Die Bernsteinhändlerin
Lübeck 1450: Mit einem großen Fest wird die Verlobung zwischen Barbara Heusenbrink, der Tochter des Rigaer Bernsteinkönigs Heinrich Heusenbrink, und dem reichen Patriziersohn Matthias Isenbrandt gefeiert. Obwohl Barbara Matthias nicht...
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Produktinformationen zu „Die Bernsteinhändlerin “
Lübeck 1450: Mit einem großen Fest wird die Verlobung zwischen Barbara Heusenbrink, der Tochter des Rigaer Bernsteinkönigs Heinrich Heusenbrink, und dem reichen Patriziersohn Matthias Isenbrandt gefeiert. Obwohl Barbara Matthias nicht liebt, willigt sie in die Vernunftehe ein. Kurz darauf lernt sie jedoch den Glücksritter Erich von Belden kennen, von dem sie sich magisch angezogen fühlt. Aber beiden ist klar, dass ihre Liebe keine Chance hat. Und dann wird Barbara von Bernsteinschmugglern nach Danzig entführt, die ihren Vater erpressen wollen.
Klappentext zu „Die Bernsteinhändlerin “
Eine junge Kaufmannstochter zwischen Pflicht und Sehnsucht, Freiheit und IntrigenLübeck 1450: Die junge Tochter eines Rigaer Kaufmannes soll eine Vernunftehe eingehen. Doch dann wird sie entführt ...Mit einem großen Fest wird die Verlobung zwischen Barbara Heusenbrink, der Tochter des Rigaer Bernsteinkönigs Heinrich Heusenbrink, und dem reichen Patriziersohn Matthias Isenbrandt gefeiert. Obwohl Barbara Matthias nicht liebt, willigt sie in die Vernunftehe ein. Kurz darauf lernt sie jedoch den Glücksritter Erich von Belden kennen, von dem sie sich magisch angezogen fühlt. Aber beiden ist klar, dass ihre Liebe keine Chance hat. Und dann wird Barbara von Bernsteinschmugglern nach Danzig entführt, die ihren Vater erpressen wollen ...
Eine junge Kaufmannstochter zwischen Pflicht und Sehnsucht, Freiheit und Intrigen Lübeck 1450: Die junge Tochter eines Rigaer Kaufmannes soll eine Vernunftehe eingehen. Doch dann wird sie entführt ...Mit einem großen Fest wird die Verlobung zwischen Barbara Heusenbrink, der Tochter des Rigaer Bernsteinkönigs Heinrich Heusenbrink, und dem reichen Patriziersohn Matthias Isenbrandt gefeiert. Obwohl Barbara Matthias nicht liebt, willigt sie in die Vernunftehe ein. Kurz darauf lernt sie jedoch den Glücksritter Erich von Belden kennen, von dem sie sich magisch angezogen fühlt. Aber beiden ist klar, dass ihre Liebe keine Chance hat. Und dann wird Barbara von Bernsteinschmugglern nach Danzig entführt, die ihren Vater erpressen wollen ...
Lese-Probe zu „Die Bernsteinhändlerin “
Die Bernsteinhändlerin von Conny WaldenERSTES KAPITEL
Überfall auf der Kurischen Nehrung
Sie mag noch sehr jung sein, und überdies ist es ungewöhnlich, dass eine Frau sich in derlei Geschäften wie dem Bernsteinhandel tummelt. Aber es sollte niemand Barbara Heusenbrink unterschätzen. Nicht lange, und sie wird ihrem Vater, den man nicht umsonst den Bernsteinkönig heißt, in nichts nachstehen. Jetzt, da Heinrich Heusenbrink schwach ist und sie noch keine Erfahrung besitzt, ist vielleicht der Zeitpunkt gekommen, ihrer beider ledig zu werden – sowohl des Vaters als auch der Tochter. Ob nun mithilfe der Natur oder durch die Unterstützung willfährigen und bewaffneten Gesindels, sei mir gleich.
