Die Geliebte des Pilatus
Es ist das Jahr 29 nach Christus. Eine geheimnisvolle Schöne, ein römischer Offizier, ein nubischer Fürstensohn, ein indischer Schankwirt: sie alle ziehen in der bunt zusammengewürfelten Karawane des Händlers Demetrios von der südarabischen Weihrauchküste...
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Produktinformationen zu „Die Geliebte des Pilatus “
Es ist das Jahr 29 nach Christus. Eine geheimnisvolle Schöne, ein römischer Offizier, ein nubischer Fürstensohn, ein indischer Schankwirt: sie alle ziehen in der bunt zusammengewürfelten Karawane des Händlers Demetrios von der südarabischen Weihrauchküste in Richtung Mittelmeer. Doch was ist der wahre Zweck ihrer Reise? Alle scheinen insgeheim ganz eigene Pläne und Ziele zu verfolgen. Als zwei der Mitreisenden tot aufgefunden werden, ist dies nur der Anfang einer Kette von Verrat, Überfällen und Intrigen, in deren Folge ein Teil der Reisenden brutal verschleppt wird. Als die schöne Kleopatra endlich mit dem verbliebenen Rest der Karawane in Jerusalem eintrifft, macht sie sich auf die Suche nach den verschwundenen Mitreisenden. Ihr Weg führt sie in die Oase Ao Hidis, wo ein rebellischer Räuberfürst den Aufstand gegen Rom probt. Es kommt zum blutigen Kampf - und am Ende wird nicht nur Kleopatras Geheimnis gelüftet sein ...
Klappentext zu „Die Geliebte des Pilatus “
Es ist das Jahr 29 nach Christus. Eine geheimnisvolle Schöne, ein römischer Offizier, ein nubischer Fürstensohn, ein indischer Schankwirt: sie alle ziehen in der bunt zusammengewürfelten Karawane des Händlers Demetrios von der südarabischen Weihrauchküste in Richtung Mittelmeer. Doch was ist der wahre Zweck ihrer Reise? Alle scheinen insgeheim ganz eigene Pläne und Ziele zu verfolgen. Als zwei der Mitreisenden tot aufgefunden werden, ist dies nur der Anfang einer Kette von Verrat, Überfällen und Intrigen, in deren Folge ein Teil der Reisenden brutal verschleppt wird. Als die schöne Kleopatra endlich mit dem verbliebenen Rest der Karawane in Jerusalem eintrifft, macht sie sich auf die Suche nach den verschwundenen Mitreisenden. Ihr Weg führt sie in die Oase Ao Hidis, wo ein rebellischer Räuberfürst den Aufstand gegen Rom probt. Es kommt zum blutigen Kampf - und am Ende wird nicht nur Kleopatras Geheimnis gelüftet sein ...
Lese-Probe zu „Die Geliebte des Pilatus “
Die Fürstin und der KriegerEin Gesetz verbot es Männern, sich durch seidene Gewänder zu schänden.
Gaius Cornelius Tacitus
... im seidenen Kleidchen zeigt sie sich dir, fast nackt ...
Quintus Horatius Flaccus
Duftende Salbe, das Gefühl kühler Seide auf gekühlter Haut, und die Gewißheit, sich beides nicht mehr lange leisten zu können. Der Vorrat an Goldmünzen war beinahe aufgebraucht. Aber in das Bedauern mischte sich die Überzeugung, Gold, Salbe und Seide wieder beschaffen zu können. Solange die Haut und der Körper nicht verfielen.
Nach dem ersten Mann, mit 13, hatte sie befürchtet, mit 20 werde sie so verbraucht und mit 25 so runzlig sein wie die Frauen aus den Bauerndörfern. Nun war sie 26, die Befürchtungen hatten sich verflüchtigt, und im Augenblick bedauerte sie nur, daß es hier kein richtiges Bad gab. Ein römisches Bad, mit Becken für heißes, laues und kaltes Wasser, und mit Badesklaven, die reiben und striegeln, und üppige Mengen Salbe...
"Ist es recht so, Herrin?"
Kleopatra ließ die mit glänzendem Silber belegte Bronzescheibe sinken. Der aufgetürmte Schopf erinnerte ein wenig an eine Pyramide - eine schlanke dunkle Pyramide, mit den edelsteinbesetzten Spangen als Leitern. Aber Pyramiden hatten gewöhnlich eine Oberfläche aus Stufen; wer brauchte da Leitern? Und wer, außer arabischen Läusen, sollte ihren aufgetürmten Schopf erklimmen wollen?
"Es ist gut. Du kannst gehen."
Glauke neigte den Kopf. Geräuschlos glitt sie von dem breiten Schemel, auf dem sie gekniet hatte, und ging zur Tür. Vor dem schweren Ledervorhang, der Kleopatras Raum von dem ihrer drei Begleiterinnen trennte, blieb sie stehen und wandte sich um.
"Hast du Wünsche, Fürstin, oder kann ich eine Weile an den Hafen gehen?"
"Thais wird gleich hier sein. Wenn ich dich brauche, wird sie dich holen. Geh nur."
Nicht, daß sie verstünde, was Glauke zum Hafen zog. Kleopatra mißtraute dem Meer. Gleich welchem. Roms Meer im Norden, das Rote Meer, das sie überquert
... mehr
hatten, oder dieser Teil des großen Meeres, das zwischen Arabien und Indien lag - drei Ansichten des gleichen Ungeheuers. Es fraß Schiffe und Männer und Geld; wogen eßbare Fische, Muscheln und Krebse das auf? Vielleicht der Handel... Aber es war nicht die Zeit, sich solch sinnlosen Gedanken hinzugeben.
