Der Schatten des Chamäleons
Die "Queen of Crime" Minette Walters versorgt uns wieder mit Hochspannung pur.
"Ein spannender Thriller mit überraschenden Wendungen."
Frankfurter neue Presse
Er war einmal ein lebensfroher, netter Kerl....
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Produktinformationen zu „Der Schatten des Chamäleons “
Die "Queen of Crime" Minette Walters versorgt uns wieder mit Hochspannung pur.
"Ein spannender Thriller mit überraschenden Wendungen."
Frankfurter neue Presse
Er war einmal ein lebensfroher, netter Kerl. Doch nun ist Lieutenant Charles Acland als anderer Mensch aus dem Irakkrieg zurückgekehrt: Schwer verletzt an Leib und Seele ist er in seiner Aggressivität fast nicht mehr zu bändigen. Besonders gefährlich ist es für Frauen, in seine Nähe zu kommen und auch seine Ex-Verlobte Jen ist vor ihm nicht mehr sicher. Dr. Willis, der Charles behandelt, merkt allerdings, dass Jen etwas zu verbergen hat. Und dann gerät Charles ins Visier der Polizei, die im Fall eines kaltblütigen Serienmörders ermittelt. Und alles deutet darauf hin, dass Charles mit den Taten in Verbindung steht.
Lese-Probe zu „Der Schatten des Chamäleons “
Der Schatten des Chamäleons von Minette Walters LESEPROBE Als Charles Acland aus der Bewusstlosigkeit erwachte, glaubte er zuerst, beim Zahnarzt 711 sein. Sein ganzer Mund war taub wie von einer Betäubungsspritze. Dabei war die Sache mit dem Zahnarzt völlig absurd. Er lag .f dem Rücken, die Zimmerdecke über ihm bewegte sich, und hinter ihm bimmelte laut eine Glocke. Ein Wecker? Er wollte den Kopf heben, um zu sehen, wo er war, aber sofort spürte er eine Hand auf seiner Brust, und das körperlose Gesicht einer Frau erschien über ihm. Die Zahnärztin? Er sah, dass ihre Lippen sich bewegten, konnte aber nicht hören, was sie sagte, weil der Wecker immer noch schrill läutete. Er überlegte, ob er sie bitten sollte, das Ding abzustellen, bezweifelte aber, dass er unter der Einwirkung des Novokains überhaupt verständlich sprechen konnte. Und sie würde ihn ohnehin nicht hören können.
Irgendwo in den Tiefen seines Bewusstseins lauerte eine ihm unbekannte Angst. Er verstand nicht, warum, aber die Nähe der Frau beunruhigte ihn. Er hatte sich schon einmal in dieser Lage befunden — platt auf dem Rücken und unfähig, sich zu bewegen —, und eine starke Erinnerung an Schmerzen überfiel ihn. Flüchtig erschien eine andere Frau in seinem Blickfeld, schlank, dunkelhaarig und anmutig. Sie hatte Tränen in den Augen, aber Acland hatte keine Ahnung, wer sie war. Er reagierte instinktiv mit Ablehnung.
... mehr
Seine einzigen Bezugspunkte waren der Wecker und die Zimmerdecke, die sich über ihm bewegte. Und mit beiden konnte er nichts anfangen. Er hätte ewig im Zustand morphiuminduzierter Losgelöstheit dahintreiben können, wenn nicht sein erwachendes Bewusstsein ihm gesagt hätte, dass dies kein Traum war. Sein Empfindungsvermögen meldete sich wieder. Ein Ruck, als das Bett über eine Schwelle holperte. Ein Zug den (Arten, als sein Körper zuckte. Ein dumpfer Schmerz. im hinteren Teil seines Kiefers. Ein kurzer stechender Schmerz den Hals hinauf. Die verwunderte Erkenntnis, dass nur eines seiner Augen geöffnet war. MA Grauen erkannte er, dass er wach war — ohne eine Ahnung, wer er war, wo er war und was ihm zugestoßen war ... Jedes Mal, wenn er danach erwachte, wurde das Grauen größer. Mit der Zeit begriff er, dass das Bimmeln in seinem Kopf war. MA jeder Rückkehr des Bewusstseins wurde es erträglicher,
aber er konnte trotzdem nicht hören, was die Menschen sprachen, deren Gesichter zu ihm hinunterblickten. Die Münder öffneten und schlossen sich, aber kein Laut erreichte ihn. Er wusste auch nicht, ob seine Lippen die Signale umsetzten, die sein Gehirn ihnen sandte. Er versuchte, von seinen Ängsten zu sprechen, aber an der Reaktionslosigkeit der fremden Gesichter erkannte er, dass seine Lippen sich nicht bewegten.
