Sie einen Moment Zeit?«, fragte sie, den Kopf insZimmer streckend, mit gewollter Munterkeit.
»Tut mir Leid, im Moment nicht.« Sophie stürzte sich über die Tastatur ihresComputers und begann wie besessen irgend einen Unsinn zu tippen, der ihr geradein den Kopf kam. »Ich muss dringend noch ein Protokoll schreiben«, erklärte siedabei, »und dann ab nach Hause. Tut mir wirklich Leid, Fay. Hat die Sache nichtbis morgen Zeit?«
Es half nichts. Es half nie. Die grässliche Person schob sich einfach insZimmer und deponierte ihren spitzen Hintern auf der Schreibtischkante. Sie warwie gewohnt vorbildlich gekleidet und tadellos frisiert, rein äußerlich einAusbund an Kompetenz und Professionalität. In ihrem Inneren allerdings sah esganz anders aus. Sie war in einem Teufelskreis gefangen. Einerseits versuchtesie verzweifelt an dem Einzigen festzuhalten, was ihrem Leben Sinn gab - anihrer Arbeit; andererseits hatte ihr Hass auf die Menschen, mit denen sie zutun hatte - Patienten und Kollegen gleichermaßen - katastrophale Ausmaßeerreicht.
Sophie hatte den Standpunkt vertreten, dass es das Beste wäre, sie vorzeitig inden Ruhestand zu schicken und ihr psychologischen Beistand anzubieten, damitsie mit der Leere in ihrem Lebens zurechtkäme. Der leitende Arzt derPraxisgemeinschaft - mit weit weniger Verständnis für frustrierte alteJungfern, die am liebsten über andere herzogen - hielt es für klüger,schlafende Hunde nicht zu wecken. In drei Monaten werde man sie sowieso lossein, meinte er. Etwas anderes wäre es gewesen, wenn sie ihre Patientin gewesenwäre; aber sie hatte der Konkurrenz am anderen Ende der Stadt den Vorzuggegeben. »Ich könnte mich nie vor Leuten ausziehen, die ich kenne«, hatte siekokett erklärt.
Als interessierte das jemanden!
»Ich brauche nur eine Minute«, zwitscherte Fay jetzt mit ihrer Kleinmädchenstimme.»Sechzig Sekunden werden Sie doch für mich übrig haben, Sophie.«
»Wenn es Sie nicht stört, wenn ich dabei meine Sachen packe.« Sophie seufzteinnerlich. Sie schaltete ihren Computer aus und schob ihren Stuhl zurück, wobeisie sich fragte, welche ihrer Patientenkarten sie soeben mit ihren wildenTippübungen vollgepflastert hatte. Es war immerdasselbe. Sobald man es mit Fay zu tun bekam, ließ man sich die blödsinnigstenDinge einfallen, nur um der Unglücksperson irgendwie zu entkommen. »Ich bin umacht mit Bob verabredet.«
»Stimmt es, dass Sie heiraten?«
»Ja«, bestätigte Sophie, froh, sich auf sicherem Terrain zu befinden. »Ich habihm die Pistole auf die Brust gesetzt.«
»Also, ich würde niemals einen Mann heiraten, der im Grunde genommen gar nichtwill.«
»Aber Fay, das war doch nur Spaß.« Sophies Lächeln erlosch angesichts derherabgezogenen Mundwinkel der anderen. »Ach, lassen wir's einfach, es ist janun wirklich keine weltbewegende Neuigkeit.« Sie zog den Zopf, der ihr bis zurTaille hinunterfiel, über die Schulter nach vorn, und begann, ihn mit denFingern auszukämmen. Dabei lenkte sie ganz ohne Absicht die Aufmerksamkeit aufihre natürliche jugendliche Frische.
»Melanie Patterson hat's mir erzählt«, bemerkte Fay giftig. »Ich hätte Sieschon letzte Woche drauf angesprochen, aber sie hat gesagt, es wäre einGeheimnis.«
Mist! »Ach, ich wollte einfach das Schicksal nicht herausfordern. Ich meine,nicht, dass Bob es sich in letzter Minute noch anders überlegt«, erklärteSophie, auf ihren Zopf konzentriert. Sie machte ihren Verlobten schlecht, aberwenn sich dadurch der nächste Krach mit Fay über Melanie Patterson vermeidenließ, wollte sie das gern auf sich nehmen. Sie und Fay waren bereits in dervergangenen Woche heftig aneinander geraten, und sie legte nicht den geringstenWert auf eine Wiederholung der Szene.
