Der sechste Finger
Schlafende Worte in verstaubten Akten eines traditionsreichen Stifts ehemals adeliger Damen scheinen nur darauf gewartet zu haben, von einem aufmerksamen Archivar zum Leben erweckt zu werden. Bei seinen Nachforschungen beginnt er allmählich selbst in dieser...
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Produktinformationen zu „Der sechste Finger “
Klappentext zu „Der sechste Finger “
Schlafende Worte in verstaubten Akten eines traditionsreichen Stifts ehemals adeliger Damen scheinen nur darauf gewartet zu haben, von einem aufmerksamen Archivar zum Leben erweckt zu werden. Bei seinen Nachforschungen beginnt er allmählich selbst in dieser Vergangenheit zu leben. Nach und nach deckt er in Zeitensprüngen unentdeckte Machenschaften auf. Für ihn liegt bald klar auf der Hand, dass über Generationen stets Hände mit einem erblichen sechsten Finger im Spiel waren. Die Geschichte ist mitunter schaurig, auf jeden Fall schrullig und unglaublich glaubhaft erzählt. - Oder ist sie am Ende doch unmöglich? Die Frage nach Wollen, Sollen und Sein bleibt bis zum Schluss offen.
Lese-Probe zu „Der sechste Finger “
'Ich entsinne mich noch ganz genau, wie meine schwindelerregende Forschungsreise von der Gegenwart in die Vergangenheit ihren Anfang nahm.''Rückwärts, zurück in die Vergangenheit, sagen Sie?'
'Warten Sie's ab, eins nach dem anderen. Fangen wir von vorne an!'
'Von hinten hatten wir's ja schon!'
'Ich weiß noch, damals hatte ich gerade im Archiv das Fenster neben meinem Schreibtisch geöffnet.'
'Zur allwöchentlichen Kurzlüftung, vermute ich.'
'Nicht nur! - Noch ein anderes Zeremoniell gehört zum Beginnen meiner Arbeit im Archiv am Mittwoch: die Entfernung der Wochenausbeute.'
Ich hatte schon fragend meine Augenbrauen angehoben.
'Die Entleerung der Mausefallen meine ich.'
'Tote Mäuse? Freilich, so kommt der Moder zum Mief!'
'Wissen Sie, ich benutze zur Entfernung des Kadavers eine alte verbogene Gabel, die in meiner Schreibtischschublade einen festen Platz hat. Dank ihrer gekrümmten Zinken kann ich den Spannbügel der Fallen zurückziehen, ohne meine Finger zu beschmutzen.'
'Was suchenbeziehungsweise finden Mäuse eigentlich in einem Archiv? Feinkost ist das alte Papier sicher nicht.'
'Aber sie fressen reichlich davon. Das zeigen die Fraßspuren und ihr Kot. Ärgerliche Schäden hinterlassen die Nager, wenn sie in die Akten sich so weit hineinnagen, dass sie die Texte zu verschlingen beginnen.'
'Ich kenne das. Auch ich verschlinge mitunter spannenden Lesestoff.'
'Aber nein, nicht Lesestoff! - Zellstoff ist es, was Mäuse verschlingen, die Zellulose im Papier, polymere Glukose in ß-glykosidischer Bindung, die durch extraintestinale, mikrobielle Fermentierung zu verwertbarem Nährstoff abgebaut und durch Fraß der eigenen Kotpapillen ihrer Ernährung zur endgültigen Verwertung wieder zugeführt wird.'
Klugscheißer, dachte ich wieder mal im Stillen.
'Den Weg alles Verdaulichen dürften dann ebenso die schlafenden Worte gehen. Mit ihrer intestinalen Auflösung zur Kotpapille werden auch sie dann endgültig entschlafen sein. Das wäre der zweite Tod der Skriptoren, nach
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ihrem leiblichen.'
'Jetzt wollen Sie wieder Recht behalten, habe ich Recht?'
Den Eindruck von Rechthaberei wollte ich lieber nicht aufkommen lassen und strich ihm sogleich verbal versöhnlichen Honig ums Maul, indem ich ihm fast allen Ernstes versicherte: 'Ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse, in Sonderheit auf dem Gebiet der Mäusekunde, beeindrucken mich. Alle Achtung!'
Bevor sich der Allwissende zu sehr geschmeichelt fühlen konnte, musste ich ihm noch einige Widerworte geben: 'Könnte es sein, dass nicht fade Zellulosekost und der reichlich zur Wiederverwendung anfallende Eigenkot, sondern erst der Köder Ihrer Fallen die Mäuse ins Archiv hineinlockt?'
'Sie meinen die abgeschnittenen Teile der überhängenden Salamischeibe meines Pausenbrotes?'
'Mit Speck - wenn auch nur in klein gehackten Stückchen - fängt man Mäuse.'
'Zur lusterweckenden Duftentfaltung senge ich außerdem vorher die Wurstscheibe über einem brennenden Streichholz an!'
