Der Tanz um die Lust
Jugend und Schönheit sind das Maß aller Dinge in unserer Gesellschaft. Alles scheint käuflich, alles wird mit Sex verkauft. Wie ist erotische Begegnung noch möglich in dieser entfremdeten Welt? Wie inszenieren wir uns selbst als begehrenswert, und wie...
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Produktinformationen zu „Der Tanz um die Lust “
Klappentext zu „Der Tanz um die Lust “
Jugend und Schönheit sind das Maß aller Dinge in unserer Gesellschaft. Alles scheint käuflich, alles wird mit Sex verkauft. Wie ist erotische Begegnung noch möglich in dieser entfremdeten Welt? Wie inszenieren wir uns selbst als begehrenswert, und wie können wir selbst noch begehren?Die Körper sind explodiert und die Anteilnahme erkaltet. Nur die Erregung ist geblieben. Wir sind umgeben von Titten, Ärschen und Waschbrettbäuchen, und das ist nur die glitzernde Oberfläche der Fernseh- und Werbewelt. Leben wir in einer pornographischen Gesellschaft? In einer Gesellschaft, deren Mitglieder nur noch mit heruntergelassenen Hosen oder hochgezogenen Röcken vor dem Rechner sitzen und kein Interesse mehr an Partnerschaft haben?
Die 28-jährige Ariadne von Schirach widmet sich diesen Fragen ... und findet kluge und provozierende Antworten. Sie denkt nach über Pornographie, erotische Strategien, heutige Formen der Jagd nach Sex. Und wagt die These, dass der einzige Ausweg aus der ästhetischenEntfremdung und erotischen Überforderung - immer noch und immer wieder - die Liebe ist, das Wagnis echter Begegnung.
Sex und Liebe und ihre Bedingungen in der Gegenwart: Philosophisch, essayistisch stellt sich "Der Tanz um die Lust" diesem ewigen Thema und erzählt von Menschen und ihren Abenteuern in einer übersexualisierten Wirklichkeit.
Nie war das Angebot an Sex größer. Nie war die Flut der Bilder größer. Befriedigung ist heute nur noch einen Mausklick entfernt. Die Folge: In der Generation Ego-Sex verweigern sich viele Männer, während Frauen den Spieß umdrehen und selbst auf die Jagd nach Mr. Right gehen ...
Das Thema Sex, Liebe und Pornographie - endlich einmal aus der Perspektive einer jungen Frau. Die Berliner Philosophin Ariadne von Schirach, 28, zeichnet das Porträt einer Generation auf der Suche nach ihrer Identität und ihren Sehnsüchten. Klug, ehrlich, provokant!
Das Thema Sex, Liebe und Pornographie - endlich einmal aus der Perspektive einer jungen Frau. Die Berliner Philosophin Ariadne von Schirach, 28, zeichnet das Porträt einer Generation auf der Suche nach ihrer Identität und ihren Sehnsüchten. Klug, ehrlich, provokant!
Lese-Probe zu „Der Tanz um die Lust “
"Schlampe". "Pornostar". "Sexy". Vor einigen Jahren tauchten auf einmal diese T-Shirts auf. Ich war am siert und stark befremdet. Wo hatten diese Ladies ihr Gehirn gelassen? "Schlampe"? Meist waren sie jung, diese Frauen, aber es gab auch ltere, die strahlten oft etwas Verschw rerisches aus, als d rften endlich auch sie an einer Art geheimen Wissens teilhaben. Mittlerweile sind die T-Shirts ornamentaler geworden, die Slogans weniger aggressiv. Sie hei en jetzt "S ", "Still Single" oder "Beach Babe" und sind oft in floralen K stchen zu finden.Aber es gibt auch immer noch die ganz klare Linie: G rtel, Strassk ppis und Halsb nder, die tragen einfach die Aufschrift "SEX". Ich stand einmal in einem Shop und war fast versucht, mir so einen G rtel zu kaufen, f r die schlimmen Tage, um endlich mal ein Statement zu machen. Ich habe es dann doch gelassen. Von Zeit zu Zeit dachte ich dar ber nach, selbst T-Shirts bedrucken zu lassen, ich berlegte mir Slogans wie "I like Penetration", "Sex ja, Liebe nein", oder, etwas flirtbereiter, "Verf hr mich".
Doch die Frauen, die diese Art von Mode tragen, wollen damit meist niemanden auffordern. Es soll nur trendy sein, modisch und ein bisschen frech. Wie "Hexe". Sie sind Mitt ter einer massiven Marketing-Offensive, die an der "Ver-Bunnyisierung" der Welt arbeitet. Seit langem schon l sst sich beobachten, wie die Marke "Playboy" sich in einer bestimmten Art von Gesch ften ausbreitet, die meist in Einkaufszentren zu finden sind. Es gibt Bunny-Unterw sche, Hausschuhe mit neckischem Puschel, Schmuck. Und stolze Girlies, die viel Geld daf r zahlen, das Logo einer Softporno-Zeitschrift zu tragen.
Vielleicht ist das ja auch nur eine Reaktion auf die fortschreitende Pornographisierung unserer Gesellschaft. Wenn alles Porno ist, dann muss ich doch zur Schlampe oder zum Toyboy werden, um den Zug nicht zu verpassen. Neulich habe ich ein Video von den Pussycat Dolls gesehen, Don't Cha. Also die Girls, die sind echt scharf. Schlank, rank,
... mehr
tolle Br ste, Beine, B uche. Knapp bekleidet tanzen sie sich durch das Video, dessen Aussage in dem Refrain gipfelt: Don't cha wish your girlfriend was hot like me? ("W nschtest du nicht, deine Freundin w re so scharf wie ich?") Ja, und wenn dann Thorstens Blick auf die schwabbelige Angelika neben ihm auf dem Sofa f llt, dann wird er im Stillen nicken und beim n chsten Mal vor dem Computer vielleicht nach einigen scharfen Fotos suchen, von den Miezekatzenp ppchen. F ndig wird er werden, denn die hei en Ladies waren, bevor sie ihre K nstlerinnenkarriere starteten, Stripperinnen im Viper Room, dort, wo man River Phoenix mal tot vor der T r fand.