aus einem Reichart Luiwinger, dem Ältermann der Rigafahrer-Bruderschaft von Lübeck, zugeschriebenen Brief; unsigniert und undatiert, wahrscheinlich anfang bis Mitte 1450 verfasst
Die noch junge und unerfahrene Barbara Heusenbrink vertrat unerwarteterweise das Handelshaus Heusenbrink für ihren Vater, der in Riga unabkömmlich war und von dem ich durch Zuträger weiß, dass es mit seiner Gesundheit nicht zum Besten steht. Der Hochmeister aber sprach eine zweifache Warnung aus. Er sagte, dass noch nicht völlig sicher sei, ob die bisherigen Privilegien des Hauses Heusenbrink im Bernsteinhandel fürderhin im gleichen Umfang wie bisher garantiert werden könnten, auch wenn er selbst sich dafür einsetze und zuversichtlich sei. Und zweitens riet er davon ab, den Landweg nach Riga zu nehmen. Zwar sei man von der Marienburg bis Königsberg unter dem sicheren Schutz des Ordens, aber man könne derzeit nur davon abraten, den weiteren und einzigen Landweg über die Kurische Nehrung zu nehmen, um mit dem Wagen zurück nach Riga zu fahren, selbst wenn dieser durch Reiter begleitet würde. Lieber solle sie die Wartezeit für ein
... mehr
Schiff in Kauf nehmen, denn die Nehrung sei unsicher und voller Gesindel, und es sei zurzeit kein Ordensritter abkömmlich, um sie auf der gesamten Strecke zu schützen.
Sie aber sprach: »Da ich auch auf dem Herweg diese Strecke nahm und nun in großer Eile bin und geschäftliche Verpflichtungen es mir nicht erlauben, auf ein Schiff zu warten, ist es besser, ich nehme den Weg über die Nehrung, als dass ich etwa über das Land der Litauer fahre. Außerdem begleiten mich einige dem Haus Heusenbrink gleichermaßen treu ergebene und ihres Faches äußerst kundige Waffenknechte. Wenn Ihr Euch wirklich um mich sorgt,
so lasst uns endlich zu einer abschließenden Einigung über den Handel mit dem Gold der Ostsee
kommen!« Damit meinte sie den Bernstein.
Aus den Protokollen des Melarius von Cleiwen, Leiters der Kanzlei des Hochmeisters des Deutschen ordens auf der Marienburg; 1450
Die Flamme einer pechgetränkten Fackel flackerte unruhig im Wind, der vom Meer aus über die Nehrung strich. Hufschlag mischte sich in das Meeresrauschen und das Rascheln der Sträucher und Baumkronen.
»Jetzt!«, befahl eine heisere Männerstimme.
Die Lunten der Hakenbüchsen wurden gezündet – fünf an der Zahl. Innerhalb von Augenblicken konnte man sie mindestens zwanzig Schritt weit riechen – aber nur in Windrichtung. Die Schützen hatten sich mit Bedacht so aufgestellt, dass diejenigen, auf die sie zielten, vollkommen arglos blieben, da der Wind den Geruch der glimmenden Lunten von ihnen wegtrug. Fünfzig, sechzig Herzschläge – innerhalb dieser Zeit mussten die Hakenbüchsen abgefeuert werden, sonst war die Lunte abgebrannt, und man musste ein neues Stück Seil an der Vorderseite des Zündhakens befestigen und zum Glimmen bringen.
Die Schützen warteten in den Büschen, während sich das von zwei zusätzlichen Reitern begleitete Gespann in voller Fahrt näherte. Die zwei berittenen Begleiter waren bewaffnet. Es handelte sich um Söldner, wie man sie in diesen Tagen überall anheuern konnte. Der Mann, der neben dem Kutscher saß, hielt eine Armbrust in den Händen und ließ seinen Blick unruhig umherschweifen.
Donnernd krachten die ersten beiden Schüsse aus den Rohren. Eine Kugel ging dicht an dem Kutscher und seinem Beschützer vorbei und riss ein faustgroßes Loch in den Kutschbock. Die zweite traf einen der beiden Reiter. Tödlich getroffen stürzte er zu Boden, sein Pferd preschte wiehernd davon.
Weitere Schüsse fielen, und gerade als der zweite Reiter sein Schwert zur Hälfte gezogen hatte, durchschlug eine Kugel sein rechtes Bein und fuhr danach in den Leib des Pferdes, das daraufhin zusammenbrach. Der Schrei des getroffenen Reiters mischte sich mit dem schrillen Wiehern des Pferdes, das wild um sich trat, während Ströme seines Blutes im sandigen, nur spärlich von sonnenverbranntem Gras bedeckten Erdreich versickerten.
Ein Dutzend Männer stürmte jetzt wild schreiend aus den Büschen. Der am Boden liegende Verletzte, dessen Hosenbein sich bereits über und über rot gefärbt hatte, hob abwehrend sein Schwert. Den Schwertstreich eines Angreifers konnte er noch parieren, dann traf ihn ein Axthieb am Kopf und setzte seinem Leben ein Ende.
