Die Damalstür
Roman
Ein hochspannender Thriller des Bestsellerautors von »Cave Canem« und »Felidae«. Der einst erfolgreiche Maler Alfred Seichtem ist am Ende: Die Ehe ist geschieden, seine Kunst will niemand kaufen. Eines Nachts verirrt er sich im Suff auf dem Weg nach Hause....
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Produktdetails
Produktinformationen zu „Die Damalstür “
Ein hochspannender Thriller des Bestsellerautors von »Cave Canem« und »Felidae«. Der einst erfolgreiche Maler Alfred Seichtem ist am Ende: Die Ehe ist geschieden, seine Kunst will niemand kaufen. Eines Nachts verirrt er sich im Suff auf dem Weg nach Hause. Und steht plötzlich vor seinem eigenen, 10 Jahre jüngeren Selbst. Es scheint, als bekäme er eine neue Chance. Doch es ist der Beginn eines Alptraums... »Einer der ungewöhnlichsten
Autoren dieser Zeit« (WAZ). »Akif Pirinçci ist so etwas wie der deutsche Stephen King.« (Allegra)
Autoren dieser Zeit« (WAZ). »Akif Pirinçci ist so etwas wie der deutsche Stephen King.« (Allegra)
Klappentext zu „Die Damalstür “
Alfred Seichtem, genannt Ali, hat sein Leben ruiniert. Und er hat ganze Arbeit geleistet. Der vor kurzem noch erfolgreiche Maler,umschwärmt von den Drohnen des Kunstbetriebs, mit Geld überhäuft, von Kritikern gefeiert, hat alles verloren, was ihm jemals etwas bedeutet hat: seine Frau Ida hat ihn verlassen, sein Sohn wurde bei einem Unfall getötet, für den sich Ali selbst die Schuld gibt, und das Publikum hat sich von ihm abgewandt. Ali lebt nun allein in einer heruntergekommenen Mietwohnung und versucht seine Probleme so gut es geht in Alkohol zu ertränken. Als er sich wieder einmal nach einer durchzechten Nacht auf den Heimweg macht, gerät er durch Zufall in eine Gegend, die ihm seltsam vertraut vorkommt, und er erkennt, daß er sich in der Nähe seines ehemaligen Hauses befindet. Da gerät er plötzlich ins Wanken, stolpert und verletzt sich an einem eisernen Gartenzaun ein Missgeschick, das tödlich hätte enden können. Doch der Schreck scheint ihn keineswegs nüchterner gemacht zu haben. Im Gegenteil: Ali nimmt ein merkwürdiges Licht wahr, das die Dämmerung des trüben Frühlingsmorgens durchbricht und ihn auf einem nie zuvor betretenen Weg näher zu seinem früheren Domizil zu locken scheint. Was Ali dann beobachtet, kann er kaum fassen: Ein Umzugswagen, den er noch genau in Erinnerung hat, hält vor dem Haus. Und auch die Möbelpacker sind ihm nur zu bekannt, ebenso wie das Paar, das nun einem gelben Citroën entsteigt: Es sind er und Ida selbst: jünger, unbeschwert, am Beginn ihrer glücklichsten Zeit. Ali kann nicht begreifen, was er sieht und weiß doch, daß kein Irrtum möglich ist: Er beobachtet seinen eigenen Einzug in das Haus seiner Träume, er beobachtet seine Vergangenheit. Entsetzt und zugleich fasziniert macht er sich auf den Heimweg, überzeugt, in dem merkwürdig erleuchteten Weg einen Pfad in Vergangenheit gefunden zu haben. Als er Ida von seinem Erlebnis erzählt, glaubt sie ihrem immer noch reichlich alkoholisierten Exmann zunächst kein Wort. Doch bei einem
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gemeinsamen Besuch in ihrer früheren Nachbarschaft kann sie sich selbst davon überzeugen, daß Ali die Wahrheit berichtet hat. Und ihr wird schlagartig bewußt, welche Chance sich ihnen damit bietet. Ali und sie könnten an diesem Punkt der Vergangenheit in ihr früheres Leben zurückzukehren. Sie könnten all ihre Fehler vermeiden, ihr Glück für immer festhalten, ihr ganzes Schicksal neu in die Hand nehmen. Doch dafür müssten sie ihr eigenes jüngeres Ich beseitigen. So undenkbar dies zunächst scheint, so verlockend ist andererseits die Vorstellung, noch einmal von vorn beginnen zu können. Und so fassen Ida und Ali tatsächlich einen Mordplan, den sie trotz aller Skrupel noch in derselben Nacht in die Tat umsetzen. Aber schon mit diesem blutigen Akt beginnt sich der hoffnungsvolle Neuanfang in einen Alptraum zu verwandeln. Ein unliebsamer Zeuge des Verbrechens muß zum Schweigen gebracht werden, und mysteriöse Stimmen scheinen ihnen rätselhafte Botschaften übermitteln zu wollen. Obendrein liegt über der ganzen Szenerie ein merkwürdiger Geruch, der Ali zunehmend verstört, den er sich aber nicht erklären kann. Obwohl schon nach kurzer Zeit nicht mehr zu übersehen ist, daß es in der ganzen Gegend nicht mit rechten Dingen zugeht, beschließen Ali und Ida alle Schrecken zu ignorieren - die nächtlichen Schreie, die unerklärlichen Veränderungen ihrer Nachbarn. Doch je fester sie an ihrem vermeintlichen Glück festhalten, desto höher wird der Preis, den sie dafür zahlen müssen. Und schließlich muss Ali erkennen, dass er sich auf einer wahren Höllenfahrt befindet. Oder ist in Wirklichkeit alles ganz anders? Was tatsächlich an jenem wolkenverhangenen Morgen geschah, an dem Ali zum ersten Mal in die Vergangenheit blickte, ist noch unfaßbarer als das Grauen seines neu begonnenen Lebens...
