Der verfluchte Wald
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Der verfluchte Wald von David Zindell
LESEPROBE
Jeder Mann,jede Frau ist ein Stern. Solange wir am Leben sind, so hat mein Großvater immergesagt, müssen wir glühen, wenn wir Licht spenden wollen. Was die Totenbetrifft, wissen nur sie selbst, ob ihre ewige Flamme eine Herrlichkeit odereine Qual ist. Unendlich zahlreich schimmern sie in all den dunklen Nächten derZeitalter am Himmel. Schon seit ich ein Kind war, weilt auch mein Großvater beiAras und Solaru und den anderen strahlenden Lichtern.Meine Mutter und mein Vater, meine Großmutter und meine Brüder, sie alle habensich nun zu ihm gesellt, sind durch die tödlichen Lügen und Missetaten vonjemandem, den sie geliebt haben, dort hingeschickt worden. Eines Tages, soheißt es, wird ein Mann erscheinen und die Sterne dazu bringen, ihrunermessliches Schweigen zu beenden, und dann werden all diese herrlichenHimmelskörper ihre langen, innigen und feurigen Lieder für jene singen, diebereit sind zuzuhören. Wird dieser Strahlende mit dem Lichtstein in den Händendie gequälten Herzen der Menschen - der Toten und der Lebendigen - besänftigen?Ich muss daran glauben, dass er das tun wird. Denn es heißt auch, dass derLichtstein in sich alle Dinge versammelt. In seiner leuchtenden Mitte befindensich die Erde und die Männer und Frauen und alle Sterne - und die Schwärzezwischen ihnen, die es möglich macht, sie zu sehen.
Der Lichtsteinlag jedoch so wenig in Reichweite des Strahlenden wie die Sonne in meiner. Seitder Rote Drache die Burg meines Vaters verwüstet hatte, um den goldenen Becherzu stehlen, starrten die Männer und Frauen in allen Landen mit fiebrigen, furchtsamenBlicken nach Argattha, zur Festung des Drachen. In Surrapam standen die siegreichen Heere von König Arsu bereit, Eanna und dieanderen Freien Königreiche im fernen Westen zu erobern und ihre Einwohner imNamen des Drachen ans Kreuz zu schlagen. In Alonia,dem mächtigsten aller Reiche, töteten streitsüchtige Herzöge und Edelleuteeinander, um König Kiritans verwaisten Thron zuerringen. In meiner Heimat jenseits des Morgengebirges kämpften die valarischen Könige wie immer aus uraltem Groll und für Ruhmund Ehre. Eine große Rebellion in Galda hatte damitgeendet, dass zehntausend Menschen an Holzkreuze geschlagen worden waren.
Die Wendrash war ein Meer aus rotem Gras, getränkt mit dem Blutder sarnischen Stämme. Zu viele grimmige Kriegerhatten ihre Unabhängigkeit aufgegeben und sich für den Roten Drachen entschieden,dessen Name Morjin lautete. Wie es dieKristallseherinnen in schrecklichen Visionen vorhergesehen hatten, schien dieganze Welt in Flammen aufzugehen - in einer riesigen Katastrophe, die dieSterne selbst verdunkeln würde. Doch die Kristallseherinnen hatten auchvorausgesagt, dass irgendwo auf Ea der Strahlendelebte: der letzte Maitreya, dessen reines, herrlichesLicht das alles verzehrende Feuer auslöschen würde. Ich war auf der Suche nachdiesem großartigen Wesen.
MeineFreunde - allesamt Helden der ersten Queste nach dem Lichtstein- suchten ihn ebenfalls. Unsere neue Queste führte unsTag und Nacht immer weiter weg von den grünen Tälern und schneebedeckten Bergenmeiner Heimat. Wir reisten gen Westen, folgten dem glühenden Bogen aus Licht,den Aras und Varshara und die anderen leuchtendenPunkte der alten Sternbilder bildeten, ehe sie hinter dem dunklen Rand desHimmels verschwanden. Und andere folgten uns. Früh im Ashte des Jahres 2814 im Zeitalter des Drachen jagten unseine Schwadron von Morjins berühmter Drachengarde undihre sarnischen Verbündeten über die hügelige Steppeder Wendrash. Unsere Feinde schien es nicht zukümmern, dass wir von vierundvierzig sarnischenKriegern aus dem Stamm der Danladi begleitet wurden.Drei Tage lang folgten sie uns wie ein Schatten durch das Land der Danladi, während wir uns der großen, eisbedeckten felsigenMauer der Weißen Berge näherten - immer in einem Abstand, der weder bedrohlich wirktenoch uns zu einem Angriff herausforderte. Und seit drei Nächten entzündeten sieihre Lagerfeuer und kochten sie ihr Essen kaum eine Meile von der Stelleentfernt, die wir uns zum Ausbreiten unserer Schlaffelle ausgesucht hatten. Alsdie dritte Nacht auf die Welt herabsank und der Wind sich drehte und von Nordenheranstrich, stiegen uns der rauchige Duft von gebratenemFleisch und andere, eher beunruhigende Gerüche in die Nase.