Sie erhob sich aus dem beschnitzten Scherensessel und ging zum Fenster. Nicht ganz; nur so weit, daß sie im Schatten stehend, von außen unsichtbar, selbst alles sehen konnte, was auf dem Platz geschah.
Nicht viel, dachte sie. Mit Bedacht hatte sie diese Zeit gewählt, den frühen Nachmittag, da die meisten Leute des Orts sich in den Häusern aufhielten. Der Römer würde bemerkt werden, aber nicht von vielen. Man würde darüber reden - tuscheln, und Getuschel konnte Unwichtiges bedeutend machen.
Thais würde nicht gleich hier sein. Glauke war am Hafen, Arsinoë bei der Gattin des Handelsherrn Baschama, der die wenigsten Vorbehalte gegen Fremde zu haben schien. Thais hatte den Auftrag, sich bei den Frauen der Fischer und Seeleute an der langen nördlichen Bucht umzuhören, ob jemand etwas über Boote wußte, die ins Rote Meer fahren könnten, nach Norden.
"Aber da kommen wir doch her", hatte Thais gesagt.
"Was nicht heißt, daß wir ewig hier bleiben müssen, oder?"
Kleopatra preßte die Lippen aufeinander. Thais und Arsinoë wußten, daß sie weggeschickt worden waren, und sie würden sich wie angewiesen bemühen, früh und überraschend genug zurückzukommen, um zu sehen. Glauke, am Hafen, würde den Römer ohnehin sehen, wenn er das Gasthaus betrat. Ihrem Gesicht war deutlich zu entnehmen gewesen, daß sie sich fragte, für wen die Fürstin mitten am Tag ihre Haare gelegt, gerollt, getürmt haben wollte.
"Für mich", murmelte sie. "Für wen denn sonst?"
Dort kam der Römer. Vor dem Haus der Händler - ah nein, vor dem Tempel des Regengottes blieb er stehen und betrachtete die Rückseite des Gasthauses. Sie war sicher, daß er sie hier oben nicht sehen konnte; dennoch trat sie einen Schritt zurück.
Im Geiste ging sie noch einmal alles durch. Was sie wollte; was sie ihm sagen würde; was sie verschweigen mußte; was sie sich scheinbar widerstrebend würde entlocken lassen...
'Männer sind so leicht zu foppen', sagte sie sich. Aber sie durfte nicht den Fehler machen, diesen Valerius Rufus zu unterschätzen. Er mochte einer Nebenlinie angehören, aber die Valerii waren alt und reich und wichtig. Rufus schien gebildet zu sein, hatte Witz, und kein Präfekt des Reichs schickte einen Trottel an eine so wichtige, wiewohl abgelegene Stelle, wo er mit drei Dutzend Kriegern die Anliegen des Imperiums fördern oder verderben konnte. Kein Trottel; und gewiß kein einfacher Centurio.
Es klopfte an der Holztür, die den vorderen Raum von der düsteren Treppe trennte. Kleopatra schob den Ledervorhang beiseite und rief:
"Wer ist da?"
Die Tür wurde halb geöffnet; der Kopf des Wirts erschien.
"Herrin - ein Römer will dich sprechen."
Kleopatra verbiß sich das Lachen. Der Besitzer des Gasthauses klang beinahe unterwürfig; wie er "Römer" gesagt hatte, hätte er auch "Seeungeheuer" sagen können; außerdem war der Anblick des mit gelbem Tuch umwickelten Kopfs, der in der Türöffnung zu schweben schien, seltsam genug, auch ohne die Hand, die aus dem dunklen Nichts der Treppe kam und im Bart wühlte.
"Zeig ihm den Weg - sei so gut", sagte sie. Dabei dachte sie an ihre Ankunft, vor einem Mond; damals war der Wirt keineswegs unterwürfig gewesen. Er hatte auf die Vorzüge seines Hauses verwiesen, auf das ehrwürdige Alter, auf die Beliebtheit bei weitgereisten Händlern - all dies zweifellos Vorspiel zur Verkündung hoher Preise. Sie hatte eine Goldmünze hochgehalten - einen römischen Aureus - und gesagt, diesen werde sie lieber woanders ausgeben. Ein Haus, das zweihundert Jahre alt sei, könne jederzeit einstürzen, und sie wolle Ruhe, nicht die Gesellschaft zahlloser Inder, Perser und Araber. Das Haus sei durchaus standfest und werde nicht in den Hafen rutschen, hatte er darauf behauptet, und weitgereiste lärmende Gäste gebe es zur Zeit kaum. "Dann", hatte Kleopatra gesagt, "wirst du dich hoffentlich freuen, wenigstens uns zu sehen und uns zwei Räume zu überlassen, für einen Mond, gegen diese Münze."
Nach einigem Gezeter einigten sie sich auf einen Aureus für elf Tage. 'Männer sind so leicht zu foppen', sagte sie sich noch einmal, und sie erinnerte sich mit Vergnügen an das grimmige Gesicht der Frau des Wirts, während sie schon die kräftigen Schritte des Römers im Treppenhaus hörte.
"Rom zu Füßen der edlen Herrin", sagte er, als er eintrat. Statt eines Fußfalls deutete er jedoch lediglich eine Neigung des Kopfs an; eher ein Nicken.
"Rom darf sich aus dieser unbequemen Haltung erheben." Sie wandte sich ab und ging ins andere Zimmer zurück.