... weniger
Lese-Probe zu „Die Damalstür “
Kapitel 1Eine Bar um sechs Uhr dreig war nicht gerade ein Ort, von dem man sich einen munteren Start in den beginnenden Tag versprach. Eine Bar um sechs Uhr dreig war auch nicht unbedingt ein Ort, der das Ende einer gelungenen Nacht bedeutete. Eine Bar um diese Stunde, an einem Montag, im Mz, wo draun eine noch ungeniearere Kte als im Dezember herrschte und der Himmel tagser wie endloses graues Lchpapier er der Stadt lag, war genau das, was dem Klischee entsprach: ein Grab f Verlierer.
Der Rauch ungezlter Zigaretten, der dem gron Raum in den letzten Stunden etwas von der Atmosphe eines tkischen Bades verliehen hatte, hing in abgeschwhter Dosis immer noch in der Luft wie eine drende Wolke. Die Tische, verwaist und mit feuchten Krzen der ausgetrunkenen Gler ers, waren zu Dmerlichtinseln der Trostlosigkeit verkommen. Durch die Leere schwebte die rauchige Stimme einer Soulsgerin, getragen von splichem Klaviergeklimper. Geradezu strahlend sah dagegen die Bartheke aus, die der ebenfalls makellos wirkende Barkeeper mit einem Serviertuch polierte. Er war ein krtiger Kerl in gut sitzender schwarzer Samtweste und mit einer feuerwehrroten Fliege um den Hals. Ein Walrochnzer schmkte das ungeschlachte Gesicht, wrend die hinten mit einem Gummiband zusammengezurrten langen Haare seine kultivierte Seite betonten. Kurz, er kam mit allen Gten klar - vorausgesetzt sie brachten dieselbe Nonchalance in sein Etablissement wie die Soulsgerin aus den Lautsprechern.
Die in Kreisbewegungen er die dunkelbraune Thekenplatte wischende Hand streifte an frisch geflten Schalen mit Erdnsen vorbei, an Lederdchen mit Zahnstochern, Ktchen, die f preisgstige Cocktails warben, und blitzsauber gescheuerten Aschenbechern. Zuletzt fuchtelte sie im Umkreis der Finger des letzten Gastes, die ein leeres Wodkaglas so fest umklammerten, als testeten sie seine Bruchtoleranz.
"Wir schlien gleich", sagte der Barkeeper in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. "Wollen Sie noch einen letzten
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Drink?"
"Wodka", verlangte der Mann auf dem Hocker zum siebzehnten oder achtzehnten Mal, seit er den Laden am Abend zuvor betreten hatte. Wrend der Keeper sich am rkwtigen Regal mit der beeindruckenden Schnapsauslage zu schaffen machte, richtete der Mann den Blick auf den schr aufgestellten Laufspiegel an der Decke.
Alfred Seichtem oder schlicht Ali, wie er sich gerne nennen lie sah erwartungsgem verdammt gut aus. Trotz des vielen Alkohols und der Umstde, die ebendiesen exzessiven Alkoholkonsum jede Nacht aufs neue zu rechtfertigen schienen, war Seichtem immer noch ein attraktiver Mann. Die pechschwarzen nackenlangen Haare sahen stets wie mit Gel behandelt aus und wirkten selbst im zerzausten Zustand, als habe sie ein Promi-Hairstylist titelfotogerecht modelliert. Die Lider er den kobaltblauen Augen waren stets leicht gesenkt, was einen etwas verschlafenen und doch coolen Eindruck erweckte. Die hkrige Adlernase - das Resultat eines Nasenbeinbruchs bei einer Schlerei unter Teenagern - verlieh dem Gesicht etwas Charaktervolles und we eines Car wdig gewesen. Und die wenigen Krenfe um die Augen sowie die Linien um die Mundwinkel verliehen dem wie gegerbt wirkenden Gesicht jenen Reifer-Mann-Schliff, der in Werbespots f Traumautos so gefragt war.
Darer wunderte sich Seichtem. Darer, daman sich so tief im Keller flen und trotzdem so blendend aussehen konnte. Denn im Kontrast zu seinem gewinnenden Aussehen hatte er alles verloren, was er je geliebt, besessen oder sich irgendwie eingebildet hatte, verdient zu haben.
