Die Glasbläserin von Murano
Venezianisches Glas: kostbar wie Gold. Um das Geheimnis seiner Herstellung zu wahren, verbannte der Rat der Stadt die Glasbläser auf die streng abgeschirmte Insel Murano. Als Corradino Manin, der berühmteste der Glaskünstler, 1661 einen Fluchtversuch...
Venezianisches Glas: kostbar wie Gold. Um das Geheimnis seiner Herstellung zu wahren, verbannte der Rat der Stadt die Glasbläser auf die streng abgeschirmte Insel Murano. Als Corradino Manin, der berühmteste der Glaskünstler, 1661 einen Fluchtversuch wagt, bringt er nicht nur sich selbst in Gefahr, sondern auch die, die er liebt.
Fast vierhundert Jahre später stößt die junge Leonora Manin auf das Erbe ihrer Familie. Sie ahnt nicht, wie eng die Vergangenheit mit ihrer eigenen Zukunft verknüpft ist, wie sehr ihr eigenes Glück von Corradinos Schicksal abhängt.
Ein Herz aus Glas.
Eine Liebe, die Jahrhunderte überdauert.
Venezianisches Glas: kostbar wie Gold. Um das Geheimnis seiner Herstellung zu wahren, verbannte der Rat der Stadt die Glasbläser auf die streng abgeschirmte Insel Murano. Als Corradino Manin, der berühmteste der Glaskünstler, 1661 einen Fluchtversuch wagt, bringt er nicht nur sich selbst in Gefahr, sondern auch die, die er liebt.
Fast vierhundert Jahre später stößt die junge Leonora Manin auf das Erbe ihrer Familie. Sie ahnt nicht, wie eng die Vergangenheit mit ihrer eigenen Zukunft verknüpft ist, wie sehr ihr eigenes Glück von Corradinos Schicksal abhängt ...
Die Glasbläserin von Muranovon Marina Fiorato
LESEPROBE
Das Buch
Corradino Maninwarf einen letzten Blick auf die Lichter von San Marco. Von der Lagune auswirkten sie im samtenen Dunkel der Abenddämmerung wie goldene Sterne amFirmament. Viele der Fensterscheiben, die Venedig wie kostbare Juwelenschmückten, hatte er mit seinen eigenen Händen geschaffen, und nun leiteten sieihn auf dein letzten Stück des Lebensweges. Seinem Wegnach Hause.
Als das Schiff auf den Campo San Zaccaria zusteuerte, vergaß er zum ersten Mal, sichauszumalen, wie man diesen Anblick in ein Glaskunstwerk im pulegoso-Stilmit eingeschlossenen Luftbläschen, Blattgold und Lapislazuli umsetzen könnte.Der Gedanke, dass er das geliebte Bild wohl nie wieder sehen würde, nahm ihngefangen. Einer Galionsfigur gleich stand er im Bug und sah nach links auf diegewaltige Masse der Santa Maria della Salute, die,von einer weißen Kuppel gekrönt, durch das Dunkel leuchtete. Der Grundstein fürdie große Kirche war in Corradinos Geburtsjahr 1631gelegt worden, zum Dank an die Heilige Jungfrau, die die Stadt von der Pest befreithatte. Seine ganze Kindheit und Jugend hindurch war das Bauwerk emporgewachsen,und nun, im Jahre seines Todes, war es noch immer nicht ganz vollendet. Erhatte den prachtvollen Anblick selten bei Tageslicht genießen können, und auchjetzt war keine Zeit dafür. Als er den Canal Grandeüberquerte, vernahm er den müden Ruf eines Fährmanns auf der Suche nach Fahrgästenfür sein traghetto. Das schwarze Booterinnerte ihn an eine Trauergondel. Corradinoerschauerte. Sollte er seine weiße bauta-Maskeabnehmen, sobald er den Fuß ans Ufer gesetzt hatte? Es war schließlich einmagischer Augenblick, und es wäre eine große Geste, passend zu seiner Heimkehrzur Serenissima.