Rufus folgte; als er sich dem Scherensessel näherte, in dem sie wieder Platz genommen hatte, sah sie die schnellen Blicke, mit denen er die bunten Wandbehänge, die schweren dunklen Bohlen, die Truhen aus schwarzem Holz musterte. Und das Bett. Auf dem lederbespannten Gestell lagen Decken und Felle; sie lagen nicht sehr ordentlich, weil Kleopatra sie absichtlich zerwühlt hatte.
"Du kannst dich hierhin setzen." Mit dem Fuß wies sie auf einen Schemel. "Oder dorthin" - mit dem Kinn deutete sie auf einen zweiten - "oder auf das Bett."
Rufus lächelte. "Der Krieger, dem eine Fürstin ihr Bett anbietet, sollte den Helm fester schnallen und den Schwertgriff in die Hand nehmen." Ohne sie aus den Augen zu lassen, zog er mit dem rechten Fuß einen der Schemel heran und setzte sich.
"Meine Begleiterinnen sind nicht da, deshalb kann ich dir nichts zu trinken bieten."
"Ich bin gekommen, mich an deinen Worten zu laben." Er stützte die Ellenbogen auf die Oberschenkel und bettete das Kinn auf die verschränkten Finger. "Weshalb hast du mich hergebeten?"
"Zwei Untertanen des Augustus Tiberius, am Ende der Welt gewissermaßen, sollten sich vielleicht verständigen."
"Verständigen?" Diesmal war Rufus' Lächeln schräg. Fast zweideutig. "Wie Edle in der Fremde? Wie Diebe in der Nacht?"
"Sagen wir, wie Edle, die von Räubern zu unterscheiden möglicherweise nicht ganz einfach ist."
Er schwieg ein paar Atemzüge lang. "Worauf läuft das hinaus?" sagte er dann. "Haben wir gemeinsame Ziele?"
Kleopatra unterdrückte jede Regung, die sich auf ihrem Gesicht hätte zeigen können. Triumph, zum Beispiel, weil sie schneller als erwartet - und leichter als erhofft - an diese Stelle gelangt war. Sie senkte den Blick.
"Kann ich mich dir ausliefern?" Sie fand ihre Stimme überzeugend: ein wenig verzagt, dennoch nicht demütig. Die Fürstin, die Hilfe sucht, aber nicht darum bittet.
"Versuch es", sagte Rufus. "Ich kann dir nichts versprechen, außer, in gewisser Menge, Ehrlichkeit."
"Ehrlichkeit und Redlichkeit, Tugenden eines römischen Kriegers?"
"Jemand hat einmal gesagt, Tugend ist nichts, was hemmt, sondern fördert. Fühl dich also gefördert."
Sie tat, als ob sie zögerte; dann holte sie Luft und gab sich einen sichtbaren Ruck. "Nun denn. Ich brauche Hilfe, für die ich vielleicht erst zahlen kann, wenn sie mir geholfen hat, das Ziel zu erreichen."
Rufus lehnte sich ein wenig zurück und verschränkte die Arme.
Sie wartete; als er nichts sagte, sprach sie weiter. "Es gibt etwas, das mir genommen wurde. Ich will es wiederbeschaffen; danach werde ich jede Hilfe belohnen können, die ich erhalten habe, und nie wieder neue Hilfe benötigen."
"Wir sind nicht hergeschickt worden, um verlorene Gegenstände zu suchen", sagte Rufus. "Wir schützen den Frieden des Imperiums. Und den Handel."
"Ich weiß. Aber als ich neulich in eurem Lager war, habe ich etwas gehört. Etwas, das mich auf gemeinsame Ziele hoffen läßt."
"Und zwar?"
"Daß ihr Adane verlassen und nach Norden gehen werdet."
"Ah." Rufus verzog das Gesicht. "Hat da wieder jemand nicht den Mund halten können?"
"Sei ihm nicht böse. Und mir auch nicht." Kleopatra lächelte. "Du weißt, wie schwer es einsamen Kriegern fällt, schönen Frauen gegenüber zu schweigen."
"Hat also jemand einer deiner Begleiterinnen etwas gesagt? Du warst ja die ganze Zeit mit mir zusammen."
"Was sich verlängern und ausschmücken ließe." Eigentlich hatte sie an dieser Stelle den gewaltigen Augenaufschlag vorgesehen, den Großen Blick; sie sagte sich aber, daß Rufus schon ausreichend geködert war und einer Darstellung der Kuhäugigen Aphrodite nicht bedurfte. Vielleicht wüßte er sie auch nicht zu würdigen. Und in dem Spiel von Anziehungen und Abstoßungen, das sie entwarf, durfte sie nichts übertreiben.
"Verlängern und ausschmücken?" Rufus deutete ein schräges Lächeln an, blickte zum Bett, dann wieder in ihr Gesicht. "Sag mir doch einfach, was du willst."
"Das ist nicht einfach. Es ist - mehrfach."
Rufus nickte. "Mehrfach ist immer gut. Sprich."
"Ich will versuchen, es so schlicht wie möglich zu sagen. Ein Teil der Geschichte betrifft den Präfekten von Judäa."
"Pontius Pilatus?" Rufus hob die Brauen. "Was hat er... aber sprich einfach weiter; ich lausche."
"Auf dem Weg von Rom nach Judäa hat er sich eine Weile in Alexandria aufgehalten. Wie du sicher weißt. Dabei haben wir" - sie blinzelte - "angenehme Stunden miteinander verbracht. Im vorletzten Winter kam er von Caesarea aus noch einmal nach Alexandria; so haben wir uns wiedergesehen." Sie machte eine Pause.