Vom Stripper zum Star. Dieses Ph nomen h uft sich in unserer Zeit, es scheint, als w rden sich die kulturelle und die pornographische Sph re mehr und mehr durchmischen. Hardcore-Pornodarstellerin Gina Wild wird wiedergeboren als Michaela Schaffrath. Der italienische Pornostar Rocco Siffredi dreht mittlerweile ernsthafte Filme. Celebrities wie Pamela Anderson und Paris Hilton vergessen aus Versehen irgendwo ein selbstgedrehtes Pornovideo, das daraufhin millionenfach verbreitet wird. Jenna Jameson wird Bestsellerautorin mit ihrer Biographie "Pornostar". Cicciolina sa zwei Jahre im italienischen Parlament. Die FDP-Politikerin Dr. Silvana Koch-Mehrin lie sich, im achten Monat schwanger, nacktb uchig im Stern ablichten. Sportlerinnen, Moderatorinnen und K nstlerinnen posieren nackt im Playboy oder f r irgendwelche Kalender.
Zuerst war jedoch das Marketing. Ein Bekannter, studierter Kommunikations-Experte, sagte einmal zu mir: "Also wenn dir gar nichts mehr einf llt, stellst du einfach eine nackte Frau neben das Produkt, das funktioniert immer." Oder einfacher: "Sex sells."
Irgendwo in Berlin werben zwei riesige kurvige Frauen im Bikini f r ein B rogeb ude, mit einem Slogan la "Jeder Stock ein Treffer". Die neugegr ndete Einkaufspassage "Quartier 205" hatte eine besonders widerw rtige Strategie, nur andeutungsweise auf das Gemeinte Bezug zu nehmen:
"ICH NEHME JEDEN
Tag einen kleinen Umweg, um alles auf einmal zu kriegen."
Eine kurzhaarige Blondine, jugendlich, kokettiert dazu mit herausgespitzter Zunge.
"ICH HABE DEN K RZESTEN
Weg zum Schwimmbad."
Dieser w rdevoll pr sentierte Satz wird begleitet von einem sympathischen Mann mit Glatze. Oder auch:
"ICH KANN IMMER
meinen Tee trinken und entspannt auf Rosa warten."
Ein herzerw rmendes Seniorenp rchen l chelt dazu von der Plakatwand.
Oder eine Werbung f r irgendeine Jeansmarke, bei der ein wirklich extrem gutaussehender Typ mit Hand in der Hose mich einmal fast vom Fahrrad fallen lie . Oder die aufreizende schnelle Alice.
Ich war mit meinem Freund Vince, dem DJ, beim Fr hst cken. Auf dem Heimweg bekam ich eine SMS von ihm: "Ich warte gerade auf meine Tram, und vor mir sehe ich eine wundersch ne, fast nackte Frau, die f r einen 12-Euro-BH wirbt. Glaubst du, Models tragen 12-Euro-BHs?" Manchmal grenzen solche Plakate fast an sexuelle Bel stigung. Ich habe schon M nner bitter klagen h ren dar ber, wie zudringlich diese H&M-Models im Bikini w ren, man k nne den Blick nicht abwenden. Aber genau darum geht es. Die scharfe Lady f r die Jungs und der Bikini f r 14,95 € f r die M dels, die hoffen, dass sie dann auch so angestarrt werden. Der Typ mit der Hand in der Hose hat mich auch ein bisschen bel stigt. Aber ich fand es auch schade, als ein neues Plakat an dieser Stelle hing. Er hatte sicher einen guten Charakter.
Immer noch f llt auf, dass Frauen schneller dran sind mit dem Ausziehen. Der Marketing-Standardsatz bezieht sich ausdr cklich auf die nackte Frau, nicht auf den nackten Mann. Trotzdem l sst sich ein Trend zur geschlechter bergreifenden Nacktpr sentation ausmachen, wie in Duft- oder Kosmetikwerbungen, oder in dieser L TTA-Werbung, in der ein wohlgeformter m nnlicher Hintern gek sst wird.
Der Unterschied zwischen Pornographie und einer pornographischen Strategie besteht darin, dass ein Porno ein visuelles Produkt ist, das entweder gef llt oder nicht. Doch sobald die Menschenbilder, Rollenverteilungen und Images diesen Bereich verlassen und angewendet werden, um Produkte, Konzepte oder Pers nlichkeit zu verkaufen, werden sie zum Teil einer pornographischen Strategie.
Pornos zeigen meist klassisches Rollenverhalten, mit dominanten M nnern und devoten Frauen, denen bevorzugt ins Gesicht gespritzt wird. Die Frauen sind immer geil und bereit, und die M nner, meist auf ihre gro en Schw nze reduziert, k nnen und wollen immer. Frauen sind Huren, M nner omnipotente Stecher. Das Wort "Pornographie" kommt aus dem Griechischen und ist zusammengesetzt aus "Porne"/"Porner", was Hure/Hurer bedeutet, und "graphein", was zeichnen hei t. Huren zeichnen. Wer macht da wen?
Pornos lassen mich kalt und machen mich geil. Es ist fast unm glich, einen Porno anzusehen und davon nicht erregt zu werden. Das ist wohl so etwas Biologisches, der Nachahmungstrieb; jedenfalls, wenn ein menschliches Wesen andere menschliche Wesen beim Geschlechtsverkehr beobachtet, wird es anget rnt. Doch diese Erregung hat etwas Kaltes, Unpers nliches. Es ist so, als w rden die prim ren Geschlechtsmerkmale miteinander kommunizieren, unter v lliger Umgehung der Pers nlichkeit. Pornos zeigen Sexobjekte und machen den Betrachter oder die Betrachterin zum Sexobjekt. Die dabei auftretende Erregung ist eine sichere Sache, eben ein biologischer Volltreffer. Dieses verl ssliche Reiz-Reaktionsschema wird auch bedient, wenn diese Bilder die Hinterzimmer verlassen und ihren Siegeszug antreten in die glitzernde Welt des totalen Konsums.
