Die Entdeckung der Faulheit
Fleiß und Einsatz rentieren sich heutzutage nicht mehr. Wer nur noch für die Firma lebt, kommt trotzdem nicht weiter.
Das ist die ketzerische These von Corinne Maier. Frech und witzig beschreibt sie, wie man auch ohne Selbstaufgabe seinen Job behält....
Fleiß und Einsatz rentieren sich heutzutage nicht mehr. Wer nur noch für die Firma lebt, kommt trotzdem nicht weiter.
Das ist die ketzerische These von Corinne Maier. Frech und witzig beschreibt sie, wie man auch ohne Selbstaufgabe seinen Job behält.
Die Französin Corinne Maier, geboren 1964, ist Politologin und Volkswirtin.
Die Entdeckung der Faulheit von Corinne Maier
LESEPROBE
Einführung
Das Unternehmen ist keinehumanistische Institution
»Arbeiten Sie nie«, sagte der Situationist Guy Debord.
Was für ein wunderbarer Plan,allerdings nur schwer
zu verwirklichen. Deshalb sind ja soviele Menschen in
einem Unternehmen angestellt; undobwohl vor allem
die großen die Welt lange Zeitgroßzügig mit Arbeitsplätzen
versorgten, ist merkwürdigerweisedennoch
jedes Unternehmen ein mysteriösesUniversum, womöglich
gar ein Tabuthema. In diesem Buchsoll im
Klartext und ohne Phrasendreschereidarüber gesprochen
werden.
Hört, hört, Ihr mittlerenAngestellten großer Betriebe!
Dieses provozierende Buch soll Sie»demoralisieren
«, genauer gesagt, es soll IhreArbeitsmoral untergraben.
Es wird Ihnen helfen, sich desUnternehmens
zu bedienen, in dem Sie beschäftigtsind, während bisher
lediglich Sie dem Unternehmendienten. Es wird
Ihnen erklären, warum es in IhremInteresse ist, so
wenig wie möglich zu arbeiten, und wieman das System
von innen torpediert, ohne dabeiaufzufallen.
Ist Die Entdeckung der Faulheit einzynisches Buch?
Ja, und zwar absichtlich, dasUnternehmen ist schließlich
auch keine humanistischeInstitution! Es kümmert
sich nicht im Geringsten um das Wohlergehenseiner
Mitarbeiter und respektiert dieWerte, die es lauthals
verkündet, selbst nicht. Dasbeweisen doch all die Finanzskandale,
von denen die Nachrichten voll sind,
und die Sozialpläne, die in rauenMengen erstellt werden.
Und eine Vergnügungspartie ist dieArbeit in
einem Unternehmen schon gar nicht.Es sei denn, man
beschließt, sich von nun an darüberlustig zu machen.
Löst das Unternehmen sich inErnüchterung auf?
Millionen von Menschen arbeiten ineinem Unternehmen,
und dennoch ist es eineundurchschaubare Welt.
Das liegt daran, dass diejenigen,die darüber sprechen,
ich meine dieUniversitätsprofessoren*, nie dort gear-
beitet haben; sie wissen nichts.Diejenigen, die etwas
wissen, hüten sich wohlweislich,darüber zu sprechen;
die Unternehmensberater, die sicheilig aus dem Staub
gemacht haben, um ihren eigenenBetrieb aufzumachen,
hüllen sich in Schweigen, denn siehaben kein
Interesse daran, den Ast abzusägen,auf dem sie selbst
sitzen. Das Gleiche gilt für dieManagement-Gurus,
die die Geschäftswelt mit gutenRatschlägen überschütten
und lächerliche Modetrends in dieWelt setzen,
an die sie selbst nicht glauben.Deshalb haben die
ungenießbaren Machwerke über»Management« für
das Unternehmen den gleichenStellenwert wie die
Lehrbücher über Verfassungsrecht fürdas politische
Leben: Durch sie wird man gewissnicht verstehen, wie
der schmilblick*funktioniert.