Rufus schloß die Augen; mit einer Stimme, die für Kleopatra künstlich gelangweilt klang, sagte er: "Gehört die Wiederholung von Liebschaften zu den Dingen, die ein Centurio zu fördern hat?"
"Hör mich an, dann wirst du wissen, daß es um mehr geht. Viel mehr. Pilatus bat mich, die Ohren offenzuhalten. Falls ich etwas höre, das ihn betreffen könnte, sollte ich es ihm weitergeben. Die Juden von Alexandria sind einflußreich, wie alle wissen, und einige sind im ganzen Imperium bekannt."
"Meinst du Philo?"
"Den auch, aber neben Schreibern und Denkern gibt es andere. Gleichviel; ich habe etwas über eine Verschwörung gehört."
"In Alexandria?"
"Zwischen Jerusalem und Alexandria, gegen Pilatus. Es geht um Tempelgeld und eine Wasserleitung."
Rufus lachte, aber es klang freudlos. "Er hat das Richtige getan, sage ich. Unverzeihliche Blasphemie, sagen die Juden."
Kleopatra hob die Hand. "Ich weiß nicht genug darüber, und vielleicht sollten wir nicht urteilen."
"Nein? Der Präfekt muß urteilen. Jerusalem mit frischem Wasser zu versorgen gehört zu seinen Aufgaben; daß er die Leitung mit dem Geld hat bauen lassen, das Juden aus aller Welt zum Tempel schicken?" Er grinste. "Gerissen von ihm, unverzeihlich in den Augen der Juden. Aber sag, wie willst du, ohne zu urteilen, das Imperium verwalten?"
"Ich will es gar nicht. Dafür seid ihr zuständig."
Er knurrte leise. "Weiter", sagte er dann.
"Als ich diese Dinge hörte, war ich auf dem Weg nach Koptos, zu meinen Besitzungen. Ich bin wohl leichtsinnig gewesen und habe auf dem Nil, auf dem Schiff, ein falsches Wort gesagt. Bevor ich noch an Pilatus hatte schreiben können."
"Derlei kommt vor, sogar bei Fürstinnen."
Sie erzählte weiter, schnell, erfindungsreich und gesammelt: über den römischen Händler, einen 'Neuen Reichen', der seit langem ihre Länder und Häuser begehrt und sich nun mit einem jüdischen Geschäftsfreund zusammengetan habe, um sie zu berauben und zugleich zum Schweigen zu bringen; über bestochene Männer in der Verwaltung des Gaus von Theben; über die hastige Flucht durch die Wüste nach Berenike; über die nahenden Verfolger, vor denen sie sich auf ein auslaufendes Schiff gerettet habe.
"Und nun, da ich höre, daß ihr bald nach Norden geht", sagte sie schließlich, "bitte ich darum, mit euch reisen zu dürfen. Vier Frauen allein, du weißt..."
Rufus nickte. "Ich nehme an, du willst Pilatus warnen und ihn außerdem bitten, dir zu deinen Gütern zu verhelfen?"
"Beides. Und noch etwas."
"Noch mehr? Was denn noch?"
"Der verlorene Gegenstand."
Rufus seufzte.
"Vielleicht kostbarer", sagte Kleopatra langsam, "als all das, was diese beiden Händler mir genommen haben." Sie erhob sich aus dem Scherensessel und ging zum Fenster.
"Löse das Rätsel und meine Spannung, Herrin." Aber seine Stimme, fand sie, klang keineswegs gespannt.
Arsinoë stand vor dem Tempel des Regengottes und schien zwei Männer zu beobachten, die sich mit einem störrischen Esel abmühten. Als Kleopatra eine Hand auf den Sims legte, nickte Arsinoë und setzte sich mit kleinen Schritten in Bewegung. Kleopatra wandte sich um und ging zu dem Römer.
"Kostbarer", sagte sie leise, mit belegter Stimme, "als Gold oder teure Salben." Dabei bewegte sie sich so, daß der Duft ihres Körpers Rufus erreichen mußte.
Er hob die Hand; einen Augenblick dachte sie, er werde gleich den Arm um ihre Hüfte legen.
"Kostbarer Duft, fürwahr", sagte er. "Erzähl mir von dem Gegenstand." Er blickte zu ihr auf und kratzte sich im Nacken.
"Eine Fundstätte. Smaragde."
Rufus pfiff leise. "Was ist damit? Wie kann eine Fundstätte von Smaragden verlorengehen?"
"Sie befindet sich in einem Felsental, in der Wüste. Als die Römer... als Augustus Ägypten eroberte, wurden alle Zugänge verschlossen, die Schächte zugeschüttet. Der Weg und ein paar Hinweise darauf, wie alles wieder zu öffnen wäre, sind verzeichnet."
"Warte bitte." Rufus hob die Hand. "Smaragde... Ich erinnere mich daran, etwas gehört zu haben. Alte Fundstätten in den steinigen Wüstentälern nördlich von Berenike?"
"Linien", sagte sie. "Zum Auffinden unvorstellbarer Schätze. Linien wie die einer Hand. Zeig mir deine Hand, Römer." Sie ergriff Rufus' Rechte und beugte sich darüber.
"Die Stätten nördlich von Berenike", sagte er mit belegter Stimme; dabei näherte er den Kopf, berührte mit der Nasenspitze Kleopatras aufgetürmtes Haar und atmete laut ein. Es klang beinahe wie ein Ächzen.
"Linien", murmelte sie. "Gute Linien. Hier, die..."
