Die Geliebte des Tuchmachers
Ein farbenprächtiger historischer Roman um eine leidenschaftliche Liebe.
Die Geliebte des Tuchmachers von Annie Degroote
LESEPROBE
Lille, dieHauptstadt von Flandern, 1729: Guillaume Tresnel istein
weit überdie Grenzen Flanderns bekannter Tuchmacher, reich geworden
durch denHandel mit edler Seide und feinster Spitze, und ein europäischer
Geist, derseiner Zeit weit voraus war - ein Mann, der von seinesgleichen
sowohlbeneidet wie gefürchtet wird. Dennoch wird er seines Lebens
nicht rechtfroh, denn er hütet ein dunkles Geheimnis: Mia, eine anmutige
Spitzenklöpplerinaus Valenciennes, die er leidenschaftlich geliebt
hat,verließ er einst ohne ein Wort des Abschieds. Er wollte seine
Frau undseinen Schwiegervater, einen mächtigen venezianischen Tuchhändler,
nichtkompromittieren. Viel ist seither geschehen, doch Mia konnte
derTuchhändler niemals vergessen. Da taucht eines Tages der 16-jährige
WaisenjungeDenis auf, und mit ihm verändert sich Guillaumes Leben.
Der Jungegefällt ihm, ist er doch ganz anders als sein leichtlebiger
Sohn Gauthier. Guillaume besorgt Denis eine Lehrstelle und willseinem
neuenSchützling all das weitergeben, womit er Gauthiernicht erreichen
kann. IndemGuillaumes Lebensgeister wieder voll erwachen, regt sich
auch dieErinnerung an die Zeit, in der er einmal vollkommen glücklich
war. Und erfasst den Entschluss, das Unrecht, das er an Mia begangen
hat, wiedergutzumachen und seine schöne Spitzenklöpplerin zu suchen
Es gibtTage, die ein ganzes Leben verändern. Diese Erfahrung sollte
auchGuillaume Tresnel machen.
Es war eineZeit der Freudenfeste. Seit Donnerstag, dem 29. September
1729,feierte Lille die Geburt des Dauphins mit einer in der eleganten
flämischenHauptstadt bis dahin nie gesehenen Pracht. Für Guillaume
war esgleichzeitig der Beginn eines ereignisreichen Jahres, doch
davon ahnteder reiche Tuchhändler noch nichts. Er war achtunddreißig
Jahre alt,und trotz seines hohen Ansehens und seines attraktiven
Äußerenbewegte er sich einsam durch die ausgelassene Menge.
Deramtierende Gouverneur, der Herzog von Boufflers, warmit seinem
Gefolge indie Stadt gekommen. Er nahm sein Ehrenamt sehr ernst, obwohl
ihn dasHofleben in zunehmendem Maße aus der Provinz im Norden fern
hielt. Derjunge Statthalter von König Ludwig XV. hatte großen Eindruck
auf die Bevölkerunggemacht, als er sich, umringt von sieben Lakaien
inprächtiger Livree, in seinem Prunkwagen zum Tedeum begeben hatte.
»Es lebeder Dauphin!«, hallte es schon seit vier Tagen durch die
Straßen,und die Einwohner von Lille verliehen ihrer Freude durch
nicht endenwollenden Beifall Ausdruck.
Dieholländische Besatzung hatte furchtbare Auswirkungen auf die
Regiongehabt: hohe Steuern, geplünderte Dörfer, eine Flut fremder
Nahrungsmittel,bittere Armut Doch nun schienen die Kriegsjahre endlich
weit hinterihnen zu liegen.
Anlässlichdieser Feiern hatten die Ratsmitglieder Unsummen ausgegeben
und allePrivatleute gedrängt, es ihnen gleichzutun, woraufhin diese
mitbemalter Leinwand bespannte Holzrahmen errichtet, Girlanden und
Lichterkettenaufgehängt und die Fassaden ihrer Häuser hell erleuchtet
hatten.
DieRatsherren, die beim glanzvollen Umzug einen Ehrenplatz einnahmen,
verschobendie ärgerlichen Fragen nach der Finanzierung des Ganzen
auf später.Sie hatten horrende Beträge für das Bankett, die Speisung
derSoldaten, der Armen und der Waisen der Stadt sowie für den Schmuck
deröffentlichen Gebäude aufgewandt. Im Auftrag der Maler und Architekten
hattenzahllose Handwerker zarte, mit Delfinen* verzierte Holzrahmen
entworfen.Aus Springbrunnen sprudelte Wein für das Volk, das den
königlichenTrunk mit dem Mund oder im Hut auffing.
