Der silberne Bogen
Das ist die mitreißende Geschichte um den Kampf um Troja und die Helden der Antike - in einem neuen Gewand, hautnah und berauschend.
''David Gemmell macht Geschichte und Mythos lebendig!''
The Independent
Das ist die mitreißende Geschichte um den Kampf um Troja und die Helden der Antike - in einem neuen Gewand, hautnah und berauschend.
''David Gemmell macht Geschichte und Mythos lebendig!''
The Independent
Der silberne Bogen von David Gemmel
LESEPROBE
Prolog
Einschlafen heißt sterben.
Deshalb klammerte er sich an dasTreibholz, während ihn
die tosende See in die Höheschleuderte, um ihn anschließend
tief in die pechschwarzen Tälerzwischen den Wogen zu stürzen.
Blitze zuckten auf, gefolgt vonohrenbetäubenden Donnerschlägen.
Eine weitere Welle erfasste ihn undwirbelte das
Treibholz herum, sodass es ihm fastentrissen worden wäre. Als
er noch fester zupackte, bohrtensich scharfe Splitter in seine
blutenden Hände. Die geschwollenen Augenbrannten von
der salzigen Gischt.
Vier Männer hatten sich an diesesStück des zertrümmerten
Decks geklammert, nachdem dieGaleere im Laufe der Nacht
von heftigen Böen gegen verborgeneFelsen geworfen und
der Schiffsrumpf zerschmettertworden war. Einem nach dem
anderen hatte der Sturm die Kraftausgesaugt, bis sie schließlich
- verzweifelte, im Wind verhallendeTodesschreie ausstoßend
- fortgerissen worden waren.
Jetzt war nur noch der eine Mannübrig, der Gershom hieß -
er verdankte es seinen Armen undSchultern, die die Arbeit in
den Kupferminen von Kypros gestählt hatte, wo er monatelang
die Hacke und den Hammer geschwungenund Säcke mit Erz
auf dem Rücken getragen hatte. Dochselbst seine gewaltigen
Kräfte ließen allmählich nach.
Noch einmal hob ihn die See in dieHöhe, sodass das Deck-
teil unversehens nach oben kippte.Verbissen krallte sich Gershom
fest, als eine Welle über ihmzusammenschlug.
Mittlerweile kam ihm die See nichtmehr kalt, sondern wie
ein warmes Bad vor, das ihn zulocken und zu rufen schien:
Ruh dich aus! Komm mit mir! Schlafjetzt! Schlaf in der Großen
Grünen!
Einschlafen heißt sterben, rief er sich von Neuem in Erinnerung,
während er seine blutigen Händegegen das splittrige
Holz presste, bis ihn derdurchdringende Schmerz aus seiner
Erschöpfung riss.
Eine Leiche trieb mit dem Gesichtnach unten an ihm vorbei,
dann wurde sie von einer Welleerfasst und drehte sich auf den
Rücken. Gershomerkannte den toten Mann. In der vorletzten
Nacht, nachdem die Galeere unterhalbeiniger hoch aufragender
Klippen ans Ufer gezogen worden war,hatte dieser beim
Würfelspiel drei Kupferringegewonnen. Wie glücklich der Seemann
da gewesen war! Drei Ringe warenzwar keine fürstliche
Summe, reichtenjedoch aus, um einen guten Umhang zu kaufen
oder für die Nacht eine junge Hurezu dingen. Jetzt sah er
nicht mehr glücklich aus: mit seinentoten Augen, die in den
Regen hochstarrten,und dem schlaffen offenen Mund.
Eine weitere Woge schlug über Gershom zusammen. Er
presste den Kopf gegen die Plankenund hielt sich mit aller
Kraft fest. Die Woge trug den totenMann davon, und kurz
darauf sah Gershomihn im Wasser versinken.
Wieder zerrissen Blitze den Himmel,doch diesmal krachte
der Donner nicht unmittelbar darauflos. Der Wind ließ nach,
und die See beruhigte sich. Gershom zog sich auf das Treibholz,
bis es ihm gelang, das Bein auf diegeborstenen Planken
zu schieben. Nachdem er sichvorsichtig auf den Rücken gedreht
hatte, lag er zitternd in der kaltenNachtluft.
Der strömende Regen wusch ihm dasSalz vom Gesicht, aus
den Augen und dem Bart. Er starrtezum Himmel - durch
einen Riss in den Sturmwolkensickerte Mondlicht. Er spähte
nach links und dann nach rechts,vermochte jedoch nirgendwo
Land zu entdecken. DieWahrscheinlichkeit zu überleben
war gering, denn die Handelsschiffeblieben stets in der Nähe
der Küste. Nur wenige wagten sich intiefere Gewässer hinaus.