In diesem Augenblick erschien Arsinoë. Sie blieb im Durchgang zwischen den Räumen stehen, schnalzte, sagte: "Um Vergebung, Herrin", schnalzte abermals und ging wieder hinaus.
Sie würde bezeugen, dachte Kleopatra, daß der Römer sie an der Hand gepackt hatte. Falls es nötig wäre. Oder daß sie und Rufus vorbereitende Berührungen ausgetauscht hatten. Falls das nötig sein sollte.
"Deine Begleiterin", sagte Rufus. Er räusperte sich. "Was..."
"Nur zur Sicherheit." Kleopatra ließ seine Hand los und setzte sich wieder auf den Scherenstuhl.
"Zur Sicherheit?"
"Sie schaut in Abständen nach mir. Um zu sehen, ob ich etwas brauche."
"Ah."
Wenn es je ein zweifelndes Ah gegeben hatte, dachte Kleopatra, dann war es dieses. Sie verkniff sich ein Lächeln.
"Der Weg, sagte ich eben, und Hinweise auf die Schächte sind zweifach verzeichnet."
"Warte bitte. Deine Begleiterin... ach, lassen wir das. Aber die Smaragde bei Berenike." Er kniff die Augen zu Schlitzen und sah sie starr an.
"Was ist damit?"
"Sie gehörten den Königen. Zuletzt der Königin, deren Namen du trägst."
"Und?"
"Wie können sie dann dir oder deiner Familie, deinen Vorfahren gehört haben?"
"Es gibt... Verwandtschaft."
"Bist du mit ihr verwandt?" Nun riß der Römer die Augen weit auf. "Oder erzählst du Lügengeschichten?"
"Die Fürstin lügt nicht", sagte Kleopatra mit harter Stimme. "Willst du die Geschichte hören oder nicht?"
Er nickte wortlos.
Sie erhob sich aus dem beschnitzten Scherensessel und ging zum Fenster. Nicht ganz; nur so weit, daß sie im Schatten stehend, von außen unsichtbar, selbst alles sehen konnte, was auf dem Platz geschah.
Nicht viel, dachte sie. Mit Bedacht hatte sie diese Zeit gewählt, den frühen Nachmittag, da die meisten Leute des Orts sich in den Häusern aufhielten. Der Römer würde bemerkt werden, aber nicht von vielen. Man würde darüber reden - tuscheln, und Getuschel konnte Unwichtiges bedeutend machen.
Thais würde nicht gleich hier sein. Glauke war am Hafen, Arsinoë bei der Gattin des Handelsherrn Baschama, der die wenigsten Vorbehalte gegen Fremde zu haben schien. Thais hatte den Auftrag, sich bei den Frauen der Fischer und Seeleute an der langen nördlichen Bucht umzuhören, ob jemand etwas über Boote wußte, die ins Rote Meer fahren könnten, nach Norden.
"Aber da kommen wir doch her", hatte Thais gesagt.
"Was nicht heißt, daß wir ewig hier bleiben müssen, oder?"
Kleopatra preßte die Lippen aufeinander. Thais und Arsinoë wußten, daß sie weggeschickt worden waren, und sie würden sich wie angewiesen bemühen, früh und überraschend genug zurückzukommen, um zu sehen. Glauke, am Hafen, würde den Römer ohnehin sehen, wenn er das Gasthaus betrat. Ihrem Gesicht war deutlich zu entnehmen gewesen, daß sie sich fragte, für wen die Fürstin mitten am Tag ihre Haare gelegt, gerollt, getürmt haben wollte.
"Für mich", murmelte sie. "Für wen denn sonst?"
Dort kam der Römer. Vor dem Haus der Händler - ah nein, vor dem Tempel des Regengottes blieb er stehen und betrachtete die Rückseite des Gasthauses. Sie war sicher, daß er sie hier oben nicht sehen konnte; dennoch trat sie einen Schritt zurück.
Im Geiste ging sie noch einmal alles durch. Was sie wollte; was sie ihm sagen würde; was sie verschweigen mußte; was sie sich scheinbar widerstrebend würde entlocken lassen...
'Männer sind so leicht zu foppen', sagte sie sich. Aber sie durfte nicht den Fehler machen, diesen Valerius Rufus zu unterschätzen. Er mochte einer Nebenlinie angehören, aber die Valerii waren alt und reich und wichtig. Rufus schien gebildet zu sein, hatte Witz, und kein Präfekt des Reichs schickte einen Trottel an eine so wichtige, wiewohl abgelegene Stelle, wo er mit drei Dutzend Kriegern die Anliegen des Imperiums fördern oder verderben konnte. Kein Trottel; und gewiß kein einfacher Centurio.
Es klopfte an der Holztür, die den vorderen Raum von der düsteren Treppe trennte. Kleopatra schob den Ledervorhang beiseite und rief:
"Wer ist da?"
Die Tür wurde halb geöffnet; der Kopf des Wirts erschien.
"Herrin - ein Römer will dich sprechen."
Kleopatra verbiß sich das Lachen. Der Besitzer des Gasthauses klang beinahe unterwürfig; wie er "Römer" gesagt hatte, hätte er auch "Seeungeheuer" sagen können; außerdem war der Anblick des mit gelbem Tuch umwickelten Kopfs, der in der Türöffnung zu schweben schien, seltsam genug, auch ohne die Hand, die aus dem dunklen Nichts der Treppe kam und im Bart wühlte.