Überallwurde geschlemmt, auf der Straße, vor den Häusern und sogar
in denHospitälern.
An diesemAbend hatten sich alle Honoratioren, Offiziere, Adligen
und Bürgervon Lille, und nicht zu vergessen die unzähligen Sekretäre,
dieStadtbüttel, die Vertreter des Intendanten und all die anderen
vom Königmit Geldgeschenken reich bedachten Amtspersonen, glücklich
über dieseextravagante Veranstaltung, zum Maskenball versammelt.
Es war einlanger Weg, den Guillaume Tresnel in zwanzig Jahrenzurückgelegt
hatte!
Einunglaublicher Aufstieg lag hinter ihm, seit er als junger Tuchmacherlehrling
mitachtzehn Jahren die Werkstatt seines Vaters übernommen hatte.
Ein Aufstieg,der seinen Anfang in der ehrenamtlichen Funktion eines
Kirchenpflegersgenommen hatte, der für den Unterhalt der Kirchen
verantwortlichwar. Damals hätte er, in seinen granatroten Mantel
gekleidet,die Glocken der einzelnen Pfarrkirchen eine Stunde lang
läutenlassen, um die Festlichkeiten einzuleiten.
Um dieTuchmacherwerkstatt seiner Familie nach Kriegen und Besatzung
vor demsicheren Ruin zu retten, hatte Guillaume einst den Einstieg
in denHandel gewagt. Damit hatte er sich die Verachtung seiner beiden
älterenBrüder zugezogen, die den Stand eines Woll- und Leinwebermeisters
als sehrviel ehrenwerter ansahen als den eines Händlers. Er erweiterte
seineAktivitäten auf den Handel mit Spitze und gewann eine beachtliche
Kundschaftunter den Adligen, bei denen Verzierungen und Borten aus
diesemedlen Material sehr begehrt waren. Er ermöglichte es seinen
Brüdern,ihre Stoffe ins Ausland zu vertreiben, und von da an kritisierten
ihn Morin und Mathias nicht mehr länger. Sie waren von ihmabhängig
und verkauftenihre Waren ausschließlich über ihn.
Doch ohnedie entsprechenden Verbindungen konnte man unmöglich so
reichwerden, und hätte Guillaume nicht einen einflussreichen Förderer
gefunden,wäre dieser Erfolg niemals zustande gekommen.
HochwertigeWolltuche waren in Italien immer noch sehr gefragt. So
lernte erGiorgio Corbella kennen. Und durch die Heirat mit derwunderschönen
Tochterdieses venezianischen Kaufmanns, eines wahren Seidenprinzen,
wurde seinAufstieg noch beschleunigt.
Es war einschwieriger Markt, denn die Genuesen hatten das Monopol
aufsizilianische Seide inne. Aber Giorgio stammte aus Sizilien, und
er warnicht nur ein brillanter und kluger Geschäftsmann, sondern
verfügteauch über beste Beziehungen. Guillaume liebte den Vater vor
derTochter, und dieser entwickelte eine zärtliche Zuneigung zu dem
jungenMann. Er öffnete ihm die Tür zur weiten Welt, führte ihn in
den Handelein und wurde in gewisser Hinsicht zu seinem geistigen
Vater.
»Ich habekeinen Sohn, was hältst du davon, wenn wir uns zusammentun?
Ich bietedir die finanziellen Mittel, und du bringst deine Talente
ein.«
Von seinenTalenten wusste Guillaume noch nichts, aber er arbeitete
gerne undführte seine Geschäftsbücher stets gewissenhaft. Er machte
raschFortschritte, heiratete und arbeitete von da an im Familiengeschäft.
Zusammenmit diesem dynamischen Mann reiste er durch ganz Europa,
ging diegrößten Risiken ein und wurde mit der Zeit immer wohlhabender.
Bald nahmman ihn in die Kaufmannsgilde auf. Giorgio sicherte ihm
Schutz,Respekt und materielle Privilegien. Unter seiner Anleitung
entwickelteer ein freieres Denken, und der Graben zwischen den Gebrüdern
Tresnelvertiefte sich.