Selbst nach einer solch trostlosen Nacht hte das nur theoretisch Selbstmordgedanken Nahrung gegeben, wen da nicht ein paar unerfreuliche Fakten gewesen. Seichtem war inzwischen zweiundvierzig Jahre alt, und exakt seit seinem vierzigsten Geburtstag schien ihn ein ber Don jedesmal, bevor er aufwachte, wissen zu lassen, dader beginnende Tag - es handelte sich immer um fast Mittag - wieder sinnlos verstreichen wde, und dajede Anstrengung, noch einmal von vorn zu beginnen, ebenfalls eine Illusion we. Zum zweiten litt er unter solch starken Depressionen, daihm jeder Ingmar-Bergman-Film vergleichsweise wie eine zum Brlen komische Komie vorkam. Und zuletzt bereitete es ihm erhebliches Kopfzerbrechen, dasein gesamtes Vermen inzwischen in seinem Portemonnaie Platz fand - Scheine, Scheinchen, das letzte Geld, das er noch besa
Seichtem erlegte kurz, ob das Geld im Portemonnaie noch reichen wde, um die Wodkas zu bezahlen. Das wde es sicherlich tun. Denn bei Sorgensfern, wie er inzwischen einer geworden war, funktionierte das Hirn, was das Finanzmanagement f die tliche Alkoholration betraf, selbst nach dem siebzehnten oder achtzehnten Wodka noch phomenal. Er traf am Tage stets penible Vorsorge f den allabendlichen Suff. Aber was dann? Die Miete f das Ffzehnquadratmeterzimmer in einer heruntergekommenen Mietskaserne am Stadtrand, die so aussah und auch so roch, als wden vorbeiziehende Riesen regelmig darauf urinieren, konnte er nicht mehr aufbringen. Spestens in einem halben Monat wde diese bittere Wahrheit ans Tageslicht kommen. Nlich dann, wenn der Vermieter, ein vor Bluthochdruck rotangelaufener Sechzigjriger, der mehr aggressive Gier ausstrahlte als so manch achtzehnjriger Schwerkrimineller, in seinem Kontoauszug Seichtems Namen und die zu diesem Namen gehige Zahl vermissen wde. Gewi er konnte die Sache aufschieben. Ausreden erfinden, sich totstellen, die Schlupflher des Mietgesetzes ausnutzen. Es wde dann mit Sicherheit noch er ein Jahr dauern, bis man ihn aus diesem Drecksloch vertreiben konnte.
Wde er in einem Jahr noch leben? Er hatte ja schon jetzt kein Verlangen mehr danach. So gesehen brauchte er sich er den akuten Geldmangel auch keine Sorgen zu machen. Also doch etwas Positives! Aber was ist, wenn er sich nicht traute, wenn er in Wahrheit nur ein Selbstmitleidstheater veranstaltete, wenn er mit diesen Selbstmordgedanken nur spielte, um sich noch ein Weilchen die Illusion eines schnellen und schmerzlosen Abgangs zu erhalten? Schmerzlos? Wer sagte denn, daes ohne Schmerzen ablaufen wde? Gemeinhin erwartete man vom Tod doch eher das Gegenteil. Und man mue schon ein ziemlich cleverer Selbstmder sein, um seinen Abgang ohne jedes Leiden zu gestalten. Das war Ali nicht. Nach all den Ereignissen der letzten Zeit, nach der Implosion seines Lebens, nach dem Verlust von allem, was ihm je lieb und teuer gewesen war, nach dem Bankrott und den deprimierenden Folgeerscheinungen nun also auch das: Schmerzen!
Wie hat es nur dazu kommen knen? fragte sich der sche Ali zum tausendsten Mal, aber auch diesmal ohne eine einleuchtende Antwort zu finden. Wie konnte das nur geschehen? murmelte er in seine wie zum Wasserschfen gekrmten Hde, als zwischen diese der letzte Wodka geschoben wurde.
"Machen Sie schnell. In ff Minuten schlie ich ab", mahnte der Barkeeper in einer Mischung aus angeekeltem Mitleid mit dem obligatorischen letzten Sfer und dem Aufatmen er den bevorstehenden Feierabend.
Seichtem setzte das Glas an die Lippen und versuchte dabei verzweifelt an etwas Sches, an etwas Wmendes zu denken, um gegen die graue Kte gewappnet zu sein, die draun auf ihn lauerte wie ein wahnsinniger Horrorchirurg. Er fand eine Erinnerung, und es wurde ihm prompt warm ums Herz.
Er sah die ausgetretene Holzstufe in der ehemaligen Khe so klar und deutlich vor sich, als we sie direkt in seinen Kopf projiziert. Die eine Stufe unter der zum Garten frenden Glaste, die als Schwelle diente. Sie war her als eine gewnliche Stufe, und Ali hatte immer darauf gesessen und eine Zigarette geraucht, wenn er eine kurze Entspannung brauchte oder auf das Essen wartete. Jetzt saer wieder da, im Erinnerungsland, rauchte, und die Strahlen der Oktobersonne, die durch die Scheibe drangen, wmten ihm den Rken, tauchten den ganzen Ort in perfekte Harmonie. Und dann stand plzlich er im Raum. Mit tapsigen Schritten kam er auf ihn zu, ein Lheln im Gesicht, das zwischen staunender Freude er den Faxen machenden Papa und maoser Verblfung er das eigene erwachende Bewusein pendelte, und - so klein, so klein. Der Anblick dieser Erscheinung, halb niedlicher Troll, halb das unbeschwerte Kind, das er einst selbst gewesen war, wirkte auf Ali wie eine Glksdroge und lieihn, den Atheisten, inbrstige Dankesgebete an Gott senden.
Aber es war die falsche Erinnerung, jene, die er auf keinen Fall zulassen durfte, niemals, weil dann...