Zeit hatte keine Bedeutung. Er hätte nicht sagen können, wie oft er in Bewusstlosigkeit versank und wieder erwachte, wie lange die Schlafphasen dauerten. Er war überzeugt, dass Tage und Wochen vergangen waren, seit er an diesen Ort gebracht worden war, und als einzelne Schnipsel der Erkenntnis sich zusammenfügten, erwachte Zorn in ihm. Irgendetwas Schlimmes war passiert. Er war im Krankenhaus. Die talking heads waren Ärzte. Aber sie halfen ihm nicht, und sie erkannten nicht, dass er wach war. Er hatte entsetzliche Angst, er könnte in der Hand von Feinden sein — warum? — oder für immer gefangen in einem Zustand der Lähmung, der ihm zwar vernünftig zu denken erlaubte, nicht aber sich mitzuteilen.
Er fühlte sich von der dunkelhaarigen Frau bedrängt. Ihr Geruch widerte ihn an, ebenso die Berührung ihrer Hand. Sie war immer da, zarte Rännen auf den blassen Wangen, aber ihre Traurigkeit ergriff ihn nicht. Er wusste intuitiv, dass die Tränen Theater waren und nicht ihm galten, und verachtete sie für ihre Unaufrichtigkeit. Er meinte, er müsste sie kennen. Jedes Mal, wenn er erwachte und sie unter halbgeschlossenen Lidern hervor beobachtete, glaubte er, eine gewisse Vertrautheit zu verspüren. Er erkannte seinen Vater, diesen müde aussehenden Mann, der sich ständig am Rand seines Blickfelds bewegte, noch bevor er sie einordnen konnte. Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag. Im nächsten Augenblick wusste er auch, wer die Frau war und warum ihre Berührung ihn abstieß. Andere Erinnerungen kehrten wieder. Sein Name fiel ihm ein. Charles Acland. Seine Stellung, Lieutenant bei der britischen Armee. Sein letzter Einsatz, Irak.
Etwas erinnerte er ganz deutlich, und wie ein Film lief es immer wieder vor seinem inneren Auge ab, weil es ihm eine Erklärung bot: wie er an dem Tag, an dem er in den Nahen Osten aufgebrochen war, in eine Hercules der Royal Air Force stieg. Die Maschine musste beim Start abgestürzt sein, denn als Letztes war ihm im Gedächtnis, wie er sich in seinem Sitz anschnallte. »Charles. Wachen Sie auf, Charles.« Jemand kniff ihn in die Hand. »Braver Junge. Kommen Sie. Wachen Sie auf.« Er öffnete das unversehrte Auge und sah die Krankenschwester mittleren Alters an, die sich über ihn beugte. »Ich habe Sie gehört«, sagte er. Die Worte kamen ihm in einem langgezogenen Lallen über die Lippen, aber er wusste, dass er sie gesprochen hatte.
»Sie sind operiert worden, und jetzt müssen Sie sich erholen«, erklärte sie, weil sie meinte, er hätte gefragt, Wo bin ich? »Wenn alles gut geht, liegen Sie heute Nachmittag wieder in Ihrem eigenen Bett. Sie sind an eine PCA-Pumpe angeschlossen« — sie führte seine linke Hand zu einem Bedienungsgerät —, »patientenkontrollierte Analgesie nennt man das. Damit können Sie Ihre postoperative Betreuung selbst übernehmen. Sie sollten vorläufig keine schmerzstillenden Mittel brauchen, aber wenn Sie Schmerzen bekommen, dann drücken Sie einfach auf den weißen Knopf. Mit dem Morphium können Sie schlafen.«
Er riss augenblicklich seine Hand zurück.