»Sie sagte, Sie hätten sie zur Hochzeit eingeladen.«
Mist und noch mal Mist! Sophie stand auf und ging zu dem Spiegel an dergegenüberliegenden Wand, nur um nicht in Fays vorwurfsvolles Gesicht sehen zumüssen. »Bis dahin ist es noch eine Ewigkeit«, log sie. »Die Einladungen gehenfrühestens in vier Wochen raus.« Im Spiegel sah sie, dass Fays Miene sich etwasentspannte. »Was wollten Sie denn mit mir besprechen?« fragte sie.
»Es trifft sich gut, dass wir gerade von Melanie reden«, hakte Fay sogleichein. »Es geht nämlich unter anderem um sie. Claire lehnt jede Diskussion überdas Thema ab - sie behauptet, es gäbe nichts zu besprechen -, aber ich kann ihrda beim besten Willen nicht folgen. Erstens nehme ich unsere Arbeit um einigesernster als sie, und zweitens wissen wir doch, dass Melanies Kinder ständig aufder Straße herumhängen und -«
Sophie schnitt ihr das Wort ab. »Hören Sie auf, Fay«, sagte sie mit ungewohnterSchärfe. »Sie haben Ihre Ansichten über Melanie letzte Woche deutlich genug zumBesten gegeben.«
»Ja, aber -«
»Nein!« Sophie drehte sich herum. Ihre Augen waren zornig. »Ich werde michnicht noch einmal mit Ihnen über Melanie streiten. Begreifen Sie denn nicht,dass Claire Ihnen nur eine Brücke bauen möchte, wenn sie jede weitere Debattezu diesem Thema ablehnt?«
»Sie können der Diskussion nicht aus dem Weg gehen«, entgegnete Fay, sofortaufgebracht. »Schließlich bin auch ich für Melanie zuständig.«
Sophie griff nach ihrem Köfferchen. »Jetzt nicht mehr. Ich habe Claire gebeten,Melanie eine der jüngeren Betreuerinnen zuzuweisen. Sie wollte es Ihnen amMontag mitteilen.«
Fays stark gepudertes Gesicht verlor alle Farbe. Der Ruhestand war wohlplötzlich einen bedrohlichen Schritt näher gerückt. »Sie können mir keineBetreuungspersonen wegnehmen, nur weil Sie anderer Meinung sind als ich«, riefsie heftig.
»Wenn Sie eine meiner Patientinnen als Hure und Schlampe beschimpfen und völligaus der Rolle fallen, wenn ich es wage. Ihnen zu sagen, dass das so nicht geht,dann ist das etwas Ernsteres als eine Meinungsverschiedenheit«, entgegneteSophie kühl. »Es ist schlicht unprofessionell, Fay.«
»Aber was anderes ist sie doch nicht«, zischte Fay wütend. »Sie kommen ausgutem Hause... Sie müssten eigentlich fähig sein, das selbst zu erkennen.«Speicheltröpfchen flogen von ihren Lippen. »Sie geht mit jedem Kerl ins Bett,der auch nur das geringste Interesse an ihr zeigt - in der Regel, wenn siebetrunken ist -, und dann stolziert sie herum wie Graf Koks und erzählt jedem,der es hören will, dass sie wieder schwanger ist - als wärdas was, worauf man stolz sein kann.«
Sophie schüttelte den Kopf. Es war sinnlos, sich mit dieser Personherumzustreiten. Jede Auseinandersetzung mit ihr endete unweigerlich imPersönlichen. Ihre Ansichten waren von ihrem eigenen Lebensstil gefärbt. Siehätte in die Zeiten gepasst, als uneheliche Kinder eine Schande gewesen, undFrauen, die »nichts auf sich hielten«, in Heime gesperrt und mit Verachtunggestraft worden waren. Damals hätte sie als "anständige Frau" nochetwas gegolten und nicht wie heute einzig Mitleid oder Belustigunghervorgerufen. Es war ein Rätsel, wieso sie ihre Berufung ausgerechnet daringesehen hatte, sich im öffentlichen Gesundheitswesen zu betätigen, wiewohl es,wie der leitende Arzt des Health Centresgern zu bemerken pflegte, zu der Zeit, als sie angefangen hatte, wahrscheinlichdas Hauptanliegen des Gesundheitsdiensts gewesen war, »den ungewaschenen Pöbelzu maßregeln und zu drillen«.