Ich standneben meinem Freund Keyn am Rand unseres Lagers imdunklen Gras und starrte nach Nordwesten, wo die Feuerstellen unseres Feindesorangefarben glühten. Keyns kurz geschnittene weißeHaare glänzten silbrig im Licht des runden Silbermonds. Er starrte in diesternenerleuchtete Ferne, und seine weißen Zähne wurden sichtbar, als er ineiner furchterregenden Grimasse die Lippen verzog.Sein gewaltiger, wilder Körper bebte vor mühsam gebändigter Wut. Ich konnteseinen Hass fast hören, als würde er ihn herausschreien wie ein großer weißerSteppenwolf, der danach gierte, zu reißen und zu töten. »Nun denn, Val, nundenn«, sagte er. »Wir müssen uns entscheiden, was wir wegen dieser Kreuziger zu tun gedenken, und zwar schon bald.«
Er richteteden Blick auf mich. Wie immer sah ich zu viel von mir selbst in diesemrachsüchtigen Mann, und auch zu viel von ihm in mir. Seine strahlendenschwarzen Augen waren wie ein Spiegel meiner eigenen. Er war fast so groß wieich; seine Nase war die eines großen Adlers, und unter seiner wettergegerbten elfenbeinfarbenenHaut zeichneten sich seine Wangenknochen deutlich ab. Zwischen uns bestand eineÄhnlichkeit, die auch andere bemerkt hatten: zunächst einmal äußerlich, denn erähnelte einem valarischen Krieger ebenso wie meinVater und meine Brüder. Aber unsere tiefere Verwandschaftwar keine des Blutes, sondern eine des Geistes. Und jetzt, da meine gesamte Familietot war, stellte ich fest, dass das Beste von ihnen in ihm weiterlebte:gleichermaßen seltsam, wild, wunderschön und frei. Ich lächelte ihn an undwandte mich wieder den Lagerfeuern unserer Feinde zu. Einer unserer sarnischen Begleiter, der einige Zeit zuvor nahe genug ansie herangeritten war, um sich einen Pfeil in den Armschießen zu lassen, hatte ihre Zahl auf fünfzig geschätzt: fünfundzwanzig Zayaken unter einem unbekannten Anführer oder Häuptling,und noch einmal so viele Rote Ritter mit ihren Drachenschilden und blutrotgefärbten Eisenrüstungen. »Vielleicht können wir sie noch abhängen«, sagte ichzu Keyn. »Lass es uns morgen einmal versuchen.«
Den Zayaken würden wir natürlich nicht so leicht entkommen, denneinem Sarni konnte nur ein Sarnidavonreiten. Wohingegen die Roten Ritter in ihrenschweren Rüstungen und auf ihren schwerfälligen Pferden deutlich langsamervorankamen. Von unserer Gruppe trugen nur Keyn undich sowie unser Freund Maram eine richtige Rüstung:ein geschmeidiges Kettenhemd aus Godhra-Stahl, derleichter und stärker war als alles, was Morjins Schmiedejemals zusammenhämmern konnten. Auch unsere Pferde waren besser, wie ich fand:Flamme, Geduld und Hexe, und ganz besonders mein großes schwarzes Schlachtross Altaru, das hundert Schritt abseits bei unseren anderenPferden stand und sich an dem jungen, frischen Steppengras satt fraß.
»Also gut«,sagte Keyn, »aber wir müssen es versuchen, bevor wirdie Berge erreichen.«
Er deuteteauf die hohen, schneebedeckten Gipfel, die im Westen unter den Sternenglitzerten. Als er seinen dicken Finger ausstreckte, glänzte auch seinKettenhemd unter dem grauen Wollumhang, der ähnlich geschnitten und gewebt warwie mein eigener.
»Nun denn -kämpfen oder fliehen«, knurrte er. »Ich hasse es zu fliehen.«
Während wirüber unser weiteres Vorgehen nachdachten, vorwiegend schweigend, erhob sich einBär von Mann von der nahen Feuerstelle und schlenderte zu uns, um unserGespräch zu verfolgen. Er versuchte, den unvermeidlichen Haufen von Pferde-oder Sagoskmist und anderen eingebildeten Gefahren imdunklen Gras auszuweichen, nippte dabei immer wieder an einem Becher mit hinund her schwappendem Branntwein. Ich musterte meinen besten Freund Maram Marshayk nachdenklich. Einstein Prinz aus Delu und ehrenhafter valarischer Ritter von großer Berühmtheit, hatte dasSchicksal ihn dazu auserkoren, mich in Eas wildeLande zu begleiten.
»Oh, ichhabe gehört, dass Keyn von Flucht gesprochen hat«, meinteer. Ein Rülpser entrang sich rumpelnd seinem großen Bauch, und er wischte sichmit dem Handrücken über den Mund. »Mein Vater hat immer gesagt, dass derjenige,der wegläuft, überlebt, um den Kampf an einem anderen Tag zu führen.«
Imschwachen Licht fand der Blick seiner sanften Augen meinen,und seine vollen, sinnesfrohen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Währendich ihn weiter musterte - den dichten, lockigen Bart, der sein rundes Gesichtbedeckte, den gewaltigen Oberkörper, die kräftigen Arme und Beine -, kam ich zudem Schluss, dass es doch keine gute Idee war zu versuchen, den Roten Rittern davonzureiten. Mochten ihre Rüstungen auch noch so schwersein - wenn es womöglich Plattenpanzer waren -, so konnten sie es doch nichtmit der Masse an Muskeln und Fett aufnehmen, die MaramMarshayk ausmachte. ( )
© Blanvalet Verlag
Übersetzung:Susanne Gerold
- Autor: David Zindell
- 2006, 957 Seiten, Maße: 13,7 x 20,7 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzung: Gerold, Susanne
- Übersetzer: Susanne Gerold
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442249848
- ISBN-13: 9783442249848
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