"Zeig ihm den Weg - sei so gut", sagte sie. Dabei dachte sie an ihre Ankunft, vor einem Mond; damals war der Wirt keineswegs unterwürfig gewesen. Er hatte auf die Vorzüge seines Hauses verwiesen, auf das ehrwürdige Alter, auf die Beliebtheit bei weitgereisten Händlern - all dies zweifellos Vorspiel zur Verkündung hoher Preise. Sie hatte eine Goldmünze hochgehalten - einen römischen Aureus - und gesagt, diesen werde sie lieber woanders ausgeben. Ein Haus, das zweihundert Jahre alt sei, könne jederzeit einstürzen, und sie wolle Ruhe, nicht die Gesellschaft zahlloser Inder, Perser und Araber. Das Haus sei durchaus standfest und werde nicht in den Hafen rutschen, hatte er darauf behauptet, und weitgereiste lärmende Gäste gebe es zur Zeit kaum. "Dann", hatte Kleopatra gesagt, "wirst du dich hoffentlich freuen, wenigstens uns zu sehen und uns zwei Räume zu überlassen, für einen Mond, gegen diese Münze."
Nach einigem Gezeter einigten sie sich auf einen Aureus für elf Tage. 'Männer sind so leicht zu foppen', sagte sie sich noch einmal, und sie erinnerte sich mit Vergnügen an das grimmige Gesicht der Frau des Wirts, während sie schon die kräftigen Schritte des Römers im Treppenhaus hörte.
"Rom zu Füßen der edlen Herrin", sagte er, als er eintrat. Statt eines Fußfalls deutete er jedoch lediglich eine Neigung des Kopfs an; eher ein Nicken.
"Rom darf sich aus dieser unbequemen Haltung erheben." Sie wandte sich ab und ging ins andere Zimmer zurück.
Rufus folgte; als er sich dem Scherensessel näherte, in dem sie wieder Platz genommen hatte, sah sie die schnellen Blicke, mit denen er die bunten Wandbehänge, die schweren dunklen Bohlen, die Truhen aus schwarzem Holz musterte. Und das Bett. Auf dem lederbespannten Gestell lagen Decken und Felle; sie lagen nicht sehr ordentlich, weil Kleopatra sie absichtlich zerwühlt hatte.
"Du kannst dich hierhin setzen." Mit dem Fuß wies sie auf einen Schemel. "Oder dorthin" - mit dem Kinn deutete sie auf einen zweiten - "oder auf das Bett."
Rufus lächelte. "Der Krieger, dem eine Fürstin ihr Bett anbietet, sollte den Helm fester schnallen und den Schwertgriff in die Hand nehmen." Ohne sie aus den Augen zu lassen, zog er mit dem rechten Fuß einen der Schemel heran und setzte sich.
"Meine Begleiterinnen sind nicht da, deshalb kann ich dir nichts zu trinken bieten."
"Ich bin gekommen, mich an deinen Worten zu laben." Er stützte die Ellenbogen auf die Oberschenkel und bettete das Kinn auf die verschränkten Finger. "Weshalb hast du mich hergebeten?"
"Zwei Untertanen des Augustus Tiberius, am Ende der Welt gewissermaßen, sollten sich vielleicht verständigen."
"Verständigen?" Diesmal war Rufus' Lächeln schräg. Fast zweideutig. "Wie Edle in der Fremde? Wie Diebe in der Nacht?"
"Sagen wir, wie Edle, die von Räubern zu unterscheiden möglicherweise nicht ganz einfach ist."
Er schwieg ein paar Atemzüge lang. "Worauf läuft das hinaus?" sagte er dann. "Haben wir gemeinsame Ziele?"
Kleopatra unterdrückte jede Regung, die sich auf ihrem Gesicht hätte zeigen können. Triumph, zum Beispiel, weil sie schneller als erwartet - und leichter als erhofft - an diese Stelle gelangt war. Sie senkte den Blick.
"Kann ich mich dir ausliefern?" Sie fand ihre Stimme überzeugend: ein wenig verzagt, dennoch nicht demütig. Die Fürstin, die Hilfe sucht, aber nicht darum bittet.
"Versuch es", sagte Rufus. "Ich kann dir nichts versprechen, außer, in gewisser Menge, Ehrlichkeit."
"Ehrlichkeit und Redlichkeit, Tugenden eines römischen Kriegers?"
"Jemand hat einmal gesagt, Tugend ist nichts, was hemmt, sondern fördert. Fühl dich also gefördert."
Sie tat, als ob sie zögerte; dann holte sie Luft und gab sich einen sichtbaren Ruck. "Nun denn. Ich brauche Hilfe, für die ich vielleicht erst zahlen kann, wenn sie mir geholfen hat, das Ziel zu erreichen."
Rufus lehnte sich ein wenig zurück und verschränkte die Arme.
Sie wartete; als er nichts sagte, sprach sie weiter. "Es gibt etwas, das mir genommen wurde. Ich will es wiederbeschaffen; danach werde ich jede Hilfe belohnen können, die ich erhalten habe, und nie wieder neue Hilfe benötigen."
"Wir sind nicht hergeschickt worden, um verlorene Gegenstände zu suchen", sagte Rufus. "Wir schützen den Frieden des Imperiums. Und den Handel."
"Ich weiß. Aber als ich neulich in eurem Lager war, habe ich etwas gehört. Etwas, das mich auf gemeinsame Ziele hoffen läßt."
"Und zwar?"
"Daß ihr Adane verlassen und nach Norden gehen werdet."
"Ah." Rufus verzog das Gesicht. "Hat da wieder jemand nicht den Mund halten können?"