An dieser Schwelle steht nur ein Wort: "Sexy". Das ist die kleine Schwester des Pornos, die h bsche. Die frauenaffine. Wir wollen Porno, aber wir wollen nicht wissen, dass wir es wollen. Weil wir sonst entdecken k nnten, dass wir frustriert sind.
Die pornographischen Strategien spielen mit dem semantischen Raum, der unterschiedlichen Bedeutung von Sex und sexy. Sex ist erst mal ein Akt. Ganz biologisch. K rperlichkeit, Fortpflanzung. Sex hat man oder nicht. Es geht um eine reale Beziehung. Aber sexy? Das Wort hat sich selbst geschaffen, erscheint noch in den F nfzigern als Attribut pin-up-artiger Leinwandg tter, macht eine lange Reise ins neue Millennium, und siehe da: Es ist geschl pft und endlich angekommen.
Alles ist sexy. Ich bin sexy, du bist sexy. Das neue Auto, der neue Drink, das neue Video von Christina Aguilera. Sexy ist das Wort, das man gebraucht, wenn einem die Sprache ausgeht. Aber es ist auch irgendwie flauschig, zuckrig, glitzernd. Es ist nicht bedrohlich, aber es bedroht. Denn dahinter steht der Sex, steht die Erregung, die uns blind und geil werden l sst, was ja an sich nichts Schlechtes ist, aber beim Kauf von Fr hst cksmargarine? Sexy sorgt f r totale Aufmerksamkeit, das scheinen auch die Frauen zu hoffen, die es sich extra aufs T-Shirt schreiben. Und die Marketing-Experten, welche die Betreiber dieser Berliner Einkaufspassage beraten haben. Und weil das so gut funktioniert mit der Aufmerksamkeit, sind wir mittlerweile umgeben von Titten, rschen, Waschbrettb uchen. Die K rper sind explodiert, und die Anteilnahme ist erkaltet. Nur die Erregung ist geblieben.
Wir sind also pausenlos anget rnt, Triebabfuhr ist das Gebot der Stunde. Gleichzeitig lastet dadurch ein immer gr er werdender Druck auf dem und der Einzelnen, denn, wahrlich, diese K rper sind begehrenswert. Wie gut die aussehen, wie schlank, geschmeidig, wie gl nzend das Haar!
Eine Reaktion auf die fortschreitende Pornographisierung besteht also in der unabl ssigen Selbstoptimierung, die tatkr ftig unterst tzt wird von Ratgebern, Magazinen und der allgegenw rtigen Produktanpreisung.
Gleichzeitig f hrt dieser konstante Zwang zum Sexappeal nicht selten zu Frustration und berforderung. Rapper Akon qu lte wochenlang die Hitparaden mit seiner Einsamkeit. Die gro e Depression ist oft nur einen Seufzer weit entfernt. Immer mehr M nner fl chten in die gutsortieren Weiten des Netzes, denn die sch nen devoten Frauen mit den perfekt lackierten Fingern geln lassen sich bereitwillig anschauen, aber blicken nicht zur ck. Da kommt es auf eine Pizza mehr oder weniger auch nicht an.
Die pornographischen Strategien sind das, was das "Sex-Sells"-Marketing aus den klassischen pornographischen Ikonographien, also Bildwelten, gemacht hat. Da diese somit gesellschaftsf hig wurden, ist mittlerweile unsere gesamte westliche Lebenswirklichkeit davon verseucht. Diese Omnipr senz nackter Leiber steht immer in einem Konsumzusammenhang. Und schafft so ein Begehren, das sich, so hofft man, automatisch auf die angepriesenen Produkte bertr gt.
Die pornographischen Strategien sind dadurch gekennzeichnet, dass sie uns eher als Gattungswesen denn als Individuum ansprechen. Egal wie scheu lich ein Cum-Shot oder die Nahaufnahme einer Penetration im Porno sein mag, sie erwecken unser aller Aufmerksamkeit und lassen uns erregt zur ck. Es funktioniert einfach immer!
Beim Porno blickt man nur an, wird aber nicht angeblickt, ein st ndiger Voyeurismus, der entweder lethargisch macht oder wieder vor das Problem der Erregung stellt. Pornos und pornographische Bilder erwischen uns dort, wo es beliebig wird, dort, wo wir am wenigsten menschlich sind. Oder, wie Martin Amis es in einem Essay in "Pornoland" nennt, sie bedienen das polymorph Perverse in uns. Ich glaube, auch Affen w rden von einem Affenporno angeturnt. Deshalb sind die pornographischen Strategien auch frei von Individualit t.
Was ist sexy? Eine schlanke, wohlgeformte Figur. Ein geiler Hintern. Lange blonde Haare sollen auch nicht ganz verkehrt sein, sagt man. Ebenm ige Gesichtsz ge. Lange d nne Beine, die in einem kurzen R ckchen oder H schen stecken. Ein bauchfreies Oberteil, aus dem volumin se Br ste quellen. Stiefel? Ein sinnlicher Mund; kann bis zum Schlauchbootartigen gehen. Es bl st sich wohl einfach besser mit dicken Lippen; mehr Oberfl che? Die gro z gige Verwendung von Glitzerpuder.
Eine sportliche Figur, ein offenes Hemd, Muskel-Shirt. Brustbehaarung nach Gusto. Die Armmuskeln m ssen aber schon stimmen. Ein Waschbrettbauch, ein knackiger Hintern, eine ordentliche Beule in der Hose! Zerwuschelte Haare, britpoppig oder milit rische K rze. Ein markantes Kinn, sinnliche Lippen, wir sind ja nicht zum Spa hier. Dreitagebart?