Der Sturm hatte sich mitentsetzlicher Stärke erhoben, als
unversehens heftige Winde von denhohen Klippen gefegt kamen.
Die Galeere hatte auf eine Buchtzugehalten, in der man
für die Nacht Schutz suchen wollte. Gershom, der auf der
Steuerbordseite ruderte, hatte sichzunächst keine allzu großen
Sorgen gemacht. Er wusste nichts vomMeer und hielt das
Ganze noch für unerheblich - bis ihnder ängstliche Ausdruck,
den er in den Gesichtern der anderenRuderer bemerkte, eines
Besseren belehrte. Die Heftigkeitder Sturmböen nahm derart
zu, dass sich das Schiff auf dieSeite legte und von der Küste
abgetrieben wurde. Gershom konnte die felsige Landzunge
ausmachen, die den Eingang zur Buchtmarkierte und zum
Greifen nahe zu sein schien. DieRuderer gerieten aus dem
Takt. Auf seiner Seite prallten zweiRuder zusammen und
brachten die ganze Reihedurcheinander. Ein Ruder zerbrach.
Da sich die Ruder nun nicht mehr imgleichen Rhythmus bewegten,
drehte sich das Schiff, vorwärtsgetrieben von den Ruderern
auf Backbord, mit der Breitseite inden Wind.
Eine riesige Welle schwappte überdie Reling und ergoss sich
über Gershomund die Steuerbordruderer. Das schwer beladene
Schiff neigte sich, glitt in einWellental und wurde von
einer zweiten Woge überspült. Gershom hörte ein Ächzen und
Splittern, als die Planken unter demGewicht des Wassers nachgaben.
Wasser strömte in die Galeere ein,die von der Masse
des Kupfers, das sie geladen hatte,in die Tiefe gezogen wurde
und innerhalb weniger Sekunden sank.
Während sich Gershoman die Deckplanken klammerte,
schoss ihm durch den Kopf, dass erwahrscheinlich selbst einen
Teil des Kupfers abgebaut hatte, dasdem Schiff nun zum Verhängnis
geworden war.
Vor seinem geistigen Auge tauchtedas strenge Gesicht seines
Großvaters auf. »All deineSchwierigkeiten hast du dir
selbst zuzuschreiben, mein Junge.«
Heute Nacht traf das zweifellos zu.
Andererseits, so überlegte Gershom, hätte er ohne die anstrengende
Arbeit in den Minen nicht jeneKräfte gewonnen, die
es ihm jetzt ermöglichten, derGewalt des Sturms zu trotzen.
Ohne Frage hätte es seinen Großvatermit Genugtuung erfüllt,
Gershom in den Minen arbeiten zu sehen, zuverfolgen,
wie seine weichen Hände Blasenbekamen und bluteten,
wie er in einem Monat eine Summeverdiente, die er zu Hause
im Handumdrehen ausgegeben hätte.Nachts hatte er in einer
schmutzigen Erdhöhle geschlafen,unter einer einzigen, fadenscheinigen
Decke, während die Ameisen überseinen erschöpften
Körper gekrabbelt waren. KeineDienerinnen, die
sich um seine Bedürfnisse kümmerten,keine Sklaven, die seine
Kleidung zurechtlegten.Jetzt beugte niemand den Kopf, wenn
er vorüberging, und er wurde vonkeinem Menschen mehr umschmeichelt.
Im Palast und auf den Gehöften, dieseinem Großvater
gehörten, hatten ihm die Frauenstets versichert, wie
wundervoll er sei, wie männlich undstark. Was für eine Freude
es sei, sich in seiner Gesellschaftzu befinden. Gershom seufzte.
Auf Kyprossagten die Frauen, die den Minenarbeitern zur Verfügung
standen, genau dasselbe -vorausgesetzt, ein Mann besaß
genügend Kupferringe, um sie zubezahlen.
Im Süden erhellten Blitze denHimmel. Vielleicht zieht der
Sturm weiter, dachte er bei sich.
Erneut fiel ihm sein Großvater ein,diesmal mit einem Gefühl
der Scham. Er wurde dem Mann nichtgerecht. Denn er
würde sich nicht an Gershoms gesellschaftlichem Abstieg weiden.