Seichtem sah sich im Spiegel er der Schnapsauslage. Er fand, daer nun gar nicht mehr so blendend aussah. Trenbhe hatten das Gesicht in das eines Grippeopfers verwandelt, aufgedunsen und rot gefleckt, als hte er Fieber. Aurdem wirkte er plzlich so hohlwangig wie der Insasse eines Terrorlagers, und me, so unendlich me.
Er zog das Portemonnaie aus der Hosentasche, holte daraus stliche Scheine hervor und warf sie auf die Theke. Der Barkeeper, der ihn vom anderen Ende der Theke beobachtete und dabei ungerrt ein Glas polierte, machte nicht den Eindruck, als lege er Wert auf kleinliche Zlerei. Es wde schon stimmen; Hauptsache der letzte Gast war aus dem Laden.
Seichtem ging aus der Bar in die kalte Dunkelheit des Mzmorgens hinaus, erflt von nur einem einzigen Gedanken: Damals, damals, damals...
Kapitel 2
Wie hat es nur dazu kommen knen? fragte sich Alfred Seichtem immer und immer wieder, wrend er wie ein angeschossener Schattenmann aus einem Gangsterfilm durch den Morgennebel torkelte. Trotz seiner Einmeterffundachtzig wirkte er in dem lgst zerschlissenen Windsor-Mantel - ein Relikt aus Zeiten, als Geld keine Rolle f ihn gespielt hatte - jetzt klein, ja nahezu buckelig, weil sein vom Alkohol verwirrter Gleichgewichtssinn dem Oberkper eine gekrmte Haltung aufzwang. Aurdem sah er den Bgersteig unter sich mal doppelt, mal schemenhaft. Ihm war el, und der Dunst, der ihn immer weiter einhlte, trug auch nicht gerade dazu bei, daer seine Umgebung deutlicher wahrnahm. Um so weniger lieer sich von der Frage ablenken, die sein Leben in den letzten Jahren begleitet hatte - und von deren einzig wahrer Antwort.
Ali wankte an herrschaftlichen Grderzeitgebden vorbei, die teils proper renoviert, teils infolge heilloser Zerstrittenheit der Erben verfallen waren. Dabei hangelte er sich an den niedrigen Vorgartenznen entlang und drohte dabei immer wieder auf die pfeilscharfen Eisenspitzen zu stzen. Er kannte dieses Viertel gut. Er hatte bis vor acht Monaten selber hier gewohnt. Und angesichts dieses f ihn unwiederbringlich verlorenen Paradieses versuchte er sich erneut einzureden, daes keine vernftige Antwort auf seine Frage ge. In Wahrheit jedoch kannte er die Antwort sehr gut. Er hatte sie schon immer gewu.
Die eigentliche Antwort hie daer nie wie sie gewesen war, nie dazugeht hatte.
Sie - damit waren die Bewohner des in sich geschlossenen Universums der sogenannten Kunst gemeint: die Malerkollegen, die Galeristen, die Ausstellungsmacher, die Kritiker, die Bildbandverleger, die Museumsdirektoren, die Meinungsfrer, die Kfer, die Verehrer, all die vom Licht angezogenen Motten, die mittels undurchschaubarer Beziehungen und Ratschlse das Schicksal eines Kstlers bestimmten. Daumen hoch oder Daumen runter. Aber warum? Dieses Ausgestonsein, das Leitmotiv von Seichtems Leben, klang nach heiligem Aunseitertum, nach wahrem Kstlertum, der Tragie des verkannten Genies mit Selbstverstmelungstendenz à la van Gogh, dem die Zeit schon Gerechtigkeit widerfahren lassen wde, in der entdeckungsshtigen Zeit von heute sogar noch bevor man starb. Die Wahrheit war jedoch, daes nie so ausgesehen hatte, als wde je ein Mensch auf die Idee kommen, in Seichtem ein brillantes Talent zu sehen, und daer sich seinerseits zeitlebens nichts sehnlicher gewscht hatte, als ein Teil des Mottenschwarms zu sein.
Ali war eine tragische Figur, weil er selbst auf dem Hepunkt seiner Karriere nicht herausgefunden hatte, worin die ungeschriebenen Regeln des Gewerbes bestanden und wovon es abhing, ob einer unsterblich und reich wurde oder als mittelmig wenn nicht sogar inakzeptabel galt. Sogar damals, ja, sogar in seinem von der Erinnerung verklten Damals war Alis Erfolg mitnichten darauf zurkzufren gewesen, daman ihn in der Szene f einen anbetungswdigen Kstler gehalten hte, sondern darauf, daseine Ware sich ordin gut verkaufte. Sie hatten ihm stets alles Schlechte gewscht. Das wue er.
Woran das lag, war ihm zunhst ein Rsel gewesen. Schon auf der Akademie hatte er die Erfahrung machen msen, daman ihn nicht ernst nahm. Anfangs hatte er die Theorie gehegt, es liege an seinem Aussehen. Die gron Meister wirkten auf ihren Selbstbildnissen entweder wie Geistesgestte mit glasigem Blick und Fuselbtchen oder wie todgeweihte Patienten einer Tuberkuloseklinik. Oder aber sie besan das ungeschlacht mnliche Charisma eines Picasso, welches bei der Popularisierung seines Genies rst hilfreich war. Jedenfalls geschah es in Malerkreisen wohl selten, dader Meister mit seinem eigenen Aktmodell verwechselt wurde, wie es Seichtem seinerzeit oft passiert war. Ein Maler sollte Kraft, Irrwitz, Kaputtheit, Roheit, ja eine gewisse Art von Brutalit ausstrahlen, hatte er schon damals festgestellt, auf keinen Fall jedoch Schheit.