»Ganz wie Sie wollen«, sagte sie freundlich, »aber so können Sie selbst den Schmerz steuern. Die einzelnen Dosen sind genau abgemessen, eine Überdosierung ist ausgeschlossen.« Sie lächelte zuversichtlich. »Sie werden gar nicht lange genug an dem Apparat hängen, um abhängig zu werden, Charles. Glauben Sie mir.«
Das tat er nicht. Er erkannte schlagartig, dass er keiner Frau traute, hatte allerdings keine Ahnung, warum das so war.
Die Pflegerin hielt einen eiförmigen schwarzen Plastikballon hoch. »Ich lege Ihnen das in die rechte Hand. Sagen Sie mir, ob Sie es fühlen.« »Ja.«
»Gut.« Sie schob seinen Daumen auf einen oben angebrachten Knopf. »Drücken Sie da, wenn Sie mich brauchen. Ich sehe regelmäßig nach Ihnen, aber im Notfall rufen Sie. Sie haben Riesenglück gehabt. Gott muss Ihnen einen wahren Nashornschädel gegeben haben, sonst hätten Sie nicht überlebt.«
Sie wollte gehen, aber Acland hielt sie mit der freien Hand am Rock fest. »Wie kam es zu dem Absturz?« »Bitte?«
Er sog die Worte tief ein wie ein Bauchredner und wiederholte sie langsam und guttural. »Chuie cham es su dem A'sturz?« »Zu welchem Absturz?«
»Des Flugzeugs.« Er versuchte es noch einmal. »Des Chluchzeuchs?«
»Sie erinnern sich nicht, was passiert ist?«
Er schüttelte den Kopf.
»Okay. Ich werde jemanden bitten, es Ihnen zu erklären.« Sie klopfte ihm auf die Hand. »Keine Sorge, junger Mann. Bei Ihnen haben sich nur ein paar Drähte verheddert. Das wird schon wieder.«
Die Zeit verging, und nichts geschah. Die Schwester kam regelmäßig wieder, aber ihr selbstzufriedenes lächeln und ihre nichtssagenden Bemerkungen ärgerten ihn. Ein- oder zweimal versuchte er, ihr verständlich zu machen, dass noch immer niemand zu ihm gekommen war, aber sie verstand einfach nicht, was er sagte, sei es aus Dummheit oder aus Bosheit. Ein Schrei kreiste ununterbrochen in seinem Kopf, und er hatte, er verstand nicht, wieso, ständig mit Wut zu kämpfen. Alles, von dem durch Vorhänge abgetrennten Krankenbett, in dem er lag, bis zu den Geräuschen von draußen — gedämpfte Stimmen, Schritte, Telefonläuten —, schien sich zusammenzutun, um diese Wut weiter zu schüren.
Selbst die Pflegerin hatte jegliches Interesse an ihm verloren.
Er zählte die Sekunden zwischen ihren Kontrollgängen. Dreihundert. Vierhundert. Als er fünfhundert erreichte, legte er den Finger auf den Summer und nahm ihn nicht mehr weg. Sie kam mit einem blöden Lachen hereingeschossen und wollte ihm das Plastikei wegnehmen, aber er wehrte sich und drückte das Ding seine Brust. »Leck mich.«
Das hat sie ohne Schwierigkeiten verstanden, dachte er, als er sah, wie das Lächeln verschwand. »Ich kann es nicht ausmachen, wenn Sie den Finger draufhalten.« Sie deutete auf das Blinklicht an dem kleinen Gerät, das an ihrem Gürtel festgemacht war. »Wenn Sie nicht loslassen, versammelt sich gleich die ganze Mannschaft hier.« »Gut.«
»Ich schalte es ab«, ließ sie ihn wissen. »Sie sind nicht der einzige Patient, der heute operiert worden ist.« Sie hielt ihm die Hand hin. »Kommen Sie, Charles. Machen Sie's mir nicht unnötig schwer. Ich habe angerufen. Es ist nicht meine Schuld, dass es so lange dauert. Sie sind hier in einem Krankhaus des National Health Service, und im Augenblick ist nur ein Psychiater da. Er wird sicher gleich kommen. Glauben Sie mir.«
Er wollte sagen, dass er keinen Psychiater brauchte. Seinem Gehirn fehlte nichts. Er wollte nur wissen, was passiert war. In der Maschine waren andere Männer gewesen. Hatten sie überlebt? Aber er musste sich so sehr konzentrieren, um die Worte (die selbst seinen eigenen Ohren unverständlich blieben) hervorzubringen, dass die Frau ihm ganz leicht den Summer abnehmen konnte. Er beschimpfte sie von Neuem.