Der Armbrustschütze auf dem Kutschbock hob seine Waffe und streckte einen der Angreifer nieder, bevor ihm selbst ein Wurfdolch im Hals stecken blieb und er röchelnd zur Seite sackte. Der Kutscher saß wie erstarrt daneben, bleich wie ein Leichentuch, während einige der Angreifer bereits die Zügel des Gespanns gefasst und die Pferde beruhigt hatten. Dann sprang er vom Bock – doch ehe er wieder auf die Beine kommen und zu fliehen vermochte, traf ihn ein Schuss und ließ ihn wimmernd am Boden liegen. Der Schlag mit einer Axt beendete auch sein Leben. Noch ein weiterer Schuss krachte und ließ das Holz eines Vorderrades splittern und den Wagen an dieser Seite ein Stück hinabsinken.
Schon kletterte jemand von hinten am Wagen empor und durchtrennte mit einem Langmesser die Schnüre, mit denen auf dem Dach die Gepäckstücke befestigt waren.
Ein Mann in fleckigem Lederwams trat von der Seite auf die Kutsche zu. Er hatte ein Loch in der Wange, das man ihm zweifellos irgendwann beigebracht hatte, um ihn als Verbrecher zu brandmarken. Der so grausam Gezeichnete benetzte Daumen und Zeigefinger mit der Zunge und löschte die Lunte seiner Hakenbüchse, denn es war nicht anzunehmen, dass er die Waffe noch einmal abfeuern musste; es schien ihm wohl besser zu sein, Pulver und Kugel zu sparen.
Er riss die Tür der Kutsche auf. »Raus mit Euch! Und zwar sofort!«
Im Inneren der Kutsche befand sich nur eine einzige Person – eine junge Frau, die dem Gebrandmarkten überraschend furchtlos entgegensah. Meergrüne, aufmerksame Augen beherrschten ihr fein geschnittenes, von dunkelblonden Haaren gekröntes Gesicht. Ihr entschlossen wirkender Blick stand in einem gewissen Kontrast zu den noch sehr jung wirkenden, weichen Gesichtszügen. Die Frisur trug sie hochgesteckt, aber die Strapazen der Reise hatten sie ein bisschen zerzaust, sodass sich ein paar Strähnen hervorstahlen. Mit einer beiläufigen, gleichermaßen elegant wie nüchtern wirkenden Handbewegung strich sie sich eine dieser Strähnen aus der Stirn.
Grob ergriff der Mann mit dem Loch in der Wange ihr Handgelenk und zog die Frau aus dem Wagen. Er fasste ihr Kinn und drehte ihren Kopf zur Seite.
»Das muss sie sein!«, meinte einer der anderen Männer – ein Kerl mit einem dunklen Bart, der ihm fast bis unter die Augen wuchs.
Der Gebrandmarkte nickte. Sein Blick hing an dem in Silber gefassten Bernsteinamulett, das die junge Frau um den Hals trug. Er griff zu und riss es ihr vom Hals. Dann hielt er es in die Sonne und sah sich die Gravur auf der Rückseite an. Lesen konnte er wahrscheinlich nicht, aber das H, das kunstvoll, fast nach Art eines Miniaturwappens gestaltet worden war, hatte er schon gesehen. »Kein Zweifel, sie ist die Frau, die wir suchen«, stellte er fest. »Barbara Heusenbrink – die Tochter des Mannes, den man in Riga den Bernsteinkönig nennt, weil angeblich jedes Stück des Ostseegoldes durch seine Hände geht!«
Barbara Heusenbrink versuchte ein Zittern zu unterdrücken.
Man hatte sie sehr eindringlich davor gewarnt, den Weg über die Nehrung zu nehmen, an deren Ende man mit einer Fähre die Meerenge überqueren konnte, die das Kurische Haff mit der ostsee verband. Aber da das Land südlich des Haffs von den Litauern beherrscht wurde, war der Weg über die Nehrung die einzige Möglichkeit, auf dem Landweg nach Kurland zu kommen, ohne das ordensterritorium zu verlassen.
Dass dieser Umstand Räuber dazu einlud, hier auf Beute zu warten, lag auf der Hand.
Aber Barbara war keineswegs vor einer Woche von der Marienburg aus aufgebrochen, ohne diese Risiken zu bedenken. Die gut bewaffneten und dem Haus Heusenbrink treu ergebenen Männer, die sie begleiteten, waren normalerweise mit Leichtigkeit in der Lage, das gewöhnliche Diebesgesindel, das man auf dem Weg über die Nehrung antreffen konnte, in die Flucht zu schlagen. Es war auch keineswegs das erste Mal, dass Barbara diesen Weg nahm. Schon früher hatte sie ihren Vater auf Geschäftsreisen in den südlichen Teil des ordensterritoriums bis in die nach Unabhängigkeit von der oberhoheit der Kreuzritter strebenden Hansestädte wie Danzig, Elbing oder Thorn begleitet. Sie hatte geglaubt, das Risiko abschätzen zu können, zumal das gewöhnliche Diebesgesindel meistens schon Reißaus nahm, wenn es bemerkte, dass der Wagen von gut bewaffneten Söldnern begleitet wurde. Diejenigen, die sich auf der Nehrung auf die Lauer nach leichter Beute legten, waren in der Regel schlecht bewaffnete arme Hunde, die davor zurückscheuten, sich auf einen Kampf einzulassen. Wenn sie mit Widerstand zu rechnen hatten, zogen sie sich schnell zurück. Ein Schwert zu ziehen reichte oft, um sie zu vertreiben. Spätestens der Knall einer Hakenbüchse scheuchte sie davon und jagte ihnen einen derart großen Schrecken ein, dass man nicht damit zu rechnen brauchte, denselben Halunken auf der Reise noch einmal an anderer Stelle zu begegnen.