Die pornographischen Strategien produzieren Klone, denn es werden immer "objektive" Kriterien zugrunde gelegt, wenn es um Sexiness geht. Es gibt tats chlich eine ziemlich genaue Vorstellung von Hotness, auf die auch unabl ssig Bezug genommen wird. Und das zieht sich durch alle Bereiche unserer Lebenswirklichkeit. Vom verf hrerischen Bewerbungsfoto bis hin zum Aufstylen f r den Clubbesuch.
Neulich war ich was trinken, mit K nig Gunter und anderen Freunden. K nig Gunter, Journalist und Barkeeper, ist ein ganz alter Freund von mir, ein sch ner Mann. Gro , schlank, mit hellbraunen Haaren, die ihm l ssig ins Gesicht fallen, und strahlenden gr nen Augen. Die Ladies stehen auf K nig Gunter, er ist ein Held der Frauen, kein Frauenheld. Trotzdem wird es langsam Zeit, an die Familienplanung zu denken, und so beobachten wir die jungen Rehe und die hotten Elsen, und K nig Gunter hofft, die Eine zu finden. Gestern jedenfalls standen wir an der Bar, Vince und SusiPop und Flexter waren auch dabei, und K nig Gunter verk ndete:
"Diesen Sommer hab ich ein Sixpack. Ich hab's der sch nen Sonja versprochen!"
Wir st hnten alle ein bisschen, denn die Geschichten von der sch nen Sonja hingen uns schon ein wenig zum Hals raus. Flexter blickte an sich herab, strich ber die frittengef llte Wampe und sagte: "Ich bin dabei!"
Ich wollte meinen Freunden eigentlich gerade erz hlen, dass dieser eine Mistkerl immer noch nicht angerufen hatte, schaute aber auch an mir herab und sah etwas scheu liches Wei es, unvorteilhaft geschm ckt mit kleinem Piercing-Ring, aus meinem Unterhemd quellen. Erschrocken sagte ich: "Ja!"
Vince h rte nicht zu, weil er versuchte, eine kleine Dunkelhaarige an der Bar anzubaggern. Sie schien nicht interessiert, was ihn aber nicht weiter st rte.
Ich sagte: "Ich hab mir ja schon berlegt, mich wieder f rs Fitnesscenter anzumelden. Aber irgendwie hab ich da einmal schlechte Erfahrungen gemacht, so mit dem Hingehen."
Ich sah Flexter an, der diese Erfahrung des Zahlens-aber-nicht-Hingehens im vergangenen Jahr schon zum zweiten Mal gemacht hatte. Flexter blickte jedoch unbeirrt an mir vorbei, man konnte sehen, wie er an seinen Traumk rper dachte, den er im Sommer haben w rde, ganz bestimmt.
"Ich mach das alles zu Hause!", kr hte K nig Gunter stolz.
SusiPop l chelte liebevoll, ihre schlanke Gestalt eine einzige berlegenheit. Sie hatte irgendwann die Geheimnisse von Monsieur Montignac entdeckt; ab und zu knabberte sie ein paar Erdn sse, ungesalzen. Ich sah wieder meinen Bauch an. So konnte es nicht weitergehen. Kein Wunder, dass er nicht anrief!
Schlankheit ist eine der Grundvoraussetzungen, um sexy zu sein. Schlank, langbeinig, langm hnig, gebr unt, gestrafft, geliftet. Das Individuum wird darauf reduziert, inwieweit es diesen expliziten und nicht allzu schwer zu erf llenden Anforderungen gerecht wird. Und danach richtet sich dann der Marktwert. Viel Vergn gen beim Streben danach,sexy zu sein: Welcome to the Pursuit of Sexiness. In diesem medial und kulturell erzeugten Raster findet jeder Einzelne mit Leichtigkeit seine Position.
Ich war gerade mal wieder ein bisschen nach unten gerutscht, aber hundertsiebenundf nfzig Stunden am Abflex/Low-Waist-Trimmer w rden das sicher wieder in Ordnung bringen. Mir schauderte. Das war das Problem mit der Sexiness: Zum einen war es eine Schei arbeit. Zum anderen w rden wir irgendwann alle gleich aussehen, mit fasziniertem Entsetzen sah ich im Fernsehen immer diese Reportagen aus Kalifornien, und es fiel mir schwer, die einzelnen Protagonisten zu unterscheiden. Sexiness wird immer als der Gipfel der Individualit t verkauft, als "das Beste aus sich herausholen", dabei arbeitet sich jeder an den gleichen Vorgaben ab. Auch in der ironischen Ablehnung, die ja nur einen gebrochenen Flirt mit dem Thema darstellt, nimmt man auf diese Muster Bezug. Herzlich gelacht habe ich ber meinen Bauch, im tiefinnerlichen Wissen, dass diese Dinge nicht wirklich z hlen, und trotzdem voller Vors tze, im Sommer nicht mehr so auszusehen. Es gibt eigentlich kein Au erhalb dieses Referenzsystems, nur Stufen der Ironie. K nig Gunter ist auch kein oberfl chlicher Mensch, aber das war ihm ernst, das mit dem Sixpack. Vielleicht gibt es immer diese Ambivalenz gegen ber den pornographischen Strategien, neben einer lethargischen Erm dung angesichts zu viel nackten Fleisches.
Es geh rt zum guten Ton, sich zu beschweren, man hat auch allen Grund dazu, verdammt noch mal, die W rde des Menschen ist antastbar, wenn er sich live (und freiwillig!!) bei RTL unters Messer legt, um endlich d nne Oberschenkel zu haben oder gr ere Br ste oder einen l ngeren Penis. Das macht uns, die Protagonisten, die Zuschauer, die ganze Industrie zu Objekten; Menschlichkeit, Stil und guter Geschmack werden da einfach mal zu Hause gelassen.