Ali nahm sich diese Erkenntnis zu Herzen und leitete umgehend Gegenmaahmen ein, indem er sich schlampig kleidete, sich selten wusch und rasierte und keine Verwandlungskste scheute, um seinen Kaschmirpulloverlook gegen den eines Chaoten zu tauschen. Zudem legte er sich durch intensives Studium amerikanischer Undergroundliteratur in der Tradition von Charles Bukowski ein relhaftes Gehabe zu und gewnte sich das Trinken an. Zumindest dem letzteren sollte er von da an immer treu bleiben.
Das alles nzte natlich wenig, denn selbst in einer Kunstakademie, wo es vor lauter verrkten jungen Menschen nur so wimmelte, war der analytische Verstand nicht derart tiefergelegt, daman derartige Maner nicht durchschaut hte. Das Gegenteil war eher der Fall. Seichtem und seine Kunst wurden weiterhin kaum anerkannt. Und bald kannte er auch die wahre Ursache.
Dummerweise hing diese mit dem erbittertsten Streit in der modernen Malerei zusammen. Heutzutage wurde dieser Streit freilich nur noch von gelangweilt durch die Museen schlendernden, ihrer abendlichen Hotelsause entgegenhechelnden Touristen ein wenig aufgewmt. Nichtsdestotrotz war die Debatte jedem, der zum Kunstbetrieb gehte, so unangenehm bewu wie ein peinliches Familiengeheimnis, er das zwar jeder Bescheid wei das aber niemals ausgesprochen werden darf. Nach dem Motto "Der Kaiser ist ja nackt!" flte sich nlich fast jeder Banause von Tourist in Anbetracht eines modernen Gemdes genigt, auszurufen: "Das kann ich auch!"Dies war normalerweise der Zeitpunkt, an dem ein Kunstexperte an die Seite des Unkundigen zu treten und ihn darer aufzuklen hatte, daes sich bei dem Schfer der unergrdlichen Kleckserei keineswegs um einen talentlosen Hochstapler handelte, sondern um... Also das war so: Wenn ein moderner Maler die Binden seiner Frau auf eine Leinwand tackerte und das ganze als Kunst ausgab, so bedeutete das nicht unbedingt, dader gute Mann unfig war, das Mysterium des weiblichen Kpers mittels konventioneller malerischer Mittel zu thematisieren, oder daer sich als Kandidat f die Zwangsjacke empfahl. Nein, vielmehr bedeutete es, daer sich dabei etwas gedacht hatte! Dies war der Zauberspruch, das Sesam-fne-dich!, mit dem man die Welt der Kunst betrat. Der zeitgensische bildende Kstler liesich kaum mit der Elle des zeichnerischen Geschicks mehr messen, weil er seine Ausdrucksmlichkeiten im Vergleich zu seinen Kollegen in freren Zeiten ins Unendliche erweitert hatte. Der gewnliche Tourist, der in Anbetracht der an die Leinwand getackerten Binden "Das kann ich auch!" ausrief, mochte vielleicht, was die rein technische Ausfrung anging, im Recht sein. Doch da er sich im Gegensatz zu dem Kstler dabei nichts gedacht hatte, war das Endprodukt kstlerisch komplett wertlos. Kurz, das Gemde an sich spielte eine weit geringere, wenn nicht sogar erhaupt keine Rolle im Vergleich zu dem Theorienkonstrukt, in das es eingebettet war. Die thetik und die handwerkliche Finesse eines Bildes waren lgst der Idee gewichen oder besser gesagt der Propagandapower des Ideenschfers.
"Wodka", verlangte der Mann auf dem Hocker zum siebzehnten oder achtzehnten Mal, seit er den Laden am Abend zuvor betreten hatte. Wrend der Keeper sich am rkwtigen Regal mit der beeindruckenden Schnapsauslage zu schaffen machte, richtete der Mann den Blick auf den schr aufgestellten Laufspiegel an der Decke.
Alfred Seichtem oder schlicht Ali, wie er sich gerne nennen lie sah erwartungsgem verdammt gut aus. Trotz des vielen Alkohols und der Umstde, die ebendiesen exzessiven Alkoholkonsum jede Nacht aufs neue zu rechtfertigen schienen, war Seichtem immer noch ein attraktiver Mann. Die pechschwarzen nackenlangen Haare sahen stets wie mit Gel behandelt aus und wirkten selbst im zerzausten Zustand, als habe sie ein Promi-Hairstylist titelfotogerecht modelliert. Die Lider er den kobaltblauen Augen waren stets leicht gesenkt, was einen etwas verschlafenen und doch coolen Eindruck erweckte. Die hkrige Adlernase - das Resultat eines Nasenbeinbruchs bei einer Schlerei unter Teenagern - verlieh dem Gesicht etwas Charaktervolles und we eines Car wdig gewesen. Und die wenigen Krenfe um die Augen sowie die Linien um die Mundwinkel verliehen dem wie gegerbt wirkenden Gesicht jenen Reifer-Mann-Schliff, der in Werbespots f Traumautos so gefragt war.
Darer wunderte sich Seichtem. Darer, daman sich so tief im Keller flen und trotzdem so blendend aussehen konnte. Denn im Kontrast zu seinem gewinnenden Aussehen hatte er alles verloren, was er je geliebt, besessen oder sich irgendwie eingebildet hatte, verdient zu haben.