Ebenso wenig wie ihm die öffentlicheHinrichtung Freu-
de bereitet hätte, zu der er seinenEnkelsohn verurteilt hatte.
Gershom war es jedoch gelungen, aus der Stadtund zur Küste
zu fliehen, wo er sich nach Kypros eingeschifft hatte.
Dort wäre er zweifellos auchgeblieben, hätte er nicht vor
ein paar Tagen eine Gruppe vonÄgyptern in der Stadt gesehen.
Zwei von ihnen hatte er wiedererkannt. Beide waren sie
Schreiber eines Kaufmanns, derhäufig den Palast seines Großvaters
aufgesucht hatte. Einer dieserSchreiber hatte ihn angestarrt.
Inzwischen trug Gershomzwar einen dichten Bart,
und sein Haar war lang undungepflegt, doch er war sich in
keiner Weise sicher, ob das auch alsTarnung ausreichte.
Deshalb hatte er den Rest derKupferringe, die er in der
Mine verdient hatte, an sichgenommen und war zum Hafen
gegangen, um sich an den Strand zusetzen und die Schiffe zu
betrachten, die in der Bucht lagen.
Nach einer Weile näherte sich ihmein krummbeiniger alter
Mann, dessen Haut wettergegerbt unddessen Gesicht von tiefen
Furchen durchzogen war. »Suchst duArbeit auf einem
Schiff?«,fragte er.
»Schon möglich.«
Der Mann bemerkte Gershoms starken Akzent. »Bist wohl
ein Ägypter, wie?« Gershom nickte. »Prächtige Seeleute, die
Ägypter. Und du hast die Schulterneines guten Ruderers.«
Der alte Mann kauerte sich hin, hobeinen Stein auf und
schleuderte ihn über das Wasser.»Auf einigen Schiffen sucht
man nach Leuten.«
»Was ist mit dem da?«, fragte Gershom und zeigte aufeine
riesige, schnittige zweideckige Galeere, die draußen in der
Bucht vor Anker lag. Daswunderschöne Schiff war aus Eichenholz
gebaut und hatte vierzig Ruder aufder Steuerbordseite.
Das Licht der untergehenden Sonneließ den Rumpf golden
schimmern. Noch nie hatte Gershom ein so gewaltiges
Schiff gesehen.
»Nur wenn du dich nach dem Todsehnst«, sagte der Alte.
»Es ist zu groß.«
»Zu groß? Warum sollte das schlimmsein?«, fragte Gershom.
»Weil der mächtige Gott Poseidongroße Schiffe nicht duldet
und sie entzweibricht.«
Gershom lachte, da er dieses für einenScherz hielt.
Der Alte blickte gekränkt drein.»Offenbar hast du keine Ahnung
von der See, junger Mann«, sagte erverstimmt. »Jedes
Jahr entwerfen überheblicheSchiffbauer noch größere Schiffe
als zuvor. Und jedes Jahr sinkensie. Wer, wenn nicht die
Götter, könnte solche Katastrophenherbeiführen?«
»Bitte entschuldige, dass ichgelacht habe«, erwiderte
Gershom, der den Alten nicht hattebeleidigen wollen. »Das
Schiff dort sieht allerdings nichtso aus, als würde es sinken.«
»Das ist das neue Schiff desGoldenen«, erklärte der Mann.
»Gebaut hat es für ihn einVerrückter, den sonst niemand einstellen
wollte. Seine Mannschaft ist sicher nochnicht vollzählig.
Selbst die hiesigen, ziemlicheinfältigen Matrosen haben
es abgelehnt, darauf anzuheuern.Deshalb hat der Goldene
Seeleute von den umliegenden Inselnholen lassen.« Er lachte.
»Sogar von denen sind einigeabgehauen, sobald sie es gesehen
haben - obwohl jedermann weiß, dasssie vollkommene
Schwachköpfe sind. Nein, es wirdsinken, wenn Poseidon darunter
hinwegschwimmt.«
»Wer ist dieser Goldene?«
Der Alte sah ihn erstaunt an. »Ichhätte gedacht, dass auch
die Ägypter schon von Helikaon gehört haben.«
»Diesen Namen hörte ich,glaube ich, in der Tat schon. Ist
er nicht ein Krieger der See? Hat ernicht zahlreiche mykenische
Piraten getötet?«
Der Mann schien befriedigt. »Ja, erist ein großer Kämpfer.«
»Warum nennt man ihn den Goldenen?«
»Weil ihm alles glückt, was eranpackt. Jede Unternehmung
bringt ihm neue Reichtümer ein, aberich glaube, wenn das
Ungeheuer da untergegangen ist, wirder noch einen anderen
Beinamen erhalten.«Er schwieg einen Augenblick. »Doch wir
sind vom Kurs abgekommen. Dubrauchst also ein Schiff.«
»Was würdest du mir raten, meinFreund?«
»Ich kenne einen Kaufmann, der eine zwanzigrudrige Galeere
besitzt - die Mirion-, die übermorgen nach Troja aufbricht.