Sophie öffnete die Bürotür. » Ich gehe jetzt«, sagte sie mit Entschiedenheitund trat demonstrativ von der Tür zurück, um Fay vorausgehen zu lassen.
Fay stand auf. Ihre Kiefer mahlten unkontrolliert wie die einer senilen Alten.»Na schön, aber sagen Sie hinterher nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt«, stießsie mühsam beherrscht hervor. »Sie glauben, Sie könnten alle gleichbehandeln... aber das ist eine Illusion. Ich kenne diese viehischen Schweine -ich sehe täglich, was sie bei den unschuldigen Kleinen anrichten, die siemissbrauchen. Es läuft alles klamm heimlich ab - hinter verschlossenen Türen -brutale, abartige Kerle - dumme Weiber, die nicht sehen wollen, was sich daabspielt... und es dreht sich immer um das Gleiche. Immer nur um Sex!« Sie spiedas Wort aus wie einen ekelhaften Geschmack. »Aber na ja - meine Hände sindwenigstens sauber. Niemand kann behaupten, ich hätte nicht mein Bestes getan.«Sie rauschte hoch erhobenen Hauptes aus dem Büro hinaus.
Sophie sah ihr konsterniert nach. Du lieber Gott! Viehische Schweine...?Brutale, abartige Kerle...? Fay war ja völlig von der Rolle. Es war schlimmgenug, Melanie eine Schlampe zu nennen. Hundertmal schlimmer, sie und ihreMänner des Kindesmissbrauchs zu beschuldigen.
Aber Sophie hatte natürlich keine Ahnung, dass man soeben im Nachbarhaus desHauses, in dem Melanie Patterson mit der vierjährigen Rosie und demzweijährigen Ben lebte, einen Pädophilen einquartierthatte.
Als ein Auffangbecken für Asoziale galt bei vielen die Sozialsiedlung Bassindale, heute nur noch ein heruntergekommenes Denkmalfür die Bemühungen der Fünfziger- und Sechzigerjahre, als man endlich sozialeGerechtigkeit schaffen wollte und deshalb überall Breschen in die Grüngürtelder Städte schlug und staatlich subventionierten Wohnraum für dieEinkommensschwachen bereit stellte. In diesem Fall waren gut acht HektarLaubwald, die an die Bassindale Farm angrenzten, derAxt zum Opfer gefallen und durch eine Betonburg ersetzt worden.
Die Planung hatte eine Art ländliches Idyll vorgesehen. Höhere Wohnqualität fürdie Stiefkinder der Gesellschaft. Solide Eigenheime mitten in freier Natur.Frische Luft und Bewegungsraum.
Aber alle Straßen der in einem Halbrund angelegten Siedlung, die zum Feldrainhin verliefen, waren Sackstraßen und stießen an eine undurchlässige Grenze -Anwesen mit Gartenmauern aus Beton -, die Früchte und Herden auf denumliegenden Feldern vor gedankenlosen Siedlungsbewohnern und ihren Hundenschützen sollte. Die beiden einzigen Durchgangsstraßen, die BassindaleRow und die Forest Road,zogen sich in zwei U-Bögen, die sich zu ihren Öffnungen hin erweiterten undzusammen ein auf dem Kopf stehendes W bildeten, durch die Siedlung und boten anvier Punkten Durchlass durch den Betongürtel, der die Wohnanlage von der starkbefahrenen Hauptstraße abschirmte. Aus der Luft betrachtet, sahen die beidenDurchfahrtsstraßen aus wie die Kettenfäden eines Stücks Spinnweb, um die sichein Netz aus Straßen und Sackgassen spann. Vom Boden aus gesehen, bildeten sie- wie die Polizei klar erkannte - mögliche Bollwerke, die Bassindalein eine Festung verwandeln konnten. Die ganze Siedlung war eine mit Betonummantelte Druckbombe.
Und kein Wunder.
Der drängende Bedarf an Wohnraum infolge des Babybooms nach dem Krieg hatte dieErrichtung schlampig geplanter und windig gebauter Häuser gefördert. Alsunvermeidliche Folge davon fielen so hohe Kosten für Instandhaltung undReparaturen an, dass man sich damit begnügen musste, nur die eklatantestenMängel zu beheben. Krankheiten nisteten sich ein, besonders unter den Jungenund den Alten, deren Konstitution durch die Kälte und ewige Feuchtigkeit in denHäusern im Zusammenwirken mit ungesunder Ernährung geschwächt wurde.Depressionen waren so verbreitet wie die Abhängigkeit von rezeptpflichtigenMedikamenten.