Sie prüfte die PCA und bemerkte, dass er sie nicht gebraucht hatte. »Machen die Schmerzen Sie so wütend?« »Nein.«
Sie glaubte ihm nicht. »Sie brauchen kein Held zu sein, Charles. Das verlangt keiner. Schmerzfreier Schlaf hilft Ihnen mehr, als gewaltsam wach zu bleiben und sich zu frusten. Sie schüttelte den Kopf. »Wundert mich eh, dass Sie so putzmunter sind nach dem, was Sie hinter sich haben.«
Als der Psychiater endlich kam, sagte er praktisch das Gleiche. »Sie sehen munterer aus, als ich erwartet hatte.« Er stellte sich als Dr. Robert Willis vor und rückte sich einen Stuhl an Aclands Bett in der Wachstation. Er war Mitte fünfzig, ein dünner Mann mit Brille. Wenn er nicht gerade zum Computer-Ausdruck seiner Aufzeichnungen auf seinem Schoß hinuntersah, blickte er seinem Patienten direkt in die Augen. Er ließ sich von Acland dessen Namen und militärischen Rang bestätigen und fragte dann nach seiner letzten Erinnerung. (…)
© Goldmann Verlag
Übersetzung: Mechtild Sandberg-Ciletti
aber er konnte trotzdem nicht hören, was die Menschen sprachen, deren Gesichter zu ihm hinunterblickten. Die Münder öffneten und schlossen sich, aber kein Laut erreichte ihn. Er wusste auch nicht, ob seine Lippen die Signale umsetzten, die sein Gehirn ihnen sandte. Er versuchte, von seinen Ängsten zu sprechen, aber an der Reaktionslosigkeit der fremden Gesichter erkannte er, dass seine Lippen sich nicht bewegten.
Zeit hatte keine Bedeutung. Er hätte nicht sagen können, wie oft er in Bewusstlosigkeit versank und wieder erwachte, wie lange die Schlafphasen dauerten. Er war überzeugt, dass Tage und Wochen vergangen waren, seit er an diesen Ort gebracht worden war, und als einzelne Schnipsel der Erkenntnis sich zusammenfügten, erwachte Zorn in ihm. Irgendetwas Schlimmes war passiert. Er war im Krankenhaus. Die talking heads waren Ärzte. Aber sie halfen ihm nicht, und sie erkannten nicht, dass er wach war. Er hatte entsetzliche Angst, er könnte in der Hand von Feinden sein — warum? — oder für immer gefangen in einem Zustand der Lähmung, der ihm zwar vernünftig zu denken erlaubte, nicht aber sich mitzuteilen.
Er fühlte sich von der dunkelhaarigen Frau bedrängt. Ihr Geruch widerte ihn an, ebenso die Berührung ihrer Hand. Sie war immer da, zarte Rännen auf den blassen Wangen, aber ihre Traurigkeit ergriff ihn nicht. Er wusste intuitiv, dass die Tränen Theater waren und nicht ihm galten, und verachtete sie für ihre Unaufrichtigkeit. Er meinte, er müsste sie kennen. Jedes Mal, wenn er erwachte und sie unter halbgeschlossenen Lidern hervor beobachtete, glaubte er, eine gewisse Vertrautheit zu verspüren. Er erkannte seinen Vater, diesen müde aussehenden Mann, der sich ständig am Rand seines Blickfelds bewegte, noch bevor er sie einordnen konnte. Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag. Im nächsten Augenblick wusste er auch, wer die Frau war und warum ihre Berührung ihn abstieß. Andere Erinnerungen kehrten wieder. Sein Name fiel ihm ein. Charles Acland. Seine Stellung, Lieutenant bei der britischen Armee. Sein letzter Einsatz, Irak.