Guillaumeversuchte, sich mit ihnen zu verbünden, doch sie stumpften
in ihrenBerufen ab und ergaben sich in ihr Schicksal. Bei den ersten
Anzeichendafür, dass das traditionelle Tuchmacherhandwerk allmählich
unterzugehendrohte, hatte sich Morin als Sayettweberniedergelassen.
Bei derHerstellung von Sayette, einem Stoff aus reinerentfetteter
Wolle, wares verboten, Hanf oder andere Garne einzuarbeiten. Mathias
hingegenhatte sich auf die so genannte Bourgeterie verlegt,bei der
Wolle undLeinen verarbeitet wurden, aber auch Seiden-, Silber- oder
Goldfäden.Diese beiden Zünfte, die lebendigsten Weberzünfte in Flandern,
warenerbitterte Rivalen und stritten unentwegt über die schwer zu
bestimmendenGrenzen ihrer jeweiligen Bereiche.
Heute nungehörte Guillaume jener neuen Gattung von Männern an, denen
es nach 1713gelungen war, das Tuchmacherhandwerk wieder aufzurichten,
dem Handelfrische Hoffnung einzuflößen und Lille einen Anflug von
Wohlstandzu schenken, über dem die Stadt nach und nach die dunklen
Jahrevergaß, die hinter ihr lagen.
Gedankenverlorenwanderte er, vom Licht der Fackeln und Kerzenleuchter,
vom Duftder Parfüms und von den hellen Stimmen der Instrumente umhüllt,
durch diezahllosen Masken und Perücken, die den Reichtum der Barbiere
sicherten.Die Freude an der Verkleidung griff allmählich auch auf
die Provinzüber. Die Roben aus geblümtem Brokat, deren Oberkleid
in reichem,von den Schultern ausgehendem Faltenwurf herabfiel -eine
Mode, dienoch aus der Zeit der Régence stammte -, erinnertenihn
an seineverstorbene Frau und ihre nächtlichen Feste.
Großgewachsene Bürgersfrauen hatten ihre strenge Garderobe abgelegt
undkleideten sich nun in die neuen hellen Roben mit Volantbesatz
oderReifröcken. Stolz präsentierten sie ihre Spitzen und ihre mit
Edelsteinenverzierten Falbeln, wie man sie an den kleinen französischen
Modepuppen,die in ganz Europa beliebt waren, bewundern konnte. In
ihren weichfließenden Stoffen wirkten diese Frauen überaus anmutig.
Siemusterten einander mit kritischen Blicken, wenn sie mit einem
seidigenRauschen vorüberschwebten. Mit offenkundiger Freude wirbelten
sieleichtfüßig im Kreis herum, und zweifellos hatten kunstfertige
Tanzlehrereinen großen Anteil an ihren grazilen Bewegungen. Es war
einFeuerwerk der künstlichen Schönheit, der aufgepolstertenHüften
und des trügerischenScheins, aber von ausgesuchter und raffinierter
Eleganz.
© Blanvalet Verlag
Übersetzung:Nathalie Lemmens
Autoren-Porträt vonAnnie Degroote
Annie Degroote, geboren im flandrischen Hazebrouck,erzählt in ihren historischen Romanen, die vielfach preisgekrönt sind,spannende Geschichten um Familiengeheimnisse, Abenteuer und Liebe, eingebettetin ein farbenprächtiges Bild ihrer Heimat Flandern.
- Autor: Annie Degroote
- 2004, Maße: 11,6 x 18,5 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Verlag: Blanvalet
- ISBN-10: 3442361265
- ISBN-13: 9783442361267
(Femme actuelle)
"Man weiß nie, ob die Liebe ihr letztes Wort gesprochen hat ... Degroote ist wieder eine überzeugende Mischung aus einem farbenprächtigen Fresko Flanderns im 18. Jahrhundert und einem bewegenden Liebesroman gelungen!"
(L'éclaireur)
"Es ist wunderbar, sich in den Geschichten zu verlieren, die Annie Degroote erfindet, in den historischen Epochen, die sie meisterhaft zum Leben erweckt. Leidenschaftlich dank einer subtil aufgebauten Spannung, ist dieser Roman voller wahrer Gefühle und glaubwürdiger Personen ein reines Lesevergnügen."
(Vers l'avenir)
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