Der Taubenbaum
Ein Hilferuf reißt den Botaniker David aus seinem beschaulichen Leben: Anna, die ihn vor 11 Jahren Hals über Kopf verlassen hat, liegt nach...
- Lastschrift, Kreditkarte, Paypal, Rechnung
- Kostenlose Rücksendung
Ein Hilferuf reißt den Botaniker David aus seinem beschaulichen Leben: Anna, die ihn vor 11 Jahren Hals über Kopf verlassen hat, liegt nach einem schweren Unfall im Koma.
Annas Mutter bittet ihn zu kommen, denn er blieb immer Annas große Liebe. Und Anna hatte David nie gesagt, dass sie beide ein Kind haben - die nun 10-jährige Rachel.
David versucht verzweifelt, Anna ins Leben zurückzuholen und erzählt ihr täglich am Krankenbett vom geheimnisvollen chinesischen Taubenbaum.
''Ein unglaublich bewegender Roman voll tiefer Leidenschaft. Die Charaktere so lebendig und die Geschichte so dramatisch - Elizabeth McGregor ist eine wunderbare Schriftstellerin.''Luanne Rice
Elf Jahre später erreicht David die Nachricht, dass Anna bei einem Unfall in Boston lebensgefährlich verletzt wurde. Und er erfährt noch Schockierenderes: Er ist der Vater von Annas 10-jähriger Tochter Rachel. Anna und Rachel brauchen Davids Hilfe, doch beide leben jetzt in einer Welt, die David fremd ist. So fremd und schwer zugänglich wie die chinesische Berglandschaft, die Ernest Wilson vor hundert Jahren auf der Suche nach dem Taubenbaum durchstreifte.
Der Taubenbaum von Elizabeth McGregor
LESEPROBE
1
Es war ein gleißend heller Tag. Die Häuser von Ogunquitstanden still und mit herabgelassenen Rollläden in ihren Gärten oberhalb desStrands. Ein Stück von der Straße zurückversetzt, wirkten sie wie hellblaue, schindelgedeckte Bataillone auf grünen Rasenflächen. Am BayCove Hotel an der Ecke neigte sich ein amerikanischerPerückenstrauch über das Tor zum Swimmingpool. Seine im Frühling bronzefarbenenBlätter waren jetzt grün, die fadendünnen Blütenstiele zitterten in derJulihitze.
Anna ging den Hügel hinauf und sah sich dabei immer wieder nach ihrerzehnjährigen Tochter um, die, ihr nasses Handtuch hinter sich herschleifend, barfuß über den mit Steinen durchsetzten Trampelpfad lief.
»Spatz, zieh dir bitte deine Schuhe an«, rief Anna ihr zu. Dann ging sie zu ihrzurück, Rachel aber schoss wie der Blitz an ihr vorbei und rannte den Hügelhinauf in Graces Garten, wo sie sich im Schatten der Kastanie einfach auf denBoden fallen ließ.
Anna blieb stehen, hob das Handtuch auf und folgte dann ihrer Tochter. Als siedurch das Tor trat, wurde sie von einer Erinnerung überwältigt: Rachel,vielleicht gerade zwei oder drei Jahre alt, im gleichen tiefen Schatten, imselben Garten, wie sie Graces Katze hinterherjagte,um sie dann hochzuheben und an sich zu drücken. Die Katze, die nur ein einzigesMal unwillig mit dem Schwanz zuckte, während sie diese ungeschickteLiebesbezeugung über sich ergehen ließ. Der Schatten unter dem Baum wargesprenkelt, das Licht zauberte ein schillerndes Kaleidoskop auf Rachels Arm,auf das Fell der Katze, auf das spärliche Gras. Im Frühling streute dieEsskastanie ihre Pollen auf eben diesem Fleck Erde voll huschender Schatten undLicht aus.
Und dann war da ein anderer Sommer. Eine andere Erinnerung, die die ersteverdrängte: Rachel mit acht Jahren. Sie beide am frühen Morgen auf der Straßenach Provincetown. Sand wehte über den Highway. Annasalter Chrysler stand mit einer Panne, die Motorhaube hochgeklappt, amStraßenrand. Anna sah so deutlich, als wäre sie eben in diesem Augenblickwieder dort auf dieser Straße, den Mechaniker vor sich, der grinsend eineKopfbewegung zu ihrem Kind hin machte. Und sie sah Rachel, die völlig verzücktin die schmutzig graue Ferne starrte. Sieben Uhr morgens, Sand unter den Füßen,Seegras, das Tuckern der Motorboote aus Provincetown,die sich auf ihren Weg zur Stellwagen Bank machten, um dort Wale zu beobachten.