Dennoch werden inzwischen Stimmenlaut, die das
Unternehmen so zeigen, wie eswirklich ist. Den Anfang
haben Romane gemacht, die es wagten,die gedämpften
Flure von Arthur Anderson (er hat2002 Bankrott gemacht)
oder das Gebäude der GAN (Groupe des Assu-
rances Nationales) im Pariser Vorort La Défense (das
anscheinend nicht zu stürzen ist)als Hintergrund zu
wählen. Ein mutiger Schritt, dennman kann sich nur
schwer vorstellen, dass Romeo undJulia über Cashflow
diskutieren, Akten schließen, JointVentures erfinden,
Synergien überschlagen undOrganigramme zeichnen.
Das Unternehmen, so viel ist sicher,ist nicht der Schauplatz,
an dem sich edle Leidenschaften wieMut, Großzügigkeit
und Aufopferung für das Gemeinwohlentfalten.
Es ist kein Ort zum Träumen.Aber Moment mal
Wenn es nicht der Hauptort ist, andem Menschen sich
bei der Verwirklichung hehrerAufgaben voller Tatendrang
begegnen, weshalb erprobenHochschulabsolventen
ihre Talente dann traditionell ineinem Unternehmen,
vorzugsweise in einem großen?
Als ich selbst zu arbeiten begann,befand sich das
Unternehmen im Aufwind, und allessah ganz danach
aus, als könnte es die Werte dessozialen Aufstiegs und
den freiheitlichen Geist des Mai 68unter einen Hut
bringen. Oh, weh! Die Ernüchterungfolgte alsbald. Ich
bin nun schon lange dabei und hatteZeit genug, um
festzustellen, dass man uns belogenhat. Dass im Unternehmen
keine beschwingte Tanzstimmungherrscht: Es
ist nicht nur langweilig, sondernpotentiell brutal. Sein
wahres Gesicht tritt umso deutlicherzutage, seit die
Internetblase geplatzt ist undFinanzskandale die Aufla-
gen der Zeitungen hochtreiben. DerZusammenbruch
der Börsenkurse von Vivendi, France Telecom, Alcatel
und anderen hat noch mehr Salz indie Wunden gestreut,
denn dadurch wurde das Vermögen vonTausenden
von Angestellten, die zugleichAktienbesitzer waren
und bis dahin in blinder Treue dendraufgängerischen
Reden ihrer Manager vertrauten, inden Sand gesetzt.
Das Schlimmste aber ist das Gemetzelvon 2003, in dem
sich die dunkle Seite desUnternehmens offenbarte. Die
Entlassungspläne werden immerzahlreicher: STMicroeletronics,
Alcatel, Matra,Schneider Electric
Das Unternehmen ist am Ende. Manmuss den Tatsachen
ins Auge sehen: Es ist nicht mehrder Ort des
Erfolgs. Der soziale Aufzug istblockiert. Die Sicherheitsgarantie
der Diplome schwindet dahin, die Renten
sind in Gefahr, und die Karriere istnicht mehr
selbstverständlich. DieSechzigerjahre mit ihrem Fortschrittsfieber,
in denen die Karriere wieselbstverständlich
gesichert war, liegen weit hinteruns. Der Wind hat
sich gedreht, und schon betteln flüchtendeüberqualifizierte
Diplominhaber um obskure Posten alsBürohengste
in der Verwaltung.
* Ich bin ihnen gegenüber einbisschen gemein, ich muss gestehen,
dass ich neidisch bin. Mein Job ist zwar besser bezahlt als ihrer, aber er ist
weniger chic. Aber ich gebe zu:Manche Professoren haben interessante
Arbeiten über das Unternehmenpubliziert, vor allem die Soziologen.
* Der »Schmilblick«ist eine berühmte Radiosendung aus den Siebzigerjahren,
die von dem Komiker Coluche in einem gleichnamigen Sketch auf die Schippe
genommen (und dadurch unsterblich gemacht) wurde. Der schmilblickhat sich
zu einem weithin gebräuchlichen Begriff in Unternehmen entwickelt: Man
vermeidet damit genauere Aussagen über das, was man gerade tut,
wichtig ist nur, dass diese unbestimmte Arbeit voranschreitet.
©Goldmann Verlag
Übersetzung:Hanna van Laak
- Autor: Corinne Maier
- 152 Seiten, Maße: 12,7 x 20 cm, Kartoniert (TB), Deutsch
- Verlag: Arkana
- ISBN-10: 3442301130
- ISBN-13: 9783442301133
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