Der Sommer danach
Es ist ein wahres Paradies: Unter der Sonne Kaliforniens, bei strahlendem Himmel lauschen sie der Brandung des Pazifik. Doch die Frauen und Männer, die sich hier in diesem abgelegenen, romantischen Strandhaus begegnen, haben schwere Schicksalsschläge...
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Es ist ein wahres Paradies: Unter der Sonne Kaliforniens, bei strahlendem Himmel lauschen sie der Brandung des Pazifik. Doch die Frauen und Männer, die sich hier in diesem abgelegenen, romantischen Strandhaus begegnen, haben schwere Schicksalsschläge hinter sich. Sie alle versuchen zu vergessen - und neu anzufangen. Wird dieser Sommer ihnen das Glück bringen, das er zu versprechen scheint?
Der Sommer danach von Georgia Bockoven
LESEPROBE
Prolog
Das Strandhaus stand leer, in ungeduldiger Erwartung eines weiterenSommers, in dem endlich die Fensterläden entfernt werden würden, und dasSonnenlicht erneut die Zimmer durchfluten konnte. Seit es im Jahr 1905 erbautworden war, hatte es fast ein ganzes Jahrhundert voller Liebe und Hass erlebt,hatte heftigen Stürmen und Erdbeben getrotzt und viele Generationen vonBesuchern beherbergt. Es waren die Lage und auch ihre Langlebigkeit, die dasHaus und die Strandpromenade von Santa Cruz verbanden. Obgleich man weder vonda noch von dort eine Sicht auf die andere Seite hatte, bildeten die beidenlängst eine symbiotische Einheit: Die Kinder fühlten sich zum Haus hingezogen,zur Strandpromenade wiederum die Erwachsenen, zu denen auch die Kinder eines Tagesheranwachsen würden.
Dazwischen lagen einige Kleinstädte, von denen Santa Cruz die größte war,und sie verkörperten Kalifornien in absoluter Reinkultur. Denn wer an einemOrt lebte, an dem die Leidenschaft zum Wellenreiten Vorrang über die Arbeit genoss,der musste schon eine gehörige Portion Toleranz, liberales Denken und einenHang zum Ungewöhnlichen mitbringen. Und für einen Ausflug in diese Gegendbrauchte man nicht mehr als T-Shirts, Shorts und Sandalen.
Die 20 000 Quadratmeter Felsgestein und Wald, die an den Ozean grenzten,betrachtete der Mann, der es seinerzeit geerbt hatte, als unnützen Besitz. Sokam es zu einem Besitzerwechsel, als er Grund und Boden während einerSilvesterfeier zur Jahrhundertwende im Hard LuckSaloon bei einem Pokerspiel verspielte. Im Jahr darauf tauschte ein Farmer dasLand für ein Pferdegespann ein und rodete das Grundstück am Rande derviereinhalb Meter hohen Klippe. Er errichtete eine primitive Hütte mit einemZimmer, in der er ein paar Jahre später mit seiner Braut die Flitterwochenverbrachte. Der Ernteertrag war gut, also erweiterte der Farmer sein Ferienhäuschenum weitere Zimmer, als seine Familie größer wurde. Drei seiner fünf Kinderwurden in der Hütte gezeugt. Und er gab allen seine Liebe zu diesem FleckchenErde und dem Ozean weiter, indem er ihnen in Geschichten ausmalte, wie es dortin Zukunft sein würde, wenn sie mit ihren Kindern und späteren Kindeskindernihr geliebtes Strandhaus besuchen würden.
Der Farmer war fast sechzig Jahre alt, als die Große Depression über dasLand hereinbrach. Der Verkaufspreis für das Getreide sank unter die Kosten, dieder Anbau verursachte. Um seine Rechnungen begleichen zu können, verkaufteder Farmer die 20 000 Quadratmeter Land, die das Strandhaus umgaben, an einenImmobilienmakler, der das Land erschloss, es in Parzellen aufteilte und sie miteinem Profit von 300 Prozent verkaufte.
Weil die Große Depression anhielt, verließen die Kinder und Enkel desFarmers das Land, um in der Stadt Arbeit zu finden. Der Farmer konnte seineSteuern nicht mehr bezahlen, und um die Farm zu retten, opferte er das Saatgutfür den Getreideanbau im Jahr darauf und hoffte auf ein Wunder. Das »Wunder«erschien in Form eines Handlungsreisenden, der ihm das Angebot machte, dasStrandhaus gegen das Saatgut für ein Jahr und den Dünger dazu einzutauschen.
Der Handlungsreisende konnte auf seinem Weg durch das lange, fruchtbareSalinas Valley dieses unglaublich einträgliche Geschäft mit weiteren Farmernwiederholen. Allerdings war ihm entgangen, dass die Farmer, während sie ihm zuhörten,dabei stets auf den Boden blickten. Kaum war er davongefahren, statteten sieseinen Konkurrenten einen Besuch ab. Irgendwann sah sich der Handlungsreisendedazu gezwungen, sich nach einem weiteren Bezirk umzusehen, damit er genug Geldeinnahm, um ihnen ihre Prämien auszahlen zu können.