Anna überkam plötzlich ein merkwürdiges Gefühl, ein Gefühl völligerDesorientierung. Es war, als wäre sie aus dem Tag herausgetreten und als hättesich in den wenigen Sekunden, die sie fort gewesen war, die Zeitzusammengefaltet und dann wieder ausgedehnt wie ein weiches, klebriges Bonbon.
Sie hörte,wie sich die Fliegengittertür öffnete, dann sah sie, wie ihre Mutter auf dieVeranda heraustrat. Anna ging den Gartenweg entlang auf sie zu.
Grace war größer als ihre Tochter. Ihr Haar, das noch bis zum letzten Jahr einefantastische eisengraue Farbe gehabt hatte, war jetzt beinahe weiß. Sie warsechzig Jahre alt, sah aber wesentlich älter aus. Die beiden blickten einandereine Zeit lang mit ernstem Blick an. Dann öffnete Anna die Haustür.
Im Haus war es angenehm kühl, da Grace die Rollläden auf der Sonnenseiteheruntergelassen und auf der schattigen Seite die Fenster geöffnet hatte.Seeluft, die sich am Rand der Klippe über der steinigen Küste fing, wehte durchdas Haus. Hinten hinaus sah man Perkins Cove, einenBogen von Häusern, die auf den Atlantik hinausblickten. Im Winter, wenn dieBäume kahl waren, hatte Grace freie Sicht aufs Meer. Anna ging zur Gartenseitehinüber, wo es schattig war und die Luft sich kräuselte. Sie sah durch dasFenster zu Rachel hinaus, die immer noch mit weit ausgebreiteten Armen undgeschlossenen Augen auf dem Rücken unter der Kastanie lag.
»Hat sie gesagt, dass sie zurückfahren will?«, fragteGrace, sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
»Nein«, antwortete Anne leise.
Grace legte ihr den Arm um die Schulter. Anna ließ ihren Kopf kurz an der Wangeihrer Mutter ruhen, dann drehten sich beide um.
Alles in diesem Zimmer zeugte davon, dass Grace hier lebte. Anna konnte sichnicht daran erinnern, dass es hier jemals anders ausgesehen hatte - eine tiefeCouch mit handgenähten Kissen, auf dem Tisch Zeitungen, eine leere Kaffeetasse.Ein Päckchen Zigaretten. Eine große Schachtel Streichhölzer, die auf dem Randdes Aschenbechers lag. Das englische Roberts-Radioauf dem Kaminsims, der alte Norman-Rockwell-Druck, der Korb mit Tannenzapfenund Holz. Überall Gemälde von Anna und ihrer Mutter.
An den Bildern ließ sich der Lauf der Zeit verfolgen. Dort in der Ecke hingen,liebevoll gerahmt, Annas Collagen aus ihrer Teenagerzeit. Die gegenüberliegendeWand zierten Graces kühne blaue Seestücke und Annas künstlerische Antwortdarauf - die Miniaturen, die sie gemalt hatte, als sie mit Rachel schwangergewesen war und ihre Welt auf winzige, fünfzehn mal fünfzehn Zentimeter großeAquarelle zusammengeschrumpft war. Ganz im Gegensatz dazu prangte über demKamin ein abstrakter Farbrausch, eins zwanzig auf eins achtzig, der in Annaserstem Jahr in ihrem Bostoner Apartment entstanden war: eine wahre Explosionvon Farben - Ausdruck begeisterter Unabhängigkeit. Und dann waren da natürlichnoch die Cartoons.
Grace hatte als junge Frau viele Comicstrips gezeichnet. Sie hatte ihreZeichnungen an mehrere Zeitungen im mittleren Westen und sogar bis hinunternach Florida verkauft. Hauptsächlich waren es Auftragsarbeiten für die Daisy-und-Mike-Serie gewesen. Am Fuß der Treppe lehnte einBild aus eben dieser Reihe. Es zeigte, wie der zerlumpte Mike gerade in einschlammiges Wasserloch purzelte, während seine Angelrute in hohem Bogendavonflog. Daisy, in frisch gestärkter Schürze, stand im Hintergrund und schlugentgeistert die Hände vors Gesicht. Du wirst sienicht alle kriegen, lautete die Bildunterschrift.