Aber die Männer, denen Barbara an diesem Unglückstag in die Hände gefallen war, gehörten ganz offensichtlich nicht in diese Kategorie. Allein ihre gute Bewaffnung sprach dagegen und hob sie von dem gewöhnlichen Gesindel ab.
Der Mann mit dem Loch in der Wange betrachtete erneut kurz das Amulett und steckte es dann unter sein Lederwams. Er drehte sich zu seinen Männern um. »Holt die Pferde! Wir sollten hier so schnell wie möglich verschwinden ... «
»Geht es Euch um Lösegeld?«, fragte Barbara, und ihre Stimme hatte dabei einen so sicheren, festen Klang, dass die Verwunderung darüber dem Gezeichneten ins Gesicht geschrieben stand.
Er verzog das Gesicht und trat auf Barbara zu. »Was glaubt Ihr denn, worum es uns geht?«, grinste er.
Barbara wich seinem Blick nicht aus. »Ihr solltet nicht auf ein Lösegeld spekulieren ... «
»Da Ihr die Tochter des Bernsteinkönigs seid, würde Euer Vater doch gewiss jeden Preis für Euch bezahlen!«
»Aber Ihr würdet auch bezahlen müssen – und zwar sehr bitter. Denn mein Vater hätte die Macht, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um Eure Bande ausfindig zu machen und Euch Eurer Strafe zuzuführen. Begnügt Euch mit dem Gepäck und verschwindet! Andernfalls werdet Ihr Eure Köpfe schneller auf dem Richtblock wiederfinden, als Ihr es für möglich haltet.«
Das Gesicht des Gezeichneten verzog sich zu einer spöttischen Grimasse. Ihm schien eine höhnische Bemerkung auf der Zunge zu liegen, doch er verkniff sie sich und wandte sich zur Seite. Plötzlich erschollen Hufschläge.
Über eine nahe Dünung kam ein Reiter auf einem Apfelschimmel dahergeritten. Er war nach Art eines Ritters gekleidet, trug Wams, Kettenhemd und ein Übergewand, das mit einem weithin sichtbaren Wappen bestickt war. Es bestand aus einem stilisierten Schwert, das von einer Rose umkränzt wurde. Der Helm wies einige Beulen auf.
An seiner linken Seite trug er ein Rapier, gleichzeitig steckte ein schwerer Beidhänder in einer links vom Sattelknauf befestigten Lederscheide. Hinten am Sattel waren ein Reflexbogen und ein Köcher mit Pfeilen befestigt.
»Wer kann das sein?«, fragte der Mann, der von hinten auf den Wagen geklettert war.
»Jedenfalls kein Kreuzritter!«, knurrte der Gezeichnete und rief dann: »Los, ladet eure Büchsen!«
Er trat einen Schritt seitwärts, hob den Lauf seiner Hakenbüchse und blickte zu einem großen, massig wirkenden Mann in einem Gewand aus fleckigem Leinen hinüber, der die Fackel hielt. Ärger spiegelte sich in seinem Gesicht, als er sah, dass der Fackelträger das Feuer bereits im Sand gelöscht hatte und somit keine der Hakenbüchsen zügig feuerbereit gemacht werden konnte, falls der Fremde feindliche Absichten hatte.
»Narr!«, zischte der Gezeichnete den Fackelträger an.
Der fremde Reiter zügelte seinen Apfelschimmel. Sofort erfasste er die Lage und griff zum Bogen. Ehe der Armbrust-schütze unter den Wegelagerern einen neuen Bolzen in seine Waffe einlegen konnte, hatte ein Pfeil des Fremden ihm den Hals durchbohrt, sodass er röchelnd zu Boden fiel.