Aber The Pursuit of Sexiness, diese konsumistische Verhei ung, das riecht doch nach Erfolg, Glamour und Top-Reproduktionsm glichkeiten. Dem kann man sich nicht einfach entziehen, nicht wenn man lebendig bleiben will, mitmachen, seinen Spa haben. Das f hrte auch dazu, dass Frauen jenseits der vierzig, im Gegensatz zu, sagen wir einmal, vor zwanzig Jahren, noch mitmachen im Marktgeschehen. Man denke nur an die sch ne Sharon Stone, die seit 2005 Werbung f r die Anti-Aging-Linie von Dior macht. Oder an die m dchenhafte Terry Hatcher aus "Desperate Housewives". Madonna, achtundvierzig, mit dem athletischen K rper einer Zwanzigj hrigen. Und das ist sicher eine Verbesserung des weiblichen Status quo...
Ich sollte wirklich mehr auf meine Ern hrung achten, ist ja auch medizinisch sinnvoll, tut mir gut. Vielleicht sollte ich mir auch einfach den neuen Saunag rtel im Internet bestellen? Oder die rein pflanzlichen Kapseln von Dr. Gr nfein? Oder mal kurz amphetamins chtig werden, nur zwei W chelchen. Das hat mich immer fasziniert, dass Ecstasy eigentlich mal ein Appetitz gler war, frei verk uflich. Da war man dann schlank und gl cklich. Die goldenen Sechziger/Siebziger, ach, die Ungnade der sp ten Geburt.
1.1 Pimping Myself
Wie wird man sexy, wie stellt man das an? Eine schwierige, lebenswichtige Frage. Fr her sagte man, Erfolg macht sexy, doch jetzt muss man schon sexy sein, um Erfolg zu haben. Aber es geht um mehr, um viel mehr. Sexiness scheint mittlerweile eine der Voraussetzungen zur Reproduktionszulassung zu werden. Der Marktwert, dem Houellebecq mit der "Ausweitung der Kampfzone" ein fr hes Denkmal setzte, bestimmt die Erfolgsaussichten.
Vor mir liegt eine Frauenzeitschrift (Woman), auf deren Titel steht: "Single? So hoch ist Ihr Marktwert. Wie Sie Ihren Weg zum Gl ck berechnen." Dort finden sich S tze wie: "Auf dem Singlemarkt herrscht, wie auf jedem Markt, das Gesetz von Angebot und Nachfrage." Und am Schluss werden wir, wie tr stlich, mit zwei goldenen Tipps entlassen. "Einerseits kann man neue Marktsegmente erschlie en", hei t es da, "oder das Produkt optimieren." Also entweder auswandern oder endlich sexy werden.
Nur wie?Der erste Schritt zur Selbstoptimierung f hrt ber u erlichkeiten, kurz gesagt, Verschlankung. Bin aber heute wieder nicht zu meinem Pilates-Kurs gegangen, eine Schande ist das. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Styling. Und die richtige Einstellung. Eine ganze Industrie lebt davon, L sungen und Anregungen anzubieten.
Vom Stripper zum Star. Dieses Ph nomen h uft sich in unserer Zeit, es scheint, als w rden sich die kulturelle und die pornographische Sph re mehr und mehr durchmischen. Hardcore-Pornodarstellerin Gina Wild wird wiedergeboren als Michaela Schaffrath. Der italienische Pornostar Rocco Siffredi dreht mittlerweile ernsthafte Filme. Celebrities wie Pamela Anderson und Paris Hilton vergessen aus Versehen irgendwo ein selbstgedrehtes Pornovideo, das daraufhin millionenfach verbreitet wird. Jenna Jameson wird Bestsellerautorin mit ihrer Biographie "Pornostar". Cicciolina sa zwei Jahre im italienischen Parlament. Die FDP-Politikerin Dr. Silvana Koch-Mehrin lie sich, im achten Monat schwanger, nacktb uchig im Stern ablichten. Sportlerinnen, Moderatorinnen und K nstlerinnen posieren nackt im Playboy oder f r irgendwelche Kalender.
Zuerst war jedoch das Marketing. Ein Bekannter, studierter Kommunikations-Experte, sagte einmal zu mir: "Also wenn dir gar nichts mehr einf llt, stellst du einfach eine nackte Frau neben das Produkt, das funktioniert immer." Oder einfacher: "Sex sells."
Irgendwo in Berlin werben zwei riesige kurvige Frauen im Bikini f r ein B rogeb ude, mit einem Slogan la "Jeder Stock ein Treffer". Die neugegr ndete Einkaufspassage "Quartier 205" hatte eine besonders widerw rtige Strategie, nur andeutungsweise auf das Gemeinte Bezug zu nehmen:
"ICH NEHME JEDEN
Tag einen kleinen Umweg, um alles auf einmal zu kriegen."
Eine kurzhaarige Blondine, jugendlich, kokettiert dazu mit herausgespitzter Zunge.
"ICH HABE DEN K RZESTEN
Weg zum Schwimmbad."
Dieser w rdevoll pr sentierte Satz wird begleitet von einem sympathischen Mann mit Glatze. Oder auch:
"ICH KANN IMMER
meinen Tee trinken und entspannt auf Rosa warten."
Ein herzerw rmendes Seniorenp rchen l chelt dazu von der Plakatwand.
Oder eine Werbung f r irgendeine Jeansmarke, bei der ein wirklich extrem gutaussehender Typ mit Hand in der Hose mich einmal fast vom Fahrrad fallen lie . Oder die aufreizende schnelle Alice.
Ich war mit meinem Freund Vince, dem DJ, beim Fr hst cken. Auf dem Heimweg bekam ich eine SMS von ihm: "Ich warte gerade auf meine Tram, und vor mir sehe ich eine wundersch ne, fast nackte Frau, die f r einen 12-Euro-BH wirbt. Glaubst du, Models tragen 12-Euro-BHs?" Manchmal grenzen solche Plakate fast an sexuelle Bel stigung. Ich habe schon M nner bitter klagen h ren dar ber, wie zudringlich diese H&M-Models im Bikini w ren, man k nne den Blick nicht abwenden. Aber genau darum geht es. Die scharfe Lady f r die Jungs und der Bikini f r 14,95 € f r die M dels, die hoffen, dass sie dann auch so angestarrt werden. Der Typ mit der Hand in der Hose hat mich auch ein bisschen bel stigt. Aber ich fand es auch schade, als ein neues Plakat an dieser Stelle hing. Er hatte sicher einen guten Charakter.