Selbst nach einer solch trostlosen Nacht hte das nur theoretisch Selbstmordgedanken Nahrung gegeben, wen da nicht ein paar unerfreuliche Fakten gewesen. Seichtem war inzwischen zweiundvierzig Jahre alt, und exakt seit seinem vierzigsten Geburtstag schien ihn ein ber Don jedesmal, bevor er aufwachte, wissen zu lassen, dader beginnende Tag - es handelte sich immer um fast Mittag - wieder sinnlos verstreichen wde, und dajede Anstrengung, noch einmal von vorn zu beginnen, ebenfalls eine Illusion we. Zum zweiten litt er unter solch starken Depressionen, daihm jeder Ingmar-Bergman-Film vergleichsweise wie eine zum Brlen komische Komie vorkam. Und zuletzt bereitete es ihm erhebliches Kopfzerbrechen, dasein gesamtes Vermen inzwischen in seinem Portemonnaie Platz fand - Scheine, Scheinchen, das letzte Geld, das er noch besa
Seichtem erlegte kurz, ob das Geld im Portemonnaie noch reichen wde, um die Wodkas zu bezahlen. Das wde es sicherlich tun. Denn bei Sorgensfern, wie er inzwischen einer geworden war, funktionierte das Hirn, was das Finanzmanagement f die tliche Alkoholration betraf, selbst nach dem siebzehnten oder achtzehnten Wodka noch phomenal. Er traf am Tage stets penible Vorsorge f den allabendlichen Suff. Aber was dann? Die Miete f das Ffzehnquadratmeterzimmer in einer heruntergekommenen Mietskaserne am Stadtrand, die so aussah und auch so roch, als wden vorbeiziehende Riesen regelmig darauf urinieren, konnte er nicht mehr aufbringen. Spestens in einem halben Monat wde diese bittere Wahrheit ans Tageslicht kommen. Nlich dann, wenn der Vermieter, ein vor Bluthochdruck rotangelaufener Sechzigjriger, der mehr aggressive Gier ausstrahlte als so manch achtzehnjriger Schwerkrimineller, in seinem Kontoauszug Seichtems Namen und die zu diesem Namen gehige Zahl vermissen wde. Gewi er konnte die Sache aufschieben. Ausreden erfinden, sich totstellen, die Schlupflher des Mietgesetzes ausnutzen. Es wde dann mit Sicherheit noch er ein Jahr dauern, bis man ihn aus diesem Drecksloch vertreiben konnte.
Wde er in einem Jahr noch leben? Er hatte ja schon jetzt kein Verlangen mehr danach. So gesehen brauchte er sich er den akuten Geldmangel auch keine Sorgen zu machen. Also doch etwas Positives! Aber was ist, wenn er sich nicht traute, wenn er in Wahrheit nur ein Selbstmitleidstheater veranstaltete, wenn er mit diesen Selbstmordgedanken nur spielte, um sich noch ein Weilchen die Illusion eines schnellen und schmerzlosen Abgangs zu erhalten? Schmerzlos? Wer sagte denn, daes ohne Schmerzen ablaufen wde? Gemeinhin erwartete man vom Tod doch eher das Gegenteil. Und man mue schon ein ziemlich cleverer Selbstmder sein, um seinen Abgang ohne jedes Leiden zu gestalten. Das war Ali nicht. Nach all den Ereignissen der letzten Zeit, nach der Implosion seines Lebens, nach dem Verlust von allem, was ihm je lieb und teuer gewesen war, nach dem Bankrott und den deprimierenden Folgeerscheinungen nun also auch das: Schmerzen!
Wie hat es nur dazu kommen knen? fragte sich der sche Ali zum tausendsten Mal, aber auch diesmal ohne eine einleuchtende Antwort zu finden. Wie konnte das nur geschehen? murmelte er in seine wie zum Wasserschfen gekrmten Hde, als zwischen diese der letzte Wodka geschoben wurde.
"Machen Sie schnell. In ff Minuten schlie ich ab", mahnte der Barkeeper in einer Mischung aus angeekeltem Mitleid mit dem obligatorischen letzten Sfer und dem Aufatmen er den bevorstehenden Feierabend.
Seichtem setzte das Glas an die Lippen und versuchte dabei verzweifelt an etwas Sches, an etwas Wmendes zu denken, um gegen die graue Kte gewappnet zu sein, die draun auf ihn lauerte wie ein wahnsinniger Horrorchirurg. Er fand eine Erinnerung, und es wurde ihm prompt warm ums Herz.
Er sah die ausgetretene Holzstufe in der ehemaligen Khe so klar und deutlich vor sich, als we sie direkt in seinen Kopf projiziert. Die eine Stufe unter der zum Garten frenden Glaste, die als Schwelle diente. Sie war her als eine gewnliche Stufe, und Ali hatte immer darauf gesessen und eine Zigarette geraucht, wenn er eine kurze Entspannung brauchte oder auf das Essen wartete. Jetzt saer wieder da, im Erinnerungsland, rauchte, und die Strahlen der Oktobersonne, die durch die Scheibe drangen, wmten ihm den Rken, tauchten den ganzen Ort in perfekte Harmonie. Und dann stand plzlich er im Raum. Mit tapsigen Schritten kam er auf ihn zu, ein Lheln im Gesicht, das zwischen staunender Freude er den Faxen machenden Papa und maoser Verblfung er das eigene erwachende Bewusein pendelte, und - so klein, so klein. Der Anblick dieser Erscheinung, halb niedlicher Troll, halb das unbeschwerte Kind, das er einst selbst gewesen war, wirkte auf Ali wie eine Glksdroge und lieihn, den Atheisten, inbrstige Dankesgebete an Gott senden.