Der Gezeichnete wollte Barbara mit sich reißen, aber nur einen Moment später steckte auch ihm ein Pfeil zitternd in der Brust und ließ ihn auf die Knie sinken. Er musste Barbara freigeben, und sie wich rasch einen Schritt zurück. Die Hakenbüchse glitt ihm aus der anderen Hand. Seine Finger legten sich jedoch sogleich um den Griff des kurzen Rapiers an seinem Gürtel. Er riss die Waffe noch eine Handbreit heraus, ehe er endgültig zusammensackte und reglos liegen blieb.
Innerhalb weniger Augenblicke ließ der Fremde weitere Pfeile durch die Luft schnellen, die fast allesamt mit grausamer Genauigkeit ihre Ziele fanden.
Der Tod ihres Anführers hatte der Bande offensichtlich jegliche ordnung genommen. »Los, weg hier!«, hörte man einen der Männer rufen, der bereits von dannen lief.
Immer noch schoss der Fremde mit geradezu atemraubender Sicherheit und Schnelligkeit seine Pfeile ab. Es dauerte nur Momente, und die Männer des Gezeichneten lagen entweder getroffen auf dem Boden – oder sie waren bereits zwischen die nahe gelegenen Bäume und Büsche geflohen.
Der Fremde mit dem Rosenschwert-Wappen senkte schließlich die Waffe und entspannte die Sehne. Dann ließ er den Apfelschimmel näher herantraben.
Barbara sah den Flüchtenden kurz nach. Einem von ihnen steckte ein Pfeil in der Schulter, und es war fraglich, wie weit er kommen würde. Der Reiter zügelte mit der Linken sein Pferd und stieg dann aus dem Sattel. Den Bogen behielt er in der Hand, einen Pfeil ebenfalls. Er schien seinem Sieg über die Wegelagerer noch nicht recht zu trauen. Jedenfalls ließ er die Büsche, hinter denen die letzten von ihnen verschwunden waren, nicht aus den Augen. Dann schweifte sein Blick über die Toten, die auf dem Boden verstreut und teilweise in seltsam verrenkter Haltung dalagen.
Ungläubig starrte Barbara Heusenbrink ihren Ritter unterdessen an. Ihr Herz pochte wie wild, und ein dicker Kloß steckte ihr im Hals. Sie hatte das Wappen schon aus der Ferne wiedererkannt – und auch seinen Träger. Drei Jahre war es her, dass dieser Ritter in ihr Leben getreten war und ihm eine völlig neue Wendung gegeben hatte.
Und nun hatte Gottes Fügung sie gerade im rechten Moment wieder zusammengeführt. Sie schluckte, brachte jedoch im ersten Moment keinen Laut über die Lippen.
Copyright © dieser Ausgabe 2010
by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der
Verlagsgruppe Random House GmbH
Sie aber sprach: »Da ich auch auf dem Herweg diese Strecke nahm und nun in großer Eile bin und geschäftliche Verpflichtungen es mir nicht erlauben, auf ein Schiff zu warten, ist es besser, ich nehme den Weg über die Nehrung, als dass ich etwa über das Land der Litauer fahre. Außerdem begleiten mich einige dem Haus Heusenbrink gleichermaßen treu ergebene und ihres Faches äußerst kundige Waffenknechte. Wenn Ihr Euch wirklich um mich sorgt,
so lasst uns endlich zu einer abschließenden Einigung über den Handel mit dem Gold der Ostsee
kommen!« Damit meinte sie den Bernstein.
Aus den Protokollen des Melarius von Cleiwen, Leiters der Kanzlei des Hochmeisters des Deutschen ordens auf der Marienburg; 1450
Die Flamme einer pechgetränkten Fackel flackerte unruhig im Wind, der vom Meer aus über die Nehrung strich. Hufschlag mischte sich in das Meeresrauschen und das Rascheln der Sträucher und Baumkronen.
»Jetzt!«, befahl eine heisere Männerstimme.
Die Lunten der Hakenbüchsen wurden gezündet – fünf an der Zahl. Innerhalb von Augenblicken konnte man sie mindestens zwanzig Schritt weit riechen – aber nur in Windrichtung. Die Schützen hatten sich mit Bedacht so aufgestellt, dass diejenigen, auf die sie zielten, vollkommen arglos blieben, da der Wind den Geruch der glimmenden Lunten von ihnen wegtrug. Fünfzig, sechzig Herzschläge – innerhalb dieser Zeit mussten die Hakenbüchsen abgefeuert werden, sonst war die Lunte abgebrannt, und man musste ein neues Stück Seil an der Vorderseite des Zündhakens befestigen und zum Glimmen bringen.
Die Schützen warteten in den Büschen, während sich das von zwei zusätzlichen Reitern begleitete Gespann in voller Fahrt näherte. Die zwei berittenen Begleiter waren bewaffnet. Es handelte sich um Söldner, wie man sie in diesen Tagen überall anheuern konnte. Der Mann, der neben dem Kutscher saß, hielt eine Armbrust in den Händen und ließ seinen Blick unruhig umherschweifen.