Immer noch f llt auf, dass Frauen schneller dran sind mit dem Ausziehen. Der Marketing-Standardsatz bezieht sich ausdr cklich auf die nackte Frau, nicht auf den nackten Mann. Trotzdem l sst sich ein Trend zur geschlechter bergreifenden Nacktpr sentation ausmachen, wie in Duft- oder Kosmetikwerbungen, oder in dieser L TTA-Werbung, in der ein wohlgeformter m nnlicher Hintern gek sst wird.
Der Unterschied zwischen Pornographie und einer pornographischen Strategie besteht darin, dass ein Porno ein visuelles Produkt ist, das entweder gef llt oder nicht. Doch sobald die Menschenbilder, Rollenverteilungen und Images diesen Bereich verlassen und angewendet werden, um Produkte, Konzepte oder Pers nlichkeit zu verkaufen, werden sie zum Teil einer pornographischen Strategie.
Pornos zeigen meist klassisches Rollenverhalten, mit dominanten M nnern und devoten Frauen, denen bevorzugt ins Gesicht gespritzt wird. Die Frauen sind immer geil und bereit, und die M nner, meist auf ihre gro en Schw nze reduziert, k nnen und wollen immer. Frauen sind Huren, M nner omnipotente Stecher. Das Wort "Pornographie" kommt aus dem Griechischen und ist zusammengesetzt aus "Porne"/"Porner", was Hure/Hurer bedeutet, und "graphein", was zeichnen hei t. Huren zeichnen. Wer macht da wen?
Pornos lassen mich kalt und machen mich geil. Es ist fast unm glich, einen Porno anzusehen und davon nicht erregt zu werden. Das ist wohl so etwas Biologisches, der Nachahmungstrieb; jedenfalls, wenn ein menschliches Wesen andere menschliche Wesen beim Geschlechtsverkehr beobachtet, wird es anget rnt. Doch diese Erregung hat etwas Kaltes, Unpers nliches. Es ist so, als w rden die prim ren Geschlechtsmerkmale miteinander kommunizieren, unter v lliger Umgehung der Pers nlichkeit. Pornos zeigen Sexobjekte und machen den Betrachter oder die Betrachterin zum Sexobjekt. Die dabei auftretende Erregung ist eine sichere Sache, eben ein biologischer Volltreffer. Dieses verl ssliche Reiz-Reaktionsschema wird auch bedient, wenn diese Bilder die Hinterzimmer verlassen und ihren Siegeszug antreten in die glitzernde Welt des totalen Konsums.
An dieser Schwelle steht nur ein Wort: "Sexy". Das ist die kleine Schwester des Pornos, die h bsche. Die frauenaffine. Wir wollen Porno, aber wir wollen nicht wissen, dass wir es wollen. Weil wir sonst entdecken k nnten, dass wir frustriert sind.
Die pornographischen Strategien spielen mit dem semantischen Raum, der unterschiedlichen Bedeutung von Sex und sexy. Sex ist erst mal ein Akt. Ganz biologisch. K rperlichkeit, Fortpflanzung. Sex hat man oder nicht. Es geht um eine reale Beziehung. Aber sexy? Das Wort hat sich selbst geschaffen, erscheint noch in den F nfzigern als Attribut pin-up-artiger Leinwandg tter, macht eine lange Reise ins neue Millennium, und siehe da: Es ist geschl pft und endlich angekommen.
Alles ist sexy. Ich bin sexy, du bist sexy. Das neue Auto, der neue Drink, das neue Video von Christina Aguilera. Sexy ist das Wort, das man gebraucht, wenn einem die Sprache ausgeht. Aber es ist auch irgendwie flauschig, zuckrig, glitzernd. Es ist nicht bedrohlich, aber es bedroht. Denn dahinter steht der Sex, steht die Erregung, die uns blind und geil werden l sst, was ja an sich nichts Schlechtes ist, aber beim Kauf von Fr hst cksmargarine? Sexy sorgt f r totale Aufmerksamkeit, das scheinen auch die Frauen zu hoffen, die es sich extra aufs T-Shirt schreiben. Und die Marketing-Experten, welche die Betreiber dieser Berliner Einkaufspassage beraten haben. Und weil das so gut funktioniert mit der Aufmerksamkeit, sind wir mittlerweile umgeben von Titten, rschen, Waschbrettb uchen. Die K rper sind explodiert, und die Anteilnahme ist erkaltet. Nur die Erregung ist geblieben.
Wir sind also pausenlos anget rnt, Triebabfuhr ist das Gebot der Stunde. Gleichzeitig lastet dadurch ein immer gr er werdender Druck auf dem und der Einzelnen, denn, wahrlich, diese K rper sind begehrenswert. Wie gut die aussehen, wie schlank, geschmeidig, wie gl nzend das Haar!
Eine Reaktion auf die fortschreitende Pornographisierung besteht also in der unabl ssigen Selbstoptimierung, die tatkr ftig unterst tzt wird von Ratgebern, Magazinen und der allgegenw rtigen Produktanpreisung.
Gleichzeitig f hrt dieser konstante Zwang zum Sexappeal nicht selten zu Frustration und berforderung. Rapper Akon qu lte wochenlang die Hitparaden mit seiner Einsamkeit. Die gro e Depression ist oft nur einen Seufzer weit entfernt. Immer mehr M nner fl chten in die gutsortieren Weiten des Netzes, denn die sch nen devoten Frauen mit den perfekt lackierten Fingern geln lassen sich bereitwillig anschauen, aber blicken nicht zur ck. Da kommt es auf eine Pizza mehr oder weniger auch nicht an.