Nein, eines muss ich noch erledigen,bevor sie mich finden.
Am Ufer legte er sich zum Schutzgegen den feuchten Abendnebel den schwarzen Umhang um und schritt, das Gesichtunter dem Dreispitz und der Bauta verborgen, querüber die Piazzetta. In seinem traditionellen tabaro-Kostüm, schwarz von Kopf bis Fuß bis auf dieweiße Maske, würde er wohl lange genug unerkannt bleiben, um sein Vorhabenauszuführen. Die Bauta war eine geisterhaft wirkendeMaske, die wie die Schaufel eines Totengräbers geformt war. Sie hatte einekurze Nase und ein langes Kinn, die den Klang der Stimme unheimlich verzerrten.Kein Wunder, dachte Corradino, dass ihr Name von baubau abgeleitet wird, dem »bösen Tier», mitdein Eltern ihren ungezogenen Kindern drohten.
Rasch ging er zwischen den beidenSäulen von San Marco und San Teodoro hindurch, dieweiß und ebenmäßig in den Abendhimmel ragten. Der Heilige und die Schimäre,die auf ihnen thronten, verloren sich in der Dunkelheit. Er lief schneller,denn seinem tiefverwurzelten Aberglauben nachbrachte es Unglück, sich längere Zeit hier aufzuhalten. Es war der Ort, an demdie Verbrecher hingerichtet wurden - man hängte sie entweder an den Säulen aufoder begrub sie lebendig an deren Fuße. Unwillkürlich schlug Corradino das Kreuzzeichen und musste gleich darauf übersich selbst lachen. Wie hätte er noch mehr Unglück auf sich laden können, alser ohnehin schon hatte? Er beschleunigte seinen Schritt.
Doch, ein Unglück gäbe es noch, dasmich gänzlich vernichten könnte: Wenn ich es nicht schaffe, meine letzteAufgabe zu erfüllen.
Corradino trat auf die Piazza San Marco.Alles, was ihm einst lieb und vertraut gewesen war, hatte jetzt fremde,geradezu unheimliche Züge angenommen. Im hellen Licht des Mondes wirkte derSchatten des Campanile bedrohlich - wie ein schwarzes Messer, das bereit war,auf sein Opfer niederzufahren. Aufgeschreckte Tauben umflatterten Corradinos Kopf wie böse Geister. Endlose Reihen dunklerBogengänge, die sich rings um die Piazza zogen - wer konnte schon sagen, was inihren Schatten lauerte? Durch das große, offene Portal warf Corradinoeinen Blick in das vorn Kerzenglanz erhellte Gewölbe der Basilicadi San Marco. Eine Insel aus Licht inmitten einer finsteren Welt - für einenkurzen Augenblick hob sich seine Stimmung bei dieser) Anblick.
Vielleicht ist es doch noch nicht zuspät, um sich in dieses Gotteshaus zu flüchten? Vielleicht gewähren mir diePriester noch Gnade und Zuflucht.
Vergehens. Diejenigen, die ihnjagten, hatten auch den edelsteinbesetzten Schrein bezahlt, der die Knochenvon Venedigs Schätzheiliger) barg. Sie hatten die unermesslich kostbaren, glitzerndenMosaiken gestiftet, die die Wände der Kirche zierten und in denen sich jetzt.das Kerzenlicht spiegelte. Dort gab es für Corradinokeine Zuflucht., keinen Schutz. Und keine Gnade.