"Sei ihm nicht böse. Und mir auch nicht." Kleopatra lächelte. "Du weißt, wie schwer es einsamen Kriegern fällt, schönen Frauen gegenüber zu schweigen."
"Hat also jemand einer deiner Begleiterinnen etwas gesagt? Du warst ja die ganze Zeit mit mir zusammen."
"Was sich verlängern und ausschmücken ließe." Eigentlich hatte sie an dieser Stelle den gewaltigen Augenaufschlag vorgesehen, den Großen Blick; sie sagte sich aber, daß Rufus schon ausreichend geködert war und einer Darstellung der Kuhäugigen Aphrodite nicht bedurfte. Vielleicht wüßte er sie auch nicht zu würdigen. Und in dem Spiel von Anziehungen und Abstoßungen, das sie entwarf, durfte sie nichts übertreiben.
"Verlängern und ausschmücken?" Rufus deutete ein schräges Lächeln an, blickte zum Bett, dann wieder in ihr Gesicht. "Sag mir doch einfach, was du willst."
"Das ist nicht einfach. Es ist - mehrfach."
Rufus nickte. "Mehrfach ist immer gut. Sprich."
"Ich will versuchen, es so schlicht wie möglich zu sagen. Ein Teil der Geschichte betrifft den Präfekten von Judäa."
"Pontius Pilatus?" Rufus hob die Brauen. "Was hat er... aber sprich einfach weiter; ich lausche."
"Auf dem Weg von Rom nach Judäa hat er sich eine Weile in Alexandria aufgehalten. Wie du sicher weißt. Dabei haben wir" - sie blinzelte - "angenehme Stunden miteinander verbracht. Im vorletzten Winter kam er von Caesarea aus noch einmal nach Alexandria; so haben wir uns wiedergesehen." Sie machte eine Pause.
Rufus schloß die Augen; mit einer Stimme, die für Kleopatra künstlich gelangweilt klang, sagte er: "Gehört die Wiederholung von Liebschaften zu den Dingen, die ein Centurio zu fördern hat?"
"Hör mich an, dann wirst du wissen, daß es um mehr geht. Viel mehr. Pilatus bat mich, die Ohren offenzuhalten. Falls ich etwas höre, das ihn betreffen könnte, sollte ich es ihm weitergeben. Die Juden von Alexandria sind einflußreich, wie alle wissen, und einige sind im ganzen Imperium bekannt."
"Meinst du Philo?"
"Den auch, aber neben Schreibern und Denkern gibt es andere. Gleichviel; ich habe etwas über eine Verschwörung gehört."
"In Alexandria?"
"Zwischen Jerusalem und Alexandria, gegen Pilatus. Es geht um Tempelgeld und eine Wasserleitung."
Rufus lachte, aber es klang freudlos. "Er hat das Richtige getan, sage ich. Unverzeihliche Blasphemie, sagen die Juden."
Kleopatra hob die Hand. "Ich weiß nicht genug darüber, und vielleicht sollten wir nicht urteilen."
"Nein? Der Präfekt muß urteilen. Jerusalem mit frischem Wasser zu versorgen gehört zu seinen Aufgaben; daß er die Leitung mit dem Geld hat bauen lassen, das Juden aus aller Welt zum Tempel schicken?" Er grinste. "Gerissen von ihm, unverzeihlich in den Augen der Juden. Aber sag, wie willst du, ohne zu urteilen, das Imperium verwalten?"
"Ich will es gar nicht. Dafür seid ihr zuständig."
Er knurrte leise. "Weiter", sagte er dann.
"Als ich diese Dinge hörte, war ich auf dem Weg nach Koptos, zu meinen Besitzungen. Ich bin wohl leichtsinnig gewesen und habe auf dem Nil, auf dem Schiff, ein falsches Wort gesagt. Bevor ich noch an Pilatus hatte schreiben können."
"Derlei kommt vor, sogar bei Fürstinnen."
Sie erzählte weiter, schnell, erfindungsreich und gesammelt: über den römischen Händler, einen 'Neuen Reichen', der seit langem ihre Länder und Häuser begehrt und sich nun mit einem jüdischen Geschäftsfreund zusammengetan habe, um sie zu berauben und zugleich zum Schweigen zu bringen; über bestochene Männer in der Verwaltung des Gaus von Theben; über die hastige Flucht durch die Wüste nach Berenike; über die nahenden Verfolger, vor denen sie sich auf ein auslaufendes Schiff gerettet habe.
"Und nun, da ich höre, daß ihr bald nach Norden geht", sagte sie schließlich, "bitte ich darum, mit euch reisen zu dürfen. Vier Frauen allein, du weißt..."
Rufus nickte. "Ich nehme an, du willst Pilatus warnen und ihn außerdem bitten, dir zu deinen Gütern zu verhelfen?"
"Beides. Und noch etwas."
"Noch mehr? Was denn noch?"
"Der verlorene Gegenstand."
Rufus seufzte.
"Vielleicht kostbarer", sagte Kleopatra langsam, "als all das, was diese beiden Händler mir genommen haben." Sie erhob sich aus dem Scherensessel und ging zum Fenster.
"Löse das Rätsel und meine Spannung, Herrin." Aber seine Stimme, fand sie, klang keineswegs gespannt.
Arsinoë stand vor dem Tempel des Regengottes und schien zwei Männer zu beobachten, die sich mit einem störrischen Esel abmühten. Als Kleopatra eine Hand auf den Sims legte, nickte Arsinoë und setzte sich mit kleinen Schritten in Bewegung. Kleopatra wandte sich um und ging zu dem Römer.