Die pornographischen Strategien sind das, was das "Sex-Sells"-Marketing aus den klassischen pornographischen Ikonographien, also Bildwelten, gemacht hat. Da diese somit gesellschaftsf hig wurden, ist mittlerweile unsere gesamte westliche Lebenswirklichkeit davon verseucht. Diese Omnipr senz nackter Leiber steht immer in einem Konsumzusammenhang. Und schafft so ein Begehren, das sich, so hofft man, automatisch auf die angepriesenen Produkte bertr gt.
Die pornographischen Strategien sind dadurch gekennzeichnet, dass sie uns eher als Gattungswesen denn als Individuum ansprechen. Egal wie scheu lich ein Cum-Shot oder die Nahaufnahme einer Penetration im Porno sein mag, sie erwecken unser aller Aufmerksamkeit und lassen uns erregt zur ck. Es funktioniert einfach immer!
Beim Porno blickt man nur an, wird aber nicht angeblickt, ein st ndiger Voyeurismus, der entweder lethargisch macht oder wieder vor das Problem der Erregung stellt. Pornos und pornographische Bilder erwischen uns dort, wo es beliebig wird, dort, wo wir am wenigsten menschlich sind. Oder, wie Martin Amis es in einem Essay in "Pornoland" nennt, sie bedienen das polymorph Perverse in uns. Ich glaube, auch Affen w rden von einem Affenporno angeturnt. Deshalb sind die pornographischen Strategien auch frei von Individualit t.
Was ist sexy? Eine schlanke, wohlgeformte Figur. Ein geiler Hintern. Lange blonde Haare sollen auch nicht ganz verkehrt sein, sagt man. Ebenm ige Gesichtsz ge. Lange d nne Beine, die in einem kurzen R ckchen oder H schen stecken. Ein bauchfreies Oberteil, aus dem volumin se Br ste quellen. Stiefel? Ein sinnlicher Mund; kann bis zum Schlauchbootartigen gehen. Es bl st sich wohl einfach besser mit dicken Lippen; mehr Oberfl che? Die gro z gige Verwendung von Glitzerpuder.
Eine sportliche Figur, ein offenes Hemd, Muskel-Shirt. Brustbehaarung nach Gusto. Die Armmuskeln m ssen aber schon stimmen. Ein Waschbrettbauch, ein knackiger Hintern, eine ordentliche Beule in der Hose! Zerwuschelte Haare, britpoppig oder milit rische K rze. Ein markantes Kinn, sinnliche Lippen, wir sind ja nicht zum Spa hier. Dreitagebart?
Die pornographischen Strategien produzieren Klone, denn es werden immer "objektive" Kriterien zugrunde gelegt, wenn es um Sexiness geht. Es gibt tats chlich eine ziemlich genaue Vorstellung von Hotness, auf die auch unabl ssig Bezug genommen wird. Und das zieht sich durch alle Bereiche unserer Lebenswirklichkeit. Vom verf hrerischen Bewerbungsfoto bis hin zum Aufstylen f r den Clubbesuch.
Neulich war ich was trinken, mit K nig Gunter und anderen Freunden. K nig Gunter, Journalist und Barkeeper, ist ein ganz alter Freund von mir, ein sch ner Mann. Gro , schlank, mit hellbraunen Haaren, die ihm l ssig ins Gesicht fallen, und strahlenden gr nen Augen. Die Ladies stehen auf K nig Gunter, er ist ein Held der Frauen, kein Frauenheld. Trotzdem wird es langsam Zeit, an die Familienplanung zu denken, und so beobachten wir die jungen Rehe und die hotten Elsen, und K nig Gunter hofft, die Eine zu finden. Gestern jedenfalls standen wir an der Bar, Vince und SusiPop und Flexter waren auch dabei, und K nig Gunter verk ndete:
"Diesen Sommer hab ich ein Sixpack. Ich hab's der sch nen Sonja versprochen!"
Wir st hnten alle ein bisschen, denn die Geschichten von der sch nen Sonja hingen uns schon ein wenig zum Hals raus. Flexter blickte an sich herab, strich ber die frittengef llte Wampe und sagte: "Ich bin dabei!"
Ich wollte meinen Freunden eigentlich gerade erz hlen, dass dieser eine Mistkerl immer noch nicht angerufen hatte, schaute aber auch an mir herab und sah etwas scheu liches Wei es, unvorteilhaft geschm ckt mit kleinem Piercing-Ring, aus meinem Unterhemd quellen. Erschrocken sagte ich: "Ja!"
Vince h rte nicht zu, weil er versuchte, eine kleine Dunkelhaarige an der Bar anzubaggern. Sie schien nicht interessiert, was ihn aber nicht weiter st rte.
Ich sagte: "Ich hab mir ja schon berlegt, mich wieder f rs Fitnesscenter anzumelden. Aber irgendwie hab ich da einmal schlechte Erfahrungen gemacht, so mit dem Hingehen."
Ich sah Flexter an, der diese Erfahrung des Zahlens-aber-nicht-Hingehens im vergangenen Jahr schon zum zweiten Mal gemacht hatte. Flexter blickte jedoch unbeirrt an mir vorbei, man konnte sehen, wie er an seinen Traumk rper dachte, den er im Sommer haben w rde, ganz bestimmt.
"Ich mach das alles zu Hause!", kr hte K nig Gunter stolz.
SusiPop l chelte liebevoll, ihre schlanke Gestalt eine einzige berlegenheit. Sie hatte irgendwann die Geheimnisse von Monsieur Montignac entdeckt; ab und zu knabberte sie ein paar Erdn sse, ungesalzen. Ich sah wieder meinen Bauch an. So konnte es nicht weitergehen. Kein Wunder, dass er nicht anrief!
Schlankheit ist eine der Grundvoraussetzungen, um sexy zu sein. Schlank, langbeinig, langm hnig, gebr unt, gestrafft, geliftet. Das Individuum wird darauf reduziert, inwieweit es diesen expliziten und nicht allzu schwer zu erf llenden Anforderungen gerecht wird. Und danach richtet sich dann der Marktwert. Viel Vergn gen beim Streben danach,sexy zu sein: Welcome to the Pursuit of Sexiness. In diesem medial und kulturell erzeugten Raster findet jeder Einzelne mit Leichtigkeit seine Position.