Er eilte an der Basilika vorbeidurch den Bogen des Torre dell'Orologio undgestattete sich lediglich einen kurzen Blick auf die riesige Uhr. An diesemAbend schienen die Phantasiegeschöpfe des Tierkreises in einem feierlichenReigen über das Zifferblatt zu wandern, einem Totentanz gleich. Aber Abschiedzu nehmen quälte ihn nur, also richtete er den Blick schließlich fest auf dasStraßenpflaster. Doch auch das linderte seinen Schmerz nicht, denn plötzlichkamen ihm die schönen tessere-Glasarbeiten in denSinn, die er so oft verfertigt hatte. Dabei mussten unregelmäßig geformte, vielfarbigeGlasbröckchen erhitzt und miteinander verschmolzen werden, bevor man aus derMasse ein herrliches Gefäß blasen konnte, zart und bunt wie die Flügel einesSchmetterlings.
Ich weiß, ich werde niemals wieder Glasberühren.
Als er die Merceriadell'Orologio erreichte, bauten die Markthändlergerade ihre Stände ab. Corradino kam bei einemGlashändler vorbei, der seine Waren wie Kleinodien auf weichen Kissenaufgebahrt hatte. Vor Corradinos innerem Augebegannen die Pokale und Glasperlen rosig zu glühen, und er sah, wie sich imFeuer ihre Formen auflösten. Er glaubte, wieder die Hitze des Ofens zu spürenund den Geruch nach Schwefel und Quarzsand einzuatmen. Seit seiner Kindheitverband er mit brennendem Glas ein Gefühl von Geborgenheit. Jetzt jedocherschienen ihm die heißen Werkstätten voller Schwefelqualm wie die Vorbotender Hölle. Und war das nicht der richtige Ort für einen Verräter? Für den FlorentinerDante bestand daran kein Zweifel. Würde er, Corradino,ebenso wie Brutus und Cassiusund Judas von Luzifer verschlungen werden? Würden sich die Tränen des Teufelsauch mit Corradinos Blut mischen, während sein Körperentzweigerissen wurde? Vielleicht würde er, Corradino,aber auch - wie es die verdienten, die ihre Familien verraten hatten - für alleEwigkeit in einem See eingeschlossen werden, der durch den Frost nicht mehr ausWasser, sondern aus undurchdringlichem Glas zu bestehen schien - «un lago ehe per gelo avera di vetroe non d'acqua sembiante ...»Corradino lächelte beinahe, als er sich an die Wortedes Dichters erinnerte. Ja, das wäre eine durchaus passende Strafe; Glas warsein Leben gewesen, warum sollte es nicht auch sein Tod sein?
Nicht, wenn ich noch dieses Letztetue. Nicht, wenn ich mich von meinen Sünden befreien kann.
Unvermittelt bog er vom Weg ab undschritt eilig über schmale Brücken und durch gewundene, callegenannte Gässchen zurück zur Riva degli Schiavoni. Hier und da branntenKerzen in den Heiligennischen und erhellten mit ihrem Glanz das Gesicht derJungfrau Maria.
Ich wage es nicht, ihr ins Antlitzzu schauen, noch nicht.
Endlich erblickte er den warmenLichtschein, der aus dem Waisenhaus Ospedale della Pietà fiel, und hörte den leisen Klang der Violen,der aus dem Inneren drang.
Vielleicht ist sie es, die da spielt- ich wünschte, es wäre so, aber ich werde es nie erfahren.
Er ging an einem vergittertenFenster vorüber, ohne einen Blick hineinzuwerfen, und schlug an die Tür. Als dieMagd mit einer Kerze erschien, raunte er ihr, ehe sie fragen konnte, «Padre Tommaso - subito!»zu. Er kannte die Magd - ein mürrisches Frauenzimmer, das sich gern sturstellte -, doch heute Abend klang seine Stimme so eindringlich, dass sie sichauf dem Absatz umdrehte und davoneilte, um den Priester zu holen.
«Signore?»
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© Rowohlt Verlag
Übersetzung: Carola Kasperek
- Autor: Marina Fiorato
- 2007, 1, 320 Seiten, Maße: 11,4 x 18,9 cm, Taschenbuch, Deutsch
- Übersetzer: Carola Kasperek
- Verlag: Rowohlt TB.
- ISBN-10: 3499244004
- ISBN-13: 9783499244001
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