Die Siedlung, deren Bau mit den berüchtigten guten Vorsätzen in Angriffgenommen worden war, war zu einem Getto für die Außenseiter der Gesellschaftverkommen. Sie war eine ständige Belastung für den öffentlichen Haushalt. EinQuell wütender Erbitterung für den Steuerzahler und ständigen Ärgernisses fürdie Polizei, ein Quell der Verzweiflung für die Lehrer und die Mitarbeiter derGesundheits- und Sozialdienste, die hier ihre Arbeit tun sollten. Für dieMehrheit der Bewohner war sie ein Gefängnis. Die gebrechlichen und ängstlichenAlten verbarrikadierten sich in ihren Wohnungen; von der Gesellschaft im Stichgelassene allein erziehende Mütter und vaterlose Kinder, die halbwegs inFrieden leben wollten, hausten hinter verschlossenen Türen. Nur aggressiveBanden verwahrloster Jugendlicher, die die Straßen unsicher machten und sichals Dealer und Zuhälter betätigten, gediehen vorübergehend in dieser Wüste, eheauch sie in ein Gefängnis wanderten.
1954 hatte ein idealistischer Gemeinderat der Konservativen am Südende der Bassindale Row, der ersten Zufahrt zur Siedlung von der Hauptstraßeaus, ein Schild mit den einladenden Worten Willkommen in Bassindaleanbringen lassen. Im Lauf der Jahre wurde es regelmäßig durch Schmierereienverschandelt und ebenso regelmäßig vom Gemeinderat durch ein neues ersetzt.Doch 1990, im letzten Jahr der Thatcher-Regierung, strich der Gemeinderat, derunter beträchtlichem finanziellen Druck stand, die Mittel für die Erneuerungdes Schilds, und von da an blieb es entstellt. Die Bewohner von Bassindale, für die der durch die Schmierereien entstandeneneue Name eine zutreffende Beschreibung ihres Wohnorts war, taten nichts, umdaran etwas zu ändern.
Willkommen in Assi d Row
Acid Row. Ein trostlosesPflaster, wo kaum jemand eine abgeschlossene Schulbildung hatte, Drogenallgemein verbreitet waren und Prügeleien an der Tagesordnung.
Fay Baldwin, die unablässig daran denken musste, wie Sophie Morrison sie amvergangenen Abend abgefertigt hatte, riss die vierjährige Rosie Pattersonheftig am Arm, um zu verhindern, dass das Kind seine Rotznase und schmutzigenHände an ihrem frisch gereinigten Kostüm abwischte. Sie hatte die Kleine aufder Straße aufgelesen, wo sie mit ihrem Bruder spielte, und konnte es sichnicht verkneifen, ihrer kaum der Pubertät entwachsenen und schon wiederschwangeren Mutter einen Besuch zu machen, um ihr gründlich die Leviten zulesen, zumal Melanie noch nicht wissen konnte, dass Fay eigentlich schon jetztnicht mehr für sie zuständig war.
Sie fühlte sich völlig gerechtfertigt in ihrem Vorhaben, als sie die junge Frauzu Hause auf dem Sofa vor dem Fernseher vorfand, eine Zigarette in der einenHand, eine Dose Bier in der anderen. Na bitte, das war doch der beste Beweisdafür, dass sie mit allem Recht hatte, was sie über Melanies Untauglichkeit alsMutter gesagt hatte. Nicht ganz so einfach war es, damit zu Rande zu kommen,wie Melanie Patterson aussah - knappes Top und noch knappere Shorts, die langebraune Beine und einen von der Schwangerschaft sanft gerundeten Bauch enthüllten.
Neid und Eifersucht fraßen an Fay, die sich vormachte, sie wäre schockiert überdie Schamlosigkeit, mit der diese Person ihren Körper zur Schau stellte. »Sogeht das nicht, Melanie«, wies sie die junge Frau scharf zurecht. »Rosie undBen sind noch zu klein, um allein auf der Straße zu spielen. Das istunverantwortlich.«
© Verlagsgruppe RandomHouse
Übersetzung:Mechtild Sandberg-Ciletti
- Autor: Minette Walters
- 2002, 1, 413 Seiten, Maße: 14,5 x 22 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Arkana
- ISBN-10: 3442309697
- ISBN-13: 9783442309696
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