Aber es war die falsche Erinnerung, jene, die er auf keinen Fall zulassen durfte, niemals, weil dann...
Seichtem sah sich im Spiegel er der Schnapsauslage. Er fand, daer nun gar nicht mehr so blendend aussah. Trenbhe hatten das Gesicht in das eines Grippeopfers verwandelt, aufgedunsen und rot gefleckt, als hte er Fieber. Aurdem wirkte er plzlich so hohlwangig wie der Insasse eines Terrorlagers, und me, so unendlich me.
Er zog das Portemonnaie aus der Hosentasche, holte daraus stliche Scheine hervor und warf sie auf die Theke. Der Barkeeper, der ihn vom anderen Ende der Theke beobachtete und dabei ungerrt ein Glas polierte, machte nicht den Eindruck, als lege er Wert auf kleinliche Zlerei. Es wde schon stimmen; Hauptsache der letzte Gast war aus dem Laden.
Seichtem ging aus der Bar in die kalte Dunkelheit des Mzmorgens hinaus, erflt von nur einem einzigen Gedanken: Damals, damals, damals...
Kapitel 2
Wie hat es nur dazu kommen knen? fragte sich Alfred Seichtem immer und immer wieder, wrend er wie ein angeschossener Schattenmann aus einem Gangsterfilm durch den Morgennebel torkelte. Trotz seiner Einmeterffundachtzig wirkte er in dem lgst zerschlissenen Windsor-Mantel - ein Relikt aus Zeiten, als Geld keine Rolle f ihn gespielt hatte - jetzt klein, ja nahezu buckelig, weil sein vom Alkohol verwirrter Gleichgewichtssinn dem Oberkper eine gekrmte Haltung aufzwang. Aurdem sah er den Bgersteig unter sich mal doppelt, mal schemenhaft. Ihm war el, und der Dunst, der ihn immer weiter einhlte, trug auch nicht gerade dazu bei, daer seine Umgebung deutlicher wahrnahm. Um so weniger lieer sich von der Frage ablenken, die sein Leben in den letzten Jahren begleitet hatte - und von deren einzig wahrer Antwort.
Ali wankte an herrschaftlichen Grderzeitgebden vorbei, die teils proper renoviert, teils infolge heilloser Zerstrittenheit der Erben verfallen waren. Dabei hangelte er sich an den niedrigen Vorgartenznen entlang und drohte dabei immer wieder auf die pfeilscharfen Eisenspitzen zu stzen. Er kannte dieses Viertel gut. Er hatte bis vor acht Monaten selber hier gewohnt. Und angesichts dieses f ihn unwiederbringlich verlorenen Paradieses versuchte er sich erneut einzureden, daes keine vernftige Antwort auf seine Frage ge. In Wahrheit jedoch kannte er die Antwort sehr gut. Er hatte sie schon immer gewu.
Die eigentliche Antwort hie daer nie wie sie gewesen war, nie dazugeht hatte.
Sie - damit waren die Bewohner des in sich geschlossenen Universums der sogenannten Kunst gemeint: die Malerkollegen, die Galeristen, die Ausstellungsmacher, die Kritiker, die Bildbandverleger, die Museumsdirektoren, die Meinungsfrer, die Kfer, die Verehrer, all die vom Licht angezogenen Motten, die mittels undurchschaubarer Beziehungen und Ratschlse das Schicksal eines Kstlers bestimmten. Daumen hoch oder Daumen runter. Aber warum? Dieses Ausgestonsein, das Leitmotiv von Seichtems Leben, klang nach heiligem Aunseitertum, nach wahrem Kstlertum, der Tragie des verkannten Genies mit Selbstverstmelungstendenz à la van Gogh, dem die Zeit schon Gerechtigkeit widerfahren lassen wde, in der entdeckungsshtigen Zeit von heute sogar noch bevor man starb. Die Wahrheit war jedoch, daes nie so ausgesehen hatte, als wde je ein Mensch auf die Idee kommen, in Seichtem ein brillantes Talent zu sehen, und daer sich seinerseits zeitlebens nichts sehnlicher gewscht hatte, als ein Teil des Mottenschwarms zu sein.
Ali war eine tragische Figur, weil er selbst auf dem Hepunkt seiner Karriere nicht herausgefunden hatte, worin die ungeschriebenen Regeln des Gewerbes bestanden und wovon es abhing, ob einer unsterblich und reich wurde oder als mittelmig wenn nicht sogar inakzeptabel galt. Sogar damals, ja, sogar in seinem von der Erinnerung verklten Damals war Alis Erfolg mitnichten darauf zurkzufren gewesen, daman ihn in der Szene f einen anbetungswdigen Kstler gehalten hte, sondern darauf, daseine Ware sich ordin gut verkaufte. Sie hatten ihm stets alles Schlechte gewscht. Das wue er.