Ihm fehlen noch Männer. Für zehnKupferringe bringe
ich dich hin und empfehle dich ihm.«
»Ich habe keine zehn Kupferringe.«
»Für eine Fahrt bekommst du zwanzig,die Hälfte davon,
wenn du anheuerst. Wenn du mir dieseHälfte gibst, erzähle
ich ihm, du seistein meisterhafter Ruderer.«
»Sie werden nicht lange brauchen, umherauszufinden, dass
du gelogen hast.«
Der Alte zuckte die Achseln. »Dawirst du schon auf See
sein, während der Kaufmann noch anLand ist. Wenn du aber
zurückkehrst, wirst du einguter Ruderer sein, und niemand
wird etwas merken.«
Gershom hatte schon von Troja gehört, vonseinen mächtigen
goldenen Mauern und den hohenTürmen. Es hieß, der
Heros Herakles habe dort vorungefähr hundert Jahren einen
Kampf ausgetragen. »Bist du schoneinmal in Troja gewesen?«,
fragte er den alten Mann.
»Schon oft.«
»Es soll sehr schön sein.«
»Richtig, es ist hübsch anzusehen.Allerdings ist dort alles
sehr teuer. Die Huren tragenGoldschmuck, und ein Mann,
der nicht mindestens hundert Pferdebesitzt, gilt als arm.
Wenn du nur Kupferringe hast,bekommst du in Troja noch
nicht mal einen Becher Wasser. Aberauf dem Weg dorthin
macht ihr bei genügend anderen OrtenHalt, mein Junge.
Zum Beispiel in Milet. Also das istgenau das Richtige für Seeleute.
Da gibts Huren mit großen Brüsten,die dir für einen
Kupferring ihre Seele verkaufen -auch wenn ich nicht annehme,
dass du gerade auf ihre Seele scharfbist. Außerdem ist
die Landschaft dort besondersreizvoll. Du wirst dich vergnügen,
mein Junge!«
Später an jenem Tag, nachdem ihm deralte Seemann eine
Heuer auf der Mirionbesorgt hatte, war Gershom zum Hafen
hinuntergeschlendert, um sich dasSchiff anzusehen. Er
verstand zwar nichts von derSchifffahrt, doch selbst seinem
ungeschulten Auge kam es so vor, alsliege der Rumpf sehr tief
im Wasser. Während er das Schiffbetrachtete, kam ein riesiger
kahlköpfiger Mann mit einemschwarzen Gabelbart auf ihn
zu. »Suchst du einen Platz auf einemSchiff?«, fragte er.
»Nein. Ich segle übermorgen mit der Mirion ab.«
»Die ist völlig überladen. Außerdembraut sich ein Sturm
zusammen«, erwiderte der Mann.»Schon mal auf einer Galeere
gearbeitet?«
Gershom schüttelte den Kopf.
»Prächtige Fahrzeuge - wenn derKapitän dafür sorgt, dass
alles tipptopp in Ordnung und derRumpf nicht mit Muscheln
verkrustet ist, und bei einer gutausgebildeten Mannschaft. Für
die Miriongilt nichts davon.« Der Mann sah ihn durchdringend
an. »Du solltest mit mir segeln, aufder Xanthos.«
»Auf dem Todesschiff? Nein, danke.«
Die Miene des Kahlköpfigenverfinsterte sich. »Nun ja, jeder
nach seinem Geschmack, Ägypter. Ichhoffe, du wirst deine
Entscheidung nicht bereuen.«
Jetzt hallte der Himmel von einemweiteren Donnerschlag wider.
Der Wind nahm von Neuemzu. Vorsichtig rollte sich Gershom
auf den Bauch und packte die Kantendes Treibholzes.
Einschlafen heißt sterben.
© HeyneVerlag
Übersetzung:Michael Koseler
- Autor: David Gemmell
- 2006, 638 Seiten, Maße: 13,5 x 20,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Michael Koseler
- Verlag: Heyne
- ISBN-10: 3453531957
- ISBN-13: 9783453531956
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