Donnernd krachten die ersten beiden Schüsse aus den Rohren. Eine Kugel ging dicht an dem Kutscher und seinem Beschützer vorbei und riss ein faustgroßes Loch in den Kutschbock. Die zweite traf einen der beiden Reiter. Tödlich getroffen stürzte er zu Boden, sein Pferd preschte wiehernd davon.
Weitere Schüsse fielen, und gerade als der zweite Reiter sein Schwert zur Hälfte gezogen hatte, durchschlug eine Kugel sein rechtes Bein und fuhr danach in den Leib des Pferdes, das daraufhin zusammenbrach. Der Schrei des getroffenen Reiters mischte sich mit dem schrillen Wiehern des Pferdes, das wild um sich trat, während Ströme seines Blutes im sandigen, nur spärlich von sonnenverbranntem Gras bedeckten Erdreich versickerten.
Ein Dutzend Männer stürmte jetzt wild schreiend aus den Büschen. Der am Boden liegende Verletzte, dessen Hosenbein sich bereits über und über rot gefärbt hatte, hob abwehrend sein Schwert. Den Schwertstreich eines Angreifers konnte er noch parieren, dann traf ihn ein Axthieb am Kopf und setzte seinem Leben ein Ende.
Der Armbrustschütze auf dem Kutschbock hob seine Waffe und streckte einen der Angreifer nieder, bevor ihm selbst ein Wurfdolch im Hals stecken blieb und er röchelnd zur Seite sackte. Der Kutscher saß wie erstarrt daneben, bleich wie ein Leichentuch, während einige der Angreifer bereits die Zügel des Gespanns gefasst und die Pferde beruhigt hatten. Dann sprang er vom Bock – doch ehe er wieder auf die Beine kommen und zu fliehen vermochte, traf ihn ein Schuss und ließ ihn wimmernd am Boden liegen. Der Schlag mit einer Axt beendete auch sein Leben. Noch ein weiterer Schuss krachte und ließ das Holz eines Vorderrades splittern und den Wagen an dieser Seite ein Stück hinabsinken.
Schon kletterte jemand von hinten am Wagen empor und durchtrennte mit einem Langmesser die Schnüre, mit denen auf dem Dach die Gepäckstücke befestigt waren.
Ein Mann in fleckigem Lederwams trat von der Seite auf die Kutsche zu. Er hatte ein Loch in der Wange, das man ihm zweifellos irgendwann beigebracht hatte, um ihn als Verbrecher zu brandmarken. Der so grausam Gezeichnete benetzte Daumen und Zeigefinger mit der Zunge und löschte die Lunte seiner Hakenbüchse, denn es war nicht anzunehmen, dass er die Waffe noch einmal abfeuern musste; es schien ihm wohl besser zu sein, Pulver und Kugel zu sparen.
Er riss die Tür der Kutsche auf. »Raus mit Euch! Und zwar sofort!«
Im Inneren der Kutsche befand sich nur eine einzige Person – eine junge Frau, die dem Gebrandmarkten überraschend furchtlos entgegensah. Meergrüne, aufmerksame Augen beherrschten ihr fein geschnittenes, von dunkelblonden Haaren gekröntes Gesicht. Ihr entschlossen wirkender Blick stand in einem gewissen Kontrast zu den noch sehr jung wirkenden, weichen Gesichtszügen. Die Frisur trug sie hochgesteckt, aber die Strapazen der Reise hatten sie ein bisschen zerzaust, sodass sich ein paar Strähnen hervorstahlen. Mit einer beiläufigen, gleichermaßen elegant wie nüchtern wirkenden Handbewegung strich sie sich eine dieser Strähnen aus der Stirn.
Grob ergriff der Mann mit dem Loch in der Wange ihr Handgelenk und zog die Frau aus dem Wagen. Er fasste ihr Kinn und drehte ihren Kopf zur Seite.
»Das muss sie sein!«, meinte einer der anderen Männer – ein Kerl mit einem dunklen Bart, der ihm fast bis unter die Augen wuchs.
Der Gebrandmarkte nickte. Sein Blick hing an dem in Silber gefassten Bernsteinamulett, das die junge Frau um den Hals trug. Er griff zu und riss es ihr vom Hals. Dann hielt er es in die Sonne und sah sich die Gravur auf der Rückseite an. Lesen konnte er wahrscheinlich nicht, aber das H, das kunstvoll, fast nach Art eines Miniaturwappens gestaltet worden war, hatte er schon gesehen. »Kein Zweifel, sie ist die Frau, die wir suchen«, stellte er fest. »Barbara Heusenbrink – die Tochter des Mannes, den man in Riga den Bernsteinkönig nennt, weil angeblich jedes Stück des Ostseegoldes durch seine Hände geht!«
Barbara Heusenbrink versuchte ein Zittern zu unterdrücken.
