Die Deutschen und ihre Küche
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Wolfram Siebeck schildert auf amüsante Weise den kulinarischen Sonderweg der Deutschen. Er beschreibt die regionale Vielfalt von der Küste bis nach Bayern ebenso wie den Einfluss von Kriegen und Revolutionen auf unsere Essgewohnheiten. Und er erzählt, wie die Deutschen aus der Not heraus erfinderisch wurden (Ersatzküche!), ja, warum Spaghetti mit Tomatensauce ein typisch deutsches Gericht ist. Am Ende entsteht, wie nebenbei, ein Sittengemälde unserer Kochkunst.
Mit zahlreichen Illustrationen und klassisch-deutschen Rezepten von Armer Ritter bis Sauerbraten.
Die Deutschen und ihre Küche von Wolfram Siebeck
LESEPROBE
Vorwort
Die deutsche Küche hat viele Freundeund viele Kritiker. Die New York Times hält «German Cuisine»für einen Widerspruch in sich; weit reisende Schwarzbrot-Patrioten sehnen sichnoch am Ende der Welt nach Quark und Pellkartoffeln. Doch wie immer man zurdeutschen Küche steht, sie ist eine Erfolgsstory: Am Anfang war die pureSättigung heute wird vielerorts die Kochkunst gefeiert.
Man könnte fast von einem Märchensprechen. Denn schon die Geschichten von Hänsel und Gretel oder dem «süßenBrei» zeugen von einer geradezu schicksalhaften Beschäftigung der Deutschenmit ihrem Essen wo ein Topf ständig aufs Neue Mus produziert, liegt es nahe,dass eher dem Stillen des Hungers als dem raffinierten Genuss die Sehnsucht derdeutschen Esser galt.
Wer hungrig ist, will satt werden möglichst schnell und dauerhaft. Dieser Wunsch war verständlicherweise nie derVater einer Gourmetküche. Kein Wunder also, dass bei uns bis in die jüngsteVergangenheit meist ohne großen Anspruch gekocht wurde.
Aber auch unsere Nachbarn im Westenund im Süden waren lange Zeit arm; auch bei ihnen bildete eine bäuerliche Küchemit ihren rustikalen Rezepturen die Grundlage für das, was später diejeweiligen Landesküchen prägen sollte. Doch sie investierten in ihr Essen einegehörige Portion Phantasie. So kam es, dass dort die zur Verfügung stehendenProdukte sorgfältiger, ja liebevoller bearbeitet wurden. Auf eine Art, diefeinschmeckerische Ambitionen verriet. In Deutschland dagegen blieben dieKutteln meist den Hunden überlassen, landeten Tierköpfe auf dem Müll, und dieBürger grausten sich vor fast allen Innereien, die sie nicht in ihreberüchtigten Würste stopfen konnten. Bei uns wurde nur selten mit Liebe gekocht.
Diese geläufige Redensart meintkeineswegs die Liebe einer Mutter für ihre hungrigen Kinder. Mit Liebe kochen heißtnichts anderes, als dass man das Kochen liebt. Dass man Liebe empfindet für denSchweinsfuß, den man entbeint, trüffelt und mit Foie gras füllt; die Liebe zu den Kaldaunen, deren Garwerden man geduldig abwartet und die man zärtlichwürzt. Die Liebe zum Produkt ist Voraussetzung für eine Küche, die von denMitbewohnern unseres Erdballs respektvoll akzeptiert und vielleicht sogarbewundert wird, so wie es mit der französischen, chinesischen und derjapanischen Küche seit langem geschieht. Die deutsche Küche aber war oft leidernur ein Witz für unsere Nachbarn, ein mit Sauerkraut und Eisbein angereicherterLacherfolg.
Die unterschiedlichen Mentalitätenim Umgang mit dem Essen wurden schon am Prunkbedürfnis der Fürstenhöfesichtbar während französische Adelige sich gegenseitig die Köche abwarben,deren meisterliche Pasteten Beifall bei der feinen Gesellschaft fanden, liebteunsere protestantisch- preußisch geprägte Gesellschaft den Parademarsch der Armeeund sprach von der «Gulaschkanone» mit militärischem Stolz.