Da der Handlungsreisende nun zwei Bezirke zu bearbeiten hatte, war er vielzu beschäftigt, um sich oft im Strandhaus aufzuhalten. Dafür zog seine Ehefraudort ein, die es satt hatte, alleine zu Hause herumzusitzen. Auf ihr Drängenhin baute er ein weiteres Zimmer an, damit sie auch ihre Mutter dortunterbringen konnte. Ein Jahr später fügte er eine größere Küche hinzu underneuerte die Installationen im Badezimmer.
Weil er auf seiner Route immer mehr neue Gebiete erschloss, um dieUmbauten am Haus finanzieren zu können, war er wochenlang unterwegs und sahweder sein Strandhaus noch seine Frau. Fünf Jahre später ließ sich seine Frauvon ihm scheiden. Sie erklärte dem Richter, dass sie in den langen Zeitenseiner Abwesenheit das Gefühl bekommen hätte, dass er sie längst verlassenhätte. Sie klagte das Strandhaus für sich ein, bekam es bei der Scheidung auchzugesprochen und lebte dort, bis sie etliche Jahre später während einesAufenthaltes in San Francisco bei einem Straßenbahnunfall ums Leben kam.
Joe und Maggie Chapman hielten sich in Santa Cruzauf, um ihren Hochzeitstag zu feiern, als sie eines Nachmittags bei einemSpaziergang zufällig auf dieser kleinen Insel von Häusern inmitten eines Meeresvon Wäldern landeten. Maggie hatte den Immobilienmakler, der gerade aus seinemWagen ein Schild mit der Aufschrift »Zu verkaufen« holte, zuerst gesehen. Sieunterhielten sich mit ihm und wurden sich handelseinig, noch bevor er das Schildauf dem Gelände hatte aufstellen können.
Joe und Maggie steckten all ihre Liebe, die sie eigentlich für die Kinder,die sie leider nicht bekommen konnten, aufgespart hatten, in das Haus. Sievergrößerten das Wohnzimmer und bauten eine Veranda an, weil sie dem Tagentgegensahen, an dem Joe in Rente gehen würde. Dann wollten sie für immer hierwohnen. Doch dann erlitt Joe einen Schlaganfall, und Maggie war vollauf damitbeschäftigt, sich um ihn und um ihr Haus in San Jose zu kümmern. Sie fandeneinen Mieter, einen jungen Mann namens Ken Huntington, der per Anhalter ausKansas gekommen war, weil er davon träumte, einmal im riesigen PazifischenOzean schwimmen zu gehen.
Für Maggie war Ken ein Rätsel. Er war zwar stets höflich und bezahlte immerpünktlich seine Miete, aber er verkroch sich stundenlang im Haus, um an einemDing herumzuspielen, das er als Personal Computer bezeichnete. Sie bemühtesich zwar, aufmerksam zuzuhören, wenn er ihr erklärte, welch wunderbare Dingesie eines Tages selbst mit einem eigenen Computer anstellen könnte, konnteaber nicht mehr als höfliches Interesse dafür aufbringen.
Weil sich Joe nur langsam von seinem Schlaganfall erholte, schmolzen ihreErsparnisse dahin, und sie benötigten dringend eine Einnahmequelle, dennalles, was sie noch besaßen, waren das Strandhaus und ihr Haus in San Jose. Kenbot ihnen an, das Strandhaus zu kaufen, aber nur unter der Bedingung, dass Joeund Maggie die Rolle der Bank einnahmen und ihm eine Hypothek gewähren würden. AlsAusgleich dazu bot er ihnen an, das Strandhaus in den Sommermonaten weiterhinnach ihrem eigenen Gutdünken nutzen zu können.
Weil Joe und Maggie keine Ahnung hatten, dass Ken zu den erstenComputergenies im Silicon Valley zählte, stimmten sie der Vereinbarung zu imGlauben, damit einem prächtigen, jungen Mann behilflich zu sein, sich seinerstes eigenes Heim zu schaffen, während sie damit wiederum ihre privatenFinanzprobleme lösen konnten. Den Juli reservierten sie für sich selbst, imJuni und August vermieteten sie das Haus und überreichten am Ende der erstenSommersaison Ken stolz die Schecks, um ihm » bei der Abzahlung der Hypothek zuhelfen«.
In den darauf folgenden siebzehn Jahren führten sie diese Vereinbarung mitden Vermietungen im Sommer fort, selbst dann noch, als sich Kens Firma weltweitzum Marktführer entwickelt hatte. Das Strandhaus hatte neue Fenster und einenfrischen Anstrich nötig, im Badezimmer wurde Trockenfäule entdeckt, und derSchacht des Kamins wies einen Riss auf. Die Reparaturen wurden durchgeführt, dieHaushaltsgeräte ausgetauscht, und durch den Garten wurde ein neuer Steinwegangelegt.
Dann begegnete Ken einer Frau, in die er sich verliebte und die ihm das Torzur Welt öffnete. Aus den beiden wurde eines jener Paare, über die Liebesliedergeschrieben werden, Sonette und Liebesromane. Sie waren auf ewig füreinanderbestimmt. Nur der Tod konnte sie scheiden.