"Kostbarer", sagte sie leise, mit belegter Stimme, "als Gold oder teure Salben." Dabei bewegte sie sich so, daß der Duft ihres Körpers Rufus erreichen mußte.
Er hob die Hand; einen Augenblick dachte sie, er werde gleich den Arm um ihre Hüfte legen.
"Kostbarer Duft, fürwahr", sagte er. "Erzähl mir von dem Gegenstand." Er blickte zu ihr auf und kratzte sich im Nacken.
"Eine Fundstätte. Smaragde."
Rufus pfiff leise. "Was ist damit? Wie kann eine Fundstätte von Smaragden verlorengehen?"
"Sie befindet sich in einem Felsental, in der Wüste. Als die Römer... als Augustus Ägypten eroberte, wurden alle Zugänge verschlossen, die Schächte zugeschüttet. Der Weg und ein paar Hinweise darauf, wie alles wieder zu öffnen wäre, sind verzeichnet."
"Warte bitte." Rufus hob die Hand. "Smaragde... Ich erinnere mich daran, etwas gehört zu haben. Alte Fundstätten in den steinigen Wüstentälern nördlich von Berenike?"
"Linien", sagte sie. "Zum Auffinden unvorstellbarer Schätze. Linien wie die einer Hand. Zeig mir deine Hand, Römer." Sie ergriff Rufus' Rechte und beugte sich darüber.
"Die Stätten nördlich von Berenike", sagte er mit belegter Stimme; dabei näherte er den Kopf, berührte mit der Nasenspitze Kleopatras aufgetürmtes Haar und atmete laut ein. Es klang beinahe wie ein Ächzen.
"Linien", murmelte sie. "Gute Linien. Hier, die..."
In diesem Augenblick erschien Arsinoë. Sie blieb im Durchgang zwischen den Räumen stehen, schnalzte, sagte: "Um Vergebung, Herrin", schnalzte abermals und ging wieder hinaus.
Sie würde bezeugen, dachte Kleopatra, daß der Römer sie an der Hand gepackt hatte. Falls es nötig wäre. Oder daß sie und Rufus vorbereitende Berührungen ausgetauscht hatten. Falls das nötig sein sollte.
"Deine Begleiterin", sagte Rufus. Er räusperte sich. "Was..."
"Nur zur Sicherheit." Kleopatra ließ seine Hand los und setzte sich wieder auf den Scherenstuhl.
"Zur Sicherheit?"
"Sie schaut in Abständen nach mir. Um zu sehen, ob ich etwas brauche."
"Ah."
Wenn es je ein zweifelndes Ah gegeben hatte, dachte Kleopatra, dann war es dieses. Sie verkniff sich ein Lächeln.
"Der Weg, sagte ich eben, und Hinweise auf die Schächte sind zweifach verzeichnet."
"Warte bitte. Deine Begleiterin... ach, lassen wir das. Aber die Smaragde bei Berenike." Er kniff die Augen zu Schlitzen und sah sie starr an.
"Was ist damit?"
"Sie gehörten den Königen. Zuletzt der Königin, deren Namen du trägst."
"Und?"
"Wie können sie dann dir oder deiner Familie, deinen Vorfahren gehört haben?"
"Es gibt... Verwandtschaft."
"Bist du mit ihr verwandt?" Nun riß der Römer die Augen weit auf. "Oder erzählst du Lügengeschichten?"
"Die Fürstin lügt nicht", sagte Kleopatra mit harter Stimme. "Willst du die Geschichte hören oder nicht?"
Er nickte wortlos.
... weniger
Autoren-Porträt von Gisbert Haefs
Gisbert Haefs, geb. 1950 in Wachtendonk am Niederrhein, lebt und schreibt in Bonn. Als Übersetzer und Herausgeber ist er unter anderem für die neuen Werkausgaben von Ambrose Bierce, Rudyard Kipling und Jorge Luis Borges zuständig. Zu eigenem schriftstellerischen Erfolg gelangte er nicht nur durch seine Kriminalromane, sondern auch durch seine farbenprächtigen historischen Werke 'Hannibal', 'Alexander' und 'Troja'. Mit 'Raja' hat Gisbert Haefs ein grandioses Werk vorgelegt, das einmal mehr seinen Ruf als Meister des historischen Romans bestätigt.
Bibliographische Angaben
- Autor: Gisbert Haefs
- 2004, 411 Seiten, 2 Abbildungen, Maße: 13,5 x 21,5 cm, Gebunden, Deutsch
- Verlag: BTB
- ISBN-10: 3442751012
- ISBN-13: 9783442751013
Rezension zu „Die Geliebte des Pilatus “
"Gisbert Haefs' Werke bieten eine rechte Labsal auf der Wanderung durch die Bücherberge historischer Romane. Also bitte, nickt man anerkennend, das kann man mit dem Genre also auch anstellen." (Die Zeit)"Gisbert Haefs schreibt originell, dynamisch und frei von Klischees. Seine Dialoge sind meisterhaft, die Beschreibungen präzise und lyrisch, der Handlungsfaden ist stets fest in der Hand des Verfassers. Die Plots sind überlegt gewählt. ,Raja' ist spannend, präzise, witzig, grausam und schlicht und einfach gut geschrieben. Es ist Literatur. Ein Roman, den man mit Wonne liest und den man wiederlesen wird." (Kölner Stadt-Anzeiger)
",Raja' ist ein klassischer Abenteuerroman, gut geschrieben, spannend und lehrreich. Und bis zum Schluss bunt und aufregend." (Westfalenpost)
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