Etwas erinnerte er ganz deutlich, und wie ein Film lief es immer wieder vor seinem inneren Auge ab, weil es ihm eine Erklärung bot: wie er an dem Tag, an dem er in den Nahen Osten aufgebrochen war, in eine Hercules der Royal Air Force stieg. Die Maschine musste beim Start abgestürzt sein, denn als Letztes war ihm im Gedächtnis, wie er sich in seinem Sitz anschnallte. »Charles. Wachen Sie auf, Charles.« Jemand kniff ihn in die Hand. »Braver Junge. Kommen Sie. Wachen Sie auf.« Er öffnete das unversehrte Auge und sah die Krankenschwester mittleren Alters an, die sich über ihn beugte. »Ich habe Sie gehört«, sagte er. Die Worte kamen ihm in einem langgezogenen Lallen über die Lippen, aber er wusste, dass er sie gesprochen hatte.
»Sie sind operiert worden, und jetzt müssen Sie sich erholen«, erklärte sie, weil sie meinte, er hätte gefragt, Wo bin ich? »Wenn alles gut geht, liegen Sie heute Nachmittag wieder in Ihrem eigenen Bett. Sie sind an eine PCA-Pumpe angeschlossen« — sie führte seine linke Hand zu einem Bedienungsgerät —, »patientenkontrollierte Analgesie nennt man das. Damit können Sie Ihre postoperative Betreuung selbst übernehmen. Sie sollten vorläufig keine schmerzstillenden Mittel brauchen, aber wenn Sie Schmerzen bekommen, dann drücken Sie einfach auf den weißen Knopf. Mit dem Morphium können Sie schlafen.«
Er riss augenblicklich seine Hand zurück.
»Ganz wie Sie wollen«, sagte sie freundlich, »aber so können Sie selbst den Schmerz steuern. Die einzelnen Dosen sind genau abgemessen, eine Überdosierung ist ausgeschlossen.« Sie lächelte zuversichtlich. »Sie werden gar nicht lange genug an dem Apparat hängen, um abhängig zu werden, Charles. Glauben Sie mir.«
Das tat er nicht. Er erkannte schlagartig, dass er keiner Frau traute, hatte allerdings keine Ahnung, warum das so war.
Die Pflegerin hielt einen eiförmigen schwarzen Plastikballon hoch. »Ich lege Ihnen das in die rechte Hand. Sagen Sie mir, ob Sie es fühlen.« »Ja.«
»Gut.« Sie schob seinen Daumen auf einen oben angebrachten Knopf. »Drücken Sie da, wenn Sie mich brauchen. Ich sehe regelmäßig nach Ihnen, aber im Notfall rufen Sie. Sie haben Riesenglück gehabt. Gott muss Ihnen einen wahren Nashornschädel gegeben haben, sonst hätten Sie nicht überlebt.«
Sie wollte gehen, aber Acland hielt sie mit der freien Hand am Rock fest. »Wie kam es zu dem Absturz?« »Bitte?«
Er sog die Worte tief ein wie ein Bauchredner und wiederholte sie langsam und guttural. »Chuie cham es su dem A'sturz?« »Zu welchem Absturz?«
»Des Flugzeugs.« Er versuchte es noch einmal. »Des Chluchzeuchs?«
»Sie erinnern sich nicht, was passiert ist?«
Er schüttelte den Kopf.