Eines Morgens verabschiedete sich Ken von Julia, um seine tägliche Fahrt zuseinem Arbeitsplatz anzutreten. Kurze Zeit später war Julia wie blind an ihmvorbeigefahren, als er - bereits sterbend - am Straßenrand lag. Sie hatte denriesigen Verkehrsstau, den Ken verursacht hatte, als er aufgrund einesHerzinfarktes die Kontrolle über seinen Wagen verlor, gar nicht wahrgenommen,weil sie mit ganz anderen Dingen beschäftigt war.
Trauer zog in das Haus ein. Fast ein komplettes Jahrhundert lang hatte eswie ein Wächter auf dem felsigen Vorsprung gestanden. Und es hatte Zeitengegeben, in denen wochenlang kein Mensch dort gewohnt hatte. Aber all dieseJahrzehnte hindurch war es nicht ein einziges Mal vorgekommen, dass so langedie Türen verschlossen und die Fenster verriegelt blieben wie in diesem Jahr.
Während dieser traurigen acht Monate versorgte eine Bewässerungsanlage denGarten, aber niemand schnitt die Blumen zurück oder entfernte die Spinnweben. DieFlammenden Herzen, der Fingerhut, die Schmuckkörbchen, der Federmohn und dieAlaunwurzeln waren über die Beete hinausgewuchert und hatten sich auf densteinernen Gehwegen breitgemacht. Von denDachbalken, den Pfosten, Fensterläden und Lampen hingen abgestorbene,vergessene Spinnweben, in deren Netzen sich Schmutz angesammelt hatte.
In jenem Winter hielten sich die Nachbarn vom Strandhaus entfernt, alswürde es eine geheime Absprache darüber geben. Falls ihr Weg sie zufällig amHaus vorbeiführte, hielten sie die Köpfe tief gesenkt und den Blick abgewandt.
Schließlich tauchte an einem warmen Maiabend ein Auto auf der schmalenAsphaltstraße auf, die zum Haus führte. Die Frau hinter dem Steuer fuhr langsaman den Häusern mit den offenen Fenstern vorbei, in denen sich die Familien zumAbendessen am Tisch im Esszimmer versammelt hatten.
Sie fuhr die Auffahrt hoch, ging aber nicht ins Haus, sondern stattdessenden öffentlichen Gehweg, der neben dem Haus entlang zum Meer führte, hielt aufder obersten Stufe der Treppe zum Strand an und starrte aufs Meer hinaus. Schließlichzog sie ihre Schuhe aus, stellte sie unter den Buchsbaum und ging die Stufenhinunter in Richtung Süden, ließ die Häuser hinter sich und schlug den Weg zumäußersten Felsvorsprung ein, der den südlichen Teil der Bucht begrenzte. Alssie zurückkehrte, stand die Sonne bereits sehr tief am Horizont.
Die Frau sah alles andere als wohlhabend aus, auch wenn sie mit einemMercedes angereist war. Sie war gekommen, um Abschied von dem Mann zu nehmen,den sie für viel zu kurze Zeit so sehr geliebt hatte. Ihre Haare waren windzerzaust,die Augen vom Weinen verschwollen und ihre Kleidungfeucht und zerknittert, weil sie auf einem mit Flechten bewachsenen Felsengesessen hatte. Zum letzten Mal wollte sie das Strandhaus für Sommergästeherrichten, dann sollte es zum Verkauf angeboten werden. Denn ihrer Meinungnach waren die damit verbundenen Erinnerungen für sie viel zu schmerzhaft.
Für Joe und Maggie sollte es der letzte Juli werden. In diesem Sommersollten sie sich voneinander und auch von dem Haus verabschieden, das ihnen einLeben lang sowohl in freudigen als auch traurigen Zeiten Schutz geboten hatte. IhrDahinscheiden schien zugleich das Ende einer langen Ära der Liebe zu markieren,die alle im Strandhaus so überschwänglich genossen hatten. Aber Julia brachtees nicht fertig, das Haus zu verkaufen. Das Leben all jener, die längstdahingegangen waren, durchdrang die Wände, und es schien, als wollten sie siefesthalten, als sie versuchte, sich davonzumachen. Also redete sie sich ein, esnur noch den Sommer danach eine Saison lang zu vermieten. Denn sie glaubeernsthaft, bis dahin genügend Distanz zu haben und leichter loslassen zukönnen. Es sollte endlich wieder ein ganz normaler Sommer werden, einer, indem alle Menschen, die ihn hier verbringen würden, keine dramatischenVeränderungen in ihrem Leben erleben mussten. Aber auch ein Sommer ohne jeneMagie, von der alle, die ihn hier zuvor verbracht hatten, in ihren Bann gezogenwurden.
Falls das eintreten sollte, dann würde sie das Haus endlich verkaufen.
© VerlagsgruppeWeltbild
Deutsch von IngeborgSchober
- Autor: Georgia Bockoven
- 2007, 1, 400 Seiten, Maße: 12,5 x 18,7 cm, Taschenbuch
- Verlag: Weltbild
- ISBN-10: 3898976971
- ISBN-13: 9783898976978
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