In schwierigen Situationen pflegte Grace diesen Satz immer wieder vor sich hinzu sagen. Es war ihr Mantra. Es hatte Annas Kindheitbegleitet, genauso wie es jetzt die von Rachel begleitete.
Annas Blick ruhte nun wieder auf Mike, der, nach so vielen Jahren durch dasSonnenlicht ganz ausgeblichen, immer noch durch die Luft segelte. Sie biss sichunbewusst auf die Lippen.
»Du könntest James vom Logan-Airport abholen und zuerst allein mit ihm sprechen.« Graces Worte rissen sie aus ihren Gedanken. »Du kannstRachel dann später holen. Ich glaube, das wäre das Beste.«
Anna sah ihre Mutter an. Grace war so betont vernünftig und trug dabei eine soentschlossene Unbekümmertheit zur Schau, dass sie unwillkürlich lächeln musste.
»Warum willst du sie dazu überreden, ins Auto zu steigen?«,beharrte Grace. »Sie ist müde. Lass sie doch einfach hier, und hol sie dannspäter wieder ab. Es macht mir nichts aus. Komm einfach in ein paar Tagenwieder.«
Anna schüttelte den Kopf. »Nein, es ist schon in Ordnung«, murmelte sie. »Siewird mir bestimmt keine Probleme machen, wenn wir erst einmal unterwegs sind.«
»Okay«, sagte Grace und hob abwehrend ihre Hände, um zu zeigen, dass sieaufgegeben hatte. »Ich habe nur gesagt, was ich denke.«
»Und das nicht nur einmal«, sagte Anna zu ihr.
Sie fuhren um drei Uhr los.
Das Flugzeug aus Dallas, in dem James saß, sollte um fünf Uhr landen.
Anna nahm die Route 1 nach Süden anstatt der gebührenpflichtigen Schnellstraße,weil sie das immer so machte, seit Grace vor elf Jahren für kurze Zeit zwischenYork Harbor und Kitterygewohnt hatte. Zwanzig Minuten später begann es zu regnen. Es war kein leichterNieselregen, wie er manchmal von einer sanften Brise vom Meer herangetragenwurde, sondern ein richtiger Wolkenbruch. Der Himmel verdunkelte sichschlagartig. Anna sah im Rückspiegel, wie ein Blitz durch die sichzusammenballenden Wolken zuckte.
»Gewitter«, murmelte Rachel auf dem Rücksitz.
Anna warf einen Blick über ihre Schulter. Sie sah ihrer Tochter ins Gesicht,das so klar und heiter war, ein kleiner, runder Mondim Fond des Wagens. Ihre grünen Augen - Augen von derselben Farbe wie die ihrerMutter und Großmutter - strahlten wie immer viel zu hell. »Es wird nicht langedauern«, beruhigte Anna sie.
Die Fahrbahn war schmierig, beinahe ölig: Es war mehrere Wochen lang extremheiß gewesen, und als der Regen jetzt auf den Asphalt prasselte, ließ er dasTrugbild zweier übereinander tanzender Straßen entstehen - eine dunkle Schicht,die sich wie eine Fata Morgana über eine zweite legte.
© Blanvalet Verlag
Übersetzung:Gloria Ernst
Autoren-Porträt von ElizabethMcGregor
ElizabethMcGregor hatte bereits international Erfolg mit ihren Kriminalromanen, bevorsie mit "Das Eiskind" ihr herausragendes Debüt im Genre des gehobenenUnterhaltungsromans vorlegte. Für die historischen Fakten in diesem Roman hatsie immense Recherchearbeit geleistet, unter anderem im Scott Polar Institutein Cambridge. Elizabeth McGregor wurde in Warwickshire geboren und lebt heutemit ihrer Tochter Kate in Dorset, England. In einem Interview über die Beweggründebefragt, die sie zur Arbeit an "Das Eiskind" motivierten, antwortete sie:Ich begann das Buch, nachdem meine zwanzigjährige Ehe zerbrochen war. Ichwollte eine Geschichte schreiben, in der es um bedingungslose Liebe geht, umLiebe, die nicht zerbricht, auch wenn es im Leben hart aufhart geht.
- Autor: ELISABETH MC GREGOR
- 2004, 378 Seiten, Maße: 14,2 x 22 cm, Geb. mit Su., Deutsch
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 376450143X
- ISBN-13: 9783764501433
Zustand | Preis | Porto | Zahlung | Verkäufer | Rating |
---|
Schreiben Sie einen Kommentar zu "Der Taubenbaum".
Kommentar verfassen