Man hatte sie sehr eindringlich davor gewarnt, den Weg über die Nehrung zu nehmen, an deren Ende man mit einer Fähre die Meerenge überqueren konnte, die das Kurische Haff mit der ostsee verband. Aber da das Land südlich des Haffs von den Litauern beherrscht wurde, war der Weg über die Nehrung die einzige Möglichkeit, auf dem Landweg nach Kurland zu kommen, ohne das ordensterritorium zu verlassen.
Dass dieser Umstand Räuber dazu einlud, hier auf Beute zu warten, lag auf der Hand.
Aber Barbara war keineswegs vor einer Woche von der Marienburg aus aufgebrochen, ohne diese Risiken zu bedenken. Die gut bewaffneten und dem Haus Heusenbrink treu ergebenen Männer, die sie begleiteten, waren normalerweise mit Leichtigkeit in der Lage, das gewöhnliche Diebesgesindel, das man auf dem Weg über die Nehrung antreffen konnte, in die Flucht zu schlagen. Es war auch keineswegs das erste Mal, dass Barbara diesen Weg nahm. Schon früher hatte sie ihren Vater auf Geschäftsreisen in den südlichen Teil des ordensterritoriums bis in die nach Unabhängigkeit von der oberhoheit der Kreuzritter strebenden Hansestädte wie Danzig, Elbing oder Thorn begleitet. Sie hatte geglaubt, das Risiko abschätzen zu können, zumal das gewöhnliche Diebesgesindel meistens schon Reißaus nahm, wenn es bemerkte, dass der Wagen von gut bewaffneten Söldnern begleitet wurde. Diejenigen, die sich auf der Nehrung auf die Lauer nach leichter Beute legten, waren in der Regel schlecht bewaffnete arme Hunde, die davor zurückscheuten, sich auf einen Kampf einzulassen. Wenn sie mit Widerstand zu rechnen hatten, zogen sie sich schnell zurück. Ein Schwert zu ziehen reichte oft, um sie zu vertreiben. Spätestens der Knall einer Hakenbüchse scheuchte sie davon und jagte ihnen einen derart großen Schrecken ein, dass man nicht damit zu rechnen brauchte, denselben Halunken auf der Reise noch einmal an anderer Stelle zu begegnen.
Aber die Männer, denen Barbara an diesem Unglückstag in die Hände gefallen war, gehörten ganz offensichtlich nicht in diese Kategorie. Allein ihre gute Bewaffnung sprach dagegen und hob sie von dem gewöhnlichen Gesindel ab.
Der Mann mit dem Loch in der Wange betrachtete erneut kurz das Amulett und steckte es dann unter sein Lederwams. Er drehte sich zu seinen Männern um. »Holt die Pferde! Wir sollten hier so schnell wie möglich verschwinden ... «
»Geht es Euch um Lösegeld?«, fragte Barbara, und ihre Stimme hatte dabei einen so sicheren, festen Klang, dass die Verwunderung darüber dem Gezeichneten ins Gesicht geschrieben stand.
Er verzog das Gesicht und trat auf Barbara zu. »Was glaubt Ihr denn, worum es uns geht?«, grinste er.
Barbara wich seinem Blick nicht aus. »Ihr solltet nicht auf ein Lösegeld spekulieren ... «
»Da Ihr die Tochter des Bernsteinkönigs seid, würde Euer Vater doch gewiss jeden Preis für Euch bezahlen!«
»Aber Ihr würdet auch bezahlen müssen – und zwar sehr bitter. Denn mein Vater hätte die Macht, Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um Eure Bande ausfindig zu machen und Euch Eurer Strafe zuzuführen. Begnügt Euch mit dem Gepäck und verschwindet! Andernfalls werdet Ihr Eure Köpfe schneller auf dem Richtblock wiederfinden, als Ihr es für möglich haltet.«
Das Gesicht des Gezeichneten verzog sich zu einer spöttischen Grimasse. Ihm schien eine höhnische Bemerkung auf der Zunge zu liegen, doch er verkniff sie sich und wandte sich zur Seite. Plötzlich erschollen Hufschläge.
Über eine nahe Dünung kam ein Reiter auf einem Apfelschimmel dahergeritten. Er war nach Art eines Ritters gekleidet, trug Wams, Kettenhemd und ein Übergewand, das mit einem weithin sichtbaren Wappen bestickt war. Es bestand aus einem stilisierten Schwert, das von einer Rose umkränzt wurde. Der Helm wies einige Beulen auf.