»Okay. Ich werde jemanden bitten, es Ihnen zu erklären.« Sie klopfte ihm auf die Hand. »Keine Sorge, junger Mann. Bei Ihnen haben sich nur ein paar Drähte verheddert. Das wird schon wieder.«
Die Zeit verging, und nichts geschah. Die Schwester kam regelmäßig wieder, aber ihr selbstzufriedenes lächeln und ihre nichtssagenden Bemerkungen ärgerten ihn. Ein- oder zweimal versuchte er, ihr verständlich zu machen, dass noch immer niemand zu ihm gekommen war, aber sie verstand einfach nicht, was er sagte, sei es aus Dummheit oder aus Bosheit. Ein Schrei kreiste ununterbrochen in seinem Kopf, und er hatte, er verstand nicht, wieso, ständig mit Wut zu kämpfen. Alles, von dem durch Vorhänge abgetrennten Krankenbett, in dem er lag, bis zu den Geräuschen von draußen — gedämpfte Stimmen, Schritte, Telefonläuten —, schien sich zusammenzutun, um diese Wut weiter zu schüren.
Selbst die Pflegerin hatte jegliches Interesse an ihm verloren.
Er zählte die Sekunden zwischen ihren Kontrollgängen. Dreihundert. Vierhundert. Als er fünfhundert erreichte, legte er den Finger auf den Summer und nahm ihn nicht mehr weg. Sie kam mit einem blöden Lachen hereingeschossen und wollte ihm das Plastikei wegnehmen, aber er wehrte sich und drückte das Ding seine Brust. »Leck mich.«
Das hat sie ohne Schwierigkeiten verstanden, dachte er, als er sah, wie das Lächeln verschwand. »Ich kann es nicht ausmachen, wenn Sie den Finger draufhalten.« Sie deutete auf das Blinklicht an dem kleinen Gerät, das an ihrem Gürtel festgemacht war. »Wenn Sie nicht loslassen, versammelt sich gleich die ganze Mannschaft hier.« »Gut.«
»Ich schalte es ab«, ließ sie ihn wissen. »Sie sind nicht der einzige Patient, der heute operiert worden ist.« Sie hielt ihm die Hand hin. »Kommen Sie, Charles. Machen Sie's mir nicht unnötig schwer. Ich habe angerufen. Es ist nicht meine Schuld, dass es so lange dauert. Sie sind hier in einem Krankhaus des National Health Service, und im Augenblick ist nur ein Psychiater da. Er wird sicher gleich kommen. Glauben Sie mir.«
Er wollte sagen, dass er keinen Psychiater brauchte. Seinem Gehirn fehlte nichts. Er wollte nur wissen, was passiert war. In der Maschine waren andere Männer gewesen. Hatten sie überlebt? Aber er musste sich so sehr konzentrieren, um die Worte (die selbst seinen eigenen Ohren unverständlich blieben) hervorzubringen, dass die Frau ihm ganz leicht den Summer abnehmen konnte. Er beschimpfte sie von Neuem.
Sie prüfte die PCA und bemerkte, dass er sie nicht gebraucht hatte. »Machen die Schmerzen Sie so wütend?« »Nein.«
Sie glaubte ihm nicht. »Sie brauchen kein Held zu sein, Charles. Das verlangt keiner. Schmerzfreier Schlaf hilft Ihnen mehr, als gewaltsam wach zu bleiben und sich zu frusten. Sie schüttelte den Kopf. »Wundert mich eh, dass Sie so putzmunter sind nach dem, was Sie hinter sich haben.«
Als der Psychiater endlich kam, sagte er praktisch das Gleiche. »Sie sehen munterer aus, als ich erwartet hatte.« Er stellte sich als Dr. Robert Willis vor und rückte sich einen Stuhl an Aclands Bett in der Wachstation. Er war Mitte fünfzig, ein dünner Mann mit Brille. Wenn er nicht gerade zum Computer-Ausdruck seiner Aufzeichnungen auf seinem Schoß hinuntersah, blickte er seinem Patienten direkt in die Augen. Er ließ sich von Acland dessen Namen und militärischen Rang bestätigen und fragte dann nach seiner letzten Erinnerung. (…)
© Goldmann Verlag
Übersetzung: Mechtild Sandberg-Ciletti
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Autoren-Porträt von Minette Walters
Bibliographische Angaben
- Autor: Minette Walters
- 2009, 446 Seiten, Maße: 13,5 x 21,3 cm, Kartoniert (TB)
- Verlag: GLB PARKLAND
- ISBN-10: 3828994350
- ISBN-13: 9783828994355
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