'Oh ja, das geht den Mäusen direkt ins kleine Großhirn.'
'Aber Sie haben Recht, die inszenierte Fleischeslust könnte die Nager erst anlocken. Darüber sollte ich einmal nachdenken.'
'Wie das? Sie sollten doch besser vordenken. - Zum anderen: wundert Sie nicht auch, dass trotz wöchentlicher Mäusetötung allwöchentlich immer wieder neue erscheinen und in Ihre Fallen gehen?'
'Mäuse haben eine rasche Generationenfolge und eine beachtliche Geburtenrate. Das ist der Ausgleich für ihre hohe Mortalität!'
'Sagt der Experte! - Was machen Sie mit den Leichen?'
'Natürlich gebe ich, und gab auch damals der Natur zurück, was ihr gehörte und sich nur törichterweise in mein Archiv verirrt hatte.'
'Sie fügen die Mäuse wieder in den Stoffkreislauf ein?'
'Indem ich sie aus dem Fenster in den Hof entlasse und hinzufüge: Memento mus, quia pulveris es et in pulveris reverteri!'
Schon übersetzte ich: 'Bedenke Maus, dass du aus Staub bist und zu Staub zurückkehren wirst', und war bemüßi
'Jetzt wollen Sie wieder Recht behalten, habe ich Recht?'
Den Eindruck von Rechthaberei wollte ich lieber nicht aufkommen lassen und strich ihm sogleich verbal versöhnlichen Honig ums Maul, indem ich ihm fast allen Ernstes versicherte: 'Ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse, in Sonderheit auf dem Gebiet der Mäusekunde, beeindrucken mich. Alle Achtung!'
Bevor sich der Allwissende zu sehr geschmeichelt fühlen konnte, musste ich ihm noch einige Widerworte geben: 'Könnte es sein, dass nicht fade Zellulosekost und der reichlich zur Wiederverwendung anfallende Eigenkot, sondern erst der Köder Ihrer Fallen die Mäuse ins Archiv hineinlockt?'
'Sie meinen die abgeschnittenen Teile der überhängenden Salamischeibe meines Pausenbrotes?'
'Mit Speck - wenn auch nur in klein gehackten Stückchen - fängt man Mäuse.'
'Zur lusterweckenden Duftentfaltung senge ich außerdem vorher die Wurstscheibe über einem brennenden Streichholz an!'
'Oh ja, das geht den Mäusen direkt ins kleine Großhirn.'
'Aber Sie haben Recht, die inszenierte Fleischeslust könnte die Nager erst anlocken. Darüber sollte ich einmal nachdenken.'
'Wie das? Sie sollten doch besser vordenken. - Zum anderen: wundert Sie nicht auch, dass trotz wöchentlicher Mäusetötung allwöchentlich immer wieder neue erscheinen und in Ihre Fallen gehen?'
'Mäuse haben eine rasche Generationenfolge und eine beachtliche Geburtenrate. Das ist der Ausgleich für ihre hohe Mortalität!'
'Sagt der Experte! - Was machen Sie mit den Leichen?'
'Natürlich gebe ich, und gab auch damals der Natur zurück, was ihr gehörte und sich nur törichterweise in mein Archiv verirrt hatte.'
'Sie fügen die Mäuse wieder in den Stoffkreislauf ein?'
'Indem ich sie aus dem Fenster in den Hof entlasse und hinzufüge: Memento mus, quia pulveris es et in pulveris reverteri!'
Schon übersetzte ich: 'Bedenke Maus, dass du aus Staub bist und zu Staub zurückkehren wirst', und war bemüßi
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Autoren-Porträt von Erwin Isenberg
Erwin Isenberg (*1946 in Blankenstein a. d. Ruhr) ist selbst als Archivar an einem Stift tätig. Eigentlich sind die Naturwissenschaften seine Profession, aber seine neuerliche Passion ist die Archivforschung. Nach zahlreichen Sachtiteln, die sich zunächst mit Fragestellungen der historischen Geobotanik - seinem Promotionsfachgebiet - , und letzthin auch der Kultur-, Kirchen- und Rechtsgeschichte befassten, hat er nunmehr sein Talent für fiktionale Texte entdeckt. Dort braucht es keine Quellenangaben und Anmerkungen. Ein Alterswerk, wie er meint, das einer Jugendsünde gleich kommt. Da er selbst an einem Stift arbeitet, ist ihm das Sujet sehr vertraut. Doch wer in diesem Roman nach autobiographischen Schnittstellen suchen sollte, sucht vergebens. Auch die Geschichten sind frei erfunden und zu einer höchst unwahren Geschichte vermixt - halt fiktional.
Bibliographische Angaben
- Autor: Erwin Isenberg
- 2010, 1., Auflage., 380 Seiten, Maße: 14,6 x 20,8 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Kinzel
- ISBN-10: 3937367446
- ISBN-13: 9783937367446
- Erscheinungsdatum: 09.07.2010
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