Als dann die Guillotine das Ancien Regime beseitigte, standen plötzlichDutzende von erstklassigen Köchen auf den Pariser Boulevards. Ihre verwöhntenArbeitgeber waren kopflos ins Exil gerannt, worauf die hochqualifiziertenBratenwender Restaurants eröffneten und auf eigene Rechnung arbeiteten. Diesich daraus entwickelnde Gastronomie wurde zur Keimzelle für den französischenNationalsport, die Feinschmeckerei. Die Grande Cuisinewar geboren. Aber eben nicht bei uns. Die ostelbischenJunker prägten lange den preußischen Geist, der die welschen Nachbarn wegenihrer verweichlichenden Genusssucht verachtete.
Wie ist es also vorstellbar, dassdie Enkel unserer Ritter- kreuzträger plötzlich Gourmet-Restaurants gründetenund begannen, mit französischen und italienischen Spitzenköchen um die Wettezu kochen?
Denn genau das ist geschehen. So wiesich deutschnationale Patrioten in friedliche Demokraten verwandelten, soereignete sich in den letzten dreißig Jahren die nicht minder wunderbareMetamorphose der deutschen Quark-Apologeten zu angehenden Feinschmeckern. Manmag sich fragen, ob die Hinwendung zu raffinierten Rezepturen und Kochtechnikensich der phänomenalen Reiselust verdankte, mit der man fremden Menschen in ihreexotischen Töpfe gucken konnte, oder ob es die Pilgerfahrten zu berühmtenRestaurants waren, die dazu führten, dass die Deutschen das bessere Kochen fürsich entdeckten.
Nach und nach entlud sich dasFüllhorn der Delikatessen auch hierzulande vor ihren Füßen, und die Deutschen genossenmit der ihnen eigenen Gründlichkeit. Heute steht Deutschland, das mehrerstklassige Restaurants aufweist als alle anderen europäischen Nationen (außerFrankreich), plötzlich in dem Ruf, ein Feinschmecker-Paradies zu sein.
Nun gibt es Indizien, die diesenFortschritt relativieren. Der allgemeine Qualitätsschwund bei den Produkten,der nicht zuletzt durch EU-Vorschriften gefördert wird, bewirkt überall einenVerfall der Esskultur. Das ist zwar auch in Frankreich zu spüren, in Englandoder Italien. Nur steuern wir eine typisch deutsche Zutat bei: unsere mangelndeGroßzügigkeit, unseren Geiz. Er wirkt sich nicht nur auf die Qualität der Produkteaus, sondern auch auf Geselligkeit und Lebensfreude. In keinem zivilisiertenLand gibt es diese Szene, dass eine Tischgesellschaft nach einem Mittagessen ineinem Restaurant getrennt zahlt. In Deutschland aber verlangt jeder eine eigeneRechnung.
Erst dort, wo am hellen Tage Zeitund Geld für kulinarischen Genuss investiert wird, kann man von Esskultur reden.Das gehört zu jener Lebensart, die bereits während eines englischen Picknickssichtbar wird und ihre Apotheose im Garten eines Pariser Luxushotels findet beidem, was man ein Champagner-Frühstück nennt. Das ist die Stunde, da DeutschlandsBosse sich einen Cheeseburger ins Büro bringen lassen.
Vielleicht ist die Hinwendung zurdeutschen Regionalküche, die Besinnung auf so manche gute Tradition, die bei unsseit einiger Zeit auch in der Spitzengastronomie beobachtet werden kann, mehrals ein modischer Trend. Denn trotz ihrer jahrhundertelangenMangel- und Hungererfahrung ist es den Deutschen dochimmer wieder gelungen, aus der Not
heraus erfinderisch zu werden. Sogibt es in der deutschen Küche einiges zu entdecken und zu preisen. Davon solldieses Buch zeugen. Wenn traditionelle Gerichte durch die moderne Kücheverfeinert werden, besteht die Chance, dass auch die «German Cuisine» zu den besseren Nationalküchen gezählt werdenkann.
© Rowohlt Berlin Verlag
- Autor: Wolfram Siebeck
- 2007, 1, 256 Seiten, mit farbigen Abbildungen, Maße: 17 x 24,5 cm, Deutsch
- Verlag: Rowohlt, Berlin
- ISBN-10: 3871345830
- ISBN-13: 9783871345838
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