Woran das lag, war ihm zunhst ein Rsel gewesen. Schon auf der Akademie hatte er die Erfahrung machen msen, daman ihn nicht ernst nahm. Anfangs hatte er die Theorie gehegt, es liege an seinem Aussehen. Die gron Meister wirkten auf ihren Selbstbildnissen entweder wie Geistesgestte mit glasigem Blick und Fuselbtchen oder wie todgeweihte Patienten einer Tuberkuloseklinik. Oder aber sie besan das ungeschlacht mnliche Charisma eines Picasso, welches bei der Popularisierung seines Genies rst hilfreich war. Jedenfalls geschah es in Malerkreisen wohl selten, dader Meister mit seinem eigenen Aktmodell verwechselt wurde, wie es Seichtem seinerzeit oft passiert war. Ein Maler sollte Kraft, Irrwitz, Kaputtheit, Roheit, ja eine gewisse Art von Brutalit ausstrahlen, hatte er schon damals festgestellt, auf keinen Fall jedoch Schheit.
Ali nahm sich diese Erkenntnis zu Herzen und leitete umgehend Gegenmaahmen ein, indem er sich schlampig kleidete, sich selten wusch und rasierte und keine Verwandlungskste scheute, um seinen Kaschmirpulloverlook gegen den eines Chaoten zu tauschen. Zudem legte er sich durch intensives Studium amerikanischer Undergroundliteratur in der Tradition von Charles Bukowski ein relhaftes Gehabe zu und gewnte sich das Trinken an. Zumindest dem letzteren sollte er von da an immer treu bleiben.
Das alles nzte natlich wenig, denn selbst in einer Kunstakademie, wo es vor lauter verrkten jungen Menschen nur so wimmelte, war der analytische Verstand nicht derart tiefergelegt, daman derartige Maner nicht durchschaut hte. Das Gegenteil war eher der Fall. Seichtem und seine Kunst wurden weiterhin kaum anerkannt. Und bald kannte er auch die wahre Ursache.
Dummerweise hing diese mit dem erbittertsten Streit in der modernen Malerei zusammen. Heutzutage wurde dieser Streit freilich nur noch von gelangweilt durch die Museen schlendernden, ihrer abendlichen Hotelsause entgegenhechelnden Touristen ein wenig aufgewmt. Nichtsdestotrotz war die Debatte jedem, der zum Kunstbetrieb gehte, so unangenehm bewu wie ein peinliches Familiengeheimnis, er das zwar jeder Bescheid wei das aber niemals ausgesprochen werden darf. Nach dem Motto "Der Kaiser ist ja nackt!" flte sich nlich fast jeder Banause von Tourist in Anbetracht eines modernen Gemdes genigt, auszurufen: "Das kann ich auch!"Dies war normalerweise der Zeitpunkt, an dem ein Kunstexperte an die Seite des Unkundigen zu treten und ihn darer aufzuklen hatte, daes sich bei dem Schfer der unergrdlichen Kleckserei keineswegs um einen talentlosen Hochstapler handelte, sondern um... Also das war so: Wenn ein moderner Maler die Binden seiner Frau auf eine Leinwand tackerte und das ganze als Kunst ausgab, so bedeutete das nicht unbedingt, dader gute Mann unfig war, das Mysterium des weiblichen Kpers mittels konventioneller malerischer Mittel zu thematisieren, oder daer sich als Kandidat f die Zwangsjacke empfahl. Nein, vielmehr bedeutete es, daer sich dabei etwas gedacht hatte! Dies war der Zauberspruch, das Sesam-fne-dich!, mit dem man die Welt der Kunst betrat. Der zeitgensische bildende Kstler liesich kaum mit der Elle des zeichnerischen Geschicks mehr messen, weil er seine Ausdrucksmlichkeiten im Vergleich zu seinen Kollegen in freren Zeiten ins Unendliche erweitert hatte. Der gewnliche Tourist, der in Anbetracht der an die Leinwand getackerten Binden "Das kann ich auch!" ausrief, mochte vielleicht, was die rein technische Ausfrung anging, im Recht sein. Doch da er sich im Gegensatz zu dem Kstler dabei nichts gedacht hatte, war das Endprodukt kstlerisch komplett wertlos. Kurz, das Gemde an sich spielte eine weit geringere, wenn nicht sogar erhaupt keine Rolle im Vergleich zu dem Theorienkonstrukt, in das es eingebettet war. Die thetik und die handwerkliche Finesse eines Bildes waren lgst der Idee gewichen oder besser gesagt der Propagandapower des Ideenschfers.
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Autoren-Porträt von Akif Pirinçci
Akif Pirini, geboren 1959 in Istanbul und aufgewachsen in der Eifel, drehte mit vierzehn Jahren seinen ersten Film f den Bayrischen Rundfunk und erhielt kurz darauf den Hspielpreis des Hessischen Rundfunks. Mit seinem Katzenkrimi 'Felidae', der als Trickfilm auch das Kinopublikum eroberte, schrieb er sich in die Herzen einer internationalen Fangemeinde. Die folgenden Romane stmten sofort die Bestsellerlisten, wurden in viele Sprachen ersetzt und erzielten weltweit Millionenauflagen. Akif Pirini lebt mit seinen Katzen in Bonn.
Bibliographische Angaben
- Autor: Akif Pirinçci
- 2001, 1, 382 Seiten, Maße: 13,5 x 19 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: Goldmann
- ISBN-10: 3442304997
- ISBN-13: 9783442304998
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