An seiner linken Seite trug er ein Rapier, gleichzeitig steckte ein schwerer Beidhänder in einer links vom Sattelknauf befestigten Lederscheide. Hinten am Sattel waren ein Reflexbogen und ein Köcher mit Pfeilen befestigt.
»Wer kann das sein?«, fragte der Mann, der von hinten auf den Wagen geklettert war.
»Jedenfalls kein Kreuzritter!«, knurrte der Gezeichnete und rief dann: »Los, ladet eure Büchsen!«
Er trat einen Schritt seitwärts, hob den Lauf seiner Hakenbüchse und blickte zu einem großen, massig wirkenden Mann in einem Gewand aus fleckigem Leinen hinüber, der die Fackel hielt. Ärger spiegelte sich in seinem Gesicht, als er sah, dass der Fackelträger das Feuer bereits im Sand gelöscht hatte und somit keine der Hakenbüchsen zügig feuerbereit gemacht werden konnte, falls der Fremde feindliche Absichten hatte.
»Narr!«, zischte der Gezeichnete den Fackelträger an.
Der fremde Reiter zügelte seinen Apfelschimmel. Sofort erfasste er die Lage und griff zum Bogen. Ehe der Armbrust-schütze unter den Wegelagerern einen neuen Bolzen in seine Waffe einlegen konnte, hatte ein Pfeil des Fremden ihm den Hals durchbohrt, sodass er röchelnd zu Boden fiel.
Der Gezeichnete wollte Barbara mit sich reißen, aber nur einen Moment später steckte auch ihm ein Pfeil zitternd in der Brust und ließ ihn auf die Knie sinken. Er musste Barbara freigeben, und sie wich rasch einen Schritt zurück. Die Hakenbüchse glitt ihm aus der anderen Hand. Seine Finger legten sich jedoch sogleich um den Griff des kurzen Rapiers an seinem Gürtel. Er riss die Waffe noch eine Handbreit heraus, ehe er endgültig zusammensackte und reglos liegen blieb.
Innerhalb weniger Augenblicke ließ der Fremde weitere Pfeile durch die Luft schnellen, die fast allesamt mit grausamer Genauigkeit ihre Ziele fanden.
Der Tod ihres Anführers hatte der Bande offensichtlich jegliche ordnung genommen. »Los, weg hier!«, hörte man einen der Männer rufen, der bereits von dannen lief.
Immer noch schoss der Fremde mit geradezu atemraubender Sicherheit und Schnelligkeit seine Pfeile ab. Es dauerte nur Momente, und die Männer des Gezeichneten lagen entweder getroffen auf dem Boden – oder sie waren bereits zwischen die nahe gelegenen Bäume und Büsche geflohen.
Der Fremde mit dem Rosenschwert-Wappen senkte schließlich die Waffe und entspannte die Sehne. Dann ließ er den Apfelschimmel näher herantraben.
Barbara sah den Flüchtenden kurz nach. Einem von ihnen steckte ein Pfeil in der Schulter, und es war fraglich, wie weit er kommen würde. Der Reiter zügelte mit der Linken sein Pferd und stieg dann aus dem Sattel. Den Bogen behielt er in der Hand, einen Pfeil ebenfalls. Er schien seinem Sieg über die Wegelagerer noch nicht recht zu trauen. Jedenfalls ließ er die Büsche, hinter denen die letzten von ihnen verschwunden waren, nicht aus den Augen. Dann schweifte sein Blick über die Toten, die auf dem Boden verstreut und teilweise in seltsam verrenkter Haltung dalagen.
Ungläubig starrte Barbara Heusenbrink ihren Ritter unterdessen an. Ihr Herz pochte wie wild, und ein dicker Kloß steckte ihr im Hals. Sie hatte das Wappen schon aus der Ferne wiedererkannt – und auch seinen Träger. Drei Jahre war es her, dass dieser Ritter in ihr Leben getreten war und ihm eine völlig neue Wendung gegeben hatte.
Und nun hatte Gottes Fügung sie gerade im rechten Moment wieder zusammengeführt. Sie schluckte, brachte jedoch im ersten Moment keinen Laut über die Lippen.
Copyright © dieser Ausgabe 2010
by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der
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Autoren-Porträt von Conny Walden
Conny Walden ist das Pseudonym für das Autorenduo Alfred und Silke Bekker. Unter diesem Pseudonym schreiben sie gemeinsam historische Romane.
Bibliographische Angaben
- Autor: Conny Walden
- 2010, 448 Seiten, Maße: 11,8 x 18,8 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Arkana
- ISBN-10: 3442471230
- ISBN-13: 9783442471232
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