Ich war gerade mal wieder ein bisschen nach unten gerutscht, aber hundertsiebenundf nfzig Stunden am Abflex/Low-Waist-Trimmer w rden das sicher wieder in Ordnung bringen. Mir schauderte. Das war das Problem mit der Sexiness: Zum einen war es eine Schei arbeit. Zum anderen w rden wir irgendwann alle gleich aussehen, mit fasziniertem Entsetzen sah ich im Fernsehen immer diese Reportagen aus Kalifornien, und es fiel mir schwer, die einzelnen Protagonisten zu unterscheiden. Sexiness wird immer als der Gipfel der Individualit t verkauft, als "das Beste aus sich herausholen", dabei arbeitet sich jeder an den gleichen Vorgaben ab. Auch in der ironischen Ablehnung, die ja nur einen gebrochenen Flirt mit dem Thema darstellt, nimmt man auf diese Muster Bezug. Herzlich gelacht habe ich ber meinen Bauch, im tiefinnerlichen Wissen, dass diese Dinge nicht wirklich z hlen, und trotzdem voller Vors tze, im Sommer nicht mehr so auszusehen. Es gibt eigentlich kein Au erhalb dieses Referenzsystems, nur Stufen der Ironie. K nig Gunter ist auch kein oberfl chlicher Mensch, aber das war ihm ernst, das mit dem Sixpack. Vielleicht gibt es immer diese Ambivalenz gegen ber den pornographischen Strategien, neben einer lethargischen Erm dung angesichts zu viel nackten Fleisches.
Es geh rt zum guten Ton, sich zu beschweren, man hat auch allen Grund dazu, verdammt noch mal, die W rde des Menschen ist antastbar, wenn er sich live (und freiwillig!!) bei RTL unters Messer legt, um endlich d nne Oberschenkel zu haben oder gr ere Br ste oder einen l ngeren Penis. Das macht uns, die Protagonisten, die Zuschauer, die ganze Industrie zu Objekten; Menschlichkeit, Stil und guter Geschmack werden da einfach mal zu Hause gelassen.
Aber The Pursuit of Sexiness, diese konsumistische Verhei ung, das riecht doch nach Erfolg, Glamour und Top-Reproduktionsm glichkeiten. Dem kann man sich nicht einfach entziehen, nicht wenn man lebendig bleiben will, mitmachen, seinen Spa haben. Das f hrte auch dazu, dass Frauen jenseits der vierzig, im Gegensatz zu, sagen wir einmal, vor zwanzig Jahren, noch mitmachen im Marktgeschehen. Man denke nur an die sch ne Sharon Stone, die seit 2005 Werbung f r die Anti-Aging-Linie von Dior macht. Oder an die m dchenhafte Terry Hatcher aus "Desperate Housewives". Madonna, achtundvierzig, mit dem athletischen K rper einer Zwanzigj hrigen. Und das ist sicher eine Verbesserung des weiblichen Status quo...
Ich sollte wirklich mehr auf meine Ern hrung achten, ist ja auch medizinisch sinnvoll, tut mir gut. Vielleicht sollte ich mir auch einfach den neuen Saunag rtel im Internet bestellen? Oder die rein pflanzlichen Kapseln von Dr. Gr nfein? Oder mal kurz amphetamins chtig werden, nur zwei W chelchen. Das hat mich immer fasziniert, dass Ecstasy eigentlich mal ein Appetitz gler war, frei verk uflich. Da war man dann schlank und gl cklich. Die goldenen Sechziger/Siebziger, ach, die Ungnade der sp ten Geburt.
1.1 Pimping Myself
Wie wird man sexy, wie stellt man das an? Eine schwierige, lebenswichtige Frage. Fr her sagte man, Erfolg macht sexy, doch jetzt muss man schon sexy sein, um Erfolg zu haben. Aber es geht um mehr, um viel mehr. Sexiness scheint mittlerweile eine der Voraussetzungen zur Reproduktionszulassung zu werden. Der Marktwert, dem Houellebecq mit der "Ausweitung der Kampfzone" ein fr hes Denkmal setzte, bestimmt die Erfolgsaussichten.
Vor mir liegt eine Frauenzeitschrift (Woman), auf deren Titel steht: "Single? So hoch ist Ihr Marktwert. Wie Sie Ihren Weg zum Gl ck berechnen." Dort finden sich S tze wie: "Auf dem Singlemarkt herrscht, wie auf jedem Markt, das Gesetz von Angebot und Nachfrage." Und am Schluss werden wir, wie tr stlich, mit zwei goldenen Tipps entlassen. "Einerseits kann man neue Marktsegmente erschlie en", hei t es da, "oder das Produkt optimieren." Also entweder auswandern oder endlich sexy werden.
Nur wie?Der erste Schritt zur Selbstoptimierung f hrt ber u erlichkeiten, kurz gesagt, Verschlankung. Bin aber heute wieder nicht zu meinem Pilates-Kurs gegangen, eine Schande ist das. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Styling. Und die richtige Einstellung. Eine ganze Industrie lebt davon, L sungen und Anregungen anzubieten.
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Autoren-Porträt von Ariadne von Schirach
Ariadne von Schirach, 1978 in München geboren, studierte Philosophie an der Freien Universität Berlin.
Bibliographische Angaben
- Autor: Ariadne von Schirach
- 2007, 384 Seiten, Maße: 13,9 x 21,6 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Arkana
- ISBN-10: 3442311152
- ISBN-13: 9783442311156
Rezension zu „Der Tanz um die Lust “
"Ariadne von Schirach hat einen wundervollen Text über die Sexualisierung des Alltags und der Mode geschrieben, und kaum war der im SPIEGEL veröffentlicht, standen die Buchverlage bei ihr Schlange."
Kommentar zu "Der